Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.06.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080630012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908063001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908063001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-06
- Tag 1908-06-30
-
Monat
1908-06
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis 4 («»» vterlkijLtzrlich » «.. »mia«ch t «.; N»«a»d« > (morarul und abend«) ilerdel. lttzrltch 4.S0 M., mrnailiL I M M. vnrch d<« D«N pi bereden: <2 mal kLgltch) innerhalb keuiichland« und der deütlchen Kolonien merieljtbrlich b,L «., monatlich 1,75 M. ausschl. Poll, bestell,eld, ite Oesterreich b L 66 ti, Ungarnss L oiertelltbrlich. Aorner in Bei« aien, Nlnemark, den Donankaalen, gtalten, Luxemburg, btiederlande, »ionvegen, biub- land, Schweden, Schwei, »nt Spanten, In olle» Adriaen Staaten anr direkt durch dl» Lxped-». M. »bSltl.ch, Nbonnemeat-Annabme: Augnstnstplatz 8, dei onteren rrtizern, Hiliaien, Spediteure» und Annahmestellen, lowte Pofttimtern a»d Briestrtgern. Di» einzelne Stummer kostet 10 Pfß. lebaktieu uud Lrpedition: IodanuKgafle 8. »elendem Nr. ISSVL Nr, I««M. Sir, I««a. Nr. I7S. Morgen-Ausgabe 8. cipügtrTagtblaü Haudelszettuug. Amtsblatt -es Rates und -es NolWiamtes -er Lta-t Leipzig. Lnzeigeu-Prer» llmgebun, ß»,»t>»üe ist».: »»» so IKA««» 1.20 vr d»«Hl»N«»dS0Pl., stnau» Anp«,e»7SW. Nevame, 1Ll> vl, Ielerate».vehdrde» i «mllichenLetlMPi, Veila^ebsthr SM.». rauiena «xkl. P»i>- aedsthr. «eichLittanzeigen ,a hkvorjuqic Stell« i» Preise rrhbht. Rabatt »ach lar> Aest erteil le U»irrllge »»arn nicht »urack- ar»»-ru werden. Für da« Crschanen »n bestimmt«a Lagen »ad Plätzen wir» kein, Garantie übernommen U»aciar»- Annahme! Amanft aüplaH ». döisLtliche» Fittal«» a. alten Aauoncen. Expeditionen de» I» und Autle ude«. Saitpl-Silt»!« «erlt»! Sari ra»A«r. Hertzogl. vai,r. tzosd»» handln»,, Lsttz««strah- 1<t. (Lelephon VI. Nr. «SA-, Haapt-Stlial« Drelde» Soestratzc 4.1 lLeiephoa 4«!M. Dienstag 30. Juni 1908. M. Jahrgang. Das wichtigste. * Vor dem Reichsgericht wird heute gegen den W Jahre alten Tagelöhner Josef Thuet ans Banzsnheim im Oberclsaß wegen Versuchs des Verrats militärischer Geheimnisse ver handelt. * In der Prozeßverhandlung gegen die Bürger- meifterstochter Grete Beier, die gestern vor dem Schwur- gericht in Freiberg begann, legte die Angeklagte ein Geständnis ab. Den Verhandlungen, die in voller Oeffentlichkeit stattfinden, können nur wenig Personen beiwohnen. lS. Gerichtsscml.) " Der Londoner „Daily Grophic" meldet, Kaiser Wilhelm werde mit König Eduard auf dessen Reise nach Marienbad zu sammentreffen. — * Nachrichten aus Tanger zufolge wird Buhamara von den Franzosen gegen Muley Hafid ausgespielt. sS. Ausl.) * Die Lage in Persien hat sich noch verschlimmert. Die Gegner des Schahs in der Provinz marschieren nach Teheran. lS. AnsU * Das abgelaufene Finanzjahr der Vereinigten Staaten von Nordamerika schlicht infolge der wirtschaftlichen Krisis mit einem Defizit von etwa 60 Millionen Dollars ab. lS. Letzte Dep.) ' 'Das Renard-Rennen (20000 ^l) gewann gestern in Hamburg des König!, preuß. Hauptgestüt Gröditz' br. H. „Delphi» H". lS. Sport.) Zentrum und Osten. Noch nie hat sich eine politische Partei genötigt gesehen, wegen eines von ihr abgeschlossenen Wahlbündnisses soviel Verteidigungsversuchc zu unternehmen, wie jetzt das Zentrum wegen seines mit den Polen vereinbarten Slbkommens. Schon das beweist, daß dieses Bündnis kein selbstverständliches war uud die Kritik herausfordern mußte. Prüft man vollends die verschiedenen Verteidigungsverjuche so kann man sich der Neberzeugung nicht verschließen, daß das Zentrum sich bewußt ist, etwas getan zu haben, was nicht verfehlen konnte, in Preußen sowohl, als auch in den übrigen Teilen des Reiches Anstoß bei allen zu erregen, die das Wohl des Vaterlandes über den Vorteil der Partei stellen. Es kann die Prüfung jener Versuche nur erleichtern, wenn man sich vergegenwärtigt, wie Zentrum und Polen sich früher zueinander stellten Beide Parteien wurden einander erst nähergeführt durch den Kultur- kämpf, der nicht nur zahlreiche deutsche Katholiken in den Ostmarkcn in das politische Lager führte, sondern auch das junge Zentrum veranlaßte, sich die polnische Unterstützung durch Entgegenkommen zu sichern. DaS ging ober doch nicht so weit, daß das Zentrum die polnischen Feind seligkeiten gegen die deutsche Sprache und Art, gegen die deutschen Geistlichen, Beamten und Geschäftsleute ermutigt oder gar die auf die Wiedervereinigung der „drei Anteile" gerichteten Bestrebungen des radikalen Polentums gefördert hätte. Je mehr nun dieses in der Kultur kampfzeit erstarkte, um so begehrlicher wurde cs, vergaß die ihm vom Zentrum geleisteten Dienste, forderte unbedingte Unterwerfung und ging endlich, als diese verweigert wurde, dazu über, das Zentrum aus seinen Sitzen, besonders in Oberschlesien, zu verdrängen. Unter wie gröblichen Ausfällen gegen die in Wahlkreisen mit zahlreicher polnischer Bevölkerung gewählten Zentrumsabgeordneten, gegen die deutschen ka tholischen Geistlichen und insbesondere gegen den Kardinal Fürstbischof I). Kopp dies geschah, ist noch in frischer Erinnerung. Das Zentrum konnte danach ohne Selbsterniedrigung ein Wahlbündnis mit den Polen nur obschließen, wenn diese eine minder schroffe Haltung gegen das Deutschtum eingenommen und wenigstens die Geneigtheit zu er- kennen gegeben hatte», sich dem Gefüge des preußischen Staates ohne Vorbehalt einzuordnen. Wer aber, wie einige Zentrumsblätter dies getan habe», «ne solche Wandlung der Polen behauptet, spielt den Blinden und leugnet offenkundige Tatsachen. Nicht ad-, sondern zu genommen hat die polnische Hetze gegen die deutschen katholischen Geist lichen. die aus Rücksicht auf die deutschen Mitglieder ihrer Gemeinden deutsch predigen und deutsche Lieder singen lasten: wie ein Abtrünniger wurde der urpolnische Erzbischof v. Stablewski behandelt, wenn er seine Hand nicht schwer genug aus seine deutschen Diözesangeistlichen legte. Nicht ab-, sondern zngcnonnnen hat der polnische Boykott deutscher Gc- lchäftsleute; in langen Listen wurden die Polen, die bei einem Deutschen zu kaufen gewagt, aufgezählt »nd der Verachtung der Stammesgenossen oreisgegeben. Der Straz-Verein wurde zu dem Zwecke gegründet, das Polentum mehr und mehr vom Deutschtum obzuschließen und im Kampfe gegen dieses zu stählen. Der Schülerstrelk wurde aus Russisch- Polen nach Preußen herübergetragen und mit allen Mitteln der Ver hetzung gefördert. An das Anschwellen der polnischen Agitation in der Reichshauptstadt und im rheinisch-westfälischen Industriegebiete sei nur nebenher erinnert. Besonders betont muß aber werden, daß das ein- beitlich geleitete polnische Journalisten- und Schriftstellertum seit einigen Jahren geschäftiger ist als je, Deutschland im Auslande als treulosen Friedensstörer anzuschwärzcn, dem Niederlagen gleich denen Rußlands in Ostasien durch eine Koalition seiner Nachbarn beigcdracht werden müßten. Nimmt man hierzu die Tatsachen, daß unsere aus wärtigen Gegner bei ihren Plänen ganz wesentlich mit den Polen rechnen, daß diese in unseren Ostmarken jeden Stammesgenossen, der ein Gut an einen Deutschen verkauft, mit Bann und Acht belegen und gleichzeitig Unsummen opfern, um möglichst viel ostmärkischen Boden in die Hand zn bekommen, so kann man sich der Ueberzeugung nicht ver schließen. daß die großpolnische Agitation in den letzten Jahren nicht nur an Umfang, sondern bei der politischen Gelamtlage auch an Gc- sährlichkeit erheblich zugenmnmen hat. Muß mithin der Versuch, das Wahlbündnis des Zentrums mit den Polen mit einer angeblichen Einlenkung der letzteren in ge mäßigtere Bahnen zu rechtfertigen, als dnrchau'' verunglückt, ja als frivol znrückgewiesen werden, so steht es nicht besser mit der Bchaup- »ung, die Polen seien nn Reiche wie in Preußen durch den Erlaß des Rcichsvereinsgesetzes und das Enteiguungsgesetz für Posen und West- Preußen in so haarsträubender Weise vergewaltigt worden, daß das Zentrum sich zur Unterstützung der Mißhandelten gezwungen gesehen habe. Daß das erstere Gesetz — leider — den Polen Vorteile ern- geräumt hat. die ihnen früher fehlten, ist bereits von anderer Seite nachgewiesen. Und was die Enteignung betrifft, so war sie dei dem Zwecke, den die polnische Bodengier einerseits und die Aufstachelung des Auslandes anderseits einzig und allein verfolgen können, durch die Selbsterhaltungspflicht des Staates geboten und jedenfalls humaner als die von den Polen ersehnte und geplante blutige und entschädigungs lose Enteignung der ganzen Ostmark und sogar liumaner, als die vom Grafen Häsclcr vargcschlagcne Zurückschlagung eines allgemeinen pol nischen Enteignungsversuches mit Waffengewalt. Die zwangsweise Enteignung gegen volle Entschädigung zum Zwecke der Förderung des öffentlichen Wohles ist auch nichts Neues und nichts Unerhörtes — das Zentrum müßte denn behaupten, die Abwendung einer die Sicherheit des Staates bedrohenden Gefahr habe mit dem öffentlichen Wohle nichts zn schaffen. Ein dritter Beschönigungsversuch lautet: es drohe ein neuer Kulturkampf, zu dessen Abwehr Zentrum und Polen zusammenstehcn müßten wie bei dem alten Kulturkämpfe. Wäre das wahr, so müßten die deutschen ostmärkischen Katholiken doch auch etwas davon wissen. Wodurch unterscheidet sich die „polnische Religion", deren Verkündigung und Pflege die Polen in Berlin und in Dortmund von den deutschen katholischen Geistlichen ebenso fordern wie in Posen, vom deutschen Katholizismus nicht nur, sondern vom Katholizismus überhaupt? Tom einzig und allein dadurch, daß das Polentum den Glauben an die „himmlische Königin" des ungeteilten Polenrciches fordert, die nur pol nisches Gebet versteht und erhört und an der die Teilungen Polens frevelhafter Raub waren. Mit Hilfe dieses aus eigener Machtvoll kommenheit proklamierten politischen Dogmas sind die Bamberger po- lonisiert worden und gleich ihnen viele Tausende deutscher Katholiken, die in den Ostmarken unter die Zucht polnischer Geistlicher kamen, von diesem Dogma allein leiten diese Herren das Recht her, die deut schen Geistlichen und Laien zn drangsalieren und ihnen das Festhalten an deutscher Sprache und Sitte, am reinen Glauben der Väter als Verbrechen anzurechnen. Tas weiß auch das Zentrum ganz genau! Wie oft hat seine Presse in diesem Kulturkämpfe die Partei der auf das schnödeste verlästerten deutschen katholischen Geistlichen und Gemeinden ergriffen', wie oft hoben in Obc-ichlesieu Jcnirumsreduer den Polen den katholischen Charakter wegen der pöbelhaften Angriffe auf den Fürstbischof I). Kopp abgesprochcn! Und in diesem Kampfe, den das Polentum gegen den deutschen Katholizismus fanatisch führt, scheut sich jetzt das Zentrum nicht, seinen eigenen, ohnehin schwer genug bedrängten deutschen Stammes- und Glaubensgenossen in den Rücken zu satten. Und warum nun diese Selbsterniedrigung? Es gibt keine andere Erklärung als die, die Herr Trimborn offenherzig mit den Worten ge geben hat, cs gelte bei den Abgcordnetenwahlcn, den Blockparteien mit Hilfe der Blockgcgncr möglichst viel Abbruch zu tun. Das Zentrum wollte also, nachdem es im Reichstag den ausschlaggebenden Einfluß verloren, diesen mm jeden Preis im Abgeordnetenhaus« erringen. Also lediglich das Parteiinteresse ist für die Zentrumstaktik bestimmend ge- wesen! Jetzt ist ja diese Taktik ersolgerich gewesen: das Zentrum ist ver stärkt in das Abgeordnetenhaus eingezogen und hat auch einige Sitze Len Polen zugeschanzt. Dieser Erfolg kann aber unmöglich von Tauer sein. In Posen und Wcstprcußen Hot sich das Zentrum durch seine Treulosigkeit bei den deutschen Katholiken verhaßt gemacht, wie die Sprache der „Kathol. Rundschau" und die Auslassungen zahlreicher ein zelner deutschen Katholiken beweisen. In Oberschlesien, wo man dem Zentrum vielfach auf den Leim gegangen ist, wird man bald genug er- kennen, was man getan hat. Es kann gar nicht ausbleiben, daß dort das Polentum unter dem Eindruck seiner Siege noch schroffer, an- maßender und zuversichtlicher gegen die deutschen Katholiken und das Deutschtum überhaupt anftritt, dafür werden die benachbarten gali- zischen Polen, die sich bereits regen, sebon sorgen Nur eine Kurz- sichtigkcit ohnegleichen kann sich mit der Annahme trösten, die neu gewählten obcrschlesischen Polen würden das gemäßigte Polentum ver treten. Wo ist denn dieses überhaupt hin, seitdem der ehemalige „Ad- miralski" und „Freund des Kaisers" die Mäßigungsmaske fallen gelassen und sich an die Spitze des radikalen Polentums gestellt hat? Sie besteht nicht mehr, und will sic in Obcrschlesicn neu erstehen, so mag sie nur sofort den Totengräber bestellen. Das Zentrum selbst kann sich natürlich den Polen künftig ebensowenig völlig unterwerfen wie ehe dem. Es kann die „polnische Religion" mit ihren Konsequenzen nicht annehmen. Tut cs das aber nicht, so geht cs ihm genau so, wie es ihn, schon einmal gegangen ist, nur daß ihm diesmal auch die Schmähungen der bei den Wahlen gcnassührten deutschen Katholiken nachfolgen wer- den. So wird der diesmalige Erfolg des Zentrums in Oberschlesicn der Anfang vom Ende dieier Partei in diesem Landcstcile lein, und das Ende wird um so rascher kommen, je mehr die Staatsrcgierung sich der Pflicht bewußt wird, die Gründe zu beseitigen, aus denen gerade in Obcrschlesien das Zentrum soviel Glück mit seiner Verblendung der deutschen Katholiken gegen die ihnen in Wirklichkeit drohende Gefahr gehabt hat ZUM Eulenburg Ovszetz tragen wir noch folgende ausführlichen Ergänzungen nach, die uns zu unserem gestrigen telegraphischen Bericht noch gedrathet worden sind: Die Namen -er auSgeloften Geschworenen sind: Fabrikant Paul Dirschel, Fabrikbesitzer Ingenieur Neumann, Kommerzienrat Joses Schloßmann, Sattlermeister Josef Boegner, Fabrikant Max Friedrich, Chemiker Dr. Ludwig JablonSli, Fabrikant O-kar Levy, Ingenieur Heinrich Timm, Fabrikbesitzer Ernst Schaefer, Kaufmann Julius Schmiesicke, König!. Hoflieferant Heinrich. Käufmann Fred Schäfer. — Als Ersatzaeschworenc wurden ausgelosl Ritterguts besitzer Josef Lion, Lillardfavrikaut Eugen Landsberg, Rentier SkrSbel und BerlagSbuchhändler Richard Hoeft. Da die Verteidigung von ihrem Ablehnung-recht vollsten Gebrauch gemacht hat, scheint ihr also die jetzige Zusammensetzung der Gc» schworenenbank zur Hauptsache aus Fabrikanten und Industriellen die für de» Anqeklaqten günstigere zu sein. — Außer den von uns bereit« Genannten wurden von der Verteidigung noch ein Kgl. Lotterieeinnehmcr, ein Maurermeister und ein Händler adgelehnt. Der Vorsitzende richtete an die erschienenen Zeugen folgens« Mahnung zur EideStrrne: „Ich bitte Sie, jetzt alle aufmerksam auf das zu höre», waS ich sagen muß. Sie alle werden den Eid dahin zu leisten haben, daß Sic die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts binjusetz:» werden. Sie leist'» den Eid unter Anrufung Gottes. Sie wissen, daß Gott allmächtig und allwissend ist. Gott sieht den Zeugen ins Herz und weiß, ob sie die Wahrheit sprechen oder nicht. Gott straft auch die Schuldigen, und der irdische Richter belegt den Meineid mit schwerer Znchrhausstrafe. Wer aber auch sicher glaubt, daß seine Schuld niemals enidcckt werden wirs, und den himmlischen Richter nicht scheut, der kann sich doch seinen, eigenen Gewissen uicht entziehe», dessen Ruhe durch einen falichen Eid unwiederbringlich zerstört wird. Früher oder später muß sicb das Gewissen geltend machen und den Mein eidigen niederdrücken. Jeder einzelne muß sich deshalb der hohen Bedeutung der Eidesleistung und der vollen Verantwortung bewußt bleiben, die er mit der Anrufung Gottes übernimmt. Ich bitte jeden einzelnen von Ähneu, nicht etwa aus Neid, Haß oder Groll gegen den Angeklagten etwas Unwahres zu sagen, aber auch nicht etwa aus Dankbarkeit oder Anhänglichkeit gegen den Angeklagten etwas Unwahres zu seinen Gunsten zn sagen. Jeder muß der Wahrheit die Ehre geben, und wir wollen nur die Wahrheit hören. Wenn jemand etwas bekunden mußte, dessen er sich zu schämen hätte, so soll er es ruhig und offen sagen. Wir sind auch Menschen, und wenn wir d:e Robe anziehen, ziehen wir den Menschen nicht aus. Jeder muß rück haltlos die Wahrheit sagen, wenn ihm nicht das Gesetz die Erlaubnis gibl, die Aussage zu verweigern. Das tut das Gesetz uur für den Fall, daß ter Zeuge sich strasbarer Handlungen bezichtigen müßte, oser mil dem Angeklagten nahe verwandt ist. Ich mache schon jetzt die Fürstin und den Sohn des Fürsten darauf aufmerksam, daß sie das Recht haben, das Zeugnis zu verweigern, nnd bitte sie, sich das bis zu ihrem Aufruf zu überlegen." Der Vorsitzende hielt hierauf folgende Ansprache an -ie Geschworener«: Es ist nicht zulässig, meine Herren Geschworenen, daß ich Ihnen während der Verhandlung eine Rechtsbelehrung zute'l wcrden lasse. Diese darf nur zum Schluß erfolgen. Aber eine allgemeine Bc- merkung will ich vorausschicken. Sie wissen, daß Sie als Geschworene gerade wie wir als unanfechtbare Richter dastehen, der wie auf einem Felsen auf seiner Ueberzeugung steht. Sie müssen ohne An sehen der Person nnd des Standes richten. Aber Ihre Ueberzeugung darf nur geschöpft werden aus dem Inbegriff der Verhandlung Uebcr die Sache, die uns hier beschäftigt, ist viel gesprochen, geschrieben und gedruckt worden, manches zugunsten des Angeklagten, vielleicht noch mehr zuungunsten des Angeklagte». Ich bitte Sie, daß au» Ihrem Gedächtnis auszulöschen uud rein daS Bild der Verhandlung auf sich wirten zu lassen. Ich bitte Sie, der..Verhandlung von, ersten Worte des Angeklagten bis zum Schluffe mir vollster Auf merksamkeit zu folgen, und sich auch über die Aussagen Nori.,en zu mache». Ich bitte Sie auch, wenn Ihnen ein Punkt nich! klar geworden ist — ich kann auch etwas auslassen oder miw irren — mich mit Ihrem Fragerecht zu unterstützen. Alles, was geklärt werden kann, soll geklärt werden. Ihr Fragerecht möglichst umfang- reich auszunutzen, ist nicht nur Ihr Recht, sondern auch Ihre Pst w . Denn Sie sind es, die nachher den Wahrspruch zu fällen haben. Ihr Fragerecht bezieht sich aber nur auf die Zeugen uud Sachverständigen Den Angeklagten direkt zu fragen, haben weder Sie, »och die Herren Verteidiger, noch der Herr Oberstaatsanwalt ein Recht. Das ist mein Recht, und ick, werde es wahren." Nachdem Fürst Eulenburg, wie ausführlich telegraphisch berichte», mit klarer, Heller Stimme seine Personalien angegeben hatte, wirr der t?riiff>mngsbcschlntz verlesen. Er lautet: „Auf Antrag der Kgl. StaatSanwaltschast am Landgerich» I wird gegen den Fürsten Philipp zu Eulenburg und H-'Nc- seld aus Schloß Liebenberg in der Mark, zurzeit in der Charite in rer Uutersuchungsbast, das öffentliche Hauptversahreu eröffnet, der bin- rcichcnd verdächtig erscheint, im Dezember 1907 durch zwei selbständige Handlungen 1) zu Berlin vor der Strafkammer 4 des Kgl. Land gerichts I einer zur Abnahme von Eiden befugten Behörde wissentlich den vor der Verhandlung geleisteten Eid verletzt, 2) im Jn- lande unternommen zu haben, den Fischer Jakob Ernst in Staren berg zur Begehung eines Meineides zu verleiten. DaS Haupt verfahren wird eröffnet. — Strafkammer 7 a. Den 15. Juni 1908. Sehr interessant ist noch, was der Sozius des Justizrats Wronker, Rechtsanwalt Chodziesner, zum Ausschluß der OeffeiMichkeit ausführte: Es ist ein folgenschwerer Antrag, den soeben der Herr Oberstaatsanwalt gestellt hat. Das gebt aus den Gründen selbst hervor, die der Herr Oberstaatsanwalt angeführt hat. Es ist, wie der Herr Oberstaatsanwalt schon angeführt hat, hineingeleuchtet worden in alle Eckcn und Winkel, Dutzende und Aberdutzende von Zeugen sinv gekört worden, Haussuchungen und Durchsuchungen über Haussuchungen und Durchsuchungen sind vorgenommen worden. Und über all da« haben in einem großen Teile der Presse Ausführungen gestanden, die geeignet waren, die öffentliche Meinung gegen den Fürsten einzunehmcni deshalb hätte der Angeklagte an und für sich daS größte Interesse daran, daß diese Dinge in der Oeffentlichkeit widerlegt werde». Denn der Ao- geklagte war nicht in der Lage, alle diese falschen Gerüchte, alle diese falschen Behauptungen zu widerlegen. Er konnte sich nicht in einen Zeitungskampf, in eine Zeitungspolemik einlafsen, und seine Verteidiger auch nicht. Daraus kann leicht ver Schluß gezogen werde», der Fürst bade dies und jenes nicht in Abrede gestellt, also ist e» erwiesen. Aber dieser Schluß wäre falsch. Lasten Sie mich dafür nur ein Beispiel anführen In einer angesehenen Zeitung hat gestanden, daß in Hamburg der Operettensänger X. verhaftet worden sei, der eia guter Freund des Fürsten wäre und dessen Bild er auf seinem Schreibtisch Kälte. — Vor», (unterbrechend): -Herr Verteidiger gehen Sir uicht zn weil'? — Ver». Rechtsanwalt Chodziesner: Ich bitte um Berzeihuna, ich bin josorl fertig. Der X. wurde wcgeu SittlichkeitSvergehenS verhaftet, und gab bei seiner Vernehmung sofort an, däs; er den Fürsten nie gSjebrn hät»c und ihn gar nicht kenne. Bei ver Haussuchung wurde auck kein Bild de« Fürsten bei ihm gefunden, wohl aber das Bild e>nes Mannes, der Herrn Harden sehr nahe steht. Aus diesen Gründe» hätte die Verteididunz das lebhafteste Interesse, öffentlich zu verhandeln Aber es liegt hier eine Kollision zwischen den öffentlichen und den Pnvatintcressen vor, und bei dieser Kollision stellte auch ich die En»- sckeidu'.ig über den Antrag de« Herrn Oberstaat«anwaltS oeboisamsl der Entscheidung eine« hohen Richterkollegium« anheim uns wideriprcche vcm Antrag« veS Staa'Sanwalt« nicht. — Vor»', (rum Fürsten Eulenburg:
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite