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< Denjenigen Beritragsp^lichtigen, welchen -ie vorerwähnte Zuschrift nicht behändigt werden kann, bleibt überlassen, sich wegen M,ttheilung des Einschätzunzsergebnisses bei der hiesigen Stadtkämmerei zu melden. Als Termin für Abführung des ersten Dritttheils -er Steuer ist dcr 30. 'April d. I. festgesetzt worden. Eine Hilstafel zur Berechnung der Einkommensteuelsütze hängt in der Hausflur der Kämmerei zu Jedermanns Einsicht aus. Wilsdruff, am 21. März 1881. ' Der Stadtsjemeiuderlith. Kicker, Brgmstr. Tlisitsgeschichte. Berlin, 16. März. Die hiesige Polizei erhielt aus London die Mittheilung, daß dort Uhrwerke L la. Thomas für Berlin bestellt worden seien, von so kleinen Dimensionen, daß sie in Bouquets und Nippsachen leicht unterzubringen sind. Der deutsche Kronprinz ist nicht nach Petersbnrg abgereist . und das hat seinen erfreulichen Grnnd, der Viele und namentlich unsere guten Freunde in aller Welt überraschen wird. Der Extrazug, der den Kronprinzen führen sollte, stand auf dem Ostbahnhofe schon bereit, das Gefolge des Kronprinzen und sogar der Prinz Friedrich Carl war schon aus dem Bahnhofe eingetroffen, da kam die Botschaft: wir bleiben hier! -— In der letzten Stunde hatte dcr neue Kaiser in Peters burg an den Kaiser Wilhelm telegraphirt: Ich habe, um Ihre Ge burtstagsfeier (22. März) nicht zu stören, die Beijetzungsfeier auf den 27 März verschoben. — Das ist eine große Aufmerksam keit gegen den Kaiser Wilhelm, die vielleicht auch für das politische Verhältniß zu Rußland von guter Bedeutung ist. — Die russischen Großfürsten Sergei und Paul sind allein mit dem Extrazuge ab- szereist. Möglich, daß die Aufschiebung der Beisetzung in Petersburg noch andere Gründe hat. Die Polizei soll wichtige Fänge und wich tige Entdeckungen über weitere Verschwörungen und Mordpläne gemacht haben. Sicher ist jetzt schon, daß russische Nihilisten in London und Genf von dem Attentate am 13. März im Voraus unterrichtet waren und an dem betr. Tage besondere Rührigkeit zeigten. Auch Warnungen waren dem Kaiser Alexander zugegangen, die leider unbeachtet blieben. Eine Proklamation des Nihilisten-Comitees wurde schon am Tage nach der Ermordung des Kaisers in Petersburg ausgestreut. In ihr hieß es u. a.: „Die Befreiungsthat ist endlich gelungen. Alexander 11 l. wird davor gewarnt, dem Beispiele seines Vaters zu folgen. Alexander II. ist gefallen in Folge des Todesurtheils, das am 7. September 1879 Aber ihn verhängt wurde". Zum Schluß wendet sich das Comitee an alle Gesinnungsgenossen mit der Bitte, die Sache der Revolution auch ferner zu unterstützen, falls der Kampf auch gegen den jetzigen Kaiser ausgenommen werden müsse. Die preußische „Prov.-Corr." widmet dem ermordeten Kaiser Alexander einen längeren Artikel, an dem wir folgende Sätze miedcr- gcben: Fünf Mvrdanschlägen, welche politische Verblendung gegen ihn richtete, war Kaiser Alexander unter Gottes sichtbarem Schutz entgangen; der sechste sollte nach Gottes unerforschlichen Willen trotz aller äußer- 4ichen Vorsicht, die den Kaiser in letzter Zeit umgab, sei» Ziel erreichen! Die That hat von neuem und mit furchtbarer Klarheit deu tiefen Ab grund aufgedeckt, an welchem Rußland, an welchem die menschliche Gesellschaft steht. Als im vorigen Jahre (am 17. Februar) die Kunde von der Frevelthat, deren Schauplatz dcr Winterpatast des Kaisers war, — damals die dritte Frevelthat innerhalb eines Jahres — die Welt durcheilte, war es Allen klar, daß an dem Marke Rußlands ein Krebs schaden zehrt, dessen Bekämpfung nur gelingen würde, wenn alle Kräfte des Guten, welche in der Nation wohnen, sich mit begeisterter That- kraft erheben und sich um den Kaiser schaarten. Es ist dies — das muß man heute sagen — nicht geschehen, trotz aller äußeren Anstreng ungen nicht, weil in so kurzer Zeit die Redlichkeit und Sittlichkeit, welche allein für den Kaiser eine Schutzwchr bilden konnte, nicht alle Kreise der Gesellschaft durchdringen und eine innere Erstarkung und Gesundung des russischen Volkslebens nicht bewirken konnte. Damals schon wurde hervorgehoben, wie dieser Herrscher während der ganzen Zeit seiner Regierung die großherzigsten Piäne zur Hebung und Be glückung feines Volkes verfolgt hat, dafür aber steigenden Undank ge erntet hat. Das erste Ziel der revolutionären Pariei in Rußland ist nun erreicht, um so mehr wird ihre teuflische Begier ermulhigt sein: den Nachfolger des hingeschiednen Kaisers erwartet eine schwere Last und eine verantwortungsvolle Aufgabe, von deren glücklicher Lösung die Ruhe Rußlands, vielleicht die Ruhe Europas abhängt. Unter der Regierung des Kaisers Alexander II. herrschte ein friedliches, freund liches Einvernehmen zwischen Prenßen, Deutschland und Rußland. Dieses Verhältniß war die Grundlage, auf welcher sich die Freundschaft zwischen Deutschland und Oesterreich nach deu großen Ereignissen der sechsziger Jahre und somit das Drcikaiscrbüudniß aufbauen konnte. Lange bildete der Bund der drei Kaisermächte den Rnye- und Stütz punkt der europäischen Gesammtpolitik. Kaiser Alexander hat auch iu dieser Beziehung deu in der Bevölkerung gährenden revolutionären Kräften, die ihu von jener Politik abzuziehen trachteten, widerstanden und an der Verfolgung ihrer Bestrebungen zn hindern gewußt. Möge es seinem Nachfolger, der den Thron seiner Väter als Kaiser Alexander III. bestiegen hat, in gleicher Weise beschieden sein, den ungezähmten Kräften, welche Rußland auf abenteuerliche Wege führen wollen, mit dauerndem Erfolg entgegenzutreten; möge es ihm aber auch gelingen, die guten Kräfte der Nation um sich zu fchaaren, um Rußland auch vor den Gefahren zu schützen, die ihm im Innern drohen! Deutschland wird dem Heimgegangenen edlen Fürsten ein herzliches, ehrendes An denken widmen: es begrüßt seinen Sohn, den jetzigen Kaiser, mit dem aufrichtigen Vertrauen, daß auch er die Ueberlieferungen seiner Ahnen treu pflegen und den Werth einer ernsten Freundschaft mit Deutschland wahrhaft würdigen werde. Petersbnrg, 18. März. Das gestrige Rundschreiben au die Vertreter Rußlands im Auslande hebt hervor, daß Rußland nach außen ! cousolidirt sei; im Innern müsse es alle materiellen nnd moralischen Kräfte durch Fortschritt entwickeln. Rußlands Politik sei deshalb wesentlich friedlich. Dieselbe werde den rationellen Freu ndschaften und Sympathien treu bleiben. Rußland werde nicht auf den ihm gebührenden Platz unter den Mächten verzichten, aber indem es soli darisch bleibt für den allgemeinen auf Vertragsrechten beruhenden Frieden, werde es sich von den Arbeiten im Innern nur abbriugen lassen, wenn es die Ehre und die Sicherheit des Landes schützen müsse. Das Ziel des Kaisers fei die Macht und Wohlfahrt Rußlands, zu dessen Besten und zu niemandes Schaden. Als man den tödtlich verwundeten Kaiser in den Winterpalast auf Teppichen nach seinem Arbeitszimmer gebracht hatte, stürzte bleich und fassungslos die Fürstin Dolgorucki ins Zimmer und warf sich schluchzend am Kopfende des Bettes nieder. Die unglückliche Fran wehklagte in einem fort und rief den Kaiser mit den zärtlichsten Namen. In einem kurzen Augenblicke des Bewußtseins drehte dieser den Kopf ein wenig zur Seite und blickte seine Geliebte und Gattin schmerzlich an, dann nickte er einigemale und wurde wieder ohnmächtig. Sie drückte ihm zuletzt die Augen zn. — Ein Privat-Telegramm des „Berl. Tagebl." meldet, daß in das frühere Heim des neuen Czaren, in das Anitschkow-Palais Droh briefe gesendet worden sind. Der Inhalt des einen soll lauten: „Wenn der Kaiser nicht ohne zu zögern das Negiernngssystem ändere, würde er gleichzeitig mit dem „gerichteten" Kaiser beerdigt werden!" In diesem Tone sind sämmtliche Briefe gehalten. Man spricht da von, daß nach der Ueberführung der Leiche des verstorbenen Kaisers nach dcr Festungskirche ein kaiserliches Manifest erscheinen solle, welches ungefähr folgenden Inhalt haben wird: „Die fortschrittliche historische Entwickelung Rußlands würde durch den Trauerfall nicht aufgchalten werden. Die Freiheiten, welche der gemordete Monarch im Begriff gewesen wäre, seinem Reiche zu gewähren, würden nun mehr dem Reiche gewährt, welches die Schandthatcn einzelner nicht entgelten dürfe!" Es wird also speziell betont, daß dies Geschenk des neuen Kaisers ein durchaus „freiwilliges", nicht etwa ein durch jene Schandthat „ertrotztes" ist. Der russische Nihilismus ist nicht in dem „vierten Stande", nicht unter dem „armen Mann" entstanden und zn Hause. Von den 198 Angeklagten, gegen welche 1L77 wegen nihilistischer Umtriebe vor dem Criminalgericht in P- tersburg verhandelt wurde, gehörten 82 dem Adelstande, 19 dem Beamtenstande, 8 dem Militär, 33 dem geistlichen Stande, 11 dem höheren Kaufmannsstande, 23 dem Bürgerstande und 17 dem Bauernstände an. In der Amtswohnung des Lordmayors oder Oberbürgermeisters in London entdeckte man am 16. März Abends eine Kiste mit 40 Pfund Pulver uud eine angeziindete Lunte. Die Lunte wurde vou der Polizei gefunden und gelöscht. An demselben Abend sollte ein großes Banket statifinden, das wegen des Petersburger Attentats abgesagt worden war. Der Thater unentdeckt. Sozialisten und Nihilisten. Mit einer bestialischen Freude, welche bei jedem ehrenhaft denkenden Menschen den tiefsten Abscheu und die stärkste Verachtung erregen muß, feiern die Sozialisten und Nihilisten, die in Amerika ihren Zufluchtsort gefunden haben, die grausige That. Nach einem dem Berl. Tgebl. ans London zugchenden Privattelegramm hielt den dort eingetrosfene» amerikanischen Depeschen zufolge die niederträchtigste Rede auf dem vorgestern in New-Jork abgchaltcnen Sozialistischen-Meeting der deutsche Sozialist Hassel mann. Er sagte u. A.: Jene Bombe, welche in Petersburg expladirte, mache alle Tyrannen erzittern. Es folgt dann eine Stelle der Rede, welche absolut nicht wiederzugeben ist. Er nannte darauf das Peters burger Verbrechen eine „heilige That" und schlug eine Resolution vor, welche das Attentat und die gewählte Methode belobt. Der Redner schloß: „Tödtct, zerstöret, mordet, vernichtet Eure Aristokratie bis zum letzten Keime!" Gestern wurde von dem Newyorker Polizeirichter ein Mann mit zehn Dollars Strafe belegt, welcher die Zettel anschlug, die jenes Sozialisten-Mceting ankündigtcn uud den Passus enthielten: „8io saiupar t^euiu is! Rußlands Despot ist von unseren Freunden getödtct! Vivat segnens!" Waterlä»difcheS. Wilsdruff. Wir verfehlen nicht, an dieser Stelle noch besonders auf das in heutiger Nr. für morgen Mittwoch angekündigte Extra- Concert von den vereinigten Stadtmusikchörcn Wilsdruff und Nossen unter Mitwirkung des Herrn Flötenvirtuosen Schirmer aus Dresden aufmerksam zu machen und zu recht zahlreichem Besuche desselben auf- zusordern, umsomehr, da unser Herr Stadtmusikdirector zu diesem Con- cert alle Anstrengungen gemacht, um die Wintcrsaison mit einem alle Musikfreunde zu befriedigenden Concerte zu beschließen. — Alle Gewcrbtreibcnden unserer Stadt machen wir auf das in heutiger Nr. befindliche Inserat des Gewerbevereins anfmerklam. Die Idee einer Ausstellung von Lehrlingsarbciten ist eine ganz gute und wird zu Nutz und Frommen unserer Jngend dienen; möge daher die Betheiligung eine recht rege sein. — Gegenüber der in mehreren Blättern aufgetauchten Nachricht, daß Seilens der Staatsregierung die Auflösung von 16 Amtsgerichten beabsichtigt werde, bringt das amtliche „Dresdner Journal" eine Erklärung, wonach von einem solchen Schritte nicht die Rede ist. — Gegenüber dcr vielverbrciteten Ansicht, daß wegen der even tuellen Einführung eines neuen Landes-Gesangbuches es jetzt unthunlich sei, ein bisher übliches Gesangbuch zu kaufen, sei darauf hingewiesen, daß es jeder Gemeinde freigestellt bleibt, das neue einzuführen oder das alte beizubehalten. Erst in neuester Zeit hat die Verlagshandlung von B. G. Teubner in Leipzig und Dresden eine neue Auflage des bisherigen Dresdner Gesangbuches von 25 000 Exemplaren gedruckt. E i n g e s a n d t. Trotz strenger polizeilicher Aussicht werden die „fechtenden" Wan derer aller Sorten in der Regel immer kecker, ja zum nicht geringen Theil immer frecher und niederträchtiger, wenn sie nichts erhalten. Hält man ihnen entgegen, daß es doch Stadtgeschenk gebe, so wenden sie Hönisch und boshaft ein: „davon können wir nicht leben." Als ob man verpflichtet wäre, die Leute nach Mansch zu unterhalten und in ihrem Lungerleben (was doch viele führen) weiter zu unter stützen! Viele sagen es gerade heraus, nun gingen sie erst recht betteln (wenn sie nichts bekommen), sie wollten eingesteckt sein. Wird bei so frechem Auftreten nicht auch der Bestgesiunte denke«: „Dir Bursche schadeten aber 4—6 Gepfefferte nichts!" Alle Hebel müssen angesetzt werden, um wieder gehörige Zucht und Ordnung im Handwerkerthum eiuznführcn. Statt daß (mancher) Geselle (und die Herren „Aus gelernten" mögen sich das gut merken) für ein geringes Lohn beim Meister arbeiteten, lausen sie trotzig und aufgeblasen von dannen und es ist nur gut, daß die „Wischer" für solch Gebühren nicht lange auf sich warten lassen. Jeder verständige Meister wird einen guten Ge hilfen auch gut bezahlen, aber heutzutage liegt die Tüchtigkeit weit