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Wochenblatt für ür die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dreiun-vierzigster Jahrgang. Erscheint wöchentlich 8 Mal (Dienstag und Freitag Abonnementspreis vierteljährlich 1 Marrk Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. DonnerStagS bis Mittag 18 Ubr. Erscheint wöchentlich L Mal Dienstag und Freitag.) AbonnementspreiS »ierteljährlich 1 Marl. Eine einzelne Nummer k»stet_10 Pf. für Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Nr. 12. Freitag, den 9. Februar 1883 Bekanntmachung. Die Herren Gemeindevorstände und Gutsvorsteher im Amtsgerichtsbezirke Wilsdruff werden hierdurch geladen, zu einer Besprechung über Organisation der Armenpflege Freitag, den 16. dieses Monats, Varmittag- 1« Uhr im Gasthof zum Adler in' Wilsdruff sich einzufinden. Meißen, den 5. Februar 1883. v. Boffe, Amtshauptmann. Von dem unterzeichneten Königlichen Amtsgericht soll auf Antrag der Erben des Gutsbesitzers Ernst Traugott Grosche in Tach-dorf das zu dem Nachlasse des letzteren gehörige V, Hufengut Fol. 22 für Sachsdorf, welches einen Flächeninhalt von 35 Acker 38 m-R. oder 19 Hect. 44 Ar, mit 609,gs Steuereinheiten umfaßt, nebst Inventar und Vorräthen freiwillig im Nachlaßyrundstüek Brandkataster No. 22 für Sachsdorf unter den am hiesigen Amtsbrete und in dem Schumann'schen Gasthofe zu Sachsdorf emzusehenden Bedingungen versteigert werden. Das Grundstück ist mit den Gebäuden auf 52,756 Mark, todtes und lebendes Inventar auf ca. 2400 Mark ortsgerichtlich ge- würdert worden. Solche, die das Grundstück sammt Zubehör zu erstehen gesonnen sind, werden hierdurch geladen den 16. Februar d. I. Vormittags 10 Uhr an besagtem Orte sich einzufinden und des Weiteren gewärtig zu sein. WilSdrufs, am 10. Januar 1883. Königliches Amtsgericht daselbst. Ltr Ganglost. Nenner, Ref. Tagesgeschichte. In der Frage der obligatorischen Arbeitsbücher ergreift auch die „Handels- und Gewerbezeitung" das Wort iu einem längeren Artikel, an dessen Schluß es heißt: „Der Ackermannsche Antrag verlangt die obligatorische Legitimation des Arbeiters sowohl bezüglich feiner Iden tität als seiner früheren Arbeitstüchtigkeit dem Arbeitgeber gegenüber. Ist diese Forderung eine ungerechtfertigte? Wir glauben: Nein! Denn jede Arbeitsthätigkeit, wir möchten sagen, fast ohne Ausnahme setzt einen solchen Nachweis als selbstverständlich voraus und erfordert gleicher Weise eine beständige Ueberwachung seitens des Arbeitgebers während ihrer Dauer. Daß diese durch Arbeitsbücher erfolgen soll, ist deshalb natürlich, weil diese die einfachste und zweckmäßigste Form der Kontrole abzugeben geeignet sind . . . Stehen denn, fragen wir mit Recht, nicht alle Beamte, öffentliche wie private, unter derselben Ueberwachung und ist wohl irgend eine Behörde, sei es der Staat, sei es die Gemeinde, die Kirche rc., denkbar und zugelassen, welche sich bei Annahme eines bei ihr in Arbeit tretenden Individuums vor her über dessen Identität und vorhandene Arbeitstüchligkeit für die in Frage stehende Leistung durch gleichen Nachweis zu überzeugen nicht für durchaus nothwendig erachten sollte? Niemand wird darin eine Vergewaltigung des Beamten zu Gunsten der Behörden erblicken können. Wenn aber das Gleiche für den gewerblichen Arbeiter bis heute nicht ebenfalls gilt, weil behauptet wurde, es vertrage sich nicht mit dem Grundsätze der freien Arbeit und Persönlichkeit, so befinden sich diese Arbeiter dadurch thatsächlich im Besitze eines Privilegiums, einer Ausnahmestellung gegenüber allen anderen Arbeiterkategorien, welche völlig ungerechtfertigt ist. Die Einführung von Arbeitsbüchern zum Auswelse der Identität und Arbeitstüchtigkeit bedeutet also nur die Aufhebung eines den gewerblichen Arbeitern bisher zugestandenen unbegründeten Vorrechts, die Gleichstellung derselben mit den übrigen Arbesterklassen im Staate, d. h. gerade das Gegentheil einer gegen den Arbeiterstand einseitig gerichteten Klassengesetzgebung. Welches auch das Schicksal der Angelegenheit des unmittelbar staatlichen Arbeits- bücherzwanges sein möge, immerhin erscheint das vorstehend ffür den selben geltend gemachte Argument, welches, wenngleich naheliegend, von allen gegen den Ackermannschen Antrag gerichteten Petitionen un beachtet geblieben ist, bedeutungsvoll genug, um auf Grund desselben die Annahme des letzteren im Interesse der betheiligten Parteien zu rechtfertigen. Möge dieser Hinweis bei der Entscheidung der Frage die gebührende Beachtung finden!" Berlin, 6. Februar. Die Generalversammlung der Vereinigung der Steuer- und Wirthschaftsreformler nahm einstimmig folgende Re solution an, welche dem Reichstage und dem Reichskanzler zur Kennt- niß gebracht werden soll: „Angesichts der außerordentlichen sozialpo litischen Bedeutung, welche die modernen Börsenumsätze ihrer Natur und ihrem Umfange nach erlangt haben, erklärt die Generalversamm lung, daß den gefahrdrohenden Uebelständen auf diesem Gebiete nicht nur durch die prozentuale Börsensteuer, sondern durch ein deutsches Börsengesetz entgegengewirkt werden muß, welches der ferneren Aus beutung der Bevölkerung durch die Börse, sowie die weiteren Betriebe des öffentlichen Spieles an derselben energisch ein Ziel setzt; nicht minder erscheint eine baldige Reform des Äktienwesens dringend ge boten." Der Reichskanzler hat im Auftrage des Kaisers ein Schreiben an die deutschen Konsuln in Nord-Amerika gerichtet, in welchem den deutschen Bürgern der Vereinigten Staaten für die zahlreichen und bedeutenden Summen, welche sie für die Ueberschwemmten am Rhein eingesendet haben, der kaiserliche Dank ausgesprochen wird. Berlin, 7. Februar. Die Abendzeitungen theilen eine Prokla- mation des Petersburger nihilistischen „Exekutionskomitees" mit, worin dem Kaiser behufs Ausführung gewisser namhaft gemachter Reformen eine Frist bis zur Krönungsfeier in Moskau gegeben wird, andernfalls werde das Exekutionskomitee seines Amtes walten. Die Proklamation soll dem Kaiser Alexander mit seinen übrigen Privatbriefen vorgelegt worden sein. Hamburg, 5. Febr. Die Verhandlung gegen den „Sultan" wegen des Zusammenstoßes mit der Cimbria wird bereits am Sonn abend beginnen. Das Wrack der Cimbria soll, da es ein Hinderniß für die Schifffahrt bildet, in nächster Woche gesprengt werden. Aus Hamburg schreibt ein Zeitungsberichterstatter vom 29. Januar: Soeben hatte ich eine Unterredung mit einem Taucher, der in der untergegangenen „Cimbria" gewesen ist. Der Mann konnte nicht mit den stärksten Ausdrücken das Entsetzen schildern, welches er während seiner Untersuchung empfunden habe, und versicherte mir, nicht uni 1000 Thaler würde er nochmals ein Niedertauchen zur Cimbria unternehmen. Seiner Berechnung nach müssen gewiß gegen 300 Leichen in dem Schiffe sich befinden. Unter Anderem habe er eine Frau gesehen, welche ihn, ein Kind im Arme, mit ganz grauen vollem Gesichtsausdruck angeschaut habe. Drei Männer hielten sich fest umschlungen; der Todeskampf müsse im Allgemeinen kurz aber schrecklich gewesen sein, da mehrere Personen ganze Büschel Haare in den Händen gehabt. Die durch den Taucher verursachte Bewegung des Wassers habe natürlich auch die Körper bewegt, wodurch es ge schienen, als seien sie noch am Leben. Im Strudel und Wechsel der Parteien und Minister in Frank reich ist der Präsident Grevy das Bleibende. Er ist heute der mächtigste Politiker seines Landes und war es schon lange. Meister haft weiß er die Fäden zu lenken und zu knüpfen, ohne jemals die Grenzen zu überschreiten, die ihm die redliche Auffassung seines Amtes und durch die Stellung über den Parteien angewiesen sind. Gambetta stand auf der Höhe seiner Macht, als er das Listen - Skrutinium auf seine Fahne schrieb, Grevy widerstrebte und Gambetta fiel. Man unterschätzt die ruhige, unscheinbare Art dieses Mannes, der nicht zu blenden weiß, der niemals die Phantasie durch ein zündendes Wort fortreißt, obwohl er ein Meister der Rede ist. Er vertritt Frankreich schmucklos, vielleicht nüchtern, aber seine Hand hat einen sichern Griff und so lange er lebt, kann die Republik keinen besseren Vertheidiger finden. Seine Stellung ist wunderbar. Vor ihm schweigt der giftige Hohn der Anarchisten, ihn bedroht nicht der Dolch des sozialistischen Wahnsinns, ihn berührt nicht einmal der Geiser des Weibes Michel, das unausgesetzt Blut fordert. Der Respekt vor seiner Persönlichkeit, die Achtung vor der Reinheit seines Charakters ist ein Schatz für sein Vaterland. Wenn der Senat in Frankreich den Beschlüssen der Kammer zustimmt, wie zu erwarten, so hängen die Prinzen der früher regie renden Familien von der Gnade der Regierung ab, die sie jeden Au genblick ausweisen kann. Diese Beschlüsse lauten: 1) Die Prinzen sind unfähig zur Ausübung von Wahlen, 2) sie sind unfähig, Aemter im Civil- und Militärdienst zu bekleiden, 3) die Regierung ist er mächtigt, sobald sie es für nöthig findet, die Prinzen auszuweisen. 282 Stimmen haben sich für diese Beschlüsse erklärt, 115 dagegen. Der Abstimmung ging die leidenschaftlichste Redeschlacht voraus. Prinz Jerome ist in aller Stille aus dem Gefängniß nach der Heilanstalt in Auteuil gebracht worden. Es handelt sich jedenfalls um eine Schulkrankheit, sei es der Regierung, sei es des Prinzen. Da der Oberstaatsanwalt keinen Paragraphen oder Haken fand, um den Gefangenen daran zu hängen, so machte man aus ihm einen Pa-