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Geschichte, nicht wir. Wir stellen diese Bedingungen nicht, wir erin nern nur an dieselben. Somit, Majestät, entscheiden Sie, Sie hav<-n zwei Wege vor sich, von Ihnen hängt die Wahl ab. Wir können nur das Schicksal bitten, daß es Ihrer Einsicht und Ihrem Gewissen die Entscheidung eingebe, die allein dem Heile Rußlands, Ihrer eigenen Würde und Ihren Pflichten gegen das Vaterland entspricht." Unter zeichnet ist die Proklamation mit: „Exekutiv-Komitee, 22. März 1881. Druckerei des Bolkswillens (Narodnaja Wolja), 24. März. Petersburg, 15. April. Die Todesstrafe durch den Strang ist heute Vormittag gegen die Verunheilten Russakosf, Michackoff, Kibaltschitsch, Sophie Perowskaja und Jeliaboff auf dem Semeuoff'- schcn Platz vollstreckt worden. Bei Michailvff war der Strick vorher zweimal gerissen. Um 10 Uhr war die Hinrichtung beendet. Auf dem Richtplatze und in den angrenzenden Straßen hatten sich große Meuschenmassen angesammelt. Die Ordnung ist nirgends gestört worden. Von d u Verheerungen, welche das Erdbeben auf Chios an gerichtethat, bringt die „Times" die Schilderung eines Berichterstatters, der von Konstantinopel aus hingegangen war, um dieselben mit ei genen Augen zu schauen. Er sagt, die Insel biete ein Bild der Ver zweiflung, wie er es selten gesehen; Hunderte von Häusern seien in einen formlosen Rninenhaufeu verwandelt, in welchem noch Opfer in unbekannter Zahl begraben liegen; die Mehrzahl der noch vorhandenen Häuser sei voller Risse und ohne Dach und drohe jeden Augenblick den Einsturz, zumal die Erschütterungen, wie er selbst, glücklicherweise unter einem Zelte wohnend, wenige Minuten vor Abfassung seiner Depesche gespürt habe, noch fortdauern; vorzugsweise habe die alte Genueser Festung mit ihren etwa 400 meist von Jude» und Muha- medanern bewohnten Häusern gelitten. Die meisten Bewohner der Insel, die er auf 70,000 angiebt, halten sich im Freien auf, entweder weil sie Obdach und Habe verloren haben, oder weil sie durch den Einsturz der noch stehenden Wohnungsreste mit begraben zu werden fürchten. Die Zahl der Getödteten giebl er auf 6- bis 7000, die der Verwundeten auf den vierten Theil der Ueberlebenden an. In Folge der Unmöglichkeit, unter den Trümmer» die große Menge von Leichen mit der nöthigen Schnelligkeit herauszuziehen, ist deren Verwesung schon so weit vorgeschritten, daß Midhat Pascha die weitere Aus grabung eingestellt und die Nicderreißung der noch stehenden Mauer reste und eine durchgreifende Desinfiziruug ungeordnet hat, um den Ausbruch einer Seuche zu verhüten. Londoner Nachrichten melden, daß am 11. sieben neue heftige Erderschütterunge» von 3 bis 4 Se kunden Dauer das Zerstörungswerk auf Chios noch weiter fortgesetzt haben. Bcsviidcrc Kcniizcichcii. Erzählung von Ludwig Habicht. Verfasser der Nomane: „Auf der Grenze" „Der rechte Erbe". Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Stephan strich mit der feinen, weiße» Hand über die glühende Stirn; sein Athem ging rascher und in ungewöhnlicher Hast fragte er von Neuem: „Hat Dir Dein Papa gesagt, wie Paul Pasko aussah?" „O, ich hab' ihn selbst gesehen", rief sogleich die Kleine lebhaft. „Er sah ganz vornehm aus und hatte gerade solche lange, weiße Finger, wie Sie. Papa hat uns den Räuber ganz genau beschrieben^ daß er einen wunderschönen Nacken gehabt und merkwinoig lange Finger und als wir einmal im Prater spazieren gingen, dort wo die Dampfschiffe landen, die nach Ungarn fahren, da sah ich einen solchen Herrn und ich sagte: Papa, dort ist der Räuber! und er war es wirklich. Ist das nicht merkwürdig?" Gertrud richtete wieder ihre klaren, lieblichen Kinderaugen auf Stephan, der kaum noch im Stande war, seine furchtbare Aufregung selbst vor dem arglosen Mädchen zu verbergen. „Gewiß", keuchte er mühsam hervor. „Und ist Paul Pasko wirklich verurtheilt worden?" „Freilich! alles Leugnen hat ihm nicht geholfen. Er war doch einmal der Räuber und hat eine große Strafe bekommen; zwölf Jahre schweren Kerker. Papa hat es recht leid gethau; aber warum war er damals so häßlich und mochte Papa den alte» Dukaten nicht wieder- ^eben, um den er ihn bat." „Weißt Du auch, wohin Paul Pasko gebracht worden?" suchte Stephan so unbefangen wie möglich zu fragen, während ihm das Herz voll heißer Erwartung schlug. „Nach Olmütz und denken Sie, was wieder recht sonderbar ist, unser Onkel ist dahin als Director versetzt worden und ist mit Paul Pasko sehr zufrieden. Er ist dort ganz artig. Aber da komme» ja Papa und Mama!" rief sie plötzlich und nach einem leichten Knix sprang sie rasch ihren Eltern entgegen. Stephan preßte einen Augenblick die Hände vor die fiebernde Stirn; dann schlug er rasch einen Seitenweg ei» und war v-rschwunden. Als Hartenberg am andern Tage der Gräfin einen Besuch machte, war ihr Neffe schon wieder abgereist. — Gertrud Plauderte wohl davon, daß sie den Lord g-troffen habe rind er ganz freundlich zu ihr gewesen sei; aber seltsam genug, daß sie an seinem Finger dasselbe Sternchen bemerkt, das für den armen Paul Pasko zu einem so verhängnißvollen Kennzeichen geworden, darüber verlor sie kein Wort. Vielleicht hatte ihr junges Herz doch die Empfindung, daß sie den hübschen, artigen Grafen nicht mit einem Straßenräuber in irgend eine Beziehung bringen dürfe; vielleicht hatte auch dieser Umstand auf sie keinen besonderen Eindruck gemacht. Ihr blieben ganz andere Dinge im unauslöschlichsten Gedächtniß. Wie gnt und freundlich war der Lord gegen sie gewesen und wie schön war er ihr vorgekvmmen. Willibald und Sarolta lachten noch immer über das kalte, häßliche Gesicht — häßlich, weil es ihnen kein Lächeln gezeigt und Gertrud sah beständig diese blauen Augen, diese hohe, feine Stirn nnd das edle, klassische Antlitz, das sie nur mit dem Apoll vergleichen konnte — da sie bereits in der Schule bis zur Götterlehre vorgedrungen. Da durch die plötzliche Abreise Stephans der Banqnier mit dem Neffen der Gräfin nicht mehr in Berührung kam, so trat auch dies Ercigniß allmählich bei ihm in den Hintergrund und seine kluge Frau suchte so viel wie möglich ihren Gemahl zu zerstreuen und ihm seine wunderlichen Gedanken nnd Vermuthnngen aus dem Sinn zu schlagen. Es war auch zu sonderbar, daß er plötzlich den rechten und eigent lichen Räuber in dem Neffen der Gräfin suchen wollte, während er früher mit eben so viel Entschiedenheit behauptet und beschworen, daß Niemand anders als Paul Pasko der Verbrecher fei. Wenn Hartenberg die Gräfin sah, dann erschien ihm selbst der Einfall abgeschmackt, daß der Neffe dieser hochgebildeten, feinsinnigen ! Frau der wahre Räuber sein könne. Und was hätte den jungen Lord antreiben sollen, sich in Ungarn auf Straßenraub zu legen? — Wie ! exceutrtfch auch manche Söhne Albions, — eine solche Tollheit war ! ihnen doch nicht zuzutrauen. Der Banquier mochte nicht einmal die Gräfin über ihre» Neffen mit weiteren Fragen belästigen, denn die s etwas sensitive Frau hatte ohnehin eine Art, unliebsame Erörterungen ! abzulehne», daß es nicht leicht war, sie auf ein Thema zu bringen, l dem sie ausweuHen wollte. Und über ihren Neffen sprach sie augen scheinlich nicht gern. „Sein Charakter ist mir unverständlich", hatte sie erklär! uuo damit war für sie die Sache abgelhan. Das Stillleben der beiden Familien in Meran wurde durch kein weiteres Erelgniß unterbrochen und der Winter verlief für Alle im gegenseitigen traulichen Verkehr auf die angenehmste Weise. Je näher man sich anschtoß, je mehr lernte man sich schätzen und ein wahres, echtes Fieundschaflsbündmß entstand zwischen Hartenbergs und der Gräfin, das durch die beiderseuige Anhänglichkeit der Kinder noch mehr gesteigert wurde. Sarolta war von Willibald unzertrennlich, sie schloß sich an ihn mit der ganze» Lewenschaftlichkrit ihres Wesens an und der junge ! Hartenberg allein vermochte über sie eine unbedingte Herrschaft aus zuüben. Ihm gehorchte sie, seine Worten machten stets auf sie den tiefsten Eindruck, während sie sich gegen alle Ermahnungen der Andern, selbst gegen die Bitten nnd liebevollen Vorstellungen ihrer Mutter, immer trotziger verschloß. Es war eben ein ganz eigenthümliches Geschöpf, das früh schon seine eignen Wege ging. Sv seltsam, wie die fast leidenschaftliche Anhänglichkeit Sarolta's war das sichere, ruhige Auftreten Willibald'». Es mußte ein natür liches Erziehertalent in ihm stecken, denn er benutzte seine beinah magnetische Macht über das Kind nur, um ihr wildes unbändiges Temperament zu zügeln und die scharfen Ecken und Kanten ihres Charakters, die sich so früh zeigten, so viel wie möglich zu beseitigen. Die Gräfin hatte früher ihr Töchterchen geliebt mit jener blinden, gefährlichen und ach, so verzeihlichen Mutterliebe, die ihr Kind nicht zu strafen, nicht einmal zu schelten wagt, aus Furcht, das so behan delte Kind könne sich von dem zärtlichen Mutterherzen abwenden. Sie hatte an ihrer Sarolta keinen Fehler, überall nur glänzende Eigen schaften bemerkt; erst in neuester Zeit war ihr aufgefallen, daß ihre Tochter ganz und gar das wilde, leidenschaftliche Temperament ihres Galten geerbt habe und nun entdeckte sie auch in dem Kinde denselben unbeugsamen Trotz, das Zügel- und Maßlose einer feurigen Natur all' die Charakiereigcnthümllchkeiten, durch die ihr Gemahl sich selbst und Andere so wenig glücklich gemacht hatte. Sie erschrak — wollte schonend und liebevoll in Sarolta die schlimmen Keime erdrücken nnd gewahrte zu ihrer Bestürzung, daß es damit schon zn spät sei. Die Kieme war bereits nicht mehr zu beugen, ihre zärtlichen Vorstellungen blieben auf das wunderliche Geschöpf ohne Eindruck und ihrer Strenge setzte sie finstern Trotz entgegen. Die schwache Frau gab bald solche Versuche auf nnd das vierjährige Kind spielte in dem mütterlichen Hause die kleine Tyrannin; sie wußte ihren Willen durchznsetzen und ihrer Mutter alles nbzuschmeicheln oder abzutrotzen. Die Gräfin sah deshalb mit wahrer Herzenserleichterung auf den räthselhasten Einfluß, den Willibald über das eigenwillige Kind ge wonnen. Da sie frei von aristokratischen Vvrurtheilen war, sah sie ans den Verkehr der beiden Kinder ohne Bedenke», ja sie begünstigte ihn und zeigte dem jungen Hartenberg eine wahrhaft mütterliche Zärtlichkeit, der sich an sie ebenfalls mil der Hingabe eines Sohnes anschloß und ihre Winke und Rathschläge hinsichtlich der weiteren seelischen Entwickelung Sarolta's mil einer Sicherheit und Klarheit befolgte, die sie bei seiner Jugend wahrhaft bcwnndern mußte. Der Winter nahte sich seinem Ende und damit auch der Aufent halt Hartenbergs in Meran. (Forts, folgt.) Hauptverhandinngcn vor dem Miigl. Schössengtrkcht zu WitMuff, den 20. April n. c. Vormittags 9 Uhr gegen den Händler Moritz Julius Keßler aus Kleinopitz, wegen Betrugs. Vormittags V?10 Uhr gegen den Dienstjungen Ernst Theodor Kutzschke aus Niederhermsdors wegen Diebstahl. Vormittags 10 Uhr gegen den C^garrenmacher Carl Gott lieb Müller aus Kamenz wegen Diebstahl und Unterschlagung. Vor mittag 11 Uhr Privatklagsache des Gutsbesitzer Louis Schönberg in Blankenstein gegen Marie led. Philipp in Tanneberg, wegen Beleidigung. Zur Geburtstagsfeier Sr. Majestät unseres attverehrteu Königs Albert im Gasthof zum qoldnen Löwen (»rEr i'WtMrü, ausqcfllhlt v. d. Vereinen „Sängerkran;", „Anakreon", „Militärvcrcin", „Gewerbeverein" und „Freiwillige Feuerwehr". Alle patriotisch Gesinnten werden dazu freundlichst einge- i laden. Die Vorstände. Näheres in nächster Nummer. FH»,, welches Lust hat, das Schnei- kl» ll, Lern zu erlernen, findet Unter- kommen bei TU. Koiekvi, Zellaerstraße. Achtung! Morgen Mittwoch von Vormittags 10 Uhr an werden frische, große Elbflsche (Zcrthen) verkauft das Pfd. zu 58 Pf. bei LW Ceutuer weißfleischige Zwiebel- aus der Provinz Brandenburg liegen zum Ver- '' kauf bei lwnst 8oÜllhert, Deutschenbora No. 385. Am 17. April Abends ist eine gefütterte Pferdedecke ver loren worden. Ueberbringer erhält eine Belohnung bei Noritr Lusvlr.