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Trauschein meiner Schwester." „Ich werde auch diese Bedingung erfüllen, Heir Enno!" versetzte Adalbert ruhig, „und sollte ich deshalb bis an's Ende der Welt reisen müssen." „Sie sind sehr sicher Herr Baron !" lächelte Enno finster. „Zum Dritten fordere ich Ihr Ehren wort, meine Tochter bis dahin nicht wiederzusehen." „Diese Beding- nug ist die schwerste," seufzte Adalbert, „und wenn ich aus jenem Kampf nicht wiederkehren sollte?" „Theda zählt Sie schon jetzt zu den Todten, ich will nicht, daß ihre schwer errungene Ruhe durch neue Hoffnungen und neue Täuschungen wieder vernichtet werde." „Sie dürfen sie bis zur vollständigen Erfüllung jener Bedingungen nicht Wiedersehen, nicht an sie schreiben, überhaupt nichts von sich hören lassen." „Das ist mehr als grausam, Herr Enno!" „Es ist nur meine Pflicht, Herr Baron! Bei Ihnen stehts die Bedingungen zu erfüllen oder auf den Besitz meiner Tochter zu verzichten, ich werde sie vor den Netzen des Baron Malzburg zu sichern wissen." Ein schwerer Seufzer entrang sich der Brust des jungen Mannes. Dann reichte er dem unerbittlichen Fischerkönig mit einem raschen Entschlusse die Hand und sprach mit fester Stimme: „Ich werde Ihre Bedingungen erfüllen, Herr Enno! Das verspreche ich Ihnen bei meiner Ehre und mit diesem Handschlag." Der Alte ergriff seine Hand und schüttelte sie kräftig; dann lüf tete er leicht den breiten Fischerhut und war verschwunden, bevor sich der Baron nur recht besinnen konnte. Dieser stand noch lange auf derselben Stelle und blickte vor sich hiu, als befände er sich in einem schweren Traume. Dann seufzte er tief auf und kehrte langsam nach dem Schiffe zurück, während Enno Harms noch au demselben Tage, ohne seine Tochter nur eine Silbe von dieser Begegnung ahnen zu lassen, mit ihr die Reise in die Heimath antrat, wo er mit ängstlicher Sorgfalt über sie zu wachen beschloß. Zum zweiten Male standen die Preußen vor Paris, nachdem der alte Blücher bei Waterloo den Kehraus mit Napoleon getanzt und ihm die Kaiserkrone im blutigen Ringen vom Haupte gerissen hatte. An einem herrlichen Oktobertage des Jahres 1815 schritt ein junger Offizier, in der Uniform der schwarzen braunschweigischen Hu saren, welche sich uuerwelkliche Lorbeeren in der Geschichte jener denk würdigen Tage errungen, durch das kleine Fischerdorf am Strande der Nordsee. Er trug "den einen Arm in der Binde und sah sehr bleich und leidend aus, doch leuchteten die dunkeln Angen in freudiger Erregung, während ein Zittern die hohe, kräftige Gestalt durchflog, als er das Haus mit den grünen Fensterläden erblickte. Nach wenigen Augenblicken öffnete er die Thür und stand auf Schwelle des Fischerkönigs, wo er sich wie erschöpft aulehnen mußte. Aus der Wohnstube trat der alte Enno, der bei dem Anblick des Offiziers überrascht und erschreckt stehen blieb. „Sie sinds, Herr Baron!? — Sie kommen zurück —" „Um die Erfüllung meines heißesten Wunsches zu erstreben, Enno!" rief Adalbert mit bebender Stimme, „ich hielt mein Wort; hier diese Wunde, diese Uniform, - mein Abschied als Offizier beweisen meine Theilnahme an der Befrei ung des Vaterlandes und dieses Papier hier enthält die Bestätigung von der legitimen Heirath meines Oheims mit Ihrer Schwester." Hastig ergriff Enno Harms das dargereichte Papier und überflog dasselbe in zitternter Erwartung. „Gott sei gelobt!" sprach er leise. „Ich danke Ihnen, Herr Baron! Sie haben mir die Rettung Ihres Lebens reich vergolten." „Und Theda?" fragte Adalbert stürmisch, „wo ist sie, Vater Enno? Darf ich sie jetzt als meine Braut begrüßen?" Der alte Fischer deutete stumm nach einem Winkel des Flurs, wo eine schlanke Gestalt im schwarzen Gewände bleich und regungs los wie eine Bildsäule, wie eine versteinerte Niobe stand. Mit einem Ausruf des Entzückens stürzte der junge Mann auf sie zu und schloß die Geliebte an sein Herz. „Gott segne Euren Bund!" sprach Enno Harms, „und lasse Euch aus dem Unglück dec Todten tausendfältiges Glück ecsprießen." Dann ging er still hinaus, während die Liebenden sich Arm in Arm nach der freundlichen Wohnstube begaben, umfim seligen Aus tausch ihrer Herzen Ersatz zu finden für die Leiden der Vergangenheit, welche unter dem Glück der Gegenwart und einer lächelnden Zukunft schattenhaft versanken. Als der Fischerkönig »ach einer Stunde wieder heimkehrte, nahm er den Baron mit sich hinaus an den einsamen Strand, um noch einige dunkle Punkte der Vergangenheit aufzuklären, wie er lächelnd fagte. „Sorge Du bis dahin für eine gute Mahlzeit, mein Kind!" nickte er der Tochter zu, deren bleiche Wangen sich bereits wieder leicht geröthet hatten, „unser Gast wird der Erquickung bedürftig sein und nicht von Herzensspeise allein leben können." Zum ersten Male nach jahrelanger Schwermuth, die keine Freude hatte auskommen lassen, hörte der alte Vater wieder entzückt das fröh liche Lachen seines Kiudes und selber lachend schritt auch er wieder hinaus an der Seite des jungen Mannes, der seinem süßen Bräutchen zärtlicke Küsse noch zuwarf. „Ja, mein lieber, junger Freund!" sprach Enno, „es thut mir so recht von Herzen wohl, meine Theda einmal wieder lachen zu hören, es ist mir, als habe es seit fünf Jahren immerfort gerechnet und gestürmt und als ob mich heute zum ersten Male wieder die Sonne erwärme. O, ich bin alt geworden in der letzten Zeit, recht alt, ein müßiger Stubenhocker, der feinen Söhnen den Kampf mit dem geliebten Element allein hat überlassen müssen; während sie draußen dem Fischfang obliegen, bin ich mir selber eine Last geworden. Aber das wird nun wieder anders werden, ich fühle es schon jetzt, wie die alte Lust zum Meere sich wieder in mir regt und damit auch die alte Kraft. „Nun sagen Sie mir aber vor allen Dingen, Herr Baron, wie Sie zu dem Trauschein des Onkels gekommen sind?" „Das ist mit wenigen Worten gesagt, Vater Enno!" versetzte Adalbert lächelnd. „Als Sie mich vor zwei Jahren so rath- und trostlos in Cuxhafen stehen ließen, da erfaßte mich eine Verzweiflung, wie ich sie noch nie empfunden. Ich hatte den festen Entschluß, aus dem bevorstehenden Kampfe nicht wieder zurückzukehren und folgte, nach meiner Ankunft in Hamburg, sogleich dem Heere, um mich in das berühmte braun- schweig'sche Husaren-Corps, das die Rache auf seine Fahne geschrieben, einreihen zu lassen. Ich war gewiß nicht feig und habe bei Waterloo und auch in Frankreich tapfer mitgefochten. Bei Quatrebras, wo un- fer Führer, der tapfere Herzog von Braunschweig fiel, erhielt ich diese Wunde, welche mich jedoch nicht kampfunfähig machte und sich erst später verschlimmerte. Ich kehrte heim, mein erstes Geschäft, als ich Halbwegs genesen, war die Durchsuchung aller Gegenstände und Mo bilien, die ich von dem Oheim geerbt. In dem geheimen Schubfach eines Schreibtisches fand ich diesen Trauschein und zögerte nun nicht länger, mein Glück zu ergreifen." „Sie ahnen nicht welch' einen Dienst Sie sich selber bannt geleistet haben, Herr Baron!" erwiderte Enno nach einer Pause, „und so schwer es mir auch fallen muß, fühle ich doch die gebieterische Pflicht, Ihnen eine Mittheilung zu machen, die sie nach Belieben benutzen mögen." Als Adalbert ihn erstaunt anblickte, fuhr der alte Fischerkönig mit einer gewaltsamen Anstrengung fort: „Theda ist nicht meine Toch ter!" „Herr Enno!" „Sie ist die rechtmäßige Tochter Ihres Oheims, Ihre Cousine, Herr Baron!" Der junge Mann blieb in höchster Ueberraschuug stehen, als könne er feinen Ohren nicht trauen. „Es ist so, wie ich sage," nickte Enno, „hören Sie mich an und dann erst mögen Sie meine Handlungsweise beurtheilen und wenn Sie können, verdammen. Sie kennen die Geschichte des Barons von Malzburg und meiner Sckwester Theda?" „Ich kenne sie aus dem Munde des Pfarrers." „Mein Vater war ein strenger Ehrenmann. Als meine Schwester Plötzlich wieder in's heimathliche Dorf heimkehrte, wähnte er sich und die Seinen für immer beschimpft und ent hrt und legte sich bald in's Grab. Niemand glaubte an eine gesetzliche Trauung, soviel die Unglückliche solches auch betheuern mochte. Ich war schon seit mehreren Jahren verheirathet und besaß die beiden ältesten Buben. Da qescbah's, daß in einer und derselben Nacht zwei Kinder unter meinem Dache geboren wurden, mein eigenes starb sogleich nach der Geburt, das Kind der Schwester, ein kleines Mädchen, war kräftig und gesund. Ich vertauschte es unbemerkt mit dem meinigen, um dem unglücklichen Wesen einen ehrlichen Namen zu verschaffen. Niemand entdeckte den Betrug, da die anwesenden Frauen genug mit meinem armen Weibe zu schaffen hatten, das noch in derselben Nacht verschied. Meine Schwester Theda lebte auch nicht lange mehr und nur dem alten ehrwürdigen Pfarrer habe ich das Geheimniß mitgetheilt, nur er allein weiß es, daß Theda die rechtmäßige Tochter Ihres Oheims das Ebenbild ihrer seligen Mutter ist." Enno Harms schwieg erschöpft und starrte dann wie träumend über das weite, ruhige Meer. „Ich danke Ihnen, Vater Enno!" ver setzte Adalbert nach einer Pause, „dieses Vertrauen ehrt Sie sowohl als auch mich. So ist also Theda die rechtmäßige Erbin meines Gutes, obgleich sie mir durch ihre Geburt nicht theurer oder heiliger werden konnte, als sie es bereits geworden. Ist es Ihr Wille, daß ihr dieses Geheimniß bekannt werde, und daß die Welt es erfahre?" „Mir liegt zunächst daran, Ihr Urtheil zu hören, Herr Baron!" „Nun, was mich anbetrifft, Vater Enno, so ehre ich die Gründe, die Sie zu jenem Betrug veranlaßt, !m vollen Umfang, und frage noch dem Urtheil der Welt in Betreff meiner Wahl durchaus nichts, da ich selber und allein über mein Schicksal zu bestimmen habe. Mir wäre das Fischerkind just so lieb wie die Tochter des Barons von Malzburg; sollten Sie indessen hinsichtlich der Erbschaft —" „O, nicht doch," unterbrach ihn der alte Fischer hastig, „Theda würde dieselbe doch verschmähen. Wenn es Ihnen recht ist, Herr Baron, so lassen wir es bei dieser Beichte, womit ich mein Gewissen erleich tert habe, bewenden, stören Theda's Ruhe nicht mit alten Geschichten und lassen mich im Besitz ihrer kindlichen Liebe." „So sei es, Vater Enno!" rief Adalberr, ihm die Hand drückend. „Möge das Grab die Vergangenheit umschließen, ich will in meinem Herzen und vor der Welt nur die Tochter des Fischerkönigs heirathen!" „Amen! Amen!" lächelte der Alte, „Sie werden mein Kind glücklich machen und es ehren als ein rechtmäßiges Glied Ihrer Familie." Sie kehrten langsam in's Haus zurück, wo Theda bereits mit dem Essen ihrer harrte und sie mit glücklichem Lächeln empfing, ein Lächeln, dessen sonniger Glanz das ganze Haus erfüllte und jedes Herz durchdrang. Adalbert besuchte den alten Pfarrer, der ihn freu dig überrascht an sein Herz drückte, sowie die brave Frau Amke, und reiste dann heim, um das Schloß seiner Väter zum Empfange der Geliebten würdig zu bereiten. Schon um Weihnachten desselben Jah res wurde die Hochzeit in dem Fischerdorfe gefeiert. Der würdige Pfarrer traute das schöne Paar und alle Bewohner durften theilneh men an der jubelnden Festfreude. Nur Kenno Focke, der Verräther, fehlte unier den Gästen, weil er bei dem Abzüge der letzten Franzosen schon das Weite gesucht hatte, um der Rache der ostfriesischen Fischer zu entgehen. Frau Amke besorgte nach der Abreise der Neuvermählten fortan den Haushalt des Fischerkönigs bis an sein Ende, während Adalbert von Schodersdorf und seine schöne Theda auf dem Stammschloß in Westfalen ein beglücktes und beglückendes Dasein lebten. Und wenn sie auch bereits eingegangen sind in die friedliche Gruft der Ahne», so blüht ihr Geschleckt doch fort im Lande der rothen Erde, ein echt deutsches Geschlecht, das seine Streiter gesandt hat in den jüngsten Kampf mit jenem Frankreich, welches einst die Väter unterdrückte und in Fesseln schlug. Kirchennachrichteu aus Wilsdruff. Am 21. Sonntage nach Trin. predigt Vorm. Herr ?. l)r. Wadi. Nachmittags 1 Uhr Katechismusunterredung mit der konfir. Jugend. Der Gottesdienst findet wieder in der neureftaurirten Stadtkirche statt. Vollblütige Personen und diejenigen, welche an Blutandrang nach Kopf und Brust, Schwindelanfällen, Blähungen, Verstopfung rc. leiden, werden die rühmlichst bekannten Apotheker R. Brandts Schwei zerpillen rasche und sichere Hilfe bringen. Ausführliche Prospekte mit den ärztlichen Urtheile sind gratis, sowie die ächten Apotheker R. Brandts Schweizerpillen per Schachtel M. 1.— erhältlich in den Apotheken zu Wilsdruff, Hohenstein etc. Einen Lehrling nimmt zu jeder Zeit an Schuhmacher Pinkert, Blankenstein. AmmtzMLDMeK für die I»eKi»arLQ'sche Färberei, Druckerei, Appretur- anstalt und chemische Wäscherei iu Kötzscheubroda befinden sich in Wilsdruff beim Rathskellerpachtcr H » n <l v r und in Weistropp beim Kaufmann und Restaurateur Kivzxvit, welche um gefällige Aufträge bitten. Zur KartoffeLLese werden jederzeit Leute angenommen auf Mttergut I-imbaoli.