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Ersche'nr wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) AbonnementSprels vierteljährlich 1 Lark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. AuMMptmlMnschnst zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zn Wilsdruff. Nr. 22 Freitag, den 18. März Tagesgeschichte. Der Wiener „Polit. Korresp." wird aus Dresden geschrieben: Die sächsische Regierung wird den Land lag für den 1. September einberufen, so daß die Stünde am 4. September, dem bOjährigen Jubiläum der sächsischen Konstitution, in Dresden versammelt sein werden. Sodann wird der Landtag seine Abtheilungen wählen und für die Dauer der bezüglichen Vorarbeiten wieder vertagt werden. Was ist das? Die Ostend-Zeitung in Berlin, das Organ der Antisemiten und die Gegnerin der städtischen Behörden, fordert die Bevölkerung auf, 100—150,OM Manu stark zum Rathhaufe zu ziehen und gegen den (fortschrittlichen) Magistrat zu demonstriren („ihm die Visitenkarten des Volkes zu überreichen"). Die Zeitung macht extra aufmerksam, daß dem Magistrate keine polizeilichen s und militärischen Kräfte zur Verfügung stehen. (Ein paar Tage vorher hatte dieselbe Zeilung 100,000 Exemplare der Anklage- Rede Bismarcks wider die städtische Steuerbehörde vertheilt, die in den Werkstätten der Nordd. A. Ztg. und des „Reichsanzeigers" gedruckt worden waren.) Berlin. Der Kronprinz hat sich mit seinen persönlichen Ad jutanten im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers nach St. Petersburg begeben, um den Kaiser Alexander III. die Theiluahme des Kaisers auszusprechen und ihn gleichzeitig zu der erfolgten Thronbesteigung zu beglückwünschen. Dem Kronprinzen haben sich Prinz Friedrich Karl, die General-Feldmarschälle Graf Mollke und Freiherr v. Man teuffel angeschlosscn. Se. Majestät der Kaiser, welcher sich persönlich nach St. Petersburg begeben wollte, hat ans dringende Bitten schließ lich davon Abstand genommen. Der königliche Hof hat für den Kaiser Alexander von Rußland auf vier Wochen oie Trauer angelegt. Von allen Regimentern, von denen Kaiser Alexanüer II. Chef gewesen ist, werden sich Deputationen nach St. Petersburg begeben. lieber die Aufnahme, welche die Schreckenstunde bei unserem greisen Kaiser fand, weiß die Kreuzzeitung zu berichten: Der Polizei präsident v. Madai begab sich, als er die Nachricht von dem auf den Kaiser Alexanver verübten Attentat erhielt, zu dem Kaiser, welchem bereits durch den Fürsten Bismarck die Depesche des Botschafters v. Schweinitz mitgetheilt worden war. Der Kaiser war bewegt, aber gefaßt, und reichte Herrn v. Madai mit den Worten die Hand: „lins kann Niemand schützen, über Uns waltet eine Höhere Macht." Lem Fremdenblatt entnehmen wir: Der Kaiser war beim Erhalten der Nachricht von dem schrecklichen Ereigniß, trotzdem dasselbe dem greisen Monarchen in der schonendsten, allmälig ans den tragischen Ansgang vorbereitenden Weise mitgetheilt wurde, zunächst sprachlos vor Schreck und Theiluahme und erhob vor Entsetzen beide Hände. Das kaiserliche Palais füllte sich alsbald mit höchsten nnd Hohen Persönlichkeiten, sowie solchen von Rang und Würde. Die nächsten FamiUenglieder umgaben den Monarchen, welcher erst nach längerer Zeit Thränen fand. Waren die Augen der Umstehenden schon bisher vom Weinen geröthet, so bemüht man sich vergebens, den erschütternden Eindruck wiederzugeben, den der Anblick des schluchzenden, über die Maßen er griffenen Monarchen hervorrief. Golt sei Dank haben gerade diese Thränen etwaige Befürchtungen betreffs Rückwirkung des Ereig nisses auf die Gesundheit des Kaisers verscheuchen können. Nach dem der Kaiser sich gesammelt hatte, diktirle er eine lange Depephe an den nunmehrigen Monarchen von Rußland, die in den wärmsten Worten avgefaßt wgr nnd ein lebendiges Zeugniß von der tic,inner lichen Zuneigung abgab, welche beide Lanoesfürsten verband. Der Depeschenwechsel zwischen dem jungen Kaiser von Rußland nnd Kaiser Wilhelm ist heute ein äußerst reger. Ueberdies ging ein Äabinels- Courier mit einem eigenhändigen Schreibe!: des Kaisers an den Kaiser von Rußland nach Petersburg ab. Anderweitigen Nachrichten znfolge hat unser Kaiser in der Nacht zum Montag gut geschliffen und befand sich am Montag wenngleich tief erschüttert, doch körperlich bei erwünsch tem Wohlsein, so daß zu hoffen steht, daß die gehabte Aufregung auf das Befinden des Kaisers keinen nachtheiligen Einfluß hat. Wie amtliche Depeschen aus Petersburg melden, fand Montag Mittag um 1 Uhr die herkömmliche Huldigung für den Kaiser Alexander III. im Wintcrpalais statt. Der Zng ging unter dem Vorantritt der Hvfchargen durch die Säle zu der Kirche. Der Ncko- laisanl war von der Generalität und Offizieren aller Waffen in großer Zahl vollständig gefüllt. Der Kaiser, der sich der Thränen Anfangs kaum erwehren konnte, hielt dann mit fester Stimme eine warme Ansprache, in welcher er dem Dank für die seinem geschiedenen Vater bewiesenen Gefühle der Treue lebhaften Ausdruck gab und alle Anwesenden aufforderte, dem entschlafenen Kaiser ein treues Andenken zu bewahren nnd auch ihm die gleiche Treue zu halten. Nach dem Schluffe der Ansprache verharrten die Anwesenden einen Augenblick in lautloser, nur vom Weinen unterbrochener Stille, dann ertönte aber ein nicht enden wollendes Hnrrahrnsen, welches sich ans dem weiteren Wege bis zur Kirche fortsetzte. Hier hielt der Kaiser, der vor Schmerz nnd Thränen seiner Stimme kaum mächtig war, eine ähnliche Ansprache an den versammelten Neichsrath und an die Minister, welche darauf mit anderen anwesenden höchsten und hohen Staats- und Hofwürdcn- ! trägern den Eid leisteten. Der Zug bewegte sich darauf in der größ- ! ten Ordnung. Das Militär hat dem neuen Kaiser Sonntag und Montag den Fahneneid geleistet. Auf den Straßen herrschte dieselbe Bewegung, überall aber auch dieselbe ruhige würdige Haltung, wie Sonntag, bei Allen, ohne Unterschied, tritt das Gefühl der Trauer und des Schmerzes um den erlittenen schweren Verlust und das Ge fühl tiefster Entrüstung über das Attentat und die ruchlosen Meuchel mörder hervor. Anderweitige Nachrichten besagen, der Kaiser habe einzeln empfangenen Personen gegenüber gesagt: „Er besteige den Thron unter peinlichen Umständen, er sehe aber mit Vertrauen der ehrlichen Mitwirkung aller Patrioten entgegen und werde sich be mühen, die Liebe ganz Rußlands in demselben Maße zu erwerben, wie dieselbe seinem verstorbenen Vater zu Theil geworden sei." So fort nach dem Hwscheiden des Kaisers wurde der Großfürst-Thronfolger von den anwesenden, vom Schmerz aufs Tiefste gebeugten Mitgliedern der kaiserlichen Familie als Kaiser begrüßt. Ebenso machte er als dann eine Rundfahrt durch die Straßen der Hauptstadt, um vor allem Volke dem Brauche gemäß zu zeigen, „daß Rußland einen Czaren habe." Denn bei dem fast überirdischen Ansehen, welches jeder Czar in den niederen russischen Volksschichten trotz aller nihilistischen Um triebe genießt, ist es eine alte Furcht, daß in demselben Momente aus reiner Plünderungslust eine Volksrevolte gegen die „Reichen und Studirten" losbricht, in welchem Rußland keinen Czaren, keinen Halb gott für den armen Muschik hat. Als der Kaiser mit der Kaiserin am Sonntage, dem Tage des Attentats, Nachmittags 5 Uhr nach seinem Patais fuhr, wurde derselbe von den versammelten Menschen- masfen überall mit sympathischen Zurufen und mit Aeußerungen tiefer Verehrung für den entschlafenen Kaiser begrüßt. Das Gefährt konnte wegen der sich zu demselben herandrängenden Menschenmasfen nur im Scyritt vorwärts kommen. Auf den Straßen herrschte übrigens die vollständigste Ordnung, nirgends gab sich eine unruhige Bewegung kund, „alle Schichten der Bevölkerung — so versichert wenigstens ein offizielles Petersburger Telegramm — waren nur von dem Gefühle der Entrüstung gegen die Mörder und von tiefstem Schmerze um den Czar-Befreier und den Czar-Märtyrer, wie man den verstorbenen Kaiser nannte, erfüllt." Petersburg, 15. März. Wie verlautet, gelang es der Polizei in der vergangenen Nacht, eine Person aufzuspüren, welche an dem Attentat betyeiligt ist. Ais die Polizisten in die am Moskauer Thor belegene Wohnung des Verdächtigen eindrangen, feuerte dieser auf seine Angreifer. Der erste derselben stürzte durch das Auge geschossen todt nieder. Der Verbrecher gab dann noch schnell mehrere Schüsse ab, verwundete noch zwei PoUzeisoldaten und schoß sich dann selbst durchs Herz. Er brach sofort tobt zusammen. —Bei der Katastrophe am 13. ö. M. wurden im Ganzen 16 Personen verwundet, 2 starben. Bei der Besprechung des in Petersburg eingetretenen Regierungs wechsels sagt die „Times", die große und herzliche Freundschaft zwischen dem Kaiser Wilhelm und dem verstorbenen Kaiser Alexander sei ein Pfand für die Sicherheit des europäischen Friedens gewesen. Es sei zn hoffen, daß der Nachfolger des Kaisers Alexander einsehen werde, wie wichtig es sei, das gute Einvernehmen Rußlands mit Deutschland zu knltiviren, und wie sehr es sich für ihn empfehle, in dieser Hinsicht dem Beispiele seines Vaters zu folgen. Aus Rom, 13. Marz, wird geschrieben: Um 12 Uhr Abends fanden in Foligno 15 Erostöße statt, welche selbst in Perugia verspürt wur- den; in Cittaducale wurden 3 Erdstöße wahrgenommen. KLaterläuDifches. Wilsdruff. In Beziehung auf die in vor. Nr. unseres Blattes enthaltene Notiz, das Pfarramt in Erlbach betreffend, haben wir auf Grund autyentischer Informationen berichtigend zu bemerken: erstens daß der Herr Schulvireetor Beck nicht als Bewerber aufgetreten, sondern ohne Weiteres vom Consistdrinm vorgeschlagen worden ist, zweitens daß, wie vor einigen Jahren Kirche und Schule neu gebaut worden sind, nun auch das Pfarrhaus von Grund aus neu aufgebaut werden soll. Uebrigens ist Erlbach selbst ein ansehnlicher Marktflecken mit 1500 Einwohnern; eigentliche Armuth ist nicht da, darum auch keine Communalabgabeu. Es hat 2 Rittergüter, 2 Gasthöfe, 2 Brau ereien, Jnstrumentenfabrcken, Kaufläden, mehrere Bücker und Fleischer, die meisten anderen Handwerker, sowie eine Oberförsterei und eine Postagentur. Die Entfernung bis zur nächsten Eisenbahnstation be trägt nur eine halbe Stande. Die Lage des Ortes ist sehr angenehm und gesund. — Dresden, 15. März. In der festlich erleuchteten russischen Kirche hatten sich heute Vormittag 11 Uhr die Glieder der hiesigen russijchen Fremdeukolouie eingefnnden, um Sr. Majestät dem Kaiser Alexander III. Alexandrvwitsch den Eid der Trene zu leisten. Zunächst trat Se. Exeellenz Staatsrath v. Nelidow, Gesandter am k. Hofe, mit dem Erzpriester Rosanow vor die Betpulte nnd sprach Ersterer den vom Geistlichen vorgesprvchcnen Eid mit lauten Worten nach. Hierauf traten sämmtliche Unterthanen des russischen Reiches, die zur Zeit hier aufhältlich sind, an die Betpnlte nnd sprachen eine andere Eidesformel bei erhobener Hand nach und küßten das ansgelcgte Kreuz, um hierauf mit Namensunterschrift das Gelöbniß zu bekräftigen. Ein darauf fol gendes Döcksum schloß die Feier. Morgen Vormittag 11 Ihr findet Trauergottesdienst ahne Liturgie statt, — Dresden. Ans Allerhöchsten Befehl wird wegen erfolgten Ablebens Sr. Majestät des Kaisers Alexanders II. von Ruß land am Königlichen Hofe die Trauer auf drei Wochen, vom 14. März bis mit 3. April d. I., angelegt. -ulst Wilsdruff. Am Sonntage Oculi Vormittags predigt Herr ?. Dr. Wahl.