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Anblick des Palastes würde es mir gesagt haben, in allen Zimmern und Gängen wimmelte es von Eingeborenen, welche von Ergebenheit trieften, vor jedem eintretenden Europäer katzbuckelten, alle Bekannten umarmten, sich darum schlugen, ihren Namen in die aufliegende Be suchsliste einzuzeichnen, und laut Gott sür die Niederlage des „Ver- räthers" Arabi priesen. Das waren dieselben Leute, die vomKhedive verlangt hatten, daß er seinen Kriegsminister im Amte behalte, die selben Leute, in denen gewisse überschwengliche Engländer die „Stimme der Nation" erkannten, die nicht von den Türken, sondern nur von einem so reinen Patrioten wie Arabi regiert sein wollte. Unter allen diesen Leuten, die ich Arabi in den Himmel heben hörte, ist nicht einer, der sich heute weigerte, an dem Strick zu ziehen, falls Arabi gehängt würde. Ich will von der „öffentlichen Meinung in Egypten" nichts mehr wissen. Vor einigen Tagen hat die Eröffnung der Edisonschen elektrischen Beleuchtung eines ganzen Stadtviertels in New-Jork stattgefunden. In der ersten Nacht waren etwa hundert Gebäude mit je 3 bis 100 Lampen erleuchtet und es sollen die Arbeiten so gefördert werden, daß täglich 10—20 weitere Gebäude in das System hineingezogen werden. Die Abonnenten zahlen gleichen Preis wie seither für das Gas und können die Lampen nach Belieben Tag und Nacht brennen lassen. Die Anerkennung der Vorzüge des elektrischen Lichtes vor dem Gas ist laut und ungetheilt. Eines der ersten Newyorker Blätter äußert sich darüber: Das Licht ist glänzender als Gas und hundertfach be ständiger. 27 Lampen in unseren Redaktionssälen und 25 in den übrigen Lokalitäten beleuchten die Räume taghell ohne jeden unange nehmen Reflex. Wir haben vier Stunden unter dem Licht gearbeitet, ohne zu bemerken, daß es ein künstliches war. Es ist sanft, dem Auge angenehm, flackert nicht und entwickelt keine Hitze. Es wurde von Leuten erprobt deren Augen durch jahrelange Nachtarbeiten angegriffen sind und welche die guten und schlechten Zeiten des Lichts beürtheilen können, und Alle lobten einstimmig das Edisonslicht, besonders in Vergleichung mit dem Gas. Seit kurzer Zeit hat das System der elektrischen Beleuchtung in Nordamerika und in England, stellenweise auch auf dem Kontinent, eine solche Ausdehnung gewonnen, daß die Frage nach der Zukunft der Gasfabrikation dadurch immer mehr in den Vordergrund tritt. Wilhelm Siemens, der in London lebende Bruder von Werner Siemens in Berlin, ist kürzlich bei der Jahresversammlung der brittischen Ge sellschaft zur Förderung der exakten Wissenschaften dieser Frage näher getreten und hat sie dahin beantwortet, daß die Gasfabrikation durch die elektrische Beleuchtung keineswegs bedroht sei, indem der Ueber- gang von der Steinkohlenfeuerung zur Gasfeuerung aus zwei schwer wiegenden Gründen in nicht allzulanger Zeit naturgemäß erfolgen müsse. Der erste dieser Gründe beruht darin, daß bei der Steinkoh- lenfeuerung nur ein ganz geringer Theil des Brennmaterials zur Gel tung gelangt. Bei der Dampfkesselfeuerung hat man den Nutzeffekt auf 10 Prozent festgestellt, so daß also 90 Prozent zum Schornstein hinausgehen und das ganze jetzige Heizungssystem ein ungeheures Verschwendungssystem ist. Der zweite dieser Gründe besteht darin, daß die bei der Gassabrikation gewonnenen Nebenprodukte den Werth der verbrauchten Kohle mindestens bezahlt machen, wenn nicht noch, wie Siemens berechnet, ein ansehnlicher Ueberschuß gewonnen wird. Siemens schätzt die in den Gaswerken Großbritanniens verbrauchten Kohlen auf 9 Millionen Tonnen, die zu 12 Schilling einen Werth von 5,4 Millionen Pfd. Sterling ergeben. Ganz abgesehen vom Gas gewinnen die Werke aus diesem Kohlenquantum folgende Nebenpro dukte: 1) Farbstoffe für 3 350 000 Pfd. St., 2) Sulfat von Ammo niak für 1947 000 Pfd. Sterl., 3) Pech, Kreosot, Karbolsäure für 673 000 und 4) Koaks für 2 400 000, in Summa 8 373 000 Pf. St. oder annähernd 3 Mill, mehr als der Werth des verwendeten Roh materials. Mit diesem Geldüberschuß und dem Geldwerlh der 90 Prozent verloren gebender Steinkohlen lassen sich ohne Zweifel die Kosten der Vorrichtungen zur Gasfeuerung leicht bestreiten. Jede Stadt könnte das Unternehmen selbst in die Hand nehmen und mög licherweise dabei noch so viel profitiren, daß die Kommunalsteuern gedeckt werden könnten. Und wer weiß, wenn die Regierung die Feu erung monopolisirte, ob nicht der gesammte Staatshaushalt auf diesem Wege herausgeschlagen werden könnte. Im deutschen Reich wird pro Jahr alles in allem für 400 Millionen M. Brennmaterial verbraucht. Davon gehen 90 Prozent, also 360 Mill. M., zum Schornstein hin aus. Rechnet man den Gewinn der Nebenprodukte bei der Gasfabri kation in Deutschland zu ?/, des englischen, also zu 40 Mill. M., so hätte man jährlich 400 Mill, zur Verfügung, zunächst also zur Um wandelung unseres jetzigen Feuerungssystems. Dabei ist aber der bei der jetzigen Gasfabritation selbst, d. h. beim Gasverkauf sich ergebende Gewinn, gar nicht in Rechnung gezogen. Es ist also hier ein Punkt, wo man sagen kann, das Geld liegt auf der Straße oder vielmehr, es hängt in der Luft und es bedarf nur der kundigen Hand, um den Dukatenregen zu entfesseln. Vaterländisches. — Dresden. Sonnabend Abend besuchten der Kaiser und der gesammte Hof die Aufführung der Oper „Barbier von Sevilla", wo bei nach dem Eintritt des Kaisers der Oberbürgermeister l)r. Stübel ein dreifaches Hoch ausbrachte, in welches alle Anwesenden einstimmten, worauf sodann die Jubelhymne ertönte. Nach dem Schluffe der Vor stellung führten sämmtliche Musikkorps des sächsische» Armeekorps auf dem Theaterplatze den großen Zapfenstreich aus, dem Se. Majestät der Kaiser, der König und die Mitglieder des königlichen Hauses, so wie die fremden Fürsten von der Exedra des Hoftheaters zuhörten. Begünstigt von dem herrlichsten Wetter bewunderten im weiten Um kreise viele Tausende von Zuschauern die gebotene Augen- und Ohren weide. Um 9 Uhr marschirten nämlich 800 Musiker und 300 Tam- boure, von zahlreichen Fackelträgern geleitet, über die Augustusbrücke und zogen unter den Klängen des Iorkmarsches auf dem Theaterplatz auf. Nachdem sie ihre Stellungen eingenommen hatten, ertönte weihe voll von allen Chören gemeinschaftlich vorgetragen, Nationalhymne. Von den übrigen Musikstücken machte die Rienzi-Ouverture durch die gleichzeitige Mächtigkeit und Zartheit der Ausführung den tiefsten Eindruck. Nach einer großartig schönen Masienleistung der Tamboure erfolgte der prächtig arrangirte Abmarsch der Musikchöre. Der Kaiser soll nicht nur über den musikalischen Genuß, sondern auch über den malerischen, höchst effektvoll beleuchteten Schauplatz, auf dem derselbe geboten wurde, sich ganz entzückt geäußert haben. Sonntag früh be suchte der deutsche Kronprinz den Gottesdienst in der protestantischen Hofkirche; indessen beehrte der Kaiser das Atelier des Professors Schilling, um das Modell des Ntederwalddenkmals in Augenschein zu nehmen, besichtigte hierauf die Jägerkaserne, von wo aus sodann die Abfahrt nach den Kasernen der Albertstadt erfolgte. Der Besuch der Kaserne des Grenadierregiments „Kaiser Wilhelm" verlief wahrhaft glänzend. Nachdem das Regiment i» Kompagniefront mit fliegender Fahne vor den Majestäten vorbei defilirt war, nahmen die letzteren unter dem vor zwei Jahrhunderten bei Wie» von den Sachsen erbeu tete» Zelte des türkischen Paschas ein solennes Frühstück ein, zudem sich auch der eben in Dresden angekommene Prinz Heinrich, der künf tige Admiral der deutschen Flotte, eingesunden hatte. — Um 2 Uhr begab sich König Albert mit seinen hohen Gästen von der Kaserne nach dem Alaunplatze, wo sich 443 sächsische Militärvereine mit gegen 16 OM Mitgliedern in fünffacher Front aufgestellt hatten, um dem obersten Kriegsherrn ihre Huldigung darzubringen. Der Nachmittag war dem Besuche des Albertsfestes gewidmet, an dem fast 30 OM Personen theilnahmen. Die Kunstgenossenschaft bildete mit einem trefflich arrangirten Festspiel, das am Palais vor sich ging, den Gipfel punkt der Feier. Das Ganze stellte eine deni tapferen deutschen kai serlichen Schirmherrn dargebrachte Huldigung der Künste vor, bei welcher Fräulein Ulrich als Poesie und Herr von der Oste» als Ge nius des Friedens ihr schönes Talent glänzen ließen. Den Beschluß bildete das Vorbeiziehen der gesammten Theilnehmer des Festspiels. Voran schritten die Landsknechte mit den Kriegern, Fahnen, Trommeln und der Musik, ihnen solgten die Jäger, die Ritter in den Pracht- rüstungeii (diese echten Rüstungen waren dem Johanneum entliehe»), der Herold mit seinen Begleitern, der eigentliche Künstlerzug, die Gruppen aus dem 16. uud 17. Jahrhundert und endlich die Patrizier mit dem übrigen Volk. Nach dem Umzuge der Festtheilnehmer wen dete der Kaiser und die übrigen hohen Herrschaften ihre Aufmerksamkeit dem Teiche zu, auf welchem inzwischen die vier nach einem echten Modell erbauten Venetianischen Gondeln mit reich gekleideten Damen und Herren besetzt und von kostümirten Gondelführern gelenkt, auf dem ruhigen Waffer ihre Luftfahrten machten. Ein malerisch schönes Bild der gegenwärtigen Zeit bot das von dem Kompositionsvereine „Mappe" dargestellte Zigeunerlager auf der hinter der Konditorei ge legenen großen Wiese, an dessen Herstellung absichtlich noch gearbeitet wurde, nachdem die Festlichkeiten schon ihren Anfang genommen hatten. Nur die „Schenke zur rothen Amsel" in ihrem originellen Aeußeren war fertig, als von zwei verschiedenen Seiten die braunen Gesellen der Pußta, die eine Bande vom Burgkeller her, die andere von Loschwitz aus, insgesammt 80 Personen stark, mit 15 Pferden und 10 Wagen und Karren, zu verschiedenen Zeiten dort zusammentrafen und zwar die letztere gegen 11 Uhr, während der Lojchwitzer Zug, durch das Grunaer Wäldchen seinen Weg nehmend, erst eintraf, nachdem die andere aus 6 Familien bestehende Bande sich inzwischen auf der Wiese häuslich niedergelassen hatte. Die Szene, die sich dort vor den Augen des Publikums entwickelte, war eine ungemein getreu wiedergegebene. An Zuschauern, welche sich an dem bunten Treiben der fahrenden Bande» ergötzten und nicht müde wurden, ihnen zuzuschauen, fehlte es den Zigeunern natürlich nicht, namentlich nicht, als die Freude des Wiedersehens durch einen ganz vortrefflich ausgeführten Tanz (Czardas) zum Ausdrucke gelangte und die fragwürdigen Gestalten durcheinander- wirbelten, als gälte es, ihre Echtheit durch die Geschicklichkeit im Springen und Jauchzen zu beweisen. Das gesammte Festbild schien auf den kaiserlichen Herrn und die übrigen Fürstlichkeiten einen leb haften Eindruck hervorgerufen zu haben. Der Kaiser machte schließlich mit der Königin Karola eine Rundfahrt durch den ganzen Garten und wurde sowohl dort überall, als auch außerhalb desselben von den vielen Tausenden, die keine Billets zur Albertfeier mehr erlange» konnten, jubelnd begrüßt. — Der Kaiser' nahm am Montag Abend mit dem Könige, der Königin und den übrigen Fürstlichkeiten von der Exedra des Hofthe aters aus die ihm von der Bürgerschaft Dresdens bereitete Ovation entgegen. An derselben nahmen über 10 OM Fackelträger theil, welche von 8 Uhr ab vor dem Hvftheater Aufstellung nahmen. 17M Schüler bildeten mit rotheu Lampions ein W. Um 9 Uhr begann unter der Leitung des Kapellmeisters Drache die Serenade der vereinigten Män ner-Gesangvereine. Nach Beendigung derselben betrat Hofrath Acker mann das Podium und brachte in schwungvollen Worten ein drei maliges Hoch auf den Kaiser aus, in welches die dichtgedrängte Volks menge enthusiastisch einstimmte. Gleichzeitig wurde auf der Elbe ein prachtvolles Feuerwerk abgebrannt. Der Kaiser beschied den Hofrath Ackermann zu sich ins Theater und svrach demselben in huldvollen Worten seinen Dank aus. Hierauf erfolgte der Abmarsch der Fackel träger re. unter den Klängen der Wacht am Rhein. — Als gelegentlich des Albertfestes der Oberstleutnant v. Götz, als Vorstand der Kunstgenossenschaft, dem deutschen Kronprinzen vor gestellt wurde, äußerte sich letzterer dahin: „er könne die Worte seines kaiserlichen Vaters nur bestätigen, ein so glänzendes und weihevolles Künstlerfest habe er noch nicht erlebt, weder in Düsselsdorf, noch in Berlin, noch soeben in Schlesien. Und daß dieses Fest ein herzliches gegenüber dem deutschen Kaiser gewesen sei, das hätten sie Alle durch gefühlt." — Als Se. Mai. der Kaiser das Zelt verließ und sich in die Mitte der Mitte der Ritter und Patricier begab, fiel sein Blick zuerst mit auf die ebenfalls kostümirten Kinder und liebreich wandte sich der kaiserliche Herr an dieselben, Fragen stellend und die Kinder mit gütigen Worten erfreuend. Auch manches scherzhafte Wort kam aus dem Munde des in freudigster Stimmung befindlichen hohen Herrn. So bemerkte der Kaiser vor einer jugendlich schönen Mädchengestalt stehend, halb zu dem König Albert gewandt: „Aber das ist nicht Alterthum!" „Wenigstens nicht was darinnen steckt" gab der König zurück. Das herzlichste Lachen entlockten öfters dem Kaiser, wie den übrige» hohen Herrschaften, die mit allerhand Gerümpel beladenen von schrecklich mageren Pferden gezogenen und von echten Ziegeuner- Typen besetzten Wagen. Beim Vorbeipassiren der weit über 160 Zi geuner bemerkte der Kaiser lachend, zum Kronprinzen gewendet: „Fritz so etwas hast Du doch noch nicht gesehen", wobei er nicht müde wurde, jedem einzelnen Gefährte seine volle Aufmerksamkeit anzuwenden. Am Mittwoch Morgen nahm ein trotz des Regenwetters den langen Weg von dem Schlosse bis zum Bahnhofe zahlreich umstehender großer Theil der Dresdner Bevölkerung herzlichen Abschied von dem hoch verehrten deutschen Heldenkaiser, der nach Prausitz fuhr, um nochmals den Feldmanövern des 12. Armeekorps beizuwohnen und von dort aus Mittag 1 Uhr über Röderau die Rückreise nach Berlin und Schloß Babelsberg anzutreten. Die meisten Fürstlichkeiten verließen an dem selben Tage die sächsische Residenz, die langsam ihre Alltagsphysignomie wieder gewinnt, aber noch lange in der Erinnerung der durchlebten, vom edelsten Patriotismus durchstrahlten schönen Stunden schwelgen wird. — Von Sr. Maj. dem Kaiser wurde am Sonnabend dem säch sischen Kriegsminister, General der Kavallerie von Fabrice, der schwarze Adlerorden verliehen.