Volltext Seite (XML)
gann, hielten die behandelnden Aerzte es für nothwendig, die kaiser liche Familie zu benachrichtigen. In den Vormittagsstunden waren denn auch der Kaiser, der Kronprinz und die Kronprinzessin in das Palais des hohen Kranken geeilt, der indessen nicht mehr im Stande war, die erlauchten Besucher zu erkennen. So trat denn etwa 5 Mi nuten nach 1^ Uhr Katastrophe ein. Eine Lungenlähmung hatte seinem Leben ein Ende gemacht. Sofort wurde die Flagge auf Halb mast gehißt und der Kaiser benachrichtigt. In Begleitung des Fürsten Radziwill begab sich der Kaiser sofort noch einmal in das Stcrbehans. Dort erschienen auch die Mitglieder des Hofstaates, die hohe Genera lität und eine Anzahl hier akkreditirter Diplomaten. Der „N. A. Z." wird aus Dresden geschrieben: „Mit Span nung sieht man hier der Entscheidung über den Antrag aus Einfüh rung obligatorischer Arbeitsbücher im Reichstage entgegen. Man theilt hier fast allgemein die Meinung, daß die Einführung der obli gatorischen Arbeitsbücher nur von segensreicher Wirkung sein würde u. herrscht auch in Kreisen der Fabrik- u. Handwerksarbeiter keine hervor tretende Opposition. Die guten Arbeiter brauchen die Arbeitsbücher nicht zu scheuen, ja, sie sind ihnen eher eine willkommene Legitimation ihrer guten Führung und die unruhigen Elemente werden dadurch zur Zucht und Ordnung geführt. Dagegen herrscht auch in Jnnungskreisen keine Sympathie für den Antrag, daß nur den Jnnungsmeistern ge stattet sein soll, Lehrlinge aufzunehmen und auszubilden. Nur die Jnnungsältesten und eine Anzahl älterer Jnnungsmeister, welche gern Meister, Geselle und Lehrling wieder unter ihre Fuchtel haben möchten, sind mit diesem Antrag einverstanden." Wie man dem „B. Tagbl." berichtet, wird von der Einbringung eines Antrages auf Verlegung des Reichsgerichts von Leipzig nach Berlin vermuthlich Abstand genommen werden, da mau sich nicht ver hehlen kann, daß die parlamentarischen Chancen eines solchen Antrages recht gering sein würden. Daß das Centrum mit seinen Bundesge nossen dagegen stimmen würde, ist selbstverständlich. Aber auch ein großer Theil der Fortschrittspartei und der liberalen Vereinigung er achtet sich als für Leipzig gebunden. Endlich spielen unter den außer- preußischen Mitgliedern der konservativen Fraktionen gerade die Sachsen (man denke an Ackermann und Frege in der deutsch-konservativen, au Günther und v. Schwarze in der Reichspartei) eine so hervorragende Rolle, daß man wohl anuehmeu darf, sie würoen auch von der rechten Seite des Hauses einen beträchtlichen Anhang auf die Seite der Freunde Leipzigs herübcrziehen. Entscheidend dürfte auch für die Behandlung der Frage sein, daß die Klagen über Leipzig eigentlich nur von den Angestellten des Gerichtshofes ausgehen, die freilich, soweit sie früher dem Obertribunal angehörten, immer lieber in Berlin bleiben als nach Leipzig gehen wollten. Für Berlin kommt das Interesse, welches mit der Uebersiedelung einer großen Anzahl hochgestellter Beamten verknüpft ist, viel weniger in Frage, als für das kleinere Leipzig. Und würde das Gericht wirklich verlegt, so könnte man Sachsen nicht hindern, ein eigenes oberstes Landesgericht einzuführen, was jetzt dadurch ausge schlossen ist, daß im Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassuugsgesetz gesagt ist, derjenige Bundesstaat, in besten Gebiet das Reichsgericht seinen Sitz habe, dürfe von dem K 8 der Gerichtsverfassung, nämlich der Befugniß zur Errichtung eines obersten Landesgerichts, keinen Ge brauch machen. Im Reichstag theilte am Donnerstag vor Eintritt in die Tages ordnung Präsident von Levetzow mit, daß ihm von den Komitee's zu Sammlungen für die rheinischen Wasserkalamitosen in Nordamerika gestern 30,000 M. und 18,000 M. zugegangen seien, eine Gabe, welche den Beweis liefere, daß den Deutschen im Auslande die Liebe zur Heimath noch nicht verloren gegangen ist. Er hoffe im Einverständuiß mit dem Hause gehandelt zu haben, wenn er den hochherzigen Gebern den Dank des Präsidiums übermittelte. Abgeordneter Dr. Kapp be antragt, dem Danke des Präsidiums auch den Dank des Hauses beizu fügen. Die Deutschen in Amerika seien sich ihrer Zusammengehörig keit zu dem Mutterlande stets bewußt geblieben und keineswegs, wie vielfach angenommen wurde, in dem fremden Elemente aufgegangen. Sie seien ihren Idealen, um deren Willen sie einst die Heimath ver ließen, treu geblieben. Er kündigt an, daß den eingegangenen Gaben bald 300,000 M. nachfolgen würden. Die Berliner Studentenschaft hat die Absicht, dem kronprinzlichen Paare zur Feier seiner silbernen Hochzeit einen Fackelzug zu bringen. Karlsruhe, I9. Januar. Der Großherzog und die Frau Groß herzogin treten am Sonntag Abend die Reise nach Berlin an. — Die Sammlungen des Landeskomitees für die in Folge der Ueberschwem- mung Nothleidenden haben 320,000 M., die des Mannheimer Komitees 120,000 M. ergeben. Hamburg, 17. Januar. Die Bürgerschaft nahmeinstimmig den dringlichen Antrag des Senats auf Bewilligung von 50,000 M. für die Ueberschwemmten im Rheinlande an. Straßburg, 19. Januar. Die Studenten der hiesigen Hochschule feierten gestern Abend im Tivolisaal den Jahrestag der Wiederaufrich tung der deutschen Kaiserwürde durch einen Festkommers. Es hatten sich hierzu etwa 400 Studenten, eine große Anzahl Professoren und, obgleich der bedeutungsvolle Tag in verschiedenen anderen Kreisen be gangen wurde, mehrere Offiziere und Beamte eingefunden. Der ge räumige Saal war durch kunstgeübte Hände mit Kränzen und Guir- landen, mit den Fahnen des deutschen Reichs rc. aufs Geschmackvollste geziert. Auf der Estrade prankte die lorbeerbekränzte Büste des Kai- fers, umgeben von Zierpflanzen und Blumen. Die Galerien des Saales waren von eingeladenen Gästen, darunter eine größere Anzahl Damen dicht besetzt. Den musikalischen Theil des Festes hatte die vollzählige Kapelle des königl. sächs. Infanterieregiments Nr. 105, unter Leitung des Kapellmeisters Asbahl, übernommen. Mit einem donnernden Salamander auf Se. Majestät den Kaiser, ausgebracht von dem Prä ses des Studentenkomitees, Ouncl. xlltt. Geil, wurde gegen 9 Uhr der Kommers eröffnet. Die Versammlung schloß sich begeistert diesem Salamander an, und als die Musik die Nationalhyme intonirte, er hoben sich die Anwesenden und sangen in kräftigen Tönen das „Heil Dir im Siegerkranz". Nach einer Reihe weiterer Toaste beschloß die Versammlung die Absendung nachstehenden Telegramms an Se. Maje stät den Kaiser: „Die Straßburger Studentenschaft, zu einem festlichen Kommers vereinigt, erlaubt sich Ew. Majestät ihre allerunterthänigste Huldigung darzubringen." In welcher Achtung unsere junge, seit 12 Jahren ausstrebende Kriegsmarine im Auslande steht, beweist die neuerdings ausgesprochene Bitte der chinesischen Regierung, ihr einen der deutschen Seeoffiziere als Instrukteur zu senden. Diesem Ansuchen ist eine Allerhöchste Ka- binetsordre nunmehr nachgekommen, die dem Kapitänlieutenant Hasen clever einen einjährigen Urlaub behufs Ausbildung der chinesischen Marine ertheilt. Kapitänlieutnant Hasenclever, zuletzt bei der Admi ralität kommandirt, erhält für Hin- und Rückreise je 3000 Mark und zur Bestreitung seines dortigen Aufenthalts die Summe von 36000 M. Am Schluß der am 15. ö. Abends in Straßburg zu Ehren des Landesausschustes gegebenen Tafel hielt der Statthalter, General feldmarschall von Manteuffel eine denkwürdige Rede, aus der wir die wichtigsten Sätze hier wiedergeben. „Schon als ich das erste mal die Ehre hatte, Sie bei mir zn sehen, habe ich es ausgesprochen, daß nach meiner Ansicht Elsaß-Lothringen von dem Tage seiner Wiedervereinigung mit Deutschland an in seine vollen deutschen Landes rechte tritt. Ich habe Ihnen ferner ausgesprochen, daß ich es mir als Aufgabe meiner letzten Lebensjahre gestellt, diesem Lande seine vollen Verfassungsr.-chte zu erwerben. Sie können sich also denken, wie alle meine Handlungen nur dieses Ziel im Auge haben. Und selbst Maßnahmen, die momentan recht unpopulär scheinen und zu deren srühen Ergreifen bei den fortwährenden Agitationen von aus wärts mich das Gebot der Selbsterhaltung zwang, hängen doch mit diesem Grundgedanken zusammen, denn es liegt ja nicht eine bloße Rechtsfrage vor, es handelt sich zugleich um eine politische Frage, bei deren Erledigung das Reich seine eignen Interessen mit in Betracht ziehen, bei der es die Gnmßheii haben muß, daß Elsaß-Lothringen selbst das Definitive seiner Wiedervereinigung mit Deutschland aner kennt. Kann ich diese Frage bejahen? Nein! Sie erinnern sich, daß ich im heißen Streben, dem Lande möglichst bald seine Verfassungs rechte zu verschaffen, die Bitte aussprach, Männer in den Reichstag zu wählen, welche die Zusammengehörigkeit Elsaß-Lothringens mit Deutschland offen anerkannten. Der Erfolg meines Rathes war, daß ? unter Anderem auch ein Abgeordneter auf das Programm gewählt ! wurde, daß in den Worten „?rot68ta,tion st Lotion" gipfelt. Die ! Protestation datirt von Bordeaux und erhält dadurch ihre sehr be- i stimmte Erklärung: Krieg, damit Elsaß-Lothringen nicht bei Deutsch- ! land bleibt. Ich bin Soldat, der Krieg ist des Soldaten Element, i Aber als Statthalter von Elsaß-Lothringen kann ich diesen Krieg nicht wünschen. Das weiß ich auch, daß wenn dieser Krieg uns noch mals aufgedrungen wird, Hunderttausende von deutschen Frauen ihren Söhnen das „Mit oder auf dem Schilde" zurufen werden. Das würde kein bloß politischer, das würde Nationalkcieg werden. Kein Land müßte mehr unter ihm leiden als Elsaß-Lothringen bei seiner geographischen Lage, bei seinen beiden großen Festungen. Das Reich muß die Gewißheit gewinnen, daß Elsaß-Lothringen voll und ganz sich zu Deutschland gehörig weiß. So lauge die Begriffsverwirrung der Bevölkerung hierüber noch so groß ist, daß Programme wie ?ro- tsstution st Lotion und das des Herrn Antoine Anklang finden, so lange hat das Reich diese Gewißheit nicht. Der Muth, solche Pro gramme und Briefe zu veröffentlichen, ist wohlfeil; denn ich mache keine politischen Märtyrer. Aber es giebt keine Protestpartei in Elsaß- Lothringen, es giebt nur Protestagitationen. Das beweist die Haltung, mit der die Bevölkerung das Vertrauen des Kaisers gerechtfertigt hat, als derselbe die Kriegsgerichte aufgehoben und die Optanlenfrage ge ordnet hat. Aber die Bevölkerung ist eingeschüchtert; sie fürchtet sich vor den Schmähungen der französischen Blätter, wenn sie die definitive Zusammengehörigkeit mit Deutschland offen anerkennen würde. Ich denke mich hinein in die Elsaß-Lothringer. Mit tausend Verwandt- schaftsbanden sind sie an Frankreich gekettet. Aber Frankreich hat im völkerrechtlichem Vertrage Elsaß-Lothringen an Deutschland zurückge geben. Ich appellire erneut an den elsaß-lothringischen Patriotismus und fordere alle Elsaß-Lothringer auf, mich in diesem Streben zu unterstützen. Aber diese Unterstützung werde mir oder werde nicht, die Versicherung gebe ich dem Lande, daß, so lange ich hier bin, meine Politik unbeirrt die der Versöhnung und Gefühlsschonung bleibt. Vaterländisches. Wilsdruff. Der hiesige sehr thätige Geflügelzüchterverein hält seine diesjährige Ausstellung von lebendem Geflügel den 26. dis 28. Januar im Gasthof zum goldnen Löwen hier ab. Der Verein hat in Betreff dessen, daß er voriges Jahr viel Aussteller zurückweisen mußte, noch mehr Käfige anfertigen lassen. Die Ausstellung wird eine sehr reichhaltige sein und sich durch schönes Race geflügel auszeichnen; auch stellt der Verein, um die künstliche Zucht klar zu legen, einen künstlichen Brutapparat in Thätigkeit aus. Es ist so eingerichtet, daß die Hühnchen während der Tage der Ausstell ung den Eiern entschlüpfen sollen. Trotz des Aufwandes betreffs des Apparats bleibt das Eintrittsg?ld bei 20 Pfennigen. Möge der strebsame Verein durch zahlreichen Besuch gelohnt werden. — Dresden. Ihre königl. Majestäten gedenken sich nächste Mittwoch nach Berlin zur Theilnahme an den Feierlichkeiten anläßlich der silbernen Hochzeit des deutschen Kronprinzenpaares zu begeben. Der Aufenthalt wird vom 23. bis 28. Jan. währen. — Die sächsische Gewerbe-Ausstellung, welche ursprünglich für das Jahr 1884 geplant worden war, wird, wie nun definitiv beschlossen, vom 15. Mai bis 30 September 1885 in Leipzig abgehalten. Die Verschiebung des Eröffuungstermins wurde für nothwendig erkannt, weil 1884 in Leipzig das große Bundesschießen abgehalten werden soll und außerdem der Zeitraum für die allseitigen Vorbereitungen auch ein zu geriner wäre. — Aus Riesa wird der „Leipz. Ztg." geschrieben: In hiesigen gewerblichen Kreisen, beabsichtigt man, die gewerblichen Vereine des Landes zu einer energischen Kundgebung zu Gunsten der Wiederein führung obligatorischer Arbeitsbücher zu veranlassen und damit auch einmal der Meinung derjenigen Leute zum Ausdruck zu verhelfen, die mit dem Antrag Ackermann von ganzem Herzen einverstanden sind, leider aber ihren Gegnern das Kampffeld ausschließlich überlassen haben. — Aus Plauen i. V. wird der leider schon oft vorgekommeue Fall berichtet, daß eine Mutter mit ihrem (20wöchigen) Töchterchen schlafen ging und früh als die Mutter erwachte, das Kind infolge Er- slickung todt war. Aosen im Schnee Novelle von Emilie Heinrichs. fNachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Mein Mann hat mir mitgetheilt, daß Sie uns noch heute Abend Ihren lieben Besuch machen wollen", fuhr sie hastig fort, „und so sehr uns derselbe ehren und erfreuen würde, so bestimmt muß ich doch dagegen protestiren." „Ei, ei, verehrte Frau!" rief der Doktor, sie erstaunt anblickend, „wie habe ich solchen Protest denn zu verstehen?" „Ganz einfach, daß ich für die Folgen mit verantwortlich mich fühle, Herr Doktor!" versetzte Frau Johanna, die ihre Verlegenheit jetzt überwunden, „was würde der Herr Medizinalrath nur von mir denken, wenn ich dergleichen zugeben könnte —" „Frau Schneider!" unterbrach der Doktor sie unwillig. „Hilft Alles nicht und wenn sie auch böse werden, Herr Doktorb fuhr Frau Johanna fort, „Kranke und Kinder müssen gleicherweise