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"die Verbreiter der republikanischen Ideen; rechnet auf mich! Auch sie scheiden hochbeglückt. Ein Gärtner, bei dem man für GambettL-ein Riesenbonquet bestellt, verweigert die Annahme der Bezahlung. — Im Lyceum empfangen ihn die Professoren und Studenten; ein Student sagt ihm: Er, Gabeita, werde täglich als Muster ausgestellt. Gam betta erwidert launig, das habe seine Gefahren, denn er sei als Stu dent oft mit der Disziplin in Konflikt gewesen. Dem Professor der Geschichte sagt er: Sie lehren die Matter der Wissenschaften. Alle Welt erinnert sich jetzt, Gambetta sei der Liebling seines Philosophie- Professors gewesen, der ihm eine glänzende Zukunft vvrausgesagt habe. Ueberall entzückt er — so sagen die glücklichen Unterthanen, welche als Berichterstatter fungireu — durch die Anmuth, Laune und Origi- nalität seiner Antworten. Der Maire von Cahnrs erhielt das Kreuz der Ehrenlegion. Wo Gambetta etwas besichtigt, zeigt er „gründliche Fachkenntnissc". Anstatt todesmüde zu sein, ist er wunderbar frisch. Gestern Abend sollte in Lahors Illumination, Feuerwerk, Musik, Fackelzug, am Sonnabend das Riesenbankett stattfindcn, bei welchem Gambetta seine große Rede halten wird, welche übrigens, wie versichert wird, nicht die erwartete große politische Bedeutung haben soll. Einen beachteuswerthen Leitartikel veröffentlicht der Peters burger „Golos", eines der hervorragendsten russischen Preßorgane. Das genannte Blatt zieht in diesem Artikel einen Vergleich zwischen der Lage der ausländischen Presse und derjenigen der russischen. Die ausländische dürfe alles besprechen, die russische dagegen die ihr zu allernächst liegenden Dinge gar nicht erwähnen. Das Sprechen sei mit hin für sie schwer, das Schweigen einfach schimpflich. Unter den ob waltenden Verhältnissen könne das Ausland den Erklärungen der rus sischen Presse kein Vertrauen schenken. Der „Golos" kvustatirt als dann die durchweg ungünstige Aufnahme, welche der russische Mini sterwechsel in der gesammten westeuropäischen Presse gefuudcu hat. Eine wirkliche Vertheidigung desselben hätte allein die Berliner „Nord deutsche Allgemeine Zeitung" übernommen, welche aber in der Gesell schaft ebenso diskreditier sei und auf die Gesellschaft ebenso wenig moralischen Einfluß besitze, wie in Rußland die Kakkowsche „Moskauer russische Zeitung". Der Westen glaube nicht den Gerüchten der rus sischen Reformen n. s. w. Er verhalte sich skeptisch und das werde andauern, bis diese Reformen Thatsache und bis die Kontrole über die Mißbräuche der Administration eine greifbare Form erhalte und eine Garantie gegen die Willkür der Gewissenlosigkeit geschaffen werde. Die letzten Kundgebungen der russischen Regierung hätten auf das europäische Publikum offenbar wenig emgewirkt. Die Pflicht der rus sischen Presse sei es, Vorurtheilen gegen die Aufrichtigkeit der Bestre bungen zur bürgerlichen Verjüngung entgegen zu treten, doch der Westen glaube nur der Stimme einer freien und unabhängigen Preffe. So der „Golos", dessen Ausführungen nichts hinzuzufügen ist. Es verlautet, daß Kaiser Alexander Hl. nicht mehr in Gatschina verweilen, sondern demnächst seine Residenz nach Moskau verlegen wolle. Most, der deutsche Sozialdemokrat in London, ist von den Ge schworenen der Aufreizung zum (Fürsten-) Morde für schuldig erkannt. Das Urtheil des Gerichtshofes ist vertagt worden. <Es handelt sich nm den berüchtigten Artikel in Most's „Freiheit") Auf dem Ontariosee (Ober-Kanada) ist der Dampfer Victoria gescheitert. Er war auf der Rückfahrt von einem nahegelegenen Vergnügungsorte. Von 600 Personen auf dem Dampfer sind 238 ertrunken. Vaterländisches. Wilsdruff, 30. Mai 1881. Nachdem mit der zweiten Hälfte des Monat Mai die längst er sehnte wärmere Witterung eingetreteu und die Natur zu einem wahren Treibhaus geworden war, die herrliche Blüthenpracht und die präch tig stehenden Saaten uns zu den schönsten Hoffnungen auf eine reich liche Ernte berechtigten, brachte uns die Wärme aber auch schwere Gewitter mit, die in vielen Orten unseres engeren Vaterlandes, ganz besonders in unserer schon voriges Jahr durch solche Unwetter schwer heimgesuchten Gegend großen Schaden anrichteten. So richteten na- tuentlich die am Hünmelsahrtstage mit wolkenbruchartigem Regen und Hagelschlag verbundenen Gewitter m mehreren Orten unseres Amts bezirks an Feldern und Baumfrüchten großen Schaden an. Bei dem am Freitag Nachmittag über unsere Gegend hinziehenden Gewitter schlug der Blitz im nahen Dorfe Grumbach in das Seitengebäude des Gutsbesitzers Eger ein und bräunte dasselbe bis auf die Um fassungsmauern nieder, auch erschlug der Blitz ein darin befindliches Ijähriges Fohlen. Unsere dahin geeilte freiw. Feuerwehr griff hier wieder tüchtig ein. Auch der Sonnabend brachte uns wiederum Ge witter, doch sah mau, daß sich solche mehr nach dem Tharandter Wald hinzogen, wo sich dieselben denn auch mit furchtbarster Gewalt ent laden haben. Kurz nach 2 Uhr kam von Grumbach nufer früherer Mitbürger Herr Otto Weißbach hereingefahren und kündigte den bei Wassersgefahr gefährdeten Bewohnern der Niederstadt den Nieder gang eines Wolkenbruches in der Tharandter Gegend an. Solche Nachricht kaum glaubend, eilten die Bewohner doch, um Geschäfts« läden und Wohnungsräume zu leeren; kaum fertig damit, kamen auch schon gegen Uhr die Wafferfluthen zur Freiberger Vorstadt in einer hier noch nie gesehenen Menge hereingeströmt, sich in die Straßen und Gassen der Niederstadt vertheilend. Daß so manchem Bewohner dieses Stadtlheils trotz aller Vorsichtsmaßregeln nahmhafler Schaden an Gärten, Gerüchen, Waaren rc. zugefügt worden ist, bedarf wohl kaum der Erwähnung; ganz besonders großen Verlust haben die Herren Leimfabrikauten Gebrüder Krippenstapel, von denen viel Leim von den Horden und Leimleder aus den Fässern vom Wasser mitgenommen worden ist, zu verzeichnen; nicht minder hart würde die verwittwete Gärtnereibesitzerin Schlätz heimgesucht, denn nicht allein, daß die an- stürmendcn Fluchen einen großen Theil der Umfassungsmauern zer- störlen, sondern auch im ganzen Garten, im Palmen- u. Gewächshaus, wo die Fluchen durchströmten, ist derselben großer Verlust zugefügt worden. Die Stadt ist durch Wegreißung von Stegen rc. in Mit leidenschastgezogen. Auch in Grumbach haben die Wafferfluthen an Feldern, Wiesen, Gärten und Wegen bedeutenden Schaden angerichtet. Ebenso sind die Ortschaften Mohorn, Herzogswalde, Helbigs dorf, Neukirchen, Blankenstein rc., wohin ein Theil der Wasser- masfeu dieses Wolkenbruchs sich gelenkt, an Feldern, Gärten, Häusern und Gerüchen vielfach geschädigt worden. Auch Tharandt ist an diesem Tage durch deu oberhalb desselben niedergegangenen Wolkenbruch in eine Stätte wilder Zerstörung ver wandelt worden. Das von den Höhen stürzende Wasser riß Theile von Gebäuden, Brücken, Zäune, ganze Strecken von Straßen, Haus- geräth u. s. w. mit sich fort. Der Albertsalon lag in einer mächtig wogenden Fluth. Die Kommunikation in Tharandt selbst war längere Zeit vollständig unmöglich und man wandte sich deshalb schleunigst mit dem telegraphischen Hilferuf um Pionniere nach Dresden; Abends trafen daselbst auch 100 Mann ein. Der Fährverkehr durch Tharandt wird schon in den nächsten Tagen wieder ausgenommen werden können, da die Wiederherstelluugsarbeiten und die Errichtung von Nachdrücken mit großer Energie in Angriff genommen worden sind. — Auch im Plauenschen Grunde hat au diesem Tage ein Wolkenbruch unge heure Verwüstungen angenchtet. So viel von Einzelheiten bis jetzt bekannt wurde, stürzte in Potschappel die Chausseebrücke ein und es ertranken 5 auf derselben stehende Kinder. Auch in dem Dorfe Nie der hä ßlich ertranken 2 Kinder. — Die Gewitter am Himmclfahrtstage trafen in der Meißner und um Cossebaude herum mit Schloßen und schweren Hagelstücken auf. Seit über 50 Jahren ist die Gegend von Cossebaude von Ha gelwettern vvrschont geblieben, jetzt wurden die Orte Leuteritz, Ober wartha, Weistropp und Cossebaude derartig betroffen, daß alle die höher gelegenen Kirschplautagen bedeutenden Schaden erlitten haben und der Weinbau in dortiger Pflege fast ganz vernichtet sein wird, wie gleichfalls die im Coffebaudaer Grunde am Berghange gelegenen und meisteutheiis armen Leuten gehörenden Korn- und Kartoffelfelder total zerstört sind; die von Cossebaude nach Briesnitz zu gelegenen Kirschnutzungen sind weniger beschädigt worden. Leider forderte das Gewitter auch Menschenleben; unfern der Schooner Mühle hat der Blitz einen jungen Menschen, den Sohu des Ortsvorstandes von Obergorbitz, namens Röche, und vor dem Dorfe Uckcrwitz hat er einen Schmiedegesellen erschlagen. Auch in Scharfenberg, Gröbern, Okrilla. Gauernitz rc. traf das Wetter furchtbar. Der Gauernitzbach wuchs iu kürzester Zeit V4 Ellen, von den höher gelegenen Feldern brachte er in Masse Kartoffeln und jnnge Saaten geschwemmt. Daß trotz des gewaltigen Schloßen- und Hagelwetters diesmal nicht auch »och Fensterscheiben in Masse zertrümmert wurden, ist nur der Wind stille zu danken, die sonderbarer Weife herrschte. — Bo ritz bei Riesa. Das am 26. Mai hier aufgetrofsene Ge witter war hier, sowie in den Ortschaften Leutewitz, Schön tz, Hirsch stein, sowie auch rechts der Elbe in Neuseußlitz, Diesbar rc. von Schloßenfall begleitet und hat theilweise ganz enormen Schaden ver ursacht. Namentlich hat der Roggen gelitten und soll in dem am Aergsteu betroffenen Fluren zum überwiegenden Theil vernichtet sein. Auch an Gebäuden hat das Unwetter durch Einschlagen von Fenstern — die Schloßen fielen bis zur Größe einer Haselnuß — theilweise Schaden angerichtet. — Geithain, 28. Mai. Ein gleiches Unwetter wie das gestrige ist hier seit vielen Jahrzehnten nicht dagewesen. Die Schleusten ver mochten die Wasser nicht zu schlingen, die Bäche schwollen zu Flüssen an, Teiche traten aus ihren Usern; die Flnthen führten Geräthe, Bretter fort, selbst ein Schweiuestall mit Insassen kam geschwommen. Bei Tautenhain hat das Wasser ein Stück Straße weggerisseu, in Alt dorf die Brücke erheblich beschädigt, in Tautenhain sogar ein Haus so unterwaschen, daß es zusammengestürzt ist. In Kohren, Wenig gossa und S yhra ist Hagelwetter niedergegangen, hat auch dort viel, sehr viel Schaden an Feldern und Obstbäumen angerichtet. Auch die fast ununterbrochen herniederfahrenden, das Dunkel des Tages unbeim- lich erleuchtenden Blitze haben ihre schreckenerregende Wirkung gehabt, in Nauenhain und Wickershain Bäume zerschlagen, in Geithain das Wohnhaus des Gutsbesitzers Moosdorf gestreift, zwischen Froh burg uud Kohren 2 Telegraphenstavgen zerschmettert und in Prießnitz in das Gut des Gutsbesitzers Ahnert eingeschlagen; Scheune und Seitengebäude sind dort niedergebrannt. — Das obere Muldenthal bis in die Gegend von Glauchau herab wurde am Himmelfahrtstage ebenfalls von einem schweren Ge witter heimgesucht uud erscheinen die betroffenen Fluren durch den niedergegangenen wolkenbruchartigen Regen, welcher streckenweise dicht mit Schloßen und Hagel vermischt war, arg beschädigt, theilweise so gar vollständig vernichtet. — In der Synode vom 24. Mai ist nach fünfstündiger Sitzung gegen 13 Stimmen die neue Trauordnung in erster Lesung zur Annahme gelangt. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei der tz 19 des Entwurfs, nach welchem künftig die Trauung zn versagen ist: 1) bei Ehen zwischen Christen und Nichtchristen, 2) bei Ehen zwischen Personen, von denen die eine mit einem Ascendenten oder Dcscendenten der anderen außereheliche Geschlcchtsgemeinschaft gepflogen hat, und 3) wenn nach den besonderen Umständen des Falles die Mitwirkung der Kirche bei der Eheschließung zum öffentlichen Aergerniß gereichen und als eine Entwürdigung des von ihr begehrten göttlichen Segens erscheinen müßte. Dies ist besonders anzunehmen: a) wenn nach den vorliegenden Umständen zu vermuthen ist, daß die Eheschließung zum Deckmantel eines lasterhaften Lebenswandels dienen solle; d) bei der Eheschließung eines oder einer Geschiedenen, welcher oder welche nach dem Scheidungsurtheil als der schuldige Theil erscheint, vor dem Tode oder der Wiederverheirathung des anderen Theils, dafern nicht An zeichen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß sie die danach an den Tag getretene Sündhaftigkeit ihrer Handlungsweise erkennen und bereuen; 0) bei gemischten Ehen, vor deren Eingehung der evangelisch-lutherische Bräutigam die Erziehung fämmtlicher zu er wartender Kinder in einer nicht evangelischen Cvnfession ausdrücklich zugesagt hat. In den Fällen unter No. 3 kann die Trauung nach träglich eriolgen, wenn das gegebene Aergernitz als gehoben zu be trachten ist. — Zu bemerken ist, daß dieser Paragraph mehrfach lebhafte Opposition hervorrief und der Synodale Prof. l)r. Friedberg sogar betonte, daß derselbe in gewissen Kreisen abschreckend wirken müsse. Friedberg konnte sich überhaupt für den ganzen Entwurf nicht begeistern, da das Civilstandsgesetz erst kurze Zeit in Kraft und der selbe deshalb verfrüht sei. — Ms Ems wird berichtet, daß Ihre Maj. der König und die Königin sich fortgesetzt des besten Wohlseins erfreuen und täglich größere und kleinere Ausflüge in die prachtvollen Umgebungen des Lahngebictes unternehmen. — Die Rückkehr dürfte frühestens am 10., spätestens am 13. Juni zu erwarten sein. Dann beziehen die hohen Herrschaften zunächst für einige Tage ihre Villa in Strehlen, um von da aus an der Feier des Frohnlcichnamsfestes in der kath. Hofkirche theilzunehmen; bald darauf werden sie das Sommerlager nach Schloß Pillnitz verlegen. Nochungewiß ist, ob Ihre Maj. die Königin dieses Jahr die Heilquellen von Tarasp (Schweiz) wieder besucht. — Der Kriegerverein „Germania", zu Ems, von dem einzelne Mitglieder in dem Kriege von 4870/71 unter dem Oberbefehl des damaligen Kron prinzen von Sachsen gekämpft haben, brachte Sr. Maj. dem König Albert dieser Tage eine Huldigung. Als der König seine Brunnen- Promenade beendet hatte fand er bei der Rückkehr nach dem Hotel den Kriegerverein aufmarschirt; die Trommler und Pfeifer spielten den Präsentirmarsch, der Präsident des Vereins, der Schlosser Werner, erstattete dem glorreichen Führer der Maasarmee Meldung. Se. Maj.,