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aber aus; im Gegentheil trat sogar eine weichende Tendenz ein, als die vor Einführung des Zolls angehänften Waarenmassen bei ihrer Ausschüttung zum Frühjahr einen empfindlichen Druck nusübten, der "erst zu Halt und Umschwung gelangte, als die anfangs glänzenden Ernteaussichten durch die Maisröste und schlechtes Erntewctter sich in ihr Gegentheil verkehrten. Der Preis des Roggens hob sich hiernach auf ein seit 1867/68 nicht dagewesenes, hohes Niveau, ohne daß da durch die wieder nothwendig gewordenen großen Zufuhren angelockt wurden, welche durch ähnliche Preisverhältnisse in anderen Jahren unfehlbar herbeigezogen wurden. Jetzt erst rächte sich in vollem Maße der schwere, wirthschaftliche Fehler, den man mit der Wiederherstellung der Getreidezölle begangen hatte. Deutschland mußte an seinen Be zugsmärkten andern Bedarssländern nachstehen, die nicht mit Zöllen zu rechnen hatten und deshalb bessere Preise anlegen konnten. Als die Noth uns schließlich zwang, die weitgehendsten Forderungen zu bewilligen, waren die Vorräthe an jenen Bezugsplätzen fast vollstän dig geräumt. Wahrend in der ersten Jahreshälfte eine von allen Seiten verlangend an unseren Markt tretende Bedarfsfrage zu relativ billigen Preisen befriedigt werden konnte, waren wir später selbst ge zwungen, zu Surrogaten für Roggen zu greifen und Ersparnisse aller Art anzuwenden. In erster Linie stand dabei der durch Regen in der Ernte entwerthete Weizen, welcher in beträchtlichen Partien an den Markl gelangte; aber auch Versuche, Roggenmehl mit Mais- Kar toffel- und Erbsenmehl gemischt zu verbacken, wurden mit Erfolg ge macht. Aus diese Weise wurde eine Einschränkung des Roggeuver- brauches erzielt, die schließlich auch in einer kleinen Herabsetzung des Preisstandes zum Ausdruck kam. Gambetta ist eifersüchtig wie ein Pascha. Niemand von den Ministern darf warm werden in seinem Stuhl, es muß ein ewiger Wechsel sein, damit Frankreich immer nur nach ihm ausschaut, wie nach dem Retter und Propheten. Mit den Opsern, die er auserschen, macht ers wie die Klapperschlange, die ihre Opfer erst mit Geifer überzieht, ehe sie sie verschlingt. Den Minister des Aeußeren, Barthe lemy, der ihm zu selbstständig ist, hat er seit Wochen in seiner Zeitung begeifert und angezischt und sein Freund Proust sollte ihm durch eine Interpellation in der Kammer, betreffend Griechenland, den Gnaden stoß geben. Dies Ränkespiel wurde aber zu einer Niederlage Gam- bettas. Barthelemy vertheidigte seine Politik glänzend. „Frankreich", sagte er, „will einen der Nation würdigen Frieden, nicht den Frie den um jeden Preis, aber auch nicht den Krieg um jeden Preis." — Die Kammer klatschte, überschüttete ihn mil Beifall und sprach fast einstimmig ihr Vertrauen aus. Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß England in der grie chisch-türkischen Frage einer friedlichen Lösung im Wege ist. Der Unterstaatssecretär Dilke hat dieser Tage im Unterhause die Erklärung wiederholt, daß die englische Regierung an dem Circular vom 25. August 1880 festhalte. Wie ein Echo dieser Erklärung klingt es, wenn gleichzeitig der griechische Ministerpräsident, Komunduros, in der grie chischen Kammer sich gegen eine Konferenz anssprach und auf eine Frage erwiderte, Griechenland rüste sich, um das ihm „znerkannte" Gebiet zu besetzen. In London und in Athen beharrt man also auf den Beschlüssen der Berliner Konferenz, und in Paris schickt man sich an, zu diesen Beschlüssen zurückzukehren. Es ist eine bloße Redensart, wenn Dilke versicherte, England wolle keine isolirte Aktion, sondern strebe einer gemeinsamen Äktion der Mächte an. England macht in der That die Unterhandlungen der Konstantinopeler Botschafter mit der Pforte nur widerwillig mit und stellt dadurch den Erfolg dieser Unterhandlungen in Frage. Waterländisches. Wilsdruff. Die Resultate der Volkszählung innerhalb des Amtsbezirks und Stadt Wilsdruff in vergleichender Gegenüberstellung mit den Resultaten der Volkszählung vom Jahre 1875. Zahl der Ortsnamen bewohnten Hausgrdstcke. Bewohner 1875 1880 1875 1880 Wilsdruff 271 276 2569 2650 Alttanneberg 39 40 290 287 Birkenhain 23 23 150 146 Blankenstein 55 57 457 427 Burkhardtswalde 35 39 242 238 Constappel 33 32 234 207 Groitzsch 40 41 350 274 Grumbach 159 180 1298 1352 Helbigsdorf 52 58 331 370 Herzogswalde Hühndorf 109 16 123 19 799 133 789 163 Kaufbach 52 52 384 395 Kesselsdorf 56 62 623 721 Kleinschönberg 29 31 210 240 Klipphausen 57 62 422 416 Lampersdorf 19 19 128 130 Limbach 29 29 258 283 Lotzen 12 14 65 67 Munzig 43 43 276 251 Neukirchen 132 140 905 898 Ncutanneberg 30 30 180 180 Niederwartha 15 15 118 112 Roitzsch b. Wilsdruff 7 7 63 68 Röhrsdorf 79 83 550 516 Rothschönberg m. Perne 60 60 432 415 Sachsdorf 33 35 280 300 Schmiedewalde 31 38 207 208 Sora 25 25 195 192 Steinbach b. Kesselsdor !6 18 148 153 Steinbach b. Mohorn 31 31 181 176 Unkersdorf 24 26 199 187 Weistropp 48 54 4I2 431 . Wildberg 24 27 203 203 Der Bezirk der König!. Amtshauptmannschaft Meißen zählt 91,853 Bewohner in 10,775 bewohnten Hausgrundstücken. — Das für die Stadt Wilsdruff errichtete Regulativ, wonach dort das Gast- und Schankgewerbe, sowie der Kleinhandel mit Bräunt- wein und anderen Spirituosen in Form eines Gemeindeanlagenzuschlaqs mit Abstufungen nach der Art und dem Umfange des Gewerbes be- steuert werden soll, gab dem Bezirksausschuß der Königl. Amtshaupt- Mannschaft zu Bedenken keine Veranlassung und wurde daher dessen Bestätigung von demselben einstimmig ausgesprochen. Eine Winternacht. Erzählung von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Aus der Grenze", „Der rechte Erbe". Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Der Abend brach endlich herein und nun, beim stillen Lampen licht, verlor sich etwas von dem Unheimlichen, das in dieser tiefen Verlassenheit lag. — Dennoch wurde das Herz der jungen Frau mit jeder Stunde immer beklommener; eine seltsame Angst überkam sie und vergeblich suchte sie sich zu beherrschen. Ihre Unruhe sollte noch vermehrt werden, denn als sie nach Johann riet, um ihm einen Befehl zu ertheilen, kam statt seiner Matuschka unb berichtete: Johann sei plötzlich krank geworden und habe sich zu Bett gelegt. —> Besorgt wollte sie sich selbst nach dem Befinden des treuen Burschen erkundigen; aber die Polin stellte sich ihr ängstlich entgegen: „O, gnädige Frau, ist gar nichts! Hat gewiß gegessen zu viel, wird morgen wieder gesund sein, wie Fisch un Wasser." Trotzdem ließ sich Frau v. Wildenthal durch diesen lebhaften Widerspruch nicht zurückhalten. „Ich will doch selber sehen, wie es ihm geht," erklärte sie ganz entschieden und führte auch auf der Stelle ihre Absicht aus. Bei der beschränkten Räumlichkeit, die dem Hauptmann zur Ver fügung stand, mußte Johann in einer Art Corridor schlafen, der nach honen hinaus belegen mar und von dem aus eine Thür direct in den Hof führte. Wenn der arme Bursche ernstlich krank war, dann konnte er unmöglich au diesem eiskalten Orte bleiben, der kaum zu erheizen, obwohl man einen eisernen Ofen hiueingestellt halte. Matuschka war ihrer Herrin langsam und mit sichtbarem Wider willen gefolgt. „L-ehen, gnädige Frau, er schläft jetzt gerade, wollen ihn nicht stören," flüsterte sie ihr ichon auf der Schwelle zu, obwohl sie gar noch nicht einen Blick in das Gemach geworfen hatte. Die junge Frau trat leise näher. Johann lag völlig angekleidct auf dem Bett uno schien wirklich fest zu schlafen. Sein Gesicht war gerölhet wie un Fieber, und doch, als Frau v. Wildenthal kaum an bas Bett heraugelretcn mar, wußte sie, daß sie keinen Kranken, nur einen Betrunkenen vor sich hatte. Wie konnte sich nur Johann plötz lich so vergessen haben? — Ec hatte sich bisher stets durch die strengste Nüchternheit ausgezeichnet. Deshalb wollte sie auch den guten Burschen schonen und oem Maschen gegenüber nicht vermachen, daß ihr sein Zustand bekannt sei, uno so sagte sie leise: „Du hast Recht, der Aermste schläft, da wollen wir ihn nicht weiter stören," und sie zog sich rasch wieder zurück. Ans ihrem Zimmer angelangt, fand die junge Frau erst recht keine Ruhe. Daß sich auch Johann gerade heute so vergessen und sie damit völliger Schutzlosigkeit überliefern mußte! — War dies nur ein Zufall, oder verbarg sich dahinter irgend eine böse Absicht? — Wer patte ihn betrunken gemacht? War es Matuschka gewesen, oder hatte er sich den Branntwein selbst zu verschaffen gewußt? Und warum war dies früher nie geschehen? — Diese Fragen begannen sie immer mehr zu beunruhigen und es litt sie nicht länger im Zimmer; sie wollte sich wenigstens selbst überzeugen, ob das Haus gegen einen etwaigen Einbruch von außen ordentlich verwahrt sei. Dies hatte Johann stets sehr gewissenhaft besorgt und sogar noch an der vorderen Hausihüre einen mächtigen Riegel angebracht, um ein gewaltsames Eindringen zu verhindern. Zu ihrer Verwunderung bemerkte Frau v. Wildenthal, daß die Thür heu-e nicht einmal verschlossen war, und jetzt stürzte schon Ma- tuschka, die sie gehört haben mochte, aus der Küche und rief sogleich: „O, gnädige Frau, werbe schon Alles besorgen. Habe ganz vergessen, aber ist ja noch Zeit!" und sie wollte ihrer Herrin in Ausübung des Schließeramtes zuvorkommen; doch diese hatte schon den Hausschlüssel hecumgedreht und steckte ihn in ihre Tasche. „Wollen mir gnädige Frau geben den Schlüssel, daß ich morgen früh gleich hinaus kann," bat die Polin mit ihrer gewohnten Unter würfigkeit. „Du kannst ihn dann bei mir holen," war die Antwort. „Aber gnädige Frau schlafen noch, kann doch nicht stören so früh." „Du darfu ruhig kommen, sobald Du den Schlüssel brauchst," entgegnete Frau v. Wildenthal, die sich selbst nicht erklären konnte, warum plötzlich ein solches Mißtrauen gegen die Dirne in ihrem Herzen erwachte, bas sie zu einer solchen Vorsichtsmaßregel antrieb. Die Polin wagte keinen weiteren Widerspruch. „Und nun lege bald den Riegel vor," befahl die junge Frau, und ihr war's als ob das Mädchen nur widerwillig der Weisung uachkam. Zum ersten Male gefiel ihr das kriechende, überfreundliche Wesen Matuschka's nicht: in ihrem breiten, vollen Gesicht, das bisher so viel Gutmüthigkeit besaß, schien ein heimtückischer, boshafter Zug zu lauern. Oder täuschte sic sich nur und sah sie in ihrer Aufregung jetzt überall Verrath und Gefahren?! — „Gehen gnädige Frau nur ruhig schlafen; ist gar keine Gefahr, ist Alles mäuschenstill, können sein ganz unbesorgt," tröstete die Polin und sie sah dabei wieder recht treuherzig aus. „Du hast Recht!" raffte sich Frau v. Wildenthal auf. „Wer weiß es denn, daß wir heute Niemand zu unserem Schutze haben?!" „O, bin Schutz genug!" rief die Dirne lachend und streckte ihre derben Fäuste aus. Die junge Frau ging in ihr Zimmer zurück undMatuschka folgte ihr jetzt auf dem Fuße. Sie fragte nach den weiteren Befehlen ihrer Herrin, redete ihr eifrig zu, ruhig zu Bett zu gehen, es sei gar nichts zu befürchte», und zeigte wieder ihr zuthulichcs, fast zudringliches Wesen, das doch nichts Unangenehmes hatte, weil es mit so viel Gnt- müthigkeil gemischt war und immer einen drolligen Anstrich erhielt, denn die Dirne war nicht ohne Mutterwitz und ihr gebrochenes Deutsch klang possirlich genug. Wie oft war die junge Frau durch die wohl halb unfreiwillige Komik der Polin zerstreut und erheitert worden. Heute übte dies Benehmen Matuschka's nicht dieselbe Wirkung aus. Frau v. Wildenthal glaubte in all' ihren Reden eine ganz be stimmte Absicht zu entdecken, und sie wurde noch argwönischer; dennoch war sie klug genug, diesen ihren Argwohn dem Mädchen durch nichts zu verrathen. „Du hast Recht, Matuschka," sagte sie. „Ich werde schlafen gehen, denn ich bin ohnehin so müde." Die Polm ließ es sich auch heute nicht nehmen, ihrer Herrin beim Auskleiden zu helfen, und fand dabei dennoch Zeit, den ruhig schlafenden Curt zu bewundern. „Ist ein artiges Kind, ist ein Engel! Hör' gar nicht schreien in der Nacht kleinen Prinz." Frau v. Wildenthal war eine vielzubesorgte Mutter, um die