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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.05.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190905142
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090514
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090514
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-05
- Tag 1909-05-14
-
Monat
1909-05
-
Jahr
1909
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Bezugt-Prei» B» 8*»^, »»» «m», »»rck «»t»» tzr0a« »nd S»«dtr««, »4 H«u< «brach«, VO H m»»1t.. 1,7» ^«Krlttyrl B»i ital«rn Aillal« ». »nna»«1rll«> «daryM, V °»»aU.. t^RL »««tettÜrt. «arrhald DruNchlaadl »nd »« dorsch« >t»l»»w» «errelithrl R.G» «onatl, u»4 «-«chl Vchilxft-lla-ld. ftrra« t» Brlaira, Dtn«»«rr. d»n Doll«ik<uit«u. Ji»Ii«» ZUrrmdura. ««edrrbulvk, »«, »X»«» O«N«rrrich - llng«r», «Ätzlaad, kchwrd«^ Sch»«» ». Sp«»w». I» He» tb«,ri> bbua»» »« «r»V durch »t» »«chtttSftrll« — «1t«» «rhätilich. La» tirip««« V «,,»>««, «ich««, »ich««, Iti» r »«4 «» M« m»r««n« S, lial«». Spediteur« «» «tmadmchtrl«,, s««« «»«mtrra «ad «rt»>lräger». 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Mai 1909. 103. Jahrgang. Das Wichtigste. * In der Finanzkommission kam es am Donncrstaa zu lebhaftem Aufruhr. Nach längerer Geschäftsordnungsdebalte sollte die Abstimmung über den Artikel 4 des Entwurfs der Subkom mission vorgenommen werden. Dieser Antrag wurde gegen die Stimmen der Nationalliberalen, Freisinnigen und So zialdemokraten abgelehnt. Hieraus legte Abg. Paasche den Vorsitz in der Kommission nieder. Nationalliberale und Freisinnige verlieben geschloffen das Beratungszlmmer. sS. d. bes. Art.) * Der Reichstag erledigte am Donnerstag in erster und zweiter Lesung die Berner Uebereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst, das Patentgesetz mit Amerika und das Münzgeseh. lS. Reichstagsber.s * In der Donnerstagssitzung des Bundesrats wurde der Vor lage betreffend den Handels- und Schiffahr tsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Portugal die Zustim mung erteilt. * Am heutigen Freitag trifft der Deutsche Kaiser zum Besuch Kaiser Franz Josefs im festlich geschmückten Wien ein. sS. d. Leitart. u. d. Art. auf d. 3. Seite des Hauptbl.) * Der Streik der französischen Postbeamten wird in Pariser Regierungskreisen als gescheitert betrachtet. lS. Art.) * Im Prozeß Lopuchin hat der Gerichtshof nach einem Petersburger Telegramm den Angeklagten der Zugehörigkeit zu einer verbrecherischen Gemeinschaft für schuldig erklärt und ihn zu fünfjähriger Zwangsarbeit verurteilt. sS. Ausl.) * Aus Belgrad kommen Meldungen, nach denen der Verzicht des Prinzen Georg auf die Thronfolge rückgängig gemacht werden soll. lS. Ausl.) * Aus Tanger wird dem „Matin" gemeldet, daß der Abbruch der Verhandlungen zwischen Muley Hafid und dem spa nischen Gesandten Merry del Val ein vollständiger und überaus scharfer sei. sS. Ausl.) Von Brindisi nach Wien. Die Douaustadt prangt im Festschmuck von Triumphpforten, Blumengirlanden und bunten Flaggen. Sie begrüßt heute den Deutschen Kaiser, der von der blauen Arria kommt, von Brindisi, wo er mit dem italienischen König zusammeutraf. Daß eS sich bei diesen Frühlings- entrevuen der DreibuudSmonarchen um keine großartige politische Demonstration in der einzigen Deutung des Begriffes handelt, daS liegt wohl klar im Licht, da« die augenblickliche internationale Mächte konstellation und die Geschichte der jüngsten Vergangenheit überhaupt über die neuesten Visiten Kaiser Wilhelms breitet. Dennoch: ihre Reihenfolge Brindisi—Wien ist bemerkenswert. Nur darf man die eventuellen Resultate der Entrevue an der Adria nicht allzu dick unterstreichen. Die Zusammenkunft in Brindisi dürste kaum — auch wenn sie vielleicht manche Klärung gebracht hat — einen psycho logischen Weichenwechsel (auch nur um einen einzigen Grad) in Italiens Allian,Haltung herbeigeführt haben; denn daß die Erörterungen der Monarchen in der adriatischen Hafenstadt sich hauptsächlich um dieses heikle Thema bewegt haben, ist wohl mehr als sicher. Nur zu offenkundig ist die lebhafte Inklination des Apenninenvolkes zur Tripelentente, zu schleierlos auf der Rück seite die durch realste politische Tatsachen bedingte Aversion, die es vis-ä-vis Oesterreich-Ungarn und damit auch in zweiter Linie gegen den Dreibund beseelt. Weder den Bemühungen GwlittiS, noch denen TiitoniS, des besonnenen Schülers Cavour«, ist e« gelungen, dem grimmen Antlitz ihrer zuzeiten ernstlich über den mächtigen österreichischen Doppeladler erzürnten Italia auch nur eine einzige sreundlichere Miene anzuschminken. Au« wiederholten römischen Parlamentskundgebungen der letzten Zeit gegen den Dreibund ging die Tatsache unum wunden hervor, daß ein großer Teil de« italienischen Volke« und viele maßgebende Kreise RomS da« EntscheidungSjahr 1913, da« Jahr, in dem die Paragraphen de« Bundesvertrages null und nichtig werben, geradezu herbeisehnt. Auch der Umstand, daß sich Italien nach den deutsch - österreichischen Krafttönen im Orientkouzert der Mächte für einen Augenblick auf bessere Ideen zu besinnen schien, darf un« keines wegs zu günstigeren Deutungen der Zukunft seiner berühmten Extratour stimmen. Wir können den Worten de« französischen Politiker« Gabriel Hanotaux durchaus keinen Glauben schenken, der gleich nach der defini tiven Niederlage Iswolski« schrieb: »Der Dreibund ist wiederhergestellt. Zehn Jahre lang haben gewisse ungeschickte Diplomaten sein Ende an gekündigt: Nach den gewissen Extratouren verläßt Italien den Tänzer und stürzt sich in die Arme de« lächelnden Bülow." Diese- holde Bild de« Herrn Hanotaux schwimmt denn doch ein bißchen zu sehr im Roseulicht. Gewiß: so etwa« wie eine leichte Schwenkung in der römischen Taktik de« Lavieren« zu den eigentlichen Bundesgenossen war, wie erwähnt, zu bemerken. Aber es blieb bei einem einzigen zarteu Pa«. Di« Pose von »mors der Signora Italia, die man hinter gefärbten Pariser Gläsern entdeckte, kondensierte sich nicht zu greifbarer Wirklichkeit, zu einem realpolitischeu Faktor, dessen Verläßlich keit man in Wien und Berlin hatte begrüßen können. Der unsichere Kantonist ist, ganz wie zu Prinetti- Zeiten, noch immer da. Und außerdem: die Reste der Verstimmung, die Rom wegen der demonstra tiven Reden Bülow« und Bieuerth« überkam, die den Südstaat be kanntlich mit keinem Wort erwähnten, sind vorläufig noch nicht anSgelöscht. Besonder« waren e« dann weiterhin die Ereignisse der letzten Wochen, die einer festere» Dreibundpolitik Italien« alle geeigneten Hebel ent zogen. Die Ankündigung de« Baue« von schwarz-gelben Dreadnought«, die auch den Flottenhysterikern an der Themse in die Glieder fuhr, hat die römischen Politiler überaus stutzig gemacht. Will das erwachte Oesterreich die Adriaherrsckast an sich reißen? Und noch mehr: will es vielleicht sogar, auf dem Triumphmarsch seiner Politik der gepanzerten Faust, eine Mittelmeer-Hegemonie aufrichten?! Winkt ferner Italien dereinst ein zweites Liffa, wenn die österreichischen Dreadnoughts künftighin von Pola aus in See stechen? Das sind im großen Umriß die Punkte, die man heute in Rom fürchtend und mißtrauisch in Erwägung zieht und die ein bar- moniiches deutsch-österreichisch-italieniiches Ensemble einfach unmöglich machen. Die Antwort Italiens an Oesterreich ist denn auch nicht aus geblieben: eS beginnt ebenfalls mit unverhältnismäßig großen Flotten rüstungen und mir gewaltigen Alpenbefestigungen gegen den verbündeten Rivalen. Die alte anstro-italienische Feindschaft braucht man IN der Abschätzung dieser neuesten Momente der Dreibundsituation noch gar nicht einmal mit ins Kalkül zu ziehen. Um die schlechten Eindrücke und — allerdings auch nicht ganz un verdienten — Veistimmungcn in Italien nach Möglichkeit zu schwächen, hat sich nun jedenfalls Kaiser Wilhelm, bevor er Wien besucht, nach Brindisi zu König Viktor Emanuel begeben. Wenn einer derartigen Entrevue immerhin auch nicht gerade erhöbt« Bedeutung beizumessen ist, insofern, als sie nicht dazu angetan ist, politische Entscheidungen zu be wirken, so wird sie Italien vorläufig immer doch noch eine« beweisen und hoffentlich auch bewiesen haben, daß ein guter Mittler zwischen ihm und Oesterreich vorhanden ist, dessen Bereitwilligkeit vielleicht noch ein mal von Segen sein dürste: nämlich Deutschland. Nur au« diesem Grunde mag die leitende römische Presse den Kaiserbesuch in Briudlsi so lebhaft begrüßt haben. Ganz anders ist ja das deutsch-österreichische Verhältnis, diese wichtigste Garantie deS europäischen Friedens, beschaffen. Hierzu braucht man kaum noch ein Wort binzuzuiügen, seitdem der Reichskanzler in seiner Märzreke den Au« pruch tat: »Die Nibelungentreue wollen wir aus unserem Verhältnis zu Oesterreich-Ungarn nicht ausschallen". Bis inklusive auf eine mögliche Waffenprobe mit den Feinden, die sie um ringen, hält die gewaltige Phalanx der beiden Zeutralmächte treu zu sammen. Auf diesem ichwarz-weiß-roten und schwarz-gelben Hintergrund kann der heutige Kaiser besuch in Wien denn auch nicht mehr al« ein bloßes Dekorationsstück bilden — genau wie der letzte Besuch Kaiser Wilhelm« mit den deutichen Bundes fürsten in der Donaustadt, der anläßlich des RegierungSiubiläumS Kaiser Fran; IokefS erfolgte. Nur den Mächten auf der anderen Seite mag er wieder ein Beispiel liefern, daß diese Allianz nicht mehr zu erschüttern ist. Und wie notwendig dieser Bund gerade heute ist, daS geht aus dem Faktum hervor, daß der europäische Himmel noch immer mit schwarzen Wolkenvorhängen überzogen ist. England, Frank reich und Rußland können den Balkanerjolg der Bülow und Aehrenthal nicht verwinden. London lüftet gerade heute die Schleier. Man läßt in Downing-Street durchblicken, daß neue große Unternehmungen gegen die beiden Zeutralmächte, deren jüngste Energie mittlerweile alle Neider gegen sich vereint hat, im Werke sind. Unvorsichtigerweise wurde eine Zusammenkunft englischer und französischer Staats männer in London, wo auch last not least unsere alten Freunde Herr Thöophile Delcass« und Herr Paul Doumer eingetroffen sind, ausgeplaudert, die momentan „Maßnahmen" gegen das „bedrohliche deutsch-österreichische Streben nach einer Vorherrschaft in Europa" be raten sollen. Allein: wenn Deutschland und Oesterreich auch fernerhin, wie am heutigen Tage der Zweikaiserzusammenkunfr, den beide Nationen gleichsreudig mitempfinden und begrüßen, fest und entschlossen zu sammenstehen, wa« könnte ihnen da wohl sonderlich Schlimme« wider fahren? Avisis in -er Finanzksnrrnission. Seit der Fehdeansage des Herrn von Normann an Herrn Basser- mann haben an die weitere Existenz des BLlowblocks nur noch ver trauensselige Optimisten geglaubt. Die letzten Wochen brachten in der Tat auch 'ortgesetzt neue Beweise für die Steigerung der konservativ klerikalen Annäherung und damit für die Konsolidierung des „schwarzen" Blocks. Mit der zunehmenden Erstarkung dieses neuen Gebildes wuchs bei dessen Schöpfern auch die Lust zur Betätigung. Diese konnte sich natürlich nur in der Richtung einer starken Brüskierung der liberalen Parteien äußern. Die Häufigkeit der Ausfälle von konservativ-kleri kaler Seite gegen die Liberalen mußte unbedingt zu der Annahme einer geheimen Abmachung der Angreifer führen. Es bestand aber weiterhin auch die Frage, wie lange werden die liberalen Parteien solche Herab- Würdigungen ertragen. Darüber Klarheit geschaffen zu haben, ist das Ergebnis der Verhandlungen in der Finanzkommission am Donnerstage. In unverständlichem Uebcrmute vermaß sich der schwarze Block die Leitung der Kommission, die in den Händen des nationalliberalen Abg. Dr. Paosche lag, zu vergewaltigen. Vom Zentrum war ein neuer An trag zur Bawderolesteuer befürwortet worden, der sofort den lebhaften Beifall der Konservativen fand und auf deren Vorschlag auch gleich mit zur Beratung gestellt werden sollt«. Paasche erklärte dieS nach der Ge schäftsordnung für unzulässig und foroert« dagegen die am Mittwoch aus gesetzte Abstimmung über den 8 4 des Entwurfs der Subkommission. Die Konservativen parierten, indem sie formell beantragten, diese Abstimmung auszusetzen. Der schwarze Block erzwang di« Annahme dieses Antrages und setzte sich damit souverän über die Grundsätze der Geschäftsordnung hinweg. Diese Beleidigung quittierte Paasche mit der Niederlegung seines Amtes als Vorsitzender der Kommission, und Natio nalliberal« und Freisinnige bekennen sich einmütig zu dieser Haltung, indem sie zusammen die Kommission verlassen. Die Konserva tiven und daS Zentrum nebst den Polen behaupten infolge ihrer Berge- waltigungstaktik zwar das Feld, aber sie können sich nicht eigentlich als Sieger betrachten. Nie ward in rücksichtsloserer Weis: das Drängen nach der Zertrümmerung aller Brücken zu den alten Blockparteien offenbar als durch diese rauhe Taktik, nie hat sich die politische Ethik der Konservativen brüchiger gezeigt, als am Donnerstage. Deshalb ist der Auszug d<r liberalen Parteien aus der Finanz kommission von unseren lebhaften Sympathien be gleitet, denen sich der heiße Wunsch beigesellt, der jetzt einge nommenen Haltung möge jene kraftvolle Stetigkeit beschieden sein, dir oft gerade auch nationalliberale Abgeordnete von der Regie rung gefordert haben. Die Nationalliberalen und die KrifiS. Daß unsere Erwartungen von den nächsten Folgen der Krisis ihre Erfüllung erleben werden, lassen folgende Mitteilungen vermuten, die uns aus nationalliberalen parlamentarischen Krei sen mit Hinblick auf die durch Paasches Amtsniederlegung und die Begleiterscheinungen dieser Handlung zugegangen sind. „Die Nationalliberalen haben sofort nach den Vorgängen in der Finanzkommission eine zehn Minuten lange Besprechung gehabt und darauf ihre Beratung bis zum Abend ausgesetzt. Die grundsätzliche Stimmung hält es für nicht bedauernswert, wenn die konservativ-klerikale Mehrheit den Vorsitz in den Finanzkommissions-Beratungen über nimmt, falls das Zustandekommen der Reform von ihr abhängt. Be denklich wäre die Sache nur in dem Falle, wenn eine Reform zustande kommt, an der sich auch die Nationalliberalen beteiligen könnten und die dann nichc unter ihrem Vorsitz, sondern unter dem Dr. Spahns gemacht würde. Das eine steht fest, daß die Nationallibc- ralen nach wie vor die Finanzreform nur dann mit machen, wenn die Erbanfallsteuer in einer dem Re gierungsvorschlag entsprechenden Form durchgeht. Sollte das nicht der Fall sein, so werden sie an ihrem schon früher gefaßten Beschlüsse festhalten und gegen die indirekten Steuern stimmen. Gegenwärtig ist man sich über die Tragweite der heutigen Geschehnisse noch nicht vollkommen klar. Nur darüber herrscht kein Zweifel, daß man dem Zentrum und den Konservativen die volle Verantwortung für alles Kommende zu kommen läßt, wenn die Nationalliberalen ausgeschaltet werden. Im Grund ist es erfreulich, daß auch durch diese Dinge Klar heit geschaffen wird." * Die Sitzung der Fiuauzkonrmisfio«. 0. Berlin, 13. Mai. (Privattelegramm.) In der Finanzkommi'sion des Reichstags, in der heute die Zigarren banderole beraten wurde, kam eS zu stürmischen Szenen, die dahin führten, daß der Abg. Paasche -eu Vorsitz der Kommission nirtzerlegte. Die Sitzung eröffnete Geheimrat Relubold mit längeren Ausführungen über die Be deutung der Regierung-Vorschläge (Banderolesteuer für Tabak). Das Hauptdedenken habe sich dagegen gerichtet, daß durch die An bringung ve» Steuerzeichen« em Markengeichäft großgezoae« würbe. Aber in der ganzen Regierungsvorlage befinde sich das Wort Ban derole überhaupt nicht. Die Regierung habe absichtlich nicht« über die Ausführung der Steuer hiuemgeschrieben, weil sie daS in engster Fühlung mit der Industrie zu machen wünsche. Zurzeit prüfe sie den Vorschlag, die Steuerzeichen nur fortlaufend zu numerieren und die Anbringung von Namen auf ihnen zu verbieten, so daß das Publikum nicht erfahre, von wem die Zigarre herrühre. Von freisinniger Seite wurden auch nach diesen Ausführungen die Bedenken hinsichtlich der Förderung deS MarlengeschästS aufrecht erhalten. Die sortlaujende Numerierung würde eine ungeheure Kontrolle verursachen. Von konservativer Seite wird eine Durchberatung tzeH Regierungsvorlage gewünscht, denn eS könne sich dock hernach eine Mehrheit im Reichstag für die Banderole finden. Und für diesen Fall müsse man jetzt in der Kom mission das Gesetz nach Möglichkeit zu verbessern suchen, weil man dazu später im Plenum keine Gelegenheit mehr haben würde. Die Polen lebnen die Banderole ab. — Als ein sozial- demokratil cheS Mitglied bemertt, eS sei nun einmal keine Mehrheit sür die Banderole zu haben, wird von konservativer Seite gerufen: Abwarten! Der Wortführer der Nationalliberalen erklärt die Bereitschaft seiner Freunde, in eine Durchberatung der Regierungsvorlage einzutrelen. Es sei ihnen damit voller Ernst und darum sei er bereit, die Abstimmung über den grundlegenden Paragraphen der Vorlage auszusetzen, um durch die Durchberatung Klarheit über die technische und wiriickaftliche Durch führbarkeit de« Systems zu erlangen. Wenn die Frage so stünde, Wertsteuer oder Banderole, daun zei eS möglich, daß der giößte Teil der Industrie sich unter diesen beiden Uebeln für die Banderole, als da« kleiuere Nebel, entscheide. Den schwersten Bedenken unterliegen aber beide Vorschläge, darum hoffe er, daß die Kommission sich doch noch auf den Antrag Weber-Mommsen einigen werde. Auch von der Reichspartei wird die Durchberatung der Re gierungsvorlage verlangt, um den Gegnern der Banderole die Vorzüge diese« System« noch einmal gründlich klar zu machen. Von freisinniger Seite werden nochmals unter Berufung aus den Tabak», verein die Bedenken gegen die Banderole zusammengefaßi. Sie werde die kleinen Betriebe zugrunde richten und damit käme man dem Mo nopol sehr nahe. Keinesfalls aber könne die Tadakindustrie eine Belastung von 70 bi« 80 Millionen vertragen. Ganz gleich mit welchem System. Die Banderole habe noch besondere Nachteile. Am besten sei zweifellos eine Revision des Gewichtszollsystems. Abg. Müller-Fulda fragt an, wie daS ReichSschatzamt sich zu dem Projekt stelle, die Anla«»«steuer u«tz den Zoll auf tzen Rohtabak herabzusetzen untz dafür die Banderole einzuführen. Dieser Vorschlag sei doch besonder« bemerkenswert, denn er bringe zuwege, daß die Qualität der Fabrikate nicht leide und doch mehr Geld in die Reichskasse flehe. Der Vorschlag gehe von einer Gruppe süddeutscher Fabrikanten aus, unter dem Schutze der Herren Feist und ILdrcke. Gebeunrat Retnd-ld erklärt, dieser neue Weg sei zweifellos gang bar. Dabei könnte auch die überaus lästige ZnlandSkonirolle de« An baues Wegfällen. Zunächst aber müsse sestgestellt werden, wie viel Geld dabei zu erwarten sei. — Von freisinniger Seite wird das Haupt bedenken gegen die Banderole auch in bezug aus den neuen Vorschlag ausrechterbalien, nämlich daß die Steuer von Detailpreisen er hoben wird. Ein nationalliberale« Mitglied nimmt da« Wort, um keinerlei Mißdeutungen entstehen zu lassen, daß, wenn die National liberalen bereit wären, die Abstimmung über den grundlegenden Para graphen auszusetzen, sie daduich in kei n er Weise dokumentieren wollien, daß ihre schweren prinzipiellen Bedenken gegen da« Banderolesystem beseitigt wären. Im Gegenteil, sie Härten aus dem gaozen Gang der Debatte heute keine neuen Momente entnehmen können, die irgendwie geeignet seien, diese Bedenken zu entkräften. Sie
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