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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.06.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080617026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908061702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908061702
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-06
- Tag 1908-06-17
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Monat
1908-06
-
Jahr
1908
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Kries-gefahren direkt an die Wank zu malen. Im übrigen bestätigt sich die Annahme, daß die fremdländischen Militärattaches zur Zeit der Aeußerungen des Kaisers sich nicht in Döbentz befanden, keineswegs. Sic waren tatsächlich zu dieser Zeit dort. Die pvenhischen itanötag-rvahlen. Es liegen bereits sämtliche Wahlresultate der gestern stattgehäbten Abgeondnetenwabl zum preußischen Landtage vor. Die Konservativen, das Zentrum und die Freisinnigen kehren aus Kosten der Jreikonserva- rioen und der 'NationaUiberalen verstärkt in oas Abgeordnetenhaus zu- rück. Nur in einem Wahlkreise hat eine Stichwahl Mtlzufinden, und zwar im 12. Berliner Wahlkreise. Die neugewählten Abgeordneten ver teilen sich wie folgt über die einzelnen Parteien: Kvn'ervative 152, bisher 144: Freikonservativc 59, bisher 64: Natio. nallibcrale 64, bisher 76: Zentrum 105, bisher 96: Freisinnige Volks- variei 29, bisher 24: Freisinnige Bereinigung 8, bisher 9: Polen 15, bisher 13; Sozialdemokraten 6, bisher 0; Dänen 2, bisher 2 und Wilde 3, bisher 0. Es treten neu ein von den Konservativen 27, scheiden aus 22; von den Freikonseroativen 9 resp. 8: von den Nationalliberalen 12 resp. 16; von der Freisinnigen Volkspartei 2 resp. 4; von der Freisinnigen Ber- e'nigung 2 resp. 3; vom Zentrum 37 resp. 30; von den Polen 4 resp. 3; von den Dänen 1 resp. 1. Ganz neu ist die sozialdemokratische Fraktion von 6 Mitgliedern. Bon bekannten Parlamentariern sind u. a. gewählt resp. wieder» gewählt: Die Konservativen: Gras Kanitz, Kreth, v. Normann, v. Oldenburg; vom Zentrum: Graf Ballestrem. Fritzen, (Diesberts, Graf Henckell-Tonnersmarck, v. Savigny, Strombeck. Trimborn; Frei» konservative: Dr. Arendt, v. Gamp, Frhr. v. Zedlitz: r»,e Natio- nallibcralen: Dr. Arning, Bartling, Boisly, Glatze!, Kraule, Schiffer, Schwabach, Wendlandt, Zuaschwerdt; Freisinnige Bolkspartei: Äronsobn, Fischbeck, Äyßling, Kvpsch, v. Liszt, Müller^Sagan, Draeger, Wiemer; Freisinnige Bereinigung: Pachnicke, Peltasobn: Polen: o. Jazdzenski, Korfanty; Sozial demokratie: Tr. Liebknecht. Nicht wicdergewählt sind von den bisherigen Abgeord neten unter anderen die Konservativen: v. Heyking, Jakobskötter, v. Riepenhausen; von den Freikonser oativen: die Wg. Baensch-Schmldtlein, v. Christen und Menck; von den Na t i o n a l l ib e r a l e n: der Vizepräsident des Reichstages Paasche, ferner Hische. Horn-Goslar, Dr. Jänecke, Puttfarken, Ram- dohr, Metger und Seyvel: von der Freisinnig en Bolkspartei: Goldschmidt, Schulz-Berlin: von der Freisinnigen Bereini- gung: Münsterberg. Die Antisemiten Werner und Latlmann und auch der bekannte dLogeordnete Paswr v. Bodels ch w tngh wer den nicht mchr ins Abgeordnetenhaus zurückkehren. Podbielski unterlag in Syke mit 76 zu 140 Stimmen gegen den Nationallideralen Meyer. Die Einberufung des neuen Landtags für den 26. Juni wird in allernächster Zeit bekanntgegeben werden. Am 26. Juni wird im Ab geordnetenhause zunächst die Eröffnungssitzung der beiden Häuser des Landtags stattfinden. In dieser Sitzung wird eine Allerhöchste Bot schaft zur Verlesung kommen, die den Landtag zu einer durch die Ver fassung gebotenen konstituierenden Tagung beruft. Alsdann werden beide Häuser in gesonderter Sitzung die Beschlußfähigkeit durch nament lichen Ausruf seftstellen; diese L-itzung wird von den Alterspräsidenten geleitet. Am Nachmittag treten die sieben Abteilungen des Abgeord netenhauses zusammen und prüfen die Wahlen der ihnen überwiesenen Mitglieder, auf jede Abteilung entfallen 63 Mitglieder. Für den Fall, daß diese Wahlprüfungen an diesem Tage sich erledigen lassen, schwierige Fälle werden meistens zurückgestellt, dürfte am nächsten Tage in beiden Häusern die Präsidentenwahl und die Vereidigung der Mit glieder stattfinden. Damit hätten beide Häuser sich konstituiert. Am gleichen Tage würde alsdann noch eine gemeinsame Sitzung beider Häuser stattfinden, in der durch Allerhöchste Botschaft entweder eine Vertagung oder der Schluß der Session ausgesprochen wird. Wie verlautet, dürfte eine Vertagung nicht eintreren — eine solche über 30 Tage hinaus erfordert die Zustimmung der beiden Kammern —, man wird vielmehr die formelle Tagung schließen, sie nicht als Session betrachten und die erste Session im Oktober durch eine Thronrede eröffnen. Bemerkt sei, daß bisher eine formelle Tagung wie im vorliegenden Falle noch nie stattgefunden hat. Die Frage, ob die Legislaturperiode rite am 26. Juni oder erst im Oktober ihren An fang nimmt, ist mithin eine Doktorsrage. Die Meinungen über den Beginn einer Legislaturperiode sind geteilt. Einige Staätsrechtslehrer sind der Ansicht, baß die Periode mit dem Tage oer allgemeinen Neu wahl beginne, die Staatsreaierung hat bisher immer angenommen, daß die Periode mit dem Tage beginnt, an dem das Haus infolge königlicher Berufung zum erstenmal nach einer Neuwahl zu einer Session zu sammentritt. Es kommt jetzt darauf an, ob man die formelle Tagung als Session ansieht. — Bei dieser Gelegenheit sei an ein merkwürdiges historisches Zusammentreffen erinnert. Genau vor 20 Jahren, am 27. und 28. Juni 1888, war der preußische Landtag eben falls zu einer zweitägigen außerordentlichen Session zusammengetreten, um den Eid des neuen Königs Wilhelms II. auf die Verfassung ent- gegenzunchmen. Deutscher Reich. Leipzig, 17. Joni. * Kein Neich«schiffahrtSa«1. lieber ein angeblich geplante- JoS- lebenrusen eine- ReickSschif fahrt Samts ist nach der .Neuen politischen Korrespondenz" in maßgebenden Kreisen absolut nichts bekannt. * Die Teilnehmer der parlamentarische» MartneinformattonSfabrt besichtigten gestern vormittag in Begleitung der Bürgermeister Dr. Burchard, O'Swald, des preußischen Gesandten und mehrerer Senatoren die Hajenanlazen und die am Hasen gelegenen industriellen Etablisse ments und besonders eingehend die Werst von Blohm und Boß. Nach der Besichtigung nahmen die Gäste das Frühstück im Rathause ein, wobei Bürgermeister Dr. Burchard das Hoch auf Se. Majestät den Kaiser ausbrachte, worauf Reichstagsabgeordneter Basiermann mit einem Hoch auf Hamburg antwortete. Nach dem Frühstück unternahmen die Gäste eine Rundfahrt um die Alster und besichtigten sodann das BiSmarck- denkmal und fuhren später nach Cuxhaven. — An der Reise nehmen von Mitgliedern der nationallideralen ReichslagSsraktion teil: die Abgg. Basstrmann, Blankenhorn, Haaemann, Hstber, Graf Oriola, Schellhorn, v. Schubert, Semler, Dr. Stresemann. * Hessen und das NrichSvrreinSgesitz. In der Zweiten Hessischen Kammer führte bei der Beratung von Anträgen betreffend ein AuS- führungSgesetz zum ReichSvereinSgesetz Minister des Innern Braun auS, daß, soweit möglich, Rücksicht auf die bestehenden Zustände ge nommen sei. DaS Bestreben sei dahin gegangen, möglichste Gleichmäßig keit der Bestimmungen in ganzSüddeurfchland zu schaffen, diese Gleich mäßigkeit ser erreicht. Eine Mitarbeit des Parlaments bei den Aus- sührungsbestimmungen sei nicht angängig, weil diese schon am 15. Mai in Kraft treten sollten. Weiter bemerkte der Minister, daß der Svrachen- paragrapb für Hessen praklifch gar keine Bedeutung habe. Daß die Anzeigepflicht in Hessen gegenüber anderen Staaten erschwert sei, könne niemand ernstlich behaupten. Im großen und ganzen komme es auch bei den AuSführungsbestimmungen ganz aus die Handhabung an. Man könne getrost das Zutrauen in die Regierung und die Behörden setzen, daß sie bestrebt sein werden, die politischen Rechte der Be völkerung in keiner Weise zu beeinträchtigen. * Fürst Eulenburg. DaS Hauptverfabren gegen den Fürsten Eulenburg ist, wie bereits gemeldet, auf den 29. Juni festgeletzt worben. Von der Staatsanwaltscha't sind 20 Zeugm geladen. Die Verteidigung tonnte sich über die Stellung etwaiger Aniräge noch nicht schlüssig werben, da bei dem großen Umfang des AitenmaterialS ein Ueber- blick über das gegen Eulenburg gesammelte Material noch nicht möglich war. * Aerzle und Krankeukasscu. Bei der unlängst im Reichs amt des Innern stattgehabten Konferenz zur Beratung über die zukünftige Gestaltung des Verhältnisses zwischen Aerzten und Krankenkassen, dre unter dem Vorsitz veS Slaatssetretärs Staatsministers Dr. von Beth- mann-Hollweg stattgefunden hat, bat es sich um eine freie Aus sprache der beteiligten interessierten Kreise gehandelt. Deshalb ist von vornherein bestimmt worden, daß diese wechselseitigen Erörterungen nicht an die Oeffentlichkeit gebracht werden sollten. Die Freiheit reS Ge dankens und des Wortes wäre unzweifelhaft beeinflußt worden, wenn die Möglichkeit vorgelegen hätte, daß jeder später auf dem von ihm vertretenen Standpunkt hätte festgenagelt werden können. Der Wert der Konferenz würde durch eine derartige Einschränkung der freien Meinungsäußerung unzweifelhaft vermindert worden sein. Im übrigen bat die Aussprache ihre ersprießlichen Resultate gehabt, die auch ent sprechend in der Gesetzgebung in die Erscheinung treten werden. * Ter Cumberlander im deutschen Heer. Der Kaiser von Oester reich hat, wie uns ein Privattelcgramm aus München meldet, auf die erfolgte Benachrichtigung durch den Herzog von Cumberland an den gestern in die Bayrische Armee eingetretenen Prinzen von Cumberland ein herzliches Glückwunschtelegramm gesandt, in welchem er auf die Bundesbrüderschaft der deutschen und österreich ungarischen Armee hinweist. — Dieser zarte Wink war den Cumberlandern gegenüber recht angebracht. Ausland. * Tie große Allianz Frankreichs mit Rußland und England ist vom Minister Pichon, wie folgt interpretiert worden: Paris, 17. Juni. (Tel.) Auf einem heute stattgefundenen Bankett der Alliance Republicaine-Temocratique sprach Pichon über die auswärtige Lage und führte aus: Die durch eine enge und solide Frrundfchast gestärkte große Allianz Frankreichs verlieh Frankreich neue Autorität, die es einzig für den Frieden und die Versöhnung benutzt. Kein KriegSgedanke mischte sich in die vollzogenen Annäherungen und geknüpfte» Ententen. Die einen wie die anderen hatten kein andere- Ziel, al- zur Erhaltung de- Friede»« beizutragen, ohne in der Bildung von Gruppierungen, die von übelwollende», aus Schädigung der oder der Macht hinzielendeu Gedanken erfüllt sind, augen blickliche, gefährliche und unnütze Genugtuungen zn suche». Wir haben nur im Hinblick auf dir internationale Eintracht gehandelt und mit dem aufrichtigen Wunsche, di« Garantie» zu vermehren, ohne irgendwo Unruhe oder Feindschaft hervorzurufen. Wir habe» nur einen Wunsch: geschützt vor Komplikationen und indem wir un» vor Abenteuern hüten, unsere demokratiiche Arbeit sortzusetzen. Wenn unsere Truppen zeit wellig in Marokko, wo sie neues Prestige erwarben (?) und unser Land ehrten, engagiert waren, so war das nötig wegen des Schutze« unserer Interessen, wegen unserer internationalen Verpflichtungen, Autorität und Würde und wegen der Sicherheit unserer afrikanischen Besitzungen. Wir sind uns aber unserer Pflichten und Obliegenheiten bewußt und wissen, was wir uns und Europa ichulden, und keine Gefahr kann für den Weltfrieden aus unserer provisorischen Intervention entstehen, die sich auf unbestreitbare Rechte stützt und die wir in aller Unabhängigkeit und in Ausübung unseres Rechtes begrenzen werden. * Ter König von Norwegen hat, nicht zum Entzücken der Norweger, seine demokratischen Aeußeriichketlen allmählich ousgegeben. Wie dem „B. T." auS Cbristiania berichtet wird, nimmt man dort mit gemischten Gefühlen wahr, daß König Haakon dem „Gesetze der Wandlung" unterliege, indem ihr frei gewählter Herrscher den demokratischen Zug, der ibn früher vor anderen ge krönten Häuptern auszeichnete, immer mehr abstreife. Ein norwegisches Biatt druckte zum Beweise dieser Wandlung de« Königs Haakon einige vom König stammende Telegramme ab. Dieselben sind seit jener Zeit gesammelt worden, zu welcher ler bescheiden« dänische Prinz Norwegen« Thron bestieg, und lasten, in ihrer chronologischen Reihenfolge gelesen, erkennen, wie der Dänen prinz als König immer mehr bühnengewandt wird und sich die Faston aneignet, die bei regierenden Fürsten üblich ist. Im Jahre 1905 heißt es in einer Antwortdepesche: „Ich sende Ihnen meinen und meiner Frau betten Dank und herzliche Grüße. Haakon." — Das Jabr darauf, 1906, war schon der Stil eiwas weniger bürgerlich: „Empfangen Sie meinen und der Königin besten Dank und herzlichen Gruß! Haakon." — In der ersten Hälfte des Jahres 1907 hieß es: „Unseren besten Dank sür den herzlichen Grußl Haakon L." — Später im selben Jahre war die Antwort schon viel vornehmer: „Der König und die Königin senden ihren besten Dank für den gesandten Grußl Ter Kabinettssekretär." — Jetzt, im Jahre 1908, endlich ist der Ton folgender: „Ihre Majestäten der König und die Königin senden ihren besten Dank für Len gesandten Gruß! Der Kabinettssekretär." * Neber die Einnahme von Alkaffar durch hasidische Truppcn berichten französische Blatter: Am Sonnabend früh gegen neun Udr hörte man im Lager der Truppen Abdul Asis, das in der Umgebung der Stadt aus geschlagen ist, das Herannahen von Reiterscharen. Noch ehe die Soldaten Zeit genug fanden, um zu den Waffen zu greifen, war das Lager von einigen hundert Reitern Mulry Hafids besetzt. Der Führer der Truppen begab sich in das Hauvtzelt, in dem sich die Befehlshaber der Truppen von Abdul Asis befanden, Abd-el-Malek und der Scherif Mahi-Eddin (der Neffe und der Enkel des Abd-el-Kader), die unter französischem Schutz sieben. In ihrer Gesellschaft befand sich der eine algerische Jnßrukttonsoifizier, der zur französischen Militärkommission in Rabat gehört. Die Führer der Hafidislen zeigten Briefe von Muley Hafid vor, in denen angeordnet wird, daß Vie Mahalla unverzüglich unter den Befehl Muley Hafids zu stellen ist und nach Fez abzugehen habe. Als die Führer zögerten, wurden sie von den Reitern Mulay Hafids zu Gefangenen gemacht. Hierauf erklärten sich die Soldaten bereit, zu Muley Hafid überzugehe». Die Nachricht verbreitete sich in der Stadt Alkassar wie ein Lauf feuer. Boten und Reiter durcheilten die Straßen und verkündeten das Lob ihres Herrn. Der Pascha El Remike erklärte sich zuerst sür Muley Hafid, benutzte aber den ersten günstigen Augenblick zur Flucht. In der Stadt herrscht angeblich Panik und die Europäer fürchten für ihr Leben. Diese letzten Mitteilungen, die vom „Matin" und vom „Petit Parisien" stammen, werden von anderer Seite, bestritten. Danach sollen gerad: die Europäer durch die Hafidisten sogleich beruhigt worden sein und sich in ver hältnismäßiger Sicherheit befinden, während ein Führer de« Asis von den Truppen Abd-el-Maleks verwundet und sogar nach einer anderen Quelle ge tötet wurde. Weiter wird uns berichtet: London. 17. Juni. cTel.) Nach einer Meldung des „Daily Trle- graph" auS Tanger vom 16. Juni bildet unter den Eingeborenen die Abreise VeS Kaid Maclean nach England, wo er nach ihrer Meinung für Abdul AstS, Ler al« entthront angesehen wird, einen Wohnsitz be sorgen soll, das Hauptgesprächsthema. * In Persien treiben die Verhältnisse der Anarchie entgegen. Dem „B. T." wird darüber berichtet: Petersburg, 16. Juni. (Tel.) Nach den hier vorliegenden Nach richten spitzt sich die Lage in Persien immer mehr zu. Die ausregeuveu Vorgänge lösen sich mit ähnlicher Geschwindigkeit ab wie in den Tagen der russischen Revolution. Schon find alle Provinzen von den Unruhen ersaßt. Ter plötzliche Eintritt einer politischen Katastrophe wird hier nicht ol» ausgeschlossen angesehen. Biele Tausende von Personen aus den Provinzen suchen in Teheran Schutz. Das russische Ministerium deS Auswärtigen hat Informationen, wonach sich die aufregenden Nachrichten aus Persien bestätigen. ES erklärt jedoch, daß gegenwärtig noch keinerlei Veranlassung zum Eingriff der Mächte in die innere Angelegenheiten Persiens vorliegt. Rußland selbst liege jede Absicht fern, die innere Staatsumwälzung, weihe sich jetzt in Persien vollziehe, zu stören. Unmöglich sei irgend ein Eingriff von außen nicht, jedoch müßten ihm ganz außergewöhnliche Ereignisse varangrhen. der Menge. Doch ihn ließ der Forschungstrieb nicht wohlig weilen, er griff zum Wanderstabe, zog m das unentöeckle Innere des Landes und vlieb lahrelang in der Wildnis, in Urwald und Bergeinsamkeit, die noch keines Kulturmenschen Fuß jemals betreten halte. Es hörte sich wie die Robinsonade eines gereiften Denkers an, was Falb von seinem Umgänge mit den wilden Volksstämmen, von seinen Funden und Beobachtungen erzählte. Ein Teil davon ist in seinem Werke „Das Land der Inka in feiner Bedeutung für die Urgeschichte der Sprache und Schrift" niedergclegt. In den Urwäldern von Peru eroberte sich Falb aus jungfräulichem Chaos den Stoff zu dem Gedankenbau, den er das Werk seines Lebens nannte; ob er es, als er am 29. September 1903 das Auge sür immer jchioß, vollendet hinterlassen konnte, weiß ich nicht. Aber der Ausgang und der stärkste Ausklang feines Schmerzes war es, daß die Krankheit ihn hindere, rüstig an dem Werke zu schaffen, mit dem er die Aufklärung der Menschheit um ein Gewaltiges zu fördern und die Einheit aller Wissenschaften festzulegen gedachte. Wie oft während jenes Jahres, das .ch an seiner Seite verbrachte, unternahm er es mit verzweifelter Energie, den riesigen Stoss zu sichten und an seine Formung zu schreiten — uns immer wieder gestand er mit Gram, daß ihn die Ermattung übermannte. Tiefer Stoff! Ich erinnere mich eines Besuches im Hause Falb — zu Obdach im Jahre 1881. Damals füllten die Auszeichnungen, die Falb feinen Beobachtungen und Betrachtungen der Urjprache gewidmet hatte, schon eine stattliche Reihe von Schreibeheften. (Er hat dann von jenen Arbeiten vieles in seinem Buche über das Land der Inka (1883) ver wendet.! Aber seither erst war die „Trachensaat", wie er selbst im Scherbe sagte, unheimlich aufgcgangen, und als er den vor der Welt noch verschlossenen Schah vor mich hinstellen ließ, da türmten sich die breiten, cngbe'chriebenen Ouartbände vom Fußboden bis hoch über die Platte des Tisches! Nicht zwecklos hatte der Mann, der so viele lebende und tote Kultur- 'prachen beherrschte, die Indianer der Urwälder ausgesucht. Aus ihren Naturlauten, ihrer embryonalen Sprache erforschte er, daß die Menschen aus der niedersten Stufe geistiger Entwickelung ihre Ausdrücke zunächst aus jene Erscheinungen beschränken, die ihnen in ihrer begrifflichen Armut den tiefsten Eindruck hinterlassen; das sind die Gestirne, das Feuer, der Blih und die geschlechtlichen Funktionen. Wo dann in der primitivsten Form die Gottesidee entstand, lehnte sie sich in Vorstellung und sprachlichem Ausdruck an jene Naturerscheinungen und -dedürfnisse an. Diese Wurzeln, aus denen alle Sprachen entstammten, verleugnen aber auch — so wies Falb an tausendfältigen Beispielen nach — die höchstentwickelten Kultursprachen nicht. Die einfachsten Schriftzeichen und sprachlichen Formen wurden ihm zum Schlüssel, mit dem er die Pforten zur Gemeinschaft aller Menschenstämme, zur Gemeinschaft aller Wissenschaft öffnete. Ter Trudensuß, der fünfstrahlige Stern, in der Schrift der sabiichen Sekte (Jünger Johannes des Tauferss dargestellt als eine Zusommenschiebung des männlichen Gcschlechtsbuchstavcn ck und des weiblichen Geschlechtsbuchstabrn H, ist Falb da- Zeichen des Feuers, des Feuerberges, des Blitzes, des Gottcs, und er findet dieses Zeichen als „Schild Tavids" aus dem Tempel der Juden, wie als „Auge Gottes" über den Türen christlicher Kirchen; gleichzeitig aber tritt in der Naivität der menschlichen Ursprache hervor, daß dieses erste Schrift zeichen, dessen Bedeutung die sabische Schrift später besonders klar machte, nicht nur Gott verkündete, sondern auch Ausdruck war für die Vermischung der Geschlechter. Das ist ein Beispiel nur für viele. Ein anderes legte Fal-b mir brieflich dar- ,,Es steht das Sternbild des Krebses am Himmel ganz unzweifel- haft im Zusammenhang mit der Geburt Christi. Wir erblicken da einen Sternenhaufen als Krippe bezeichnet und zu beiden Seiten desselben zwei Sterne unter dem Namen /Die beiden Eiel". Diese Bezeichnung ist längst vor Beginn unserer Zeitrechnung den Astronomen geläufig gewesen. Das Merkwürdige liegt aber darin, daß dieses Sternbild aus einem uralten Tierkreise in einem Tempel der ägyptischen Stadt Den dern an jener Stelle steht, wo der Tierkreis geöffnet erscheint, so daß es, gewissermaßen am Tore, den Anfang desselben bezeichnet. Run findet sich in Hieroglyphen darüber das Wort „ssbvk" geschrieben, das nicht nur /»er Gesalbte", sondern auch „die Tiere" bedeutet. Es liegt somit hier offenbar eine Analogie vor, welche Christum, das ist „den Gesalb ten", in der Krippe zwischen Ochs und Esel liegen läßt. Ferner bezeich net dasselbe Wort im Aegyptischen auch den Planeten Merkur, und es ist sehr ausfällig, daß gerade die Landsleute Christi, welche der Sette der Johannisjünger angehörten, in ihrer Bibel, dem sog. Adamsbuche, Christum, den sie nicht als Messias anerkannten, als den „Planeten Merkur" bezeichnen. Aber auch bei den Indern heißt der Planet Mer kur Buddha." Auf diese Weise fand Falb die geheimen Bänder, die Weitentlegenes miteinander verknüpfen. Und immer^ jo kühn auch die Behauptungen zuerst sich vernahmen, führte er sie aus Erscheinungen von verblüffender Einfachheit und Klarheit zurück. Wieviel von den Errungenschaften seines Geistes und seines Fleißes in fernen Zeiten aufrecht bestehen wird, wer kann es leichthin sagen?! Einmal, es war an einem November- oder Dezembertage 1896, hat Falb noch öffentlich gesprochen. Der Ausschuß der eben geschloffenen Berliner Gewerbeausstellung, dessen Mitglieder mit großem Schmerze die Richtigkeit seiner ungünstigen Wetterprognose für den Sommer 1896 hatten einsohen lernen, war mit einem glänzenden Angebote an ihn herongetreten. Die Sorge um die Familie bestimmte ihn trotz der Ab mahnung der Aerzte zur Zusage. Die Vorlesung fand in dem Saale des Hotels „Kaiserhof" statt. Ich durfte die Freundespflicht erfüllen, die Usbcrführung des Gelähmten zu leiten. Es war ein grausamer Gegen satz: der laute Willkomm einer dichtgedrängten Menge und der jammer volle Anblick des Kranken, der auf das Podium getragen wurde. Falb war äußerst beklommen, und seine Stimme fand anfangs keine Festig keit. Er, der tausendmal vor Zuhörern so vieler Nationen gesprochen, batte Angst — vor seinem Leiden. Wie er aber allmählich in die Materie des Vortrages tiefer eindrng, erwachte seine Energie, und er hat kaum jemals hinreißender gesprochen, als bei seinem letzten Vortrage. * * Da« Jenenser Univerfität-jnbiläum. Da» offizielle Programm für die anläßlich de« 350 jährigen Universitätsjubiläums statt, findenden F e st l i ch k e i t e n ist jetzt, wie unser Korrespondent au« Jena meldet, endgültig festgesetzt worden. Am Abend des 30. Juli findet im großen Volkshaussaale der Karl-Zeiß-Stiftung ein akademische« Festkonzert statt, bei dem u. a. Beethoven« „Neunte" zur Aufführung gelangt. Nach Beendigung dieses Konzertes erfolgt in einer eigens ge- bauten Festhallc auf der Rasenmühlinsel (in der Nähe der Bahnstation Paradies) eine Begrüßung der Gäste. Der Morgen de« 31. Juli ver- einigt die Festteilnehmer zu einem FcstgotteSdienst in der Stadtkirche. Mittags 12 Uhr wird, abermals im VolkshauSsaal, ein Redeakt abgehalten, bei dem seitens des Prorektors Delbrück die Ehrenpromotionen vollzogen werden. Abends gibt die Stadt Jena in bekannter Weise ein großes Marktfest. Nach einem Umzuge der gesamten Studenten. schäft erfolgt dann am 1. August die Einweihung der neuen Universität. Den Festlichkeiten werden die fürstlichen Nutritoren der Universität Jena beiwohnen. Bestimmt haben ihre Teilnahme jetzt schon zugesagt: dec Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, der Herzog von Sachsen-Altenburg, der Herzog von Sachsen-Koburg-Gotha, sowie Prinz Ernst von Sachscn-Mciningcn. * Kuno Fischers Bibliothek. Aus Heidelberg meldet unser 8.-Karreston- dent: Tie Bibliothek Kuno Fischers wird am 15. und 16. Juli hier ver- steigert werden. — Der Katalog der Sammlung, die seltene und wertvolle Werke aus dem Gebiete der deutschen Literatur und Philosophie enthält, sübrt u. a. an: Ätademieschriften und Zeitschriften, Kuno-Fischer-Briefe und Schriften, Werke betreffend Kuno Fischers Leben, DedikationSexemplare auS Kuno Fischers Freundeskreise, Almanache und Taschenbücher, Dramaturgie, auf Eckhof „den Vater der Schauspielkunst" bezugbabende Manuskripte, Erstausgaben, Faust. Goethe, Romantiker, Lessing, Schiller, Sbakespeare, Wieland, darunter viele Bücher mit handschriftlichen Widmungen der Verfasser vornehmlich auS dem Nachlasse deS wirkt. Geh. Rats Kuno Fischer, Exz., ProsessorS der Philosophie und Literaturgeschichte an der Universität Heidelberg Die Versteigerung wird durch da« Carlebachsche Antiquariat in Heidelberg vorgenommen werden. * Hochschnlnachrichten. Ter a. o. Professor der physiologischen Chemie an der Marburger philosophischen Fakultät Tr. K. Schaum erhielt einen Ruf al« Extraordinarius für Photochemie an die Universität Leipzig. — Ter Lehrer de« deutschen und Handelsrechts an der Heidelberger Hochschule Prof. Dr. Rich. Schroeder. der der Ruperta Carola leit 1887 angehört, begeht am 19. d. M. seinen 70. Geburtstag. — Für daS Fach der Chirurgie habili- tiertr sich in Tübingen der Aisistent an der dortigen chirurgischen Klinik Dr. K. Hen scheu. — Zum a. o. Professor an der tierärztlichen Hochschule in München ist der Münchner Tierarzt Dr. K. von Baerst ernannt worden. — Der Geheime Hostat Dr. Fritz Neumann, der Vertreter der romanischen Philologie an der Universität Heidelberg, begeht morgen sein 25jähriges Jubiläum alS Universitätslehrer. * Kleine Chronik. Tilly Waldegg wird auch im nächsten Spi'elsabr dem Verbände des Berliner Neuen Schauspielhauses angehören und bereits im Oktober eine der Hauptrollen in der Komödie „Navagas" von Sardou dar stellen. — „Zwischen Abend und Morgen", ein einaktiges Schauspiel ler Romanschriftstellerin Luise Westkirch und deren erster Versuch auf dem Gebiet der dramatischen Dichtung, erlebte gestern (DienStag) seine Uraufführung im Fürstlichen Schauspielhaus zu Bad Pyrmont. In dem Stück bandelt es sich um «inen jungen Lebemann, den Chef eines alten Bankgeschäfts, dessen Leitung er jedoch vollständig seinem Kompagnon, dem Gatten seiner Schwester, über lassen bat. Dieser Kompagnon hat da« Vermögen deS Hauses durch Speku lationen verloren, ihm anvertraute Gelder angegriffen und flüchtet in« An«land. Der junge Lebemann, über den mitten im fröhlichsten Genießen die Katastrophe bereinbricht, steht im Begriff, sich da« Leben zu nehmen, al- seine kleine Nichte etntritt. Ihre Mutter schickt sie. Sie ist mit ihrem Manne, von dem sie sich nicht trennen wollte in die weite Welt ar- flüchtrt. Der Bruder soll sich de« Kinde« annebmrn. In der Schlußszene be- wirkt nun di« Lieblichkeit de« halberwachsenen Mädchens, daß der Held sich ent schließt, um de« Kinde« willen den Kampf mit seinem Schicksal oufzunebmen. — Nach Depeschen au- Venedig scheint der reizende Campanile der Kirche San Stefano in Venedig, trotz wiederholter Dementi«, tatsächlich in Gesabr einzu- stürzen. Man erörtere ernstlich die Frage, den bedrohten Glockentorm nieder- zulegen, um einer Katastrophe vorzubeugen. — Direktor Karl Witt, der jetziae Leiter und Besitzer de« Dresdner Residrnziheater«, konnte vor einigen Tagen sein 25,ädrige« Künstlerjubiläum begehen. Er trat vor nunmehr 25 Jakren »um erstenmal in Lenzen an der Elbe aus und hat dann u. a. auch am Köntgl. Schauspielhause in Dresden gewirkt.
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