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Die Steuerpläne des Reichskanzlers. Wenn anch die vielen Steuerplüne Bismarcks, welche den Reichs tag beschäftigen, bis jetzt znm Theil unsruchlbar geblieben sind und für die nächste Zeit wohl auch bleiben werden, so haben die daran sich knüpfenden Debatten doch das Gute gehabt, daß allmähtig in etwas klareren Umrisfen zu Tage getreten ist, was der Reichskanzler in Bezug auf unser gesauuntes Steuerwesen eigentlich beabsichtigt und welche Richtung die Reichsgejetzgebung wird einschlagen müssen, wenn sie den Wünschen des Kanzlers solgt. Es ist natürlich, daß ein so umfangreiches und durchgreifendes System nicht mit einem Schlage und in vollem Zusammenhänge an die Oeffentlichkeit treten konnte; so weit ist der Kanzler mit seinem Plane noch nicht fertig, daß er ihn durchgearbeilet vorlegen konnte, und fast allmähtig und gelegent lich ist bald dieser, bald jener Punkt berührt worden, darauf die Sache Bezug hat, und auch da hat der Kanzler sich meist begnügt, nur seine Zielpunkte anzudeuten, indem er sich in den Einzelheiten noch die volle Freiheit des Handelns vorbehält. In diesen Einzelheiten ist er jeden falls zu vielen Zugeständnissen bereit. Mit Redensarten von „abenteuerlicher" Steuerpolitik kommt man nicht über den Plan weg. Wenn irgend Einer, so hat Fürst Bismarck das Recht zu verlangen, daß seine Pläne vorurtheilsfrei und unbe fangen geprüft werden. So über allen Zweifel erhaben und so vor trefflich ist die Vertheilung der Reichs-, Staats- und Gemeindelasten bei uns keineswegs, daß sie nicht die bessernde Hand vertrüge. Wir halten es deshalb für geboten, die betr. Pläne des Kanzlers, wie sie sich aus seinen Vorlagen und Reden ergeben, kurz zusammen zu fassen und einer gewissenhaften und unbeeinflußten Prüfung zu unterwerfen. Der Kanzler will die Kosten, welche den Commuuen aufgebürdet sind, in sehr weitgehendem Waße erleichtern; und er schreckt, wie er sagt, selbst vor unmittelbarer Staatshülfe nicht zurück, indem er im Budget festgesetzt haben will, daß gewisse Gemeinden ein Anrecht auf so und so viel Zuschuß aus der Staats- und Reichs-Kasse haben, um die von ihnen auszubriugeudeu, eigentlich vom Staate zu über nehmenden Leistungen auszugleichen. — Auch die halbe Grund- und Gebäude-Steuer, welche er den Gemeinden überweisen will, rechnet er zu diesem Pauschquantum. — Ferner will er den Gemeinden die Schullasten dadurch abgenommen wissen, daß wenigstens die Ele mentarschule Staatsanstalt und das Schulgeld aufgehoben wird. End lich soll die Armenlast dadurch erleichtert werben, daß sich an den Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes, das dem Reichstage vorliegt, später der Entwurf zu einer mit staatlicher Unterstützung zu gründen der Alters- und Jnvaliden-Vcrsorgungsanstalt auschlicßen soll. Die direkten Steuern wünscht der Reichskanzler insofern umgestaltet, als das Einkommen, welches zum bescheidensten Lebensunterhalt noth- Wendig ist, von der Klassen- und Einkommen-Steuer entweder ganz befreit oder doch erheblich erleichtert werden soll. Die untern Stufen der Klaffen-Steuer will er ganz aufgehoben, die andern Stufen der Klassen- und Einkommen-Steuer bis zu einem Einkommen von 2000 Thlr. ermäßigt haben. Außerdem soll noch ein Unterschied zwischen den verschiedenen Arten des Einkommens gemacht werden. Das Ein kommen aus Renten und Kapitalsitz soll noch einer besondern Beach tung unterworfen werden, wobei die Steuerpflichtigen gehalten sein sollen, ihr Einkommen bei Vermeidung empfindlicher Strafen selbst anzugeben. Der betreffende Entwurf ist ausgcarbeiket. Das alles sind sehr weitgehende Pläne; sie bringen eine so voll ständige Umwälzung in unser Steuerwesen und auch in die Stellung des Reiches, des Staates und der Gemeinden hervor, daß ein volles Menschenalter, wie der Kanzler selbst zugiebt, damit zu lhuu haben würde. Die Arbeit muß aber in Angriff genommen werden, sobald man nur die Gewißheit hat, daß der Weg ein richtiger und zur Er höhung der allgemeinen Wohlfahrt führender ist. Die wichtigste Frage dabei ist zunächst die: auf welche Weise und durch welche Mittel ge denkt der Kanzler die enormen Summen aufzubringen, welche die Aus führung seiner Pläne erfordert? Namentlich den Gemeinden und armen Steuerzahlern werden schöne und begehrenswerthe Dinge in Aussicht gestellt; woher sollen die Mittel genommen werden, ihre An sprüche zu befriedigen? Darüber in einem andern Artikel. Tagesgejchichl e. Dresden. Se. Maj. der König Albert hat anläßlich seines diesjährigen Geburtstages 600 Mark an das Direktorium von Sach sens Militärvercinsbund zur Vertheilung an hülssbedürftige ehemalige Soldaten überwiesen. — Vom 1. Mai d. I. gelangen an den Billetschaltern der Eisen bahnen wiederum die bei dem reisenden Publikum so beliebten Rund reisebillets zur Ausgabe. Dieselben gewähren außer einer Preis ermäßigung den bedeutenden Vorthcil, auf einer weiten, viele Bahnen berührenden Tour nirgends weiter als auf der Anfangsstativn znm Lösen eines Billets genöthigt zu sein und berechtigen auf einer großen Zahl von Stationen, deren Namen dem Billet ansgedruckt sind, zum beliebigen Verweilen innerhalb der festgesetzten Giltigkeitsdauer. Die Giltigkeitsdauer beträgt bei fast allen Rundreisebillets 30 Tage, vom Tage der Lösung des Billets an gerechnet. Die Route, für welche das Billet verausgabt wird, ist genau vvrgeschrieben, doch steht es dem Passagier frei, die Reise auch in der entgegengesetzten Richtung zurückzulegen. Auf die Mehrzahl der existirenden Rundreisebillets wird freie Beförderung von 25 kg Gepäck gewährt. Die Abfertigung des Reisegepäcks erfolgt stets nur bis zu derjenigen Station, wo der Reisende seinen nächsten Aufenthalt zu nehmen beabsichtigt, vorausge setzt, daß von der Aufgabestation nach der vom Reisenden bezeichneten Station überhaupt eine direkte Abfertigung besteht. Auf den Grenz stationen ist der Reisende verpflichtet, das Gepäck selbst revidiren zu lassen. Zu Eil- und Kvurirzngen haben sämmtliche Rundreisebillets Giltigkeit, sobald die Züge die betreffende Wagenklasfe überhaupt führen. — Wie das „L. Tgbl." vernimmt, sind in einem namhaften Leipziger Weingeschäft auf staatsanwaltschaftliche Veranlassung be deutende Quantitäten gefälschter Weine in Fässer und Flaschen mit Beschlag belegt worden. Wie man sich erinnert, wurden im Reichstage noch bei der letzten Etatsberathung wiederholt Klagen laut über die Massenfabrikationen von sogenannten „Kunstweinen" zum Theil aus schädlichen Bestand- theiten. Namentlich die Abgeordneten der Psalz und aus Nassau führten solche Beschwerden, die von einer Reihe von Petitionen unter stützt worden sind. Dieselben haben ihres Eindrucks nicht verfehlt, denn auf Veranlassung des Reichskanzlers soll, wie man versichert, dem Bundesrathe demnächst ein Gesetzentwurf zugeben, welcher ge wissermaßen als eine Ergänzung des Gesetzes gegen die Fälschung von Lebensmittel» der Fabrikation von Kunstweinen sehr enge Grenzen zieht und dieselbe unter Umständen gänzlich verbietet. Fürst Bismarck hat seit einigen Tagen die Antisemiten-Petition in Händen. Sie hat 255 OM Unterschriften, 12 OM aus Berlin, 50 000 aus Schlesien, 38 OM aus Brandenburg, 90M aus Bayern, 7000 aus Württemberg und Hohenzollern u. f. w. Was wird Er antworten? — Aus Berlin geht uns über eine neue Bank, wegen deren Einrichtung seit einiger Zeit Verhandlungen schwebten, folgende Mit- theilung zu: „Das neue Unternehme» wird die Firma „Vereins bank" führen und in kürzester Zeit seine Thätigkeit aufnehme». Die Verhandlungen sind zur Reife gediehen resp. haben ihren definitiven Abschluß gefunden, so daß bereits die Eintragung in das Handels register erfolgen konnte. Während nun bisher in solchen Fällen eine jede neue Bank sich erst ihren Wirkungskreis suchen und ihre Kunden gewinnen mußte, ist die Bereinsbank unter wesentlich günstigeren Be dingungen und Auspizien sofort in der Lage, sich entwickeln zu können, und zwar deshalb, weil das bisher von Herrn Augnst Sternberg seit einer Reihe von Jahren unter der Firma Sternberg L Co. hierorts betriebene Bankgeschäft in seinem ganzen Umfange in die neue Bank aufgeht. Es braucht wohl nicht erst hervorgehoben zu werden, daß die Firma Sternberg L Co. in Folge überaus coulantcr und zuvor kommender Behandlung und Bedienung ihrer Kunden es verstanden hat, sich eine sehr bedeutende Klientel, die sich weit über ganz Deutsch land erstreckt, zu erwerben, und Sache der Vereinsbank wird es nun sein, in derselben Weise und nach denselben Prinzipien weiter zu ar beiten; es wird dies um so leichter werden, als Herr Sternberg auch fernerhin seine ganze Thätigkeit der Vereinsbank widmen und seine gewiß reichen Erfahrungen derselben nicht vorenthalten wird. Einer der bedeutendsten Staatsmänner Großbritanniens und zu gleich berühmter Schriftsteller, Lord Beaconsfield, ist am 19. d. in London verstorben. Die Nachricht von seinem Hinscheiden kommt nicht überraschend. Seit Wochen litt er an einem scharf auftretenden Asthma, und obschon zuweilen Momente der Besserung verzeichnet wurden und Hoffnung auf Genesung boten, trat doch allmählich eine solche Abnahme der Kräfte ein, daß der zähe Körper endlich einem erneuten heftigen Anfall unterlag. Erwiderung. Dem Verfasser des Referats über die Gründung eines conserva- tiven Vereins „für Wilsdruff und Umgegend" lag nichts ferner als die Absicht, anderen Parteien Gelegenheit zu einem polemifchen Zei tungskriege zu geben. Dennoch hat ein „gemäßigt" Liberaler es we nigstens versucht, den zündenden Funken echt deutschen Geistes, wie er bei Gründung vbgedachten Vereins so hoffnungsvoll erglühte, im Entstehen wieder zu ersticke». Der Verfasser dieses sieht sich daher, wenn auch widerwillig, genöthigt, sich eine kurze Widerlegung des „Eingesandt" in No. 29 dieses Blattes zu erlauben. Wenn nach der Meinung des geehrten Verfassers nebeugedachteu Artikels unser Pro gramm den Tendenzen der Freiconservativen und Nationalliberalen entspricht, so kann dies sür uns nur erfreulich sein, da wir dann die Hoffnung hegen dürfen, dem allzucompücirten und darum gemeinschäd lichen Parteiwesen ein baldiges Ende verheißen zu können. Der ge ehrte Verfasser des mehrgedachten „Eingesandt" scheint überhaupt zu vergessen, daß der heutige Conservatismus keineswegs derjenige mehr ist, wie er sich früyer erwiese». Die Conservativen haben sich jetzt ebenfalls mit der modernen Staatsidce ausgesöhnt und erkennen einer seits das konstitutionelle Princip, wie anch andrerseits eine freiere Bewegnng der einzelnen Individuen zur Entfaltung ihrer natürlichen Anlagen und znr Entwickelung einer regeren Schaffuugskraft an. Nur halten sie es für unbedingt unerläßlich, daß diese größere individuelle Freiheit nicht zu einer Schädigung der öffentlichen Ordnung und Moral, diesen Grmidsäulen des Staates, führe. Die heutige conser- vative Partei macht sich also keineswegs zu einer grundsätzlichen Geg nerin einer freieren Gestaltung des Volkslebens, im Gegentheil ist sie erst recht die Vertreterin des vernünftigen Fortschritts und daraus ersieht mau deutlich genug, daß die ursprünglichen Gegensätze zwischen Conservatismus und Liberalismus hinfällig geworden sind, und es wäre vielleicht ein gemeinsameres Zusammenwirken nicht unmöglich ge wesen, wen» der Liberalismus mitunter nicht in Nadiealismus ausgc- artet wäre. Wir stimmen ferner ganz in dieselben Klagen mit ein, die der geehrte Gegner am Ende seines Artikels erhebt und sind des halb fest entschloßen, für die neuesten Steuerreformprojecte Bismarcks zu Playdire» und für Beschaffung indirekter Steuern zu wirken, wenn, — und dies ist die ausdrücklich zu stellende Bedingung,— dadurch auch wirklich eine Entlastung der Gemeinden und des einzelnen Individuums erzielt wird. Was endlich die am Schlüsse des „Eingesandt" hinge worfene Beschuldigung betrifft, daß die Conservativen selten unabhängige Männer in die Volksvertretung wählten, so müssen wir dieselbe als, gelind gesagt, verfrühte Behauptung insofern entschieden zurückweisen, als wir nur solche zu wählen beabsichtigen, welche zwar das rechte Herz für die Sache, aber nach keiner Seite hin Rücksichten zu nehmen haben, also jeder Beeinflussung fern stehen. Es bteibt daher das Princip unseres ausgestellten Programms für jede» „wahren" Volks- frcund das einzig richtige: Treue dem Staate und Liebe dem Volke! Da es jedoch, wie schon oben ermähnt, keineswegs in unsrer Ab sicht liegt, unsre Thätigkeit mit polemischen Streitigkeiten zu beginnen, so sieht man deshalb von vorn herein von jeder weiteren Entgegnung ab. Kircheunachrichten aus Wilsdrnss. Am Sonntag Onas. Vormittags predigt Herr vr. Vkakl. Grüne Kaffees, 35 Sorten, das Pfund von 80 Pf. an, frisch geröstete «Kaffees In. Wiener Mischungen, 15 Sorten, das Pfund von 1M Pf. an, bei 5 Pfund billiger, empfiehlt die Kaffeehandlung vou Dresden, Freiberger Platz 25. Großkörmgen Neis, das Pfund 16 Pfennige, und sämmtliche trockene Gemüse zu den bekannt billigsten Preisen empfiehlt Dresden, Freiberger Platz 25. Ein junges Mädchen von 15—16 Jahren wird gesucht in eine Bäckerei. Näheres zn erfahren in der Exped. d. Bl.