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Obwohl Stephan gegen die österreichische Kaiserstadt einen solchen Widerwillen an den Tag gelegt, erschien er eines Tages zur Über raschung seiner Tante plötzlich" in Wien. „Ich las in den Zeitungen, daß es hier wieder lustig zugeht," erklärte er seinen Verwandten, „und das Leben in Ungarn ist so langweilig." Die kluge Gräfin glaubte einen andern Grund für seinen Gesinn ungswechsel entdeckt zu haben; aber sie schwieg. Sie hatte bei ihrer letzte» Abwesenheit in der Heimath wohl bemerkt, mit welch' eigru- thümlichen Augen Stephan Sarolta betrachtet und wie er sie mit einer Aufmerksamkeit behandelt, als ob sie nicht mehr ein Kind, sondern schon eine vornehme Dame sei. Die rasch sich entwickelnde Schönheit seiner Cousine übte gewiß auf sein leicht erregbares Herz ihre An ziehungskraft. Wenn auch die Gräfin wußte, daß die Hoffnungen ihres Neffen sich schwerlich verwirklichen würden, empfand sie doch über den un erwarteten Besuch Stephans eine große Freude, denn sein lebhaftes Temperament wußte stets Alle mit fortzureißen. Auch Sarolta flog dem Vetter mit aller Herzlichkeit entgegen. Als sich der Freudensturm des ersten Wiedersehens ein wenig gelegt hatte, zeigte sich auf dem feinen, blassen Gesicht der Gräfin ein Ausdruck vou Verlegenheit, der ihrem Neffen nicht entging. „Was ist Dir, liebe Tante!" fragte er rasch. „Da Du uns längere Zeit Deinen Besuch schenken willst, so kannst Du unsern Freunden nicht ausweichen und was sollen Harten bergs von uns denken, wenn sie Dich jetzt sehen?" Der feinsinnigen Frau war es jedenfalls peinlich, daß sie nun bekennen sollte, zu welcher Lüge sie damals ihre Zuflucht genommen, freilich durch die Noth gedrängt. Graf Tinodi stutzte; daran hatte er noch gar nicht gedacht. Sarolta wiederzusehen, das allein hatte ihn hergelockt und wie immer folgte er blind dem Antriebe feiner leidenschaftlichen Natur. Erst jetzt mochten in ihm ganz andere Bedenken aufsteigen; aber er wußte sie mit gewohntem Leichtsinn zu verscheuchen. Nach einer kurzen Panse schnippte er mit den Fingern und sagte mit dem alten, hochmüthigen Lächeln: „Bah, was haben wir nach diesen Leuten viel zu fragen! Mögen sie immer in ihrer spießbürgerlichen Beschränktheit sich über die Verwandlung wundern, die mit dem englischen Lord vorgegangen. Damals gab es für mich keine andere Rettung und daß Du auch ihnen nicht reinen Wein eingeschenkt, können sie uns nicht verargen. Wenn Du ihnen jetzt über die nothgedrungcne Ko mödie Aufklärung giebst, werden sie Alles selbst begreiflich finden." Der Gräfin fiel jetzt die unangenehme Aufgabe zu, sich bei ihren Freunden über die damals gespielte Rolle ihres Neffen zu entschuldigen; aber Stephan's Voraussetzung traf zu. Harteiiberg's fanden die in jenen Tagen angewandte Vorsicht ganz in der Ordnung und sahen darin durchaus nicht einen Mangel an Vertrauen, wie die feinfühllge Frau gefürchtet hatte. Ja, auf das Zureden seiner Tante ließ sich Graf Stephan herab, dem Commerzienrath zuerst einen Besuch zu i machen, wie sehr er sich auch Anfangs dagegen gesträubt; aber bei dem herzlichen Verkehr, der zwischen seinen Verwandten und Harten bergs bestand, ließ sich doch nicht diesen Leuten völlig ausweichen, es war deshalb das Beste, den Wunsch der guten Frau zu erfüllen, die nun einmal für diese Bürgerlichen so eingenommen war. Wie viel ihren Neffen gerade dieser Entschluß kostete, ahnte seine Tante freilich nicht. „Nun, über die Sache ist längst Gras gewachsen", murmelte er vor sich hin, und damit hatte er seine sichere Haltung wiedergewonnen. Jetzt trat ihm schon Hartenberg entgegen und begrüßte ihn herz lich, wie einen alten Bekannten. „Ich freue mich, den Neffen unserer theuren Gräfin nach so langer Zeit einmal wiederzusehen," und der Commerzienrath reichte ihm in gemächlichster Weise die Hand. Stephan war erstaunt über die Veränderung, die mit dem Banquier vorgegangen. Anstatt gealtert zu sein, schien er sich verjüngt zu haben; er verrieth auch nichts mehr von jenem herben Wesen, das seinem Gesicht stets ein so strenges Aussehen gegeben; vielmehr bewies sein ganzes Auftreten mehr ein heiteres, sorgloses Sichgehenlassen. Auf tüchtige Charaktere, die sich bewußt sind, daß sie zu allen Zeiten ihre Schuldigkeit thun, übt das Glück stets einen günstigen Eindruck, sie werden dadurch nicht übermnthig, nur milder u. besser. Auch Harten berg war jetzt von einer Liebenswürdigkeit, die aus dem Herzen kam. Graf Tinodi fühlte sich durch dies freundliche Entgegenkommen vollends vou jedem Druck befreit. Er halte feinen artigen Wirth wohl insgeheim scharf beobachtet; aber der Commerzienrath verrieth nicht mit einer Miene, daß er durch die Persönlichkeit seines Gastes an frühere Zeiten erinnert wurde. Das Andenken an Pasko war ge wiß längst seinem Gedächtniß entschwunden. (Forts, folgt.) Vermischtes. * Haben Sie Kinder? Diese häufig gestellte Frage richtete ein Hauswirth an die Frau des Tischlers Kleincgel, die sich in Gesell schaft ihres Ehegatten befand, um eine Wohnung zu besichiigen bez. zu miethen. „Ach du lieber Jott, die sind alle uff'u Kirchhoff", sagte die Frau mit Thränen in den Augen. Das Geschäft kam zu Stande, der Miethsvertrag wurde abgeschlossen und der ehrliche Tischler zog ein mit — 6 lebendigen Kindern. Der hinters Licht geführte Berliner Hauswirth, der nun leider kein großer Kinderfreund ist, war empört und stellte namentlich die Fran, welche über ihre Thränen so viel Gewalt zu besitzen schien, zur Rede, drohend, die Klage wegen Vor spiegelung falscher Thatsachen zu erheben. „Aber Münnecken", sagte die schlaue Tochter Eva's nun lachend, „haben Sie sich man »ich, ick habe Sie nich betrogen, die Jören waren dazumal wirklich uff'n Kirchhoff, um Jroßvaters Jrab zu besuchen, ja det war ein juter Mann" u. f. w. Der Hausherr wollte nun keine Kinder in seinem Hause leiden und strengte die Räumungsklage gegen seinen Niiether an. Das Königl. Amtsgericht aber wies ihn mit seiner Klage ab, weil es nicht im Miethsvertrag« stand, daß Miether keine Kinder haben dürfe. * Dec Musikus in einer kleinen Stadt hatte ein großes Konzert angeküudigt, von dessen Einnahme er sich umsomehr versprach, da nach dem unterzeichneten Zirkular die Versammlung äußerst zahlreich werden mußte. Wenige Tage vor der Aufführung fiel ein Todesfall bei Hofe vor und alle Musik im ganzen Lande wurde untersagt. In seiner Verzweiflung schrieb der Musikus au den Monarchen und stellte ihm vor, das von der Einnahme dieses mit vielem Aufwande und Kosten velbundenen Konzertes seine und seiner ganzen Familie Existenz für den nahen Winter abhinge und bat, das Konzert ungeachtet der Lan destrauer ausführen zu dürfen. Der große Friedrich schrieb zurück: „Da Meines Wissens der Musikus mit Meinem Hause nicht verwandt ist, so kann man nicht verlangen, daß er Noth leiden soll, um feine Trauer zu bezeige». Er kann sein Konzert geben." * Ein Lehrer unterhielt feine Schüler über atmosphärische Er scheinungen. In der Wiederholungsstunde fragte er: „Wo zeigen sich die meisten Donnerwetter?" — „Auf den Exerzierplätzen", lautete die Antwort. Von R. Jacobs Buchhandlung in Magdeburg sind nach stehende Bücher zu beziehen und kann der Betrag in Marken einge sandt werden: Unentbehrlicher Rathgeber für Auswanderer nach de» Verein. Staate» von Noidamcrika. 50 Pf. Der llliMehme mist vollkommene Gesellschafter, Ei»e gründliche Anleitung, sich in jeder Gesellschaft, befonders Damen gegen über, beliebt zu machen. Nebst einer reichhaltigen Sammlung der besten Gefellschafts- und Pfänderspiele im Zimmer und ini Freien, der amnsantestcn Taschenspieler- »rd Kartenküuste, lustige» Anekdoten, omifchen Vorträgen, Deelamationen, Räthseln, Scherzfragen und der beliebtesten Gesellschaft-, Tanz- und Marschlieder. Herausgegeben von Emil Gerold. Preis 2 Mark. Das siolfltnc ^raumlutch, enthaltend die Erklärungen sämmt- licher Erscheinungen des Traumlebens sowie die Anleitungen zur Deu tung der Träume. Nach den Lehre» der morgen- und abendländischen Traumdeutekunst, herausg. und bearbeitet von Fritz Horn. 75 Pf. 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