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ts für ein Glück schätzen, seinen Jungen bei diesein Meister unterge bracht zu sehen; denn er weiß, daß der Knabe nicht blos etwas Tüch tiges lernt, sondern daß er auch durch das Vorbild eines fleißigen, rechtschaffenen und einfachen Mannes, durch die Gewöhnung zu streuger Pünktlichkeit und Sparsamkeit ein sittlich tüchtiger Mensch wird. Ge trost läßt der Vater dann den Sohn in die Ferne ziehen; denn er weiß, daß er sich im Strom der Welt zu einem tüchtigen Charakter bilden werde. Auf einen Umstand mag noch hingewiesen werden, welcher sehr viel dazu beigetragen hat, die Gesellen dem Hause des Meisters zu entfremden und dem Hause des Schankwirths zuzuführen, wo ihnen ein sinnenberauschender Genuß und ungebundene Freiheit winkt. In vielen Städten, namentlich in den größeren, hat man auch im kleinen Gewerbebetrieb den im Fabrikbetneb unabwendbaren Uebelstand nach geahmt, die Gesellen und Lehrlinge vom Tisch des Meisters fernzu halten und ihnen auch die Schlafstelle nicht zu gewähren. Und doch ist es für l6—20jährige unerfahrene und wenig gefestigte Jünglinge so außerordentlich wichtig, welcher Umgang sich thnen in duffer Zeit darbietet, welche Neigungen in ihnen geweckt und gefördert werden. Jeder Arbeitgeber sollte deshalb ernstlich in Erwägung ziehen, wie er seinem ledigen Gewerbsgehilfen in seinem eigenen Hause ein behag liches Unterkommen bieten kann, welches ihnen bas Wirthshausleben mit all seinen Gefahren erspart. (Techn.-Gewerbl. Corresp.) Tngesgeilhichtt. Berlin. Es wird bestätigt, daß man im Reichsamt des Innern wirklich bereits mit der Vorlage bezüglich einer Arbeiteraltersver sorgung beschäftigt ist. Es sollen die Vorarbeiten die ersten Stadien bereits hinter sich haben und es ist gar nicht unmöglich, daß man schon bis zu den Wahlen Nübcres darüber zu berichten weiß, um auch diese Materie für die Wahlen nutzbar zu machen. — Das Tabaks- monopol dürfte, wie weil das auch augenblicklich bestritten werden Mag, doch wohl schon den nächsten Reichstag beschäftigen. Nachdem die bezüglichen Arbeiten, von deren Fortführung wir wiederholt zu berichten hatten, eine Weile in den Hintergrund getreten waren, sind sie jetzt in aller Stille wieder ausgenommen worden. Man sichtet das vorhandene, bekanntlich überreiche Material und fordert über zweifelhafte Punkte Berichte ein und dergl. mehr. Alles dies stützt sich auf die in leitenden Kreisen offen ausgesprochene Erwartung einer der Regierung ganz und gar gefügigen Majorität im nächsten Reichs tage. In der Sitzung des Reichstages vom 1. Juni wurde der Kardi nalpunkt des Unfallversichernngsgesetzes, Paragraph 2rr, »ach den Cvmmissionsbeschlüssen mit 145 gegen 106 Summen angenommen. Derselbe lautet somit: Jeder Bundesstaat hat eine für seine Rechnung zu verwaltende Landes Versicherungsanstalt zu errichten, bei welcher die Versicherung aller innerhalb desselben gelegenen Betriebe, sofern das Gesetz nicht Ausnahmen gestattet, stattfiudet. Für mehre Bundesstaate» kann eine gemeinsame Landesversicherungsanstalt errich tet werden. In Berlin hat am 30. Mai eine Versammlung nationalliberal er Meichstags- und Laadtagsabgeordneten stallgefunden nud einstimmig eine von Bennigsen entworfene Erklärung angenommen, welche in -einigen Tagen veröffentlicht werden soll, nachdem noch die Zustimmung der am Persönlichen Erscheinen verhindert gewesenen Abgeoroneten ein geholt -sein wird. Diese Kundgebung „will weder ein Parteiprogramm, noch ein Wahlaufruf sein, sondern hat lediglich den Zweck, Zeugniß abzulegen, daß die nationalliberale Partei auch unter den schwieriger gewordenen Verhältnissen fest ibren alten Standpunkt einnimmt und der Zukunft ungebrochenen Mathes entgegensieht." Eine Auslassung der „Köln. Z " liefert hierzu gewissermaßen einen Kommentar, indem sie sagt: „Wir, der national und gemäßigt liberal gesinnte Kern des deutschen Bottos, beharren unbeirrt durch Drohungen und Lockungen von rechts und links, unentwegt in der Mitte; wir wollen nicht das fortschrittliche: „Wider Bismarck" zu unserer Parole machen, denn wir wissen, wer dem deutschen Volke sein mächtiges Reich gebracht und ihm den Frieden bis heute erhalten hat; aber auch nicht blind ihm folgen, wenn er von Programmen abweicht, die er selbst aufge stellt und für die er unsere Ueberzeugung gewonnen hatte." Bei dem Versuchsschießen auf der Festung Graudenz am 2. Juni platzte unter den am Ziel mit der Aufnahme der Schußwirkung beschäftigten Militärpersonen eine Granate, tödtete drei Hauptleute, einen Oberfeuerwerker, einen Kanonier und verwundete den Oberst Sallbach, zwei Kanoniere und einen Cwilingenieur. Das Collegium der Preisrichter für die am 30. April geschlossene Industrieausstellung in Melbourne bestand aus 350 Per sonen, welche 38 verschiedene Äbtheilungen zu 7 bis 22 Personen bil deten. Dasselbe hat 2465 Gegenstände mit dem 1. Preise, der gol denen Medaille, 2013 mit dem zweiten, der silbernen. 1651 u.8l2 mit dem 3. und 4. Preise, bronzenen Medaillen, und 581 mit ehrenvollen Erwähnungen bedacht. Bei dem ersten Preise ist das denlsche Reich ungeachtet des großen Umfangs und der anerkannten Trefflich keit seiner Ausstellung mit 250 dürftig weggekommen, den Löwenan- thcil erhielten Großbritannien mit 549, die Kolonie Victoria mit 373 (Jeder ist sich selbst der Nächste!) und Frankreich mit 338 Zweite und dritte Preise hat man den Deutschen großmülhigerweise in etwas größerem Verhältnisse zugestanden. Vaterländische». Wilsdruff. An dieser Stelle noch besonders auf die Bekannt machung des hiesigen Gewerbevereins in heutiger Nr. hinweisend, können wir nicht umhin, die Herren Gewerbetreibenden, welche Lehr linge haben, aufzufordern, sich an diesem Unternehmen, welches gewiß zu Nutz und Fromme» ihrer Untergebenen ins Leben gerufen wird, zu betheiligen. Wir sind im Voraus überzeugt, daß sowie die Ge werbeausstellung 1878 zur größten Ehre unserer Stadt ausgefallen ist, auch die Ausstellung vou Lehrlingsarbeit-n, welche im engeren Rahmen gehalten werden mnß, nicht allein wie schon oben erwähnt zum Besten der jungen Leute, sondern auch den Lehrherren und der Stadt znr Ehre gereichen wird. — Auf der Weltausstellung zu Melbourne in Australien sind die kgl. Porzellan-Manufaktur zu Meißen sowie die Sicherheits zünder-Fabrik von Brücker und Zinke daselbst mit dem 1. Preis prämiirt. — Von einem entsetzlichen Geschick wurde am 30. Mai Mittags die Restaurateursfamilie Grimmer auf der Schulgutstraße in Dres den betroffen. Um diese Zeit kam das dreijährige Söhnchen G.'s jämmernd in das Restaurant gestürzt und stammelte iu kindlicher Naivetät der Mutter die furchtbare Botschaft vor, daß soeben sein 2 Jahre älterer Bruder Curt überfahren sei, und todt auf der Straße liege. In der That war das fünfjährige hoffnungsvolle Kind un mittelbar vorher am Elbnfer durch einen von der Schulgutstraße um die Ecke biegenden Bierwagen überfahren worden und auf der Stelle todt geblieben. Die Räder des Wagens waren dem unglücklichen Knabe» zweimal über den Kopf gegangen und eine Menge Blutflecke und Kopfhaare bezeichnete die Stelle, wo er sein zartes Leben ausge haucht. Ob den Geschirrführer eine Schuld trifft, ist noch nicht er wiesen, doch sind die Erörterungen hierüber im Gange und wurde der Kutscher sofort auf die Bezirkswache sistirt, wohin auch der kleine Leichnam gebracht worden war. Der Vater des verunglückten Kindes befand sich zu der Zeit, als die Katastrophe eiutrat, im Justlzgebäude und wurde daselbst von seinem Dienstmädchen gesucht. — Meerane. Als die Reste der Steuern aus dem Jahrgänge 1880 erhoben bez. zur Auspfändung der Säumigen geschritten werden sollte, ergab es sich, daß von 1700 Steuerrückständigen bei vollen 1300 die Auspfändung nicht mehr stattfinden konnte. Lassen sich die Verhältnisse der hiesigen Stadt besser illnstnren? ? ? — Aus dem Erzgebirge. Die erzgebirgischen Bürstenlente sind in ganz Sachsen bekannt, aber daß die Bürstenfabrikation in der Umgegend von Schönheide einen Weltruf hat, wird nicht all gemein bekannt sein. Viele Menschen finden dnrch diesen Industrie zweig ihr Brod, und Millionen Bürsten von allen Formen und Farben gehen alljährlich in alle Weltiheiie. In den letzten Jahren war das Geschäft dadurch, daß billige Waaren vorwiegend begehrt wurden, un angenehm beeinflußt, und da die Kleinindustrie, die ihre Erzeugnisse meist durch Hausirer vertreiben ließ, zn den niedrigsten Preisen los schlug, so gelang es nicht, hierin eine Besserung zu erzielen. Noch ein andererUmstand, nämlich die Preissteigerung des kalifornischen Grases, das zu den billigen Sachen massenhaft gebraucht wird, lag belastend auf dem Geschäfte, weil damit die Preiserhöhung für die daraus ge fertigten Bürsten nicht gleichen Schritt hielt. Jetzt ist es der größten Firma in Schönheide Flemming L Comp., nach langem Bestreben gelungen, die Nachfrage nach besseren Waaren wieder etwas zu heben, doch hat dies nicht geringe Opfer gefordert. Die Beschickung der Weltausstellungen in-Australien hat für die Firma den Erfolg gehabt, daß sie mit dem ersten Preise ausgezeichnet wurde und auch viele überseeische Kunden neu herangezogen hat. Der Verdienst ist jetzt weder bei dem Fabrikanten noch bei dem Arbeiter groß, aber es ist wenigstens Hoffnung vorhanden, daß es bester wird. Eine Nebenin dustrie der Bürstenfabrikation ist die Anfertigung der hölzernen Bürsten- bretche». Dieselben werden in kleinen Schneidemühlen, die mitten im Walde liegen und dnrch Gebirgsbäche getrieben werden, geschnitten, gebohrt und an die Bürstenbinder verkauft. Augenblicklich fehlt es diesen Etablissements nicht an Aufträgen, allein der Verdienst ist auch hier infolge der großen Konkurrenz sehr herabgedrückt. Der Grist iiil Frrstimsc. lFortsetzung.) Zweites Capitel. Die erste Nacht im Forsthaust. Raimund Braunfels hatle diesen Tag einen ziemlich weiten W^g gemacht; er fühlte sich ermüdet, und ohne sich für heute mit einer näheren Beschauung des Stübleins, in dem er künftig wohnen sollte, aufzuhalte», entkleidete er sich und trat dann erst noch an das Fenster, einen Blick nach dem Himmel zu thun, wie er gewohnt war, um wo möglich über das Wetter des nächsten Tages einigen Aufschluß zn erhalten. Er machte die Bemerkung, daß das ihm angewiesene Gemach wohl schon innerhalb des alten Forsthauses sein mußte, denn die Mauern desselben waren auffallend dick, weit stärker, als er sie in der Wohnstube des Försters bemerkt hatte. Jetzt fielen dem jungen Manne auch die Worte des allen Land- manues ein, an welche er bisher nicht weiter gedacht, und es wollte ihn ein leiser Schauer überlaufen, doch lächelte er über sich selbst. „Rederei!" murmelte er. Dann wandte er sich um und warf sich auf das Lager. Bald schlief er ein. Ruhe herrschte im Zimmer, nur von den Athemzügen des Schla fenden unterbrochen. Plötzlich aber fuhr dieser auf; denn erst ein langer Seufzer, dann ein kurzer, greller Schrei hatten seinen Schlum mer unterbrochen. Raimund fuhr in dem Bett in die Höhe und erstarrte vor Ueber- raschung; der Mond stand dem Fenster gegenüber und erhellte theil weise das Gemach, so daß Raimund deutlich sehen konnte, wie eine dunkle Gestalt in langen Gewändern an seinem Bette stand. Die Gestalt war weiblich, und wie es ihm schien verbreitete dieselbe einen Modergeruch um sich. Im ersten Augenblicke dachte Raimund daran, die Hand auszu- strecken, um die Gestalt zu ergreifen; allein erfühlte sich an allen seinen Gliedern gelähmt und wagte keinen Versuch zu machen sich zu regen, aber seine Angen waren wie mit magnetischer Gewalt auf die Gestalt gebannt; er konnte sie nicht von derselben abwenden, er mußte sie anstarren, und je länger er sie anstarrte, je unheimlicher, geister hafter kam sie ihm vor. Raimund fühlte, wie sein Haar sich zu sträuben begann, wie der Schweiß seine Stirn benetzte, und wagte doch »och keine Bewegung, zu der auch seine Glieder noch immer unfähig schienen. Wieder klang ein leises Stöhnen durch das Gemach, Mark und Bein durchzitternd. Unten im Hofe heulte der Hund laut auf, und dieser Ton, welchen Raimund einer geisterhaften Einwirkung znschricb, erhöhte bei ihm nur die schauerliche Wirkung des Ganzen. Die Gestalt beugte sich mehr zu Raimund herab; ein kalter Hauch umwehte ihn. „Er ist's! Er ist's!" gellte es durch das Gemach. Die Gestalt breitete bei diesen Worten die Arme ans, als wolle sie den jungen Mann umschlingen; diesem aber gab die Angst jetzt so viel Beweglichkeit zurück, das er einen Versuch machte, die unheimliche Besucherin zurückznstoßen. — Aber seine Hand traf nur Luft. Bist Du es? — Kommst Du endlich?" tönte es jetzt klagend in sein Ohr. Und abermals näherte sich die Gestalt seioem Lager und breitete die Arme weit aus. Raimund sprang aus dem Bette und tastete nach seiner Büchst, die er neben dem Bette an die Wand gehangen, konnte sie aber nicht sogleich finden. „Zurück, zurück!" rief er der Erscheinung mit wilder Stimme zu. „Zurück, oder ich schieße!"