Volltext Seite (XML)
LL" Erstes Blatt. dB Wochenblatt für für die Königl. Amtshauplmannschaft zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Aweiundvierzigster Jahrgang. Grscheini wöchentllch L Mal Li«nSt«g und Freitag.) LbonnementtpreiS vierteljährlich 1 Mark. Eine einzeln« Nummer I.stet^IO Pf. 8 Jnseratenannahme Monta-S u. Donnerstags bi« Mittag 1L Uhr. Erscheint wöchentlich S Mal f Dienstag und Freitag AbonnementSprei« vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet_10 Pf Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Nr. 10O. Freitag, den 15. Dezember 1882. Bekanntmachung, die Geburtslisten für das Crsatzgeschäft betr. Die Pfarrämter des hiesigen Bezirks werden auf die Bestimmung in 8 45 7 der Ersatz-Ordnung mit dem Bemerken andurch hingewiesen, daß ihnen die Formulare zu den Geburtslisten über die im Kalenderjahre 1866 geborenen Personen männlichen Geschlechts in den nächsten Tagen zugehen werden. Meißen, am 7. Dezember 1882. Königliche Amtshauptmannschast. v. Boffe. Tagesgeschichtc. Im Reichstag gabs' am 9. Dezember bei den Verhandlungen über die neuen Steüerpläne und den Versuch, zweijährige Reichshaus haltungsvorschläge statt einjähriger einzuführen, heiße Köpfe und Reden. Alles hatte gehofft, der Reichskanzler werde kommen und das Wort nehmen, er ließ sich aber krankheitshalber (Neuralgie) entschuldigen. Eugen Richter ergriff das Wort in langer, schneidender Rede gegen die betr. Pläne. Er verurtheilte heftig die vorgeschlagene Licenzsteuer für die Schnapswirthe und für den Tabak; die Regierung, sagte er, wolle 93 000 Schnapswirthe besteuern, um 4000 Großbrenner zu schonen; die neue Besteuerung des Tabaks nannte er einen Schleich weg, um das Tabaksmonopol einzuschmuggeln; er eiferte gegen die vielen Luxusbauten, namentlich bei Kasernen und Osfizierkasinos. Den Versuch eines 2jährigen Reichsetats bezeichnete er als einen Krieg gegen das Ansehen des Reichstages, während doch ein angesehenes und ein flußreiches Parlament für Erhaltung der Einheit der Nation und selbst für die Macht der Krone unentbehrlich sei. Man müsse daran denken, daß nach Bismarcks Tode kein andrer Mann solche Machtfülle in sich vereinigen könne wie Bismarck in seiner jetzigen Stellung. Schließlich rügte er, daß der Kricgsminister der Militärmusik erlaube, bei den Festen der Konservativen aufzuspielen, aber nicht bei den Festen des Fortschritt. Das widerlegte der Minister sogleich, er erklärte, die Fortschrittspartei habe ein Konzert zum „Besten der Agitationskasse" der Partei veranstaltet und dazu sei die Militärmusik nicht hergegeben worden. Er fügte hinzu, in Küstrin sei dem einen Apotheker nicht wegen seines Liberalismus die Lieferung für die Garnison entzogen worden, sondern weil sich der andere Apotheker erboten habe, die Droguen und Arzneien um 25 Proz. billiger zu liefern. — Staats- rekretär Burchardt: Alle Ausgaben sind knapp bemessen, aber durch die Entwicklung des Reiches wachsen die Ausgaben. Die Ausführung der sozialen Gesetze zum Besten der Arbeiter, die Pensions- und Witt- wenkassegefetzc, die Anforderungen der Einzelstaaten an die Hülfe des Reiches mehren die Ausgaben, die Regierung muß diese Bedürfnisse befriedigen; „wir Minister haben kein Vergnügen an neuen Steuern." Bismarck Hal schon früher erklärt: „Ist kein Bedürfniß vorhanden, so brauchen wir keine neuen Steuern; verneint der Reichstag das Be- dttrfniß, so sind wir der Arbeit, auf neue Steuern zu sinnen, enthoben." Im Reichstage erklärte sich auch Bennigsen, der Führer der Na tionalliberalen, gegen den Versuch, die einjährige Etats-Periode aus der Verfassung hinaus zu interpretiren. Weder Regierung noch Reichs tag, noch irgend ein Rechtslehrer, sagte er, hätten seither an eine solche Auslegung gedacht. Man dürfe nicht so lockere Ansichten über Ver fassungsrecht einreißen lassen. „Das Recht des Reichstages ist ein klares, gutes Recht, der Reichstag darf sich nicht zu einer Körperschaft 2ten oder 3ten Ranges herabsetzen lassen und nicht auf Dinge ver zichten, welche den Parlamenten aller größerer Staaten zu ihrer Exi stenz unentbehrlich sind." (Er erklärte in nächster Sitzung sich berich tigend, einen Staatsrechtslehrer gebe es allerdings, der sage: „Dem Wortlaut der Reichsverfassung würde es nicht widersprechen, wenn in einer Sitzungsperiode die Etats für die beiden folgenden Jahre, ge trennt vorgelegt, festgestellt würden.) Windthorst spricht sich namens des Zentrums gegen das Doppeletat aus und hält eine Verfassungs änderung für nöthig, wenn das Doppeletal eingeführt werden sollte. Vom neuen Zolltarif sagt er, daß er günstig auf die Ausfuhr gewirkt habe. Staatssekretär Burchardt verweist auf den Aufschwung des wirthschaftlichen Levens und sucht die Behauptung zu widerlegen, daß dieser Aufschwung trotz des neuen Zolltarifs und nicht durch den selben entstanden sei. Berlin, 12. Dezember. Se. Maj. der Kaiser bewilligte für die durch das Hochwasser beschädigten Bewohner der Rheinprovinz aus seiner Schatulle fünfzehntausend Mark. Preußen hat beim Bundesrathe beantragt, den Holzzoll für Roh- Holz von 10 auf 30 Pf., für bearbeitetes Holz von 25 auf 50 Pfg. L Doppelzentner zu erhöhen. Die Reichsregierung hat im Reichstage eine recht empfindliche Niederlage erlitten. Mit der erdrückendenden Mehrheit von 229 gegen blos 43 Stimmen wurde der Eintritt in eine Berathung des Etats für 1884/85 abgelehnt. Daß sich die Majorität des Reichstags gegen den Regierungsvorschlag erklären würde, stand nach dem Bekanntwerden der Haltung des Centrumsführers in Aussicht; allein mau war der Meinung, daß doch eine stattliche Minorität sich für die Regierung erklären werde. Nur ein Theil der Konservativen hat in diesem Sinne gestimmt. Die ultramontane „Germania" erblickt in dem Vorgänge eine „grelle Beleuchtung des Mangels an Fühlung zwischen der Re gierung und den maßgebenden politischen Parteien, und zwar nicht in angenehmer Weise, überrascht habe." Die liberale Presse erblickt in der Abstimmung einen Beweis dafür, daß das Interesse „an for malen Verfassungsfragen vor dem an wirthfchaftspolitischen und ähn lichen Problemen durchaus noch nicht verschwunden sei." Rudolph Hertzog in Berlin hat für die Ueberschwemmten am Rhein 10,000 Mark beigesteuert. Der Abgeordnete Ackermann, welcher seit einer Reihe von Jahren die Stelle eines Syndikus der Dresdner Börse bekleidet und den An trag auf prozentuale Besteuerung der Börsengeschäfte mitunterzeichnet hat, sollte deshalb „gemaßregelt" werden. Man hatte eine mit zahl reichen Unterschriften bedeckte Petition an den Vorstand der dortigen Börse gerichtet, daß diese Stellung anderweit besetzt werde. Herr Hofrath Ackermann ist, wie der „B. B. C." erfährt, den absetzungS- lustigen Herren entgegengekommen und hat seine Demission telegraphisch angezeigt. Zu den Plagen der Wassersnoth in Paris gehören, wie von dort geschrieben wird, auch die Ratten, welche längs der Quais in die Häuser dringen, auf den Treppen und in den Wohnungen Furcht und Abscheu verbreiten. An an einigen Orten treiben sie ihr Wesen so arg, daß mit Fleischerhunden Jagd auf sie gemacht wird; aber die aus ihren Schlupfwinkeln aufgestörten Nagethiere sollen theilweise so stattlich sein, daß manche Hunde vor ihnen Reißaus ergreifen. Daß ein Gemeinderath in corpora einen Religionswechsel vor nimmt, ist gewiß eine Seltenheit, die registrirt zu werden verdient. Der Fall hat sich in der französischen Gemeinde Chatel-Guyon zuge- tragen. Dort hat der ganze Gemeinderath den Beschluß gefaßt, die katholische Religion zu verlassen und sich zum Protestantismus zu be kehren. Einstimmig hat er ferner beschlossen, das ein Tempel für den protestantischen Gottesdienst erbaut werden soll. Der Maire wird aufgefordert, einen Entwurf zum Bau desselben anfertigen zu lassen, und eine Kommission ist ernannt, um eine vorläufige Stelle für den protestantischen Gottesdienst ausfindig zu machen. In den letzten 3 Monaten sind in Rußland die öffentlichen Kassen um 27 Millionen betrogen und bestohlen worden. Stürme aller Art, Regen und Schnee sind die Herrscher deS Jahres 1882 bis zum Ende. Im Kanal hat ein deutscher Dreimaster im Schneesturm Schiffbruch gelitten. Die Mannschaft rettete sich auf ein Boot, wurde von einer Fischerbarke ausgenommen und nach Ca lais gebracht. — In England und namentlich in Schottland sind alle Bahnen und Straßen durch furchtbaren Schneefall verschneit, der Schnee liegt zum Theil 7—8 Fuß hoch. Aller Verkehr unterbrochen. Wer in Irland einen Mörder zum Tove verurtheilt, ist seines Lebens nicht sicher. Niemand mag deshalb Geschworener werden. Zum letzten Schwurgerichte in Dublin erschienen von 200 Geschwo renen nur 117, alle andern ließen sich lieber zu je 20 Pfund Sterling Strafe verurtheilen. Madrid, 12. Dezember. Eine Feuersbrunst, die im Kriegs ministerium ausgebrochen war, zerstörte die Bibliothek und einen Theil der Archive. 20 Personen wurden verwundet. Neben Arabi Pascha sind nun auch die anderen Anstifter der egyptischen Wirren, Ali Fehmi Pascha, Sami Ali Pascha, Tulba und Abdellal Pascha, vom Gerichtshof zu Kairo „verurtheilt" worden. Auch über diese letzteren sprach der Gerichtshof das Urtheil aus, aber auch sie wurden, gleich Arabi, vom Khedive zu lebenslänglicher Ver bannung begnadigt; sie sollen nach der Insel Ceylon geschickt werden. Nur den Mitangeklagten Jacub Sami Pascha und Mahmud Fehmi Pascha, welche als die Hauptträger der Insurrektion gelten, will die Sonne der Gnade nicht leuchten, sie sollen demnächst vor ein beson deres Kriegsgericht gestellt werden. Riaz Pascha, der egyptische Pre mier, welcher am liebsten den Strick um den Hals Arabi Paschas und seiner Mitschuldigen gesehen hätte, hat aus Verdruß über die bedingte Freisprechung der Häupter der Insurrektion seine Entlassung eingereicht, welche jedoch vom Khedive noch nicht angenomen worden ist. — Ueber den Aufstand im Sudan laufen die Nachrichten nur spärlich ein, doch scheint die Sache der egyptischen Regierung hier nicht gnt zu stehen, denn es sind acht weitere Bataillone nach dem aufständischen Gebiete be ordert worden.