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Das deutsche Reich hat nach der neuesten Zählung45,470,000 Einwohner, 2,745,000 mehr als nach der vorhergehenden Zählung. Pariser Journale enthalten euren Bries des Feldmarschalls Grafen von Moltke an den in Nizza lebenden Russen Goubaroff, Comiteemitglied des Vereins zur Reform der internationalen Gesetz gebung. In diesem Briefe hält Graf Mhltke die in dem bekannten Schreiben an Professor Bluntschli ausgesprochenen Ansichten aufrecht. Er hebt sodann hervor, die Geschichte unsers Jahrhunderts beweise, daß Deutschland niemals den Krieg erklärt habe. Deutschland habe jetzt seine Einheit erreicht, also kein Bedürfnis, sich in einen aben teuerlichen Krieg zu stürzen; es sei aber stets bereit zur Vertheidiguug. Graf Molike drückt schließlich den Wunsch aus, daß diese Nothwen digkeit niemals eintreten möge. Die beiden deutschen Sozialdemokraten Fritzsche und Viereck durchpilgern jetzt die Städte Nordamerikas, um Geld für die Zwecke der Sozialdemokratie in Deutschland zu sammetn. In New-Jork haben sie, wie die „N. Fr. Presse" schreibt, vor vierzehn Tagen in vielbesuchten Versammlungen Reden gehalten, wobei sie der Heraus geber des demokratischen „Sun", Mr. Swinton, mit Wort und That lebhaft unterstützte. Es soll auch nicht wenig Geld in den sozial demokratischen Klingelbeutel geflossen sein. „In Washington aber fielen sie ab. Am 26. v. M. nämlich erbat sich in der Sitzung des Repräsentantenhauses Mr. Weaver aus Iowa die Erlaubnis zur Ein bringung einer Resolution, welche für Fritzsche, ein Mitglied des deutschen Reichstages, die Benützung der Halle des Hauses zu einer Vorlesung über die soziale Lage des deutschen Volkes begehrte. Der Vorschlag wurde aber abgelehnt." Am 3. März hat der bisherige Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Rutherford B. Hayes, das weiße Haus in Washington, die Residenz des jematigen Präsidenten der Union, verlassen, um seinem Nachsvlger James Garfield Platz zu machen. Die Negierung des Präsidenten Hayes war die segensreichste, welche die Republik seit dem Tode Lincolu's gehabt; sie unterschied sich von der eines Johnson und Grant vornehmlich dudnrch, daß sie eine „Regierung der ehrlichen Leute" war, daß sic der ungeheueren Korrup tion, die unter dem Regime Grant's an dem Marke der Republik zehrte, ein Ende machte, indem sie die Aemter des Landes tüchtigen und erprobten Beamten übertrug und dieselben nicht mehr den „Drath- zieheru" der Partei als Siegesbeute überließ. Klugen und bedächtigen Sinnes hat Hayes im Verein mit einigen ausgezeichneten Rathgebern, unter denen als einer der ersten unser Landsmann Karl Schurz zu nennen ist, die Bahn ruhiger, gleichmäßiger Reformen am 4. März 1877 betreten und dieselbe trotz mannigfacher und energischer Versuche, ihn davon abzubnngen, nicht verlassen. Zwar hat er bei weitem nicht das erreicht, was seine Nefvrmfreunde bei seiner Wahl von ihm er warteten, aber er hat geleistet, was unter den gegebenen Verhältnissen zu leisten möglich war. Denn seine Regierung mußte mit der mäch tigen Grantpartei, dem radikalen Flügel der Republikaner, und dem immer kühner auftretenden Demokraten rechnen. Die englischen Truppen in Transvaal haben am Sonntag vor acht Tagen eine entsetzliche Niederlage durch die Boers erlitten. General Colley hatte mit 720 Mann in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag (26.—27. Febr.) den Hügel Spitzkop, welcher links den Paß Laingsuek überragt und theilweise beherrscht, besetzt. Die Trans- vaalbauern griffen Morgens um 7 Uhr an. Der Kampf dauerte bis 2 Uhr Mittags, dann retirirten die Engländer unter dem verheeren den Schnellfeuer der sie umzingelnden Bauern. Unter den Gefallenen befindet sich auch der kommandirende General Colley; von seinen Ge treuen haben sich kaum 100 Mann gerettet. Die Bauern drangen viermal vor, aber stets erfolglos, schließlich hatten die Engländer keine Munition mehr und versuchten nun mit einem Bajonettangriff die Reihen der sie umschlossen haltenden Bauern zu durchbrechen. Nun entstand ein fürchterliches Gemetzel. Die Bauernketten wichen ein wenig zurück und richteten von allen Seiten ein verheerendes Feuer auf den anstürmenden Engländer. Nur wenige schlugen sich durch. — Die Londoner Blätter wissen sich nur damit zu trösten, daß diese Niederlage die Ereignisse nicht zu unterbrechen brauche, denu die Haupt macht der Engländer unter General Wood wurde nicht davon betroffen. Dieser Trost dürfte doch etwas fadenscheinig fein. Die Truppen unter Colley waren diejenigen, welche Land und Leute kannten, mit der Ge fechtsart der Bauern vertraut, und an jene Strapazen einigermaßen gewöhnt waren, welche ein Feldzug in Natal und Transvaal verlangt. General Wood hat frische ungeübte Truppen, direkt aus England im- portirt, unter Kommando, die sich mit den Bauern noch nicht gemessen haben und durch die Niederlage ihrer kriegsgewohnteren Kameraden schwerlich an Muth und Zuversicht gewinnen werden. Außerdem be trägt der bisherige Verlust der englischen Kolonnen in Natal und Transvaal nach flüchtiger Berechnung schon jetzt nahezu ein Drittel der gejammten in Südafrika befindlichen britischen Truppenmassen.— lieber die Transvaalbauern hat am 25. v. M. im Verein für Han- detsgeographie der gründliche Kenner Südafrikas, Ernst v. Weber, sehr interessante auf eigenen Anschauungen beruhende Mittheilui.gen gemacht, denen wir Folgendes entnehmen. In ganz Südafrika ist unter der europäischen Bevölkerung das niederdeutsche (holländische) Element vorherrschend; es gehören demselben 280,000 Seelen an, während das englische nur 130,000 Seelen zählt. Die Scheidung zwischen beiden Elementen beginnt schon in der Kapstadt, auf dem platten Lande sind niederdeutsche Nationalität und Sprache vorherr schend. Sämmtliche Niederdeutsche in Südafrika können 46,OM Waffenfähige stellen und stehen mit ihren Sympathien auf Seilen der Trausvaalbauern, die etwa 45,MO Köpfe (darunter 8M0 Waffenfähige) stark sind. Die englische Regierung ist bei der niederdeutschen Be völkerung nirgends beliebt, denn die Maßnahmen derselben, vorzüglich die plötzliche Emancipation der Eingeborenen, haben ja die Bauern aus ihren früheren Sitzen verdrängt und insbesondere Natal bereits fast ganz zu einer Kaffcrnkolonie gemacht; ein Gleiches fürchtet man nun auch für Transvaal, gegen dessen Annexion im Jahre 1877 Neun zehntel der weißen Bevölkerung protestirt haben, nur die englischen Ansiedler stimmten dafür. Die Politik der Engländer gegen die Bau ern ist eine widerrechtliche und zugleich verfehlte, da sie sich durch dieselbe gegen das ihnen ebenfalls feindlich gesinnte schwarze Elem-nt des besten Bundesgenossen berauben. Die Transvaalbauern sind nach Art berittener Scharfschützen ausgerüstet, meist nur mit einem Jagd messer und einer Percussions-Vorderladebüchse. Sie schießen ganz ausgezeichnet und kämpfen je nach Ort und Gelegenheit zu Fuß wie zu Pferde. Die farbige Bevölkerung, die man 300,000 Köpfe ver anschlagt, besteht überwiegend aus Maniatis, die in mehr als zwanzig kleine Stämme zersplittert bis 1879 die Oberherrschaft eines Häupt lings anerkannten. Obschon dieser gelegentlich des Zulukrieges von den Engländern gefangen genommen und weggeführt wurde, sollen die Mantatis doch keineswegs den Boern günstig gesinnt sein. Neapel, 4. März. Heute wurde Casamiccivli (Insel Ischia) von einem großen Erdbeben heimgesucht, welches nahezu die Hälfte des ganzen Landstrichs bei Casamiceioli verheerte. 100 Hänser sind eingestürzt und andere dem Einstürze nahe. Bis jetzt wurden 50 Todte nud 70 Verwundete aufgefunden. Die neuesten Nachrichten über das Erdbeben in Ischia lauten entsetzlich. Das Erdbeben dauerte sieben Sekunden; der obere Theil von Casamiccivla ist ganz zerstört. Die berühmte Miueralbadeanstalt ist stark beschädigt, alle bisher aufrecht stehende Hänser drohen einzu stürzen. Dreihundert Menschen sind der Katastrophe bereits zum Opfer gefallen, 50 Todte sind bisher aufgefunden, 70 Verwundete nach Neapel geschafft, 2M Häuser vernichtet. Die zur Hülfe herbeigeeilten Truppen arbeiten ununterbrochen an den Rettungsversuchen. Die Straßen Haden große Erdrisse erlitten, die telegraphische Leitung ist unterbrochen. Vaterländisches. — Als sich Dienstag Vormittag der allgemein beliebte und ge achtete Sohn des Gutsbesitzers Franz in Cotta in Begleitung des Ziegelmeisters auf seine Felder begab, traf er mehrere Kerle damit beschäftigt, von seinem Weidenbestande Schaufelstiele zu stehlen; des halb zur Rede gestellt, drangen die Diebe auf ihn und den Ziegel meister ein und schlugen ihn mit den Schaufelstielen derartig, daß er sich nur noch mit Mühe nach seiner Wohnung schleppen konnte und daselbst mit den Worten zusammenbrach: „Mich haben sie halb todt geschlagen." Ohne weiter ein Wort sprechen zu können, blieb ver jünge Mann bewußtlos und starb noch an demselben Abend. Dem Ziegelmeister, welcher auch mehrere Schläge erhalten hatte, gelang es, vor einem gleichen Schicksale sich durch die Flucht zu schützen. — Die muthmaßlichen Urheber an dem tragischen Vorfälle sind in den Hand arbeitern Mauersberger und Bretschneider ermittelt und bereits an das königliche Landgericht eingeliefert worden. M. soll die tödtlichen Schläge gegen den bcklagenswerthen jungen Mann, der das Eigenthum seines Vaters vor den Dieben zu schützen im Begriff war, mit einem starken Aste, der zu einem Schaufelstiel bestimmt war, geführt haben. Die Sektion des Leichnams fand Donnerstag Vormittag in Gegen wart des Herrn Oberstaatsanwalt Roßtäuscher statt. Die gestohlenen Weidenstämme sind bei einem Gerüllhändler in Friedrichstadt aufge- funden worden. — Leipzig. Bei einem der letzten abgehaltenen Maskenbälle wurde ein junger anwesender Herr von einem Harlekin um Verabreichung eines Biergeldes angegangen. Der Herr zog sein Geldtäschchen und suchte darin nach einer entsprechenden Münze, wobei er einen Fünf- zigmarkschein einstweilen in die Hand nahm. Diese Gelegenheit be-, nutzte dec Harlekin, dem Herrn ohne Weiteres den Schein aus der Hand zu entreißen und damit sich schleunigst zu drücken. Allen Suchens ungeachtet konnte der Harlekin nicht aufgefunden werden, er war eben mit seiner Beute aus dem Saale verschwunden. Dagegen glückte cS der schleunigst benachrichtetcn Polizei, das Bürschen bereits am Morgen nach dem Balle auszumilteln ihn in einer Droschke abzufassen, mit der er höchst gemülhlich einherfuhr. Der ergriffene Bursche wurde natürlich in Haft genommen. Er hatte, wie sich ergab, den Fünfzig markschein bereits gewechselt und war noch im Besitz von 43 Mark davon, während das Fehlende von ihm verthan worden war. — Ans dem oberen Voigtlande, 5. März. In Heiners- grün ist derTyphus ausgebrochen und sowohl Erwachsene als Kinder sind davon betroffen. Bis jetzt sind 12 Erkrankungen bekannt geworden. — Marienberg. Ein Landbriefträger des hiesigen Postamts vergiftete vor einigen Tagen das für seine Familie bestimmte, aus Nudeln bestehende Mittagessen mit Rattengift. Die Nudeln hat er persönlich vom Bäcker geholt und wahrscheinlich schon vor dem Kochen durch Zusatz von Arsenik vergiftet. Nur ein Kind aß von dem aus Vatershand vergifteten Gericht. Es trat sofort Erbrechen ein und die Mutter, welche noch mit ihrer häuslichen Arbeit beschäftigt war, erschrak nicht wenig, als das ansgebrochene Essen grün ausfah. Der herbeigerufene Arzt konstatirle Arsenikvergiftung, doch cs ist den sofort angewendeten Mitteln gelungen, das Kind zu retten. Am andern Morgen wurde der gewissenlose Mann, der seine Familie in den Tod schicken wollte, verhaftet und fand mau in feinem Dienstmantel noch eine Büchse mit Rattengift. Er hat fein Verbrechen bereits eingestanden. BesMlrc Kcnnzcichcu. Erzählung von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Auf der Grenze", „Der rechte Erbe". Aachdruck verboten. (Fortsetzung.) Es war wie ein Strom von den Lippen des kleinen Mannes geflossen, der in seiner Angst vor einem Conflict mit der Polizei eine Beredtsumkeit entwickelte, die echt französisch war. Die Angst und Unruhe des Wirthes flößte Hartenberg unwill kürlich Mitleid ein. Und wie wenig war ihm geholfen, wenn er jetzt auch wirklich noch die Sache bei der Polizei zur Anzeige bringen wollte! Paul Pasko, oder wie er immer heißen mochte, hatte gewiß schon Italien längst erreicht; alle Forschungen nach feinem weiteren Verbleib waren doch vergeblich. — Hatte der weltgewandte Franzose auf dem Gesicht des Fremden bereits diesen Entschluß gelesen, oder wollte er ihn mit größter Schlau heit dazu drängen? denn er fuhr lebhaft fort: „Ich wußte es wohl, daß Sie ein viel zu nobler Herr sind, um mir Ungelegenheiten zu machen. Also ich kann mich auf Ihre Discretion verlassen?!" Noch ehe der Banquier eine Antwort ertheilen konnte, war der bewegliche Mann aus dem Zimmer verschwunden. Merkwürdig genug, die ganze Dienerschaft des blauen Engels wußte sich nicht mehr auf Herrn Pasko und seinen Begleiter zu be sinnen und alle weiteren Fragen Hartenbergs führten bei diesem Leuten zu keinem Resultat. „Es kehren so viel Reisende bei uns ein, daß es unmöglich ist, auf Jeden zu achten," war die ausweichende Antwort sowohl des Kellners wie des Stubenmädchens und auf den Einwurf des Banquiers, daß sich der Wirth ja noch auf den Herrn Pasko ganz genaubesinnen könne, erklärten sie einstimmig: „Herr Picard hat auch ein fabelhaftes Gedächtniß." Es gelang Hartenberg nicht aus diesen Leuten auch nur das Mindeste herauszulocken. Sicher hatte der ängstlich gewordene Wirth