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Der diesjährige Ertrag an Weizen und Mais ist geradezu ein unge heurer und gewaltige Massen davon werden wieder über den Ozean schwimmen, Großbritannien dagegen wird in Australien das in reicher Menge finden, was die heimische Ernte ihm versagt hat. Ruhigen Blicks können wir somit der nächsten Zukunft wieder entgegenschauen und wir können dies besonders im Hinblick auf unfcre so hoch ent wickelten Verkehrsverhältnifse. (Hildbh. Dfz.) Tu g es ge schichte. Berlin, 2. November. Eine im heutigen „Reichs-Anz." abge druckte k. Verordnung von heute beruft die Landtagshäuser zum 14. November ein. Berlin, 2. November. Die „Nat.-Ztg." erfährt, daß demBun- desrath mit Genehmigung des Kaisers der Entwurf einer Verordnung zugegaugen sei, der das Verbot der Einfuhr von Schweinen, Schweine- fleisch und Würsten amerikanischen Ursprungs ausspricht. Diese Maß regel wird damit motivirt, daß die Einfuhr von Schweinen aus Amerika sowohl wegen der bei diefen Thieren häufig vorkommeudeu Trichinen krankheit, als anch wegen einer unter ihnen vielfach verbreiteten Senche für Menschen und Thiere mit Gefahr verbunden sei und die Reichsregie rung sich deshalb genöthigt sehe, die Einfuhr für die Zukunft zu un tersage». Der Kaiser soll wiederholt den Wunsch ausgesprochen haben, den Landtag in Person zu eröffnen. Herr v. Puttkammer wird in den ersten Tagen dieser Woche nach Varzin reisen, um sich für die Abfassung der Thronrede die nöthigen Anweisungen vom Kanzler zu holen. Die Absicht der Regierung, es wieder mit den Natioualliberaleu zu versuchen, hat das Centrum geradezu verblüfft. Herr Windlhorst glaubte die großen Rosinen schon in der Tasche zu haben, und jeden falls auf Grund der ihr über diese günstige Situation zugegaugenen Nachrichten glaubte die Kurie in den Verhandlungen mit Herrn von Schlözer sich einer Zauderpolitik ohne Ende befleißige» u»d jedes Zn- geständinß iii Sachen der Anzeigepflicht hintanhalten zu dürfen. Es wird sich nun zeigen, ob das angekündigte Auftreten des Fürsten Bis marck Arm in Arm mit Herrn v. Bennigsen die gewünschte Wirkung haben wird, in der Politik der Kurie eine nachhaltige Wendung her beizuführen. Die konfervativen Organe in Berlin sträuben sich noch mit mehr oder weniger Hartnäckigkeit gegen die Ermahnungen der offiziösen Presse, die Konservativen möchten dem Bunde mit dem Centrnm ent sagen und statt ihrer in der Wahlbewegung polemisch in den Vorder grund gestellten „Parteiziele" praktisch eine den gegenwärtigen Plänen des Reichskanzlers entsprechende mehr mittelparteiliche Politik verfolgen. Das Selbständigkeitsgefühl der Konservativen ist durch den Wahlsieg erheblich erstarkt und jetzt besteht nicht allein der „Reichsbote" der „Prov.-Korr." gegenüber auf dem Recht und der Pflicht parlamenta rischer Selbständigkeit, sondern auch die „Kr.-Ztg." schreibt in Erwi derung auf einen Artikel der „N. A. Z.": „Die volle Verantwortung für den Verlauf der parlamentarischen Kampagne kann offenbar nur eine Partei auf sich nehmen, die sich »ach jeder Seite die volle Akti- onssreiheit und Selbständigkeit bewahrt; die Ermahnung der N. A Z. stimmt also schlecht zu dem Verlangen unbedingten Gehorsams gegen die Minister, welches sie unlängst an die Konservativen richtete. Wir sind aber überzeugt, daß die konservative Partei völlig bereit ist, der Verantwortung sich in vollen Umfange stets bewußt zu bleiben und namentlich nicht zu übersehen, wie die preußische und die deutsche Ge setzgebung insbesondere ans dem Gebiete der Sozial- und Wirthschafts- potitik in völlig untrennbarem Zusammenhänge stehe» und deshalb die parlamentarische Situation des preußischen Landtags nicht richtig be- urtheilt werde, wenn diejenige des Reichstags nicht gleichzeitig mit in Rechnung gezogen wird." Das heißt, dieser Theil der Konfervativen hält dafür, daß, wie die „Pol. Gesellschaftsblütter" offen aussprecheii, event. auch gegen die Regierung die konservativ-klerikale Politik aus parlamentarischer Initiative weiter betrieben werden könnte. Der Bau des neuen Rathhauses in Wien hat bis jetzt 10 Jahre in Anspruch genommen, denn er begann im Jahre 1872. Das Rathhaus ist ein kolossaler Bau, schließt den großen Arkadenhof, 6 große und 2 kleine Höfe ein und enthält in fünf Etagen mehr als 500 Zimmer und Säle. Alle Räume werden durch eine Zentralhei zung erwärmt und diese ist in so großartigem Umfange gebaut, daß kein zweites Gebäude auf den: ganzen Kontinente eine solche aufzu weisen haben dürfte. 26 Magistrats-Departements sind in den Amts räumen einlogirt. Der Bau wurde von der Union-Baugesellschaft ausgeführt. Die Fundament-Kelleraushebung betrug ca. 70 000 Ku bikmeter. Zur Verwendung kamen 10 000 Kubikmeter Bruchsteine, 30 Millionen Ziegel verschiedener Gattung, mehr als eine Million Kubik fuß Quadersteine und 2 Millionen Kilogramm Eisen. Paris, 3. November. In verschiedenen Stadttheilen wurden hier seit kurzem allnächtlich revolutmäre Asfichen angeschlagen, in denen die Anwendung von Dynamit, Dolch und Gift gegen die Ausbeuter vorgeschlagen werden. Dieselben waren unterzeichnet: lo oomite oxs- vutäk. Infolge scharfer Ueberwachung gewahrte die Polizei in der Nachbarschaft der Central-Markthalle gegen 4 Uhr des Morgens eine Gruppe von vier männlichen Personen und einer Frau, welche ver dächtig schienen. Durch einen Pfiff gewarnt, entflohen sie sämmtlich, wurden aber, nachdem die Polizei das Dasein einer neuen Affiche kon- statirt hatte, verfolgt, und es gelang, ein Individuum einzuholen. An seinen Fingern fand mau noch deutliche Ueberreste von Kleister. Die Polizei glaubt auf der Spur seiner Helfershelfer zu sein. Der Prinz Napoleon Jerome will nach Beilegung der Arbeitseinstellung in der Pariser Vorstadt Saint Antoine ein Manifest über die soziale Frage an die Arbeiter richten, worin er zu zeige» versuchen wird, daß ein demokratisches Kaiserthum mehr für sie thun könne, als die gambet- tistische stramme Republik. Auch ist von zahlreichen Gründungen des Prinzen Napoleon in der Provinzialpresse die Rede; man spricht von 46 Blättern. New-Jork, 3. November. In Kentucky versuchte heute ein Pöbelhausen, zwei Mörder, welche ein Mädchen in brutaler Weise ge- tödtet, zu lynchen. Die Mörder wurden von Milizsoldaten mit einem Dampfboote nach Lexington transportirt. Der Pöbel folgte in einem Boote und verlangte die Auslieferung der Verbrecher. Als dies ver weigert wurde, feuerte ein junger Bursche eine Pistole auf die Miliz, welche erwiderte. Sechs Personen wurden getödtet, dreißig verwundet. Die Mörder wurden unbeschädigt nach Lexington gebracht. Vaterländisches. Wilsdruff. Ani Freitag Abend in der achten Stunde wurden die Bewohner unserer Stadt durch Feuerruf erschreckt; es brannten die aus der linken Seite an der Straße von hier nach Nossen zu ge legenen Scheunen. Trotz der ziemlich ruhigen Luftströmung und trotz der schnell herbeigeeilten Feuerwehren stand in kurzer Zeit die ganze Reihe Scheunen, 9 an der Zahl, in Flammen und rötheten den Himmel l weit hinaus über die Stadt, so daß auch bald die Spritzen aller be nachbarten Ortschaften zur Hülseleistuug herbeieilten. Durch das schnelle Umsichgreifen des Feuers war es auch nicht möglich, von den reichen in den Scheune» ausbewahrteu Erntevorräthe» und sonstigen Gerälh- schaften viel zu retten; glücklicherweise haben die meisten Brandkala- mitosen versichert, nur zwei hatten Umstände halber nicht versichert und sind deshalb sehr zu beklagen. Die Löschmannschaften hatten ihre ganze Aufmerksamkeit ans die gegenüberstehende Reihe Scheunen zu richten und es gelang anch, dieselben zu retten uiid dadurch auch die weitere Gefahr bezüglich des in nächster Nähe befindliche» schöne» Gerichtsamtsgebäudes zu beseitigen. An demselben Abende kurz nach 6 Uhr sind aus Klipphausener Flur zwei dem dasigen Ritterguts pachter Herrn Risse gehörige, mindestens 500 Schritt von einander stehende, gegen 160 Schock Korn und 300 Schock ausgedroschenes Stroh enthaltende Feimen vollständig medergebranut. Als der Brandstiftung verdächtig wurde am selben Abend der in nächster Nähe der brennenden Scheunen auf einem herausgeschafften Strohhaufcn sitzende 26 Jahre alte Dieiistknecht Grimmer aus Röhrs- dorf bei Wilsdruff gebürtig, in Haft gebracht; obwohl nun derselbe anfänglich leugnete, fo hat derselbe doch am Sonntag Vormittag ge standen, daß er der Brandstifter sowohl der Feimen als anch der Scheunen sei. — Dippoldiswalde. Für die neue Bahn Hainsberg-Schmiede- berg konnte die erste Fahrt von Dippoldiswalde nach Hainsberg am 1. November früh verhängnißvoll werden. Als in Dippoldiswalde zur Abfahrtszeit der Perron, oder vielmehr die Geleise dicht mit Neu gierigen und Passagieren besetzt waren, ertönten plötzlich die Schreckens rufe: „Weg aus dem Geleise! Ein Wagen reißt aus!" Auf noch unbekannte Weise hatten sich in Schmiedeberg vier leere Langholzlo- wrys in Bewegung gesetzt und kamen mit rasender Geschwindigkeit in den Bahnhof Dippoldiswalde herelngesaust in gerader Richtung auf den stehenden und schon besetzten Zug. Da gelangte noch im letzten Augenblick ein Mann an die Weiche und leitete die Flüchtlinge aufs Nebengleis, freilich aber auch direkt aufs Publikum. Doch auch hier ging Alles gut ab; es hatten Alle gerade noch Zeit gehabt, beiseite zu springen und nur Schuldirektor Engelmann wurde zu Boden ge worfen, aber nicht verletzt. Nun hielt aber noch eine Maschine mit zwei anhängenden Wagen auf der Weiche, welche die Wagen passiren mußten. Der Führer verstand die Zurufe nicht, immer näher kamen die rasen den Wagen, fast schien der Zusammenstoß unvermeidlich, da erkannte er die Gefahr, im letzten Augenblick gab er vollen Dampf und kaum in in Weite ging die Fahrt vorüber und mit ihr die Gefahr. Der großen Umsicht und Geistesgegenwart des Bahnverwalters Puruckherr und einer ganzen Kette glücklicher Umstände ist es zu verdanken, daß alles so ablief. Wäre der Zug auf der Fahrt gewesen, dann war ein schwerer Zusammenstoß gewiß. Erst in Seifersdorf hatte man die Ausreißer aufzuhalten vermocht. — Roßwein. In der Nacht zum 3. November kam au? der Schützenstraße in der Scheune des Kürschnermeisters Käfer auf bis jetzt noch nicht ermittelte Weise Feuer aus, und innerhalb 2 Stunden waren außer dieser noch vier andere Scheunen, sowie 2 Häuser ein Raub des gefräßigen Elementes; außerdem mußte ein allerdings ziem lich baufälliges Wohnhaus niedergerissen werden, um dem Weitergrei fen der Flammen Einhalt zu thun. Eine Anzahl Schafe, in einer der Scheunen befindlich, wurde, da die Feuerwehr und eine zahlreiche Volksmenge sofort zur Stelle waren, gerettet. — Leisnig, 2. November. Gestern Nachmittag balo nach 4 Uhr kam im Winklerschen Hanfe in der Webergasse Feuer aus, infolge dessen dieses, sowie die Häuser Nr. 488, 489 und 490 sammt zwei Hintergebäuden total zerstört wurden und auch das Haus Nr. 487 mancherlei Schaden erfuhr. Die betroffenen Häuser wurden von einer Anzahl meist sehr armer Familien bewohnt, die nicht versichert hatten und einen großen Theil ihrer geringen Habe einbüßten. So befindet sich z. B. ein Familienvorstand, der, Mühlenarbeiter Gatzsch, der erst vor wenigen Tagen seine Ehefrau durch den Tod verlor und nun für 8 kleine Kinder allein zu sorgen hat, in einer sehr traurigen Lage, da ihm durch de» Brand auch noch sein Hab und Gut zum größte» Theil verlöre» ging. Das Feuer, höchstwahrscheinlich durch Kinder verwahrlost, griff mit ungeheurer Schnelligkeit um sich, so daß gleich bei Ausbruch desselben 3 Häuser mit einem Male in vollen Flammen standen. Leipzig, 3. November. Das Reichsgericht hob auf Revision der Staatsanwaltschaft das Urtheil des Landgerichts II. Berlin, das den Reichstagsabgeordneten Mommsen von der Anklage der Beleidi gung Bismarcks freigcsprochen hatte, auf und verwies die Sache zur anderweilen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurück. — Gelenau, 28. Oktober. In jüngst vergangener Zeit hielt das hiesige Hilfskomitee für die Wasserkalamitosen unter Leitung des Amtshauptmanns Frh. Dr. v. Bernewitz aus Annaberg eine Sitzung ab, in welcher über die Verwendung der eingegangenen Hilfsgeloer in der Höhe von 40 500 M., exkl. der Unterstützungen an Kleidungs stücken, Saatkorn u. s. w., endgiltiger Beschluß gefaßt wurde. Es wurde beschlossen, daß von dem Gesammtschaden von 114 900 Mk. etwa 25 000 Mk. nicht vergütet werden. Den von den Hilfsgeldern nach Abzug der an Private gewährten Entschädigungsgelder verbleibende Rest, vielleicht in der Höhe von 7000 bis 8000 M., beschloß man der Gemeinde Gelenau als einen Beitrag zur Wiederherstellung der zerstörten Straßen und Brücken zu überweisen. — Zittau. Als Bürgermeister Dr. Haberkorn die in der hie sigen Johanneskirche am 31. Oktober stattgefundene Aufführung des Mendclssohnsche» „Elias" besuchen wollte, verfehlte er die Treppe und fiel so unglücklich, daß er den rechten Oberarm brach. Aerztliche Hilfe war sofort zur Hand. Ein Scherz. Erzählung von Ludwig Habicht. (Fortsetzung und Schluß.) „Das übermüthige Mädchen war glücklich, daß sie eine Gelegen heit gefunden, dem Bruder all' diese nützlichen Lehren zu ertheilen, ohne zu ahnen, wie es jetzt in dem Herzen Bennos aussah. Sie hatte sich doch über seinen Gleichmuth und sein unbesiegbares Phlegma ge täuscht. In seiner Brust tobte jetzt eiu Sturm, den er vergeblich durch eine Wanderung in den Wald ein wenig zu besänftigen suchte. Erst in der Abenddämmerung kehrte er heim und er war glücklich, daß er die Schwester nicht mehr fand. Sie sollte nicht sehen, wie furchtbar er litt, wie all' sein Gleichmuth Plötzlich hinweggeweht war und sein Inneres eine Leidenschaft durchglühte, vor der Anna erschrocken wäre,' wenn sie einen Einblick davon erhalten hätte. Er schwur sich — nein," unterbrach sich der Doktor plötzlich, „kommen Sie auf mein Zimmer. Sie sollen die letzten abgerissenen Zeilen lesen, die der unglückliche in sein Tagebuch geschrieben hat, das wird Ihnen ein weit besseres Ver-