Volltext Seite (XML)
Zweites Blatt. -M» Wochenblatt für für für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dreiun-vierzigfte* Jahrgang. Erschein! wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag. Abonnrmentsprei» e rteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostetet) Ps Jnseratenannahme Montags ».Donnerstags bi» Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag AbonnemenlSprei» vierteljährlich 1 Mar Eine einzelne Nummer — . - kostet-lO Pf. AAtlsbruA, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Nr. 90. Freitag, den 9. November 1883. , ,,,IV -—. 1 n - — ——n? - . Zum vierhundertjährigen Geburtstag vr. Martin Luthers. Jubel und Freude hallt durch die deutschen Laude, Lob- und Dankopfer steigen empor gen Himmel rings um den Erdball, feierlich tönen die Glocken von Thurm zu Thurm, herzerschütternd braust der Orgelklang von Kirche zu Kirche, eiumüthig und einhellig tönt aus Aller Evangelischen Herz und Mund das anbetende Bekenntniß: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht, laßt uns freuen und fröhlich darinnen sein." Ja der Herr hat jenen unvergeßlichen Tag gemacht, jenen 10. November 1483, da der arme Bergmannssohn das Licht dieser Welt erblickte, der der größte Mann seiner Zeit werden sollte, der bis jetzt der größte Mann geblieben ist und der es wohl beiden wird bis ans Ende der Tage. Ja das Unedle vor der Welt, und das Verachtete hat Gott erwählet und das da Nichts ist, daß er zu Nichte mache, was etwas ist, auf daß sich vor Ihm kein Fleisch rühme. Daß Luther von Gott auserwählet war, daß er ein auserlesenes Rüst zeug des Höchsten gewesen, das lehrt uns das ganze Leben des großen Reformators. In seiner Kindheit ein fleißiger Schüler, ein gehor samer Sohn seiner Eltern, ward er in seiner Jugend ein frommer, gottesfürchtiger, Gebet und Kirche liebender Student, um im angehen den Mannesalter in der Stille des Klosters das zu suchen, was er in der Unruhe der Welt nicht finden konnte: Gerechtigkeit vor Gott, Gemeinschaft mit Gott, Frieden in Golt. Im Kloster fand ers nicht, sondern in der Bibel. Und so selig war er über diesen Fund, daß er als Lehrer der Jugend auf der Hochschule zu Wittenberg mit hei liger Begeisterung das Unerhörte that: er rief die Jugend weg von den Weisen des Alterthums, weg von den Grüblern des Mittelalters und führte sie hin zu Christus, hin zu Christi Aposteln. Als aber seines Heilandes Ehre geschändet ward durch gemeinen Sünden- und Seelenhandel, als Christi Werk besudelt ward durch reißende Wölfe im Schafspelz, da stand er auf, demüthig wie ein Kind und dennoch muthig wie ein Löwe, und hielt den Schild des göttlichen Wortes vor die gefährdeten Christenseelen. Und da die goldsüchtige Rotte ihn zwingen wollte, sich feige zu ducken, da hat er festgestanden wie eine Säule, himmelwärts das Haupt gerichtet, Gottes Hülfe erwar tend. Er sprach: ich kann nicht anders. Als aber blinde Schwarm geisterei die alten kirchlichen Einrichtungen zerstören wollte, da hat er sich der wilden Fluth entgegengestemmt, wie ein fester Damm, vor sichtig und weise das verderbte Alte bessernd und wandelnd. Dann ist er hinabgestiegen in den Schacht himmlischer Schätze und hat als geistlicher Bergmann in stillem Fleiß das edle Gold ans Licht gebracht, die heilige Schrift, das theure Gotteswort in Deutscher Sprache; aber als wilde Aufrührer dies Gotteswort zum Deckmantel ihrer Blutthaten machen wollten, da hat er wie eine eherne Mauer dem Ansturm satanischer Gewalten widerstanden und hat die Ehre der Bibel gerettet. Darnach hat er hineingeschaut ins geistliche Elend des unwissenden Volkes, und tiefes Erbarmen hat ihn ergriffen, und er hat als unermüdlicher Baumeister gearbeitet am Aufbau der evange lischen Kirche, hat Kirchen, Pfarreien und Schulen bewahrt vor dem Untergang, hat Katechismen und Predigten geschrieben, das Volk zu lehren fürs Himmelreich. Und weil Niemand ins Himmelreich kommt ohne durch viel Trübsal hindurch, hat er auch sein Kreuz getragen in viel Anfechtung der Seele, Krankheit des Leibes, in Pest und Seuche mit viel Geduld und Harren auf Gott; aber aus tiefer Noth heraus hat sein heiliges Lied geklungen und dies Lied ist hinaus geflogen ins deutsche Land, ja in die Christenheit hinaus und was evangelische Prediger nicht fertig brachten, das haben Luthers Lieder fertig ge bracht. Und in all seinen Sorgen für die Christenheit hat er doch nichts von seiner eigenen Arbeit erhofft, wiewohl sie eines Riesen Arbeit war, sondern hat allezeit mit gebeugten Knieen, mit hocherho benen Händen von oben herabgefleht Segen und Gelingen. Da aber sein liebes deutsches Volk drohte auseinandergerissen zu werden durch blutigen Zwist um des Glaubens willen, da hat er gewarnt vor dem Ziehen des Schwertes und hat als glühender deutscher Patriot Deutsch lands Einigkeit unter dem Kaiser wahren wollen, und hat treulich vermahnt, dem Kaiser zu nahen mit bittendem Wort freundlicher Vor stellung. In Sachen des Glaubens aber hat er gewehrt menschlichem Durcheinander und hat dem kalten Verstand eines Zwingli gegenüber, treulich gehütet die köstliche Perle, daß im Abendmahl Christus selbst zum Sünder herabkommt. Hat er doch im eignen Hause, am eignen Herde als frommer Priester über Weib, Kinder und Gesinde täglich Christo einen Altar aufgerichtet mit Beten, Singen und Hören des Göttlichen Wortes und hat den Gliedern in Gemeinde und Haus eine Haustafel ausgeschrieben, daß jeder seine Lektion lerne. Und wie dem Haus und der Gemeinde, so hat er dem ganzen Volk gesagt, was eine Pflicht fei, Gott und der Obrigkeit gegenüber und hat als Pro chet auf hoher Warte oft warnend und mahnend in die Posaune ge« stoßen, sich zu hüten vor Abfall von Gottes Wort, sonst werde es eine Straße weiter ziehen zu anderen Völkern. Nun deutsches Volk, nun evangelische Christenheit, so gedenke denn an Deinen großen Leh rer, vr. Martin Luther uud folge seinem Glauben nach, an seinem Geburtstag aber lasset uns freuen und fröhlich darinnen sein, denn das ist der Tag, den der Herr gemacht hat. Die Krankenversicherung der Arbeiter. (Aus dem „Meißner Tageblatt") . (Schluß.) Wre lst zu versichern? Da für den hiesigen Bezirk die Er richtung von Ortskrankenkassen, so lange nicht größere Communalver- bände sich bilden, ausgeschlossen erscheint, so ist bei dem Wie? nur die Gemeindekrankenversicherung ins Auge zu fassen. Die Versicher ungsbeiträge betragen (8 9) IV2 "/o des ortsüblichen Tagelohns ge wöhnlicher Tagearbeiter. Der ortsübliche Tagelohn ist nach der über einstimmenden Aussprache der in Wilsdruff, Meißen Nossen und Lommatzsch versammelt gewesenen Gemeindevorstände und Gntsvor- steher auf 1 M. 50 Pf. für den männlichen, 80 Pf. für den weib lichen und 50 Pf. für den jugendlichen Arbeiter (12—16 Jahr) zu veranschlagen. Bei diesen Sätzen betragen die Versicherungsbeiträge auf 1 Woche beziehentlich 13,50 Pf., 7,20 Pf. und 4,50 Pf. Zu diesen Beiträgen hat der Arbeiter und der Arbeitgeber zu zah len. Mithin giebt der Arbeiter beziehentlich 9 Pf., 4,80 Pf. uud 3 Pf., der Arbeitgeber dagegen beziehentlich 4,50 Pf., 2,40 Pf. und 1,50 Pf. die Woche. Die Beiträge sind von den Gemeinden durch die Arbeitgeber zu erheben. Letztere sind (Z 51) verpflichtet, die Bei träge, sowohl das aus eigenen Mitteln zu leistende Drittel, als auch die dem Arbeiter vom Lohne abzuziehenden zwei Drittel, wöchentlich im Voraus einzuzahlen. Reichen die Bestände der Krankenversicher- ungskasse nicht aus, um die fällig werdenden Ausgaben derselben zu decken, so sind aus der Gemeindekasse die erforderlichen Vorschüsse zu leisten. Nöthigenfalls können die Krankenversicherungsbeiträge bis zu 2 o/g des ortsüblichen Tagelohns erhöht werden. Hieran schloß Amtshauptmann von Bosse die weitere Frage: Was ist zu gewähren? Davon handeln 88 6 und 7. Als Kran kenunterstützung ist zu gewähren: 1. von Beginn der Krankheit ab freie ärztliche Behandlung, Arznei, sowie Brillen, Bruchbänder und ähnliche Heilmittel, 2. im Falle der Erwerbsunfähigkeit, vom dritten Tage nach dem Tage der Erkrankung ab für jeden Arbeitstag (Sonn- und Feiertage ausgeschlossen) ein Krankengeld in Höhe der Hälfte des ortsüblichen Tagelohns. Die Krankenunterstützung endet spätestens mit dem Ablauf der 13. Woche nach Beginn der Krankheit. An Stelle dieser Leistungen kann freie Kur und Verpflegung in einem Krankenhause gewährt werden; hat jedoch der in einem Krankenhause Untergebrachte Angehörige, deren Unterhalt er bisher aus seinem Ar beitsverdienste bestritten, so ist neben der freien Kur und Verpflegung der 4. Theil des ortsüblichen Tagelohns zu gewähren. Beträgt der ortsübliche Tagelohn 1 Mk. 50 Pf., so erhält der Arbeiter im Falle der Erwerbsunfähigkeit vom dritten Tage nach dem Tage der Er krankung 13 Wochen lang außer der freien Kur täglich 75 Pf. oder die Woche 4 Mk. 50 Pf., ist er aber in einem Krankenhause unter gebracht und hat er von ihm zu unterhaltende Angehörige, so erhält er täglich 37^ Pf. oder die Woche 2 Mk. 25 Pf. Hierin liegt der Schwerpunkt des Gesetzes. Erkrankt jetzt ein Arbeiter und erhält er keine Unterstützung aus Kassen, so tritt die Fürsorge der Gemeinde für ihn nicht eher ein, als bis er nichts mehr hat, bis seine Existenz so weit ruinirt ist, daß er unter die Hilfsbedürftigen, unter die Armen sällt und damit einen Anspruch auf Unterstützung aus der Armenkasse erlangt. Dem will das Gesetz Vorbeugen, nach ihm soll dem Arbeiter geholfen werden, e h e er verarmt und es gilt deshalb auch die Kran kenunterstützung nicht als Armenunterstützung. Für gewisse Fälle sind die Gemeinden ermächtigt, die Gewährung von Krankengeld ganz oder theilweise auszuschließen und zwar bei Krankheiten, welche die Betheiligten sich vorsätzlich oder durch schuld hafte Betheiligung bei Schlägereien oder Raufhändeln, durch Trunk fälligkeit oder geschlechtliche Ausschweifungen zugezogen haben. (8 6 Abth. 3). Weiter ließ Amtshauptmann von Bosse noch Bemerkungen über die Bildung größerer Verbände behufs der Gemeinde-Krankenversicherung folgen. Was in dem Reichsgesetze von den Gemeinden gilt, gilt auch von den selbstständigen Gutsbezirken, nur daß die Gutsvorsteher nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt sind, von ihren Arbeitern */, der Beiträge eiuzuziehen. Mehrere Gemeinden bez. Gutsbezirke können sich durch übereinstimmende Beschlüsse zu gemeinsamer Gemeinde- Krankenversicherung vereinigen (ß 12), es kann aber auch eine solche Vereinigung von der höheren Verwaltungsbehörde angeordnet werden, wenn eine Gemeinde, welche nicht 50 versicherungspflichtige Personen hat oder bei einem fortdauernden Mißverhältnis zwischen Einnahme und Ausgabe trotz Erhebung der Maximalbeiträge darauf anträgt