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Wochenblatt für Erscheint wöchentlich 8 Mat (Dienstag und Freitag) Abonncmentspreis vierteljährlich 1 Mark Line einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag). Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn nnd die Umgegenden für die König!. Amtshanptmannschast zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Achtund-reißigster Jahrgang. Nr 94 ' Menstag, den 26. Iovemöer 1878. Verpachtnug. Die an der Nossener Straße rechts gelegenen Communparzellen und die sogenannte Triebe, sowie die Parzellen am Pichschuppen, die Grasnutznng zwischen der Gründcheubrücke und dem Grützschel'schen Grundstücke, der Kosinsky'sche und der früher Schnec'sche Garten sollen nächsten Montag, den 2. December ds. IS., Vormittags 10 Uhr im Rathssessivnszimmer anderweit auf sechs hintereinander folgende Jahre verpachtet werden. Wilsdruff, am 25. November 1878. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Tagesgcschichte. Bon Anfang des künftigen Jahres ab bedürfen nach der neuen Gewerbeordnung alle Arbeiter und Arbeiterinnen unter 21 Jahren eines Arbeitsbuches, und zwar von dem Augenblicke an, wo sie aus der Volksschule entlassen sind. Ob die Arbeiter ausdrücklich als „Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge oder Fabrik arbeiter" angenommen sind, oder nur thatsächlich als solche beschäftigt werden, ob sie von Handwerkern oder von größeren Gewerbeuuternehmern angenommen sind, ob sie in deren Behausung, ob sie in Werkstubcn, Werkstätten, in Fabriken, ini Freien, insbesondere auch auf Bauplätzen und bei Bauten arbeiten, ist gleich. Von der Ver pflichtung zur Führung eines Arbeitsbuches sind ausdrücklich entbunden: 1. Fabrik arbeiter unter 14 Jahren, welche nach Bestimmung des Gesetzes eine Arbeitskarte zu sühren haben; 2. Gehülfen und Lehrlinge in Apotheken und Handelsgeschäften. Zu den gewerblichen Arbeitern im Sinne des Gesetzes sind unter Anderem nicht zu rechnen und zur Führung eines Arbeitsbuches nicht, verpflichtet: 1. Kinder, welche bei ihren Eltern und (für diese und zwar nicht auf Grund eines Arbeitsvertrages) mit gewerblichen Arbeiten beschäftigt sind; 2. Personen, welche im Gesindeverhältniß stehen; 3. die mit gewöhnlichen auch außerhalb des Gewerbes vorkommenden Arbeiten beschäftigten Tagelöhner und Handarbeiter; 4. Personen, die in der Stellung von Angestellten (Geschäftsführer, Buchführer, Werkmeister und dergl.) in gewerblichen Betrieben beschäftigt werden. Für Arbeiter über 21 Jahre Arbeitsbücher einzuführen, welche von der Behörde gegen eine Gebühr zu beziehen sind, ist erlaubt; doch kann dies nur entweder auf Wunsch des betr. Arbeiters geschehen oder auch durch eine Uebereinkunft der Arbeitgeber, welche sich dann gegenseitig verpflichten müßten, keinen Arbeiter ohne Arbeitsbuch zu beschäftigen. Für die großjährigen Arbeiter besteht in dessen keine Verpflichtung, dieses Buches auch weiter zu sühren. Vom l.Jan. 1879 müssen auch diejenigen gewerblichen Arbeiter unter 21 Jahren, welche schon vorher in Arbeit gestanden haben, im Besitze eines Arbeitsbuches sein; jede Zuwiderhandlung wird mit Geldstrafe bis zu 20 M. und im Uuvermögensfalle mit Haft bis zu 3 Tagen bestraft. Die Ausstellung erfolgt kosten- und stempelfrei durch die Ortspolizei behörde. Nur für die Ausstellung eines neuen an Stelle eines unbrauchbar ge wordenen, verloren gegangenen oder vernichteten Arbeitsbuches kann eine Gebühr bis zum Beträge von 50 Pf. erhoben werden. Der Arbeitgeber hat bei Annahme eines Arbeiters dessen Arbeitsbuch einzufordern, dasselbe zu verwahren, auf amtliches Verlangen dem Fabrikiuspector oder der Polizeibehörde vorzulegen und es nach recht mäßiger Lösung des Arbeitsverhältnisses seinem Besitzer wieder auszuhändigen. Die Ausstellung des Arbeitsbuches erfolgt durch die Ortspolizeibehörde desjenigen Ortes, an welchem der Arbeiter zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat und zwar auf Antrag oder mit Zustimmung des Vaters oder Vormundes. Wie die „Parole", die amtliche Zeitung des deutschen Krieger bundes meldet, wird der mehrfach angekündigte Abgeordnetentag sämmtticher deutscher Kriegervereine behufs Gründung eines allge meinen deutschen Kriegerverbandes wahrscheinlich am 15. Dec. in Frankfurt a. M. unter Vorsitz des Generals v. Glümer statlfinden. Die Bayern haben sich, wie immer, ausgeschlossen. Dennoch hat man sichere Nachrichten, daß der Kaiser das erbetene Protectorat über die große Vereinigung annehmen wird. Am denkwürdigen 18. Jan. hofft man die Thatsache der Vereinigung und der Uebernahme des Pro- tectorates durch Se. Mas. proclamiren zu können. Der Ordnung wird damit eine Armee von mindestens 250,000 gedienter Krieger im Bürgerrock gewonnen sein. Gegen die Verbreitung unsittlicher Schriften und Bilder wird gegenwärtig seitens der Behörde sehr strenge vorgegangen. Vor kurzer Zeit wurden in Berlin zwei Buchhändler, bei denen ein sehr großer Vorrath derartiger Machwerke mit Beschlag belegt worden, verhaftet. Neuerdings ist nun auch der Kommis des eineu derselben in Haft genommen worden. Die französische Regierung hat verschiedenen deutschen Künst lern und Beamten anläßlich der Weltausstellung den Orden der Ehrenlegion verliehen. Es ist eine von allen Criminalisten anerkannte Thatsache, daß große Verbrechen rasche Nachahmung finden; sie wirken an steckend wie Fieber und Seuchen. Das Verbrechen jenes Thomas, der den Massenmord in Bremen auf seinem Gewissen hatte, hat eine Reihe ähnlicher Unthaten hervorgerufen. Der Mörder Fracesconi in Wien, der einen Briefträger meuchelte, hat in Berlin einen blutigen Nachahmer gefunden. Seit Hödel's Attentat tauchen an allen Enden Menschen auf, die ohne persönliche Anlässe den Trägern der Kronen auflauern und sie aus der Welt zu schaffen suchen. In diesem Jahre sind die Attentate auf gekrönte Häupter einander furchtbar rasch ge folgt. Am 11. Mai schoß der Klempnergeselle Max Hödel auf den Kaiser Wilhelm; drei Wochen später verwundete Or. Nobiling den vorüberfahrenden Kaiser durch Schüsse aus seiner Schrotflinte. Am 6. October schoß der Böttchergeselle Moucasi auf König Alfons von Spanien. Am 17. Novbr. verwundete der Koch Paffavante den König Humbert in Neapel. Von diesen vier Attentaten geschahen drei mit der Schußwaffe, das auf König Humbert mit dem in Italien landes üblichen Dolch. Seit dem ersten Drittel dieses Jahrhunderts wurden 31 Attentate auf gekrönte Häupter und Präsidenten von Republiken verübt. In zwei Fällen (Lincoln, Herzog von Parma) führte das Attentat den Tod des Angefallenen herbei. Von den übrigen 29 Attentaten hatten nur sehr wenige schwere, einige leichte und die übrigen keine Verwundungen zur Folge. Der Attentäter Passavantein Neapel ist seiner That geständig. Er ist seines Zeichens Koch und aus der Provinz Potenza, die durch ihre Banditen berüchtigt ist. Er erklärte, er habe den festen Vorsatz gehabt, den König zu erdolchen, die Monarchie zu ver nichten und die Armuth (?) zu beseitigen; er hasse nicht den König Humbert, sondern die Könige überhaupt, weil es ihm unter ihnen immer schlecht gegangen sei. Er bekannte, daß er seinen Rock ver kauft habe, um den Dolch zu kaufen. Paffavante hat im Jahre 1870 im Zuchthaus zu Salerno gesessen und wurde bei dem Einzug der ital. Truppen in Rom begnadigt. Sein Beirageu im Gefängnis; ist frech. Der Stadtsoldat Gianettini, der ihn überwältigte, ist zum Sergeanten befördert worden. König Humbert hat am Tage nach seiner Verwundung das Theater besucht. Zwischen dem Minister präsidenten Cairoli (dem früheren Waffengefährten Garibaldis) und dem Attentäter hat ein förmlicher Kampf stattgefundeu. Passa- vante zielte nach des Königs Herz, der König parirte den Stich mit dem Arm, wobei er verwundet wurde, nnd schlug dann mit dem noch in der Scheide befindlichen Säbel auf den Kopf des Mörders. Dieser leistete verzweifelte Gegenwehr und versuchte Cairoli in den Unterleib zu stoßen. König Humbert blieb ganz gelassen und sagte zu den De- pulirten Neapels: Der Mensch ist wahnsinnig, reden wir nicht weiter von dem Vorfall, der unsere Ruhe nicht stören kann. Aus Rom schreibt man der „Pol. Corresp.": Nach dem mit dem Mörder vorgenommencn ersten Verhöre zu schließen, würde Paffavante sich wohl zu den Ideen des Socialismus bekennen, ohne jedoch formell der betreffenden Partei anzugehören. Das rothe Seidentuch, mit welchem er seine rechte Hand umwand, um den Dolch zu verbergen, trägt folgende Inschrift: „Es lebe die sociale Liqui dation!" Dieses Tuch ist einer jener Gegenstände, welche in Loudon für den Consum dcs allgemeinen Socialismus fabricirt werden. In Bologna wurde gelentlich einer Demonstration vom Volke Jeder verhaftet, welcher rief: „Tod dem König Humbert! Nieder mit der Monarchie!" Später entspann sich eine große Schlägerei, die Fahnen wurden dabei zerrissen. — Auch in Visa sind die Mit schuldigen des Bombenwerfers verhaftet. Am 20. d. mußte in Florenz das Schwurgericht die Sitzung einstellen. Die angeklagteu Internationalisten bedurften einer großen Eskorte, weil der Pöbel die Freilassung derselben verlangte. In Rom wurde eine aufrührerische P roclamation beschlag nahmt; ein Unterofficier wurde verhaftet. — Der „Osservatore ro« mano" beziffert die Zahl der Arrestanten in Rom auf 150 und meldet, daß wiedcrhost Beschimpfungen von Officieren durch Jnter- nationalisken stattfänden. Der Pariser Correspondent des .Standard" erzählt; „Vor einiger Zeit lenkte der deutsche Botschafter in Rom die Aufmerksamkeit C a i- roli's auf den gefährlichen Charakter der Socialistcnvcreine. Cai roli erkundigte sich, ob die Mittheilung officiell sei, und als dies ver neint wurde, entgegnete er: „das freut mich, denn cs würde uns leid thun, von solchen Lappalien Notiz zu nehmen." Rom, 21. Nov. Die Nachricht einiger Blätter, daß in der vergangenen Nacht die Internationalisten versucht hätten, sich der in der Cascrne des Militärdistrikts Pesaro befindttchcn Gewehre zu be mächtigen, wird von der „Agenzia Stefani" für unrichtig erklärt. Es hätten nur in der Nacht vom 18. zum 19. d. einige Individuen sich dem äußeren Thore der genannten Casernc genähert, in der Ab sicht den Eingang zu erzwingen. Die dort befindliche Schildwache schlug jedoch Alarm, worauf die Individuen die Flucht ergriffen. Sicherem Vernehmen zufolge haben Deutschland, Frankreich und Italien in Bukarest wegen strikter Ausführung des Berliner Vertrags in Bezug auf die bürgerliche Gleichstellung der Juden in Rumänien lebhafte Vorstellungen erheben lassen.