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Wochenblatt für für ilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Erscheint wöchentlich S Mal (Dienstag und Freitag Abonnement»»«;« vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bi« Mittag 1« «hr. Erscheint wöchentlich L Mal Dienstag un» Freitag.) Abonnement«preis vierteljährlich 1 Marl. Eine einzelne Nummer kvstet^.0 Ps. Jnseratenannahme Montags ».Donnerstags bis Mittag 1S Uhr. für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Zweiundvierzigster Jahrgang. Nr. 93. Dienstag, den 21. November 1882. Bekanntmachung, die Consignation der Pferde und Rinder durch die Ortsbehördeu betr. Mit Bezug auf die Verordnung vom 4. März l881, die nach dem Reichsgesetze vom 23. Juni 1880 für die wegen Seuchen ge- tödteten Thiere zu gewährenden Entschädigungen betreffend, werden sämmtliche Gemeindevorstände des Bezirks und die Bürgermeister von Wilsdruff und Siebenlehn hierdurch veranlaßt, eine genaue Confignation -er in ihren Bezirken vorhandene« Pferde «nd Rinder innerhalb der letzten 14 Tage des Monats Dezember nach Maßgabe der in der Verordnung vom 4. März 1881 erlassenen Vorschriften vorzunehmen und die Consignationsformulare in den Columnen 1, 2 und 3 ausgefüllt unmittelbar nach der Confignation und spätestens bis zum 8. Januar nächsten Jahres anher einzureichen. Meißen, am 16. November 1882. Königliche Amtshauptmannschast. I. A. Gilbert, Bez.-Ass. Konkursverfahren. Ueber den überschuldeten Nachlaß des Schneidermeisters und Hausbesitzers Johann Gottlob Grau in Herzogswalde ist heute am 17. November 1882 Vormittags Vr12 Uhr das Konkursverfahren eröffnet. Herr Rechtsanwalt 8ommsr, hier, wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkursforderungen sind bis zum 8. Dezember 1882 bei dem Gerichte anzumelden. Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretenden Falles über die in Z 120 der Konkursordnung bezeichneten Gegenstände und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 16. Deeember 1882, Vormittags 10 Uhr, vor dem unterzeichneten Gerichte Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache im Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird auf gegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 8. Decem- der 1882 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht Wilsdruff, den 17. November 1882. vr Gangloff. Beglaubigt: Bnfch, Gcr.-Schrbr. Georg Müller aus Bristol und seine fünf Waisenhäuser. Am 15. d. M. hielt im Saale von Brauns Hotel zu Dresden der Mann, den man mit Recht den zweiten August Hermann Francke genannt hat, einen Vortrag über seine einzig dastehenden Institute; einen Vortrag, der geeignet war, in den Zu hörern das Bewußtsein von der helfenden Hand Gottes auf das Gebet seiner Knechte hin, zu wecken und zu stärken. Nach einem innigen Gebete erzählte der Bortragende im Anschluß an das Schriftwort Matth. 7, 7. 8. (Bittet, so wird euch gegeben rc.) erst kurz feinen Lebensgang und dann die Geschichte seiner mehr als fünfzigjährigen Wirksamkeit in Bristol. Im Jahre 1805 zu Kroppenstädt in Preußen geboren, hat er frühzeitig nach dem Wunsche seines Vaters die höheren Schulen besucht, um sich für das Studium der Theologie zu rüsten und bezog Ostern 1825 die Universität Halle. Dort lebte er neben seinen Studien ganz dem Vergnügen, ohne darin, sowie in unternommenen Reisen die wahre Glückseligkeit zu finden. Erst nachdem er durch einen crnstgefinnten Freund in eine Gebetsversammlung mitgenommen wurde, lernte er den Weg der wahren Glückseligkeit im Glauben an Jefum Christum kennen und ein neues Leben beginnen. Im Jahre 1829 kam er durch Vermittelung des Prof. Dr. Tholuck nach England, wo nach Verlauf eines Jahres seine Anstellung als Pre diger erfolgte. Dort wirkt er nun seit 52 Jahren ohne eine feststehende Besoldung, da es feinem Gewissen zuwider war, daß sein Predigergehalt durch Versteigerung der Kirchensitze aufgebracht werden sollte, und er konnte zur Ehre Gottes bezeugen, daß er durch Gebet und Glauben viele tausendmal in Noth Hilfe erfahren habe. In folchem Glauben fühlte er nun auch den lebhaften Drang in sich, durch dasselbe Mittel des Gebetes etwas sür die vielen verlassenen Waisen und sonst geistlich und leiblich Bedürftigen zu thun und gründete daher im Jahre 1834 das „Institut zur Verbreitung von Schrifterkenntniß im Inland und Ausland" mit dem Grundsatz, daß nicht irgend ein hoher und angesehener Mensch, sondern Gott der Herr selbst der Patron desselben sein solle. Die Zwecke der Anstalt sollten sein: Schulen zu unter stützen »nd zu errichten, die heilige Schrift zu verbreiten, Missionszwecke zu fördern. Im Mai dieses Jahres waren es 72 Wochenschulen, 39 Sonntagsschulen und 6 Schulen sür Erwachsene, die mit 9650 Schülern und Schülerinnen aus den Mitteln der Anstalt unterhalten sein wolle». Im Ganzen sind im Lause der Jahre mehr als 88 000 Schüler in den Schulen des Instituts unterrichtet worden. Für die Schulen Wird jährlich 185 000 Mark gebraucht, ebenso kostet die Verbreitung der hei ligen Schrift (jährlich 50— 80 000 Exemplare) in verschiedenen Sprachen große Sum men, wie auch ferner zur Unterstützung von Missionen in den verschiedensten Gebieten der Welt über 3 800 000 Mark verwendet wurden. Bis zum 26. Mai d. I. waren mehr denn 76 Millionen Bücher, Broschüren und Traktate aus den Mitteln der An stalt verbreitet worden und von all diesen Summen konnte Prediger Müller sagen, daß er nie einen Menschen um Gaben dazu gebeten, sondern er habe nur durch Ge bet und Glauben diese Summen aus der Hand Gottes erhalten. Zu dem letzten Zweige des Instituts, den Waisenhäusern übergehend, erklärte Prediger Müller, daß sie ihm von Awang an ein Beweis habe sein sollen, daß die Kirche noch den leben digen Gott habe, und daß er ihr lebendiger Gott sei. Er wurde am Abend des 5. Dezember 1835 durch Lesen von Psalm 81, 10 besonders gestärkt, daß er Gott um ein Gebäude, um 1000 Pfund Sterl, und um Gehilfen sür die Waisenerziehung zu bitten wagte; sein Gebet wurde erhört, aber merkwürdigerweise kamen keine An meldungen von aufzunehmenden Kindern, nachdem auch schon Alles bereit war, so daß er sich auch deshalb ins Gebet getrieben sah und bald füllte sich das gemiethete Haus mit 30 Kindern, ja bis zum Jahre 1837 waren es schon drei Häuser geworden, die er zu miethen genöthigt war, wozu später noch ein viertes kam. Aus den 42 Kindern, die in den ersten 4 Wochen angemeldet, sind es nun mehr als 2000 ge worden, die Ausnahme finden konnten. Im Jahre 1845 fühlte sich P. Müller ge drungen, wegen Bau eines eigenen Hauses mit seinen Mitarbeitern zu Rathe zu ge hen, aber erst im Jahre 1847 konnte der Bau begonnen werden, da er nicht eher begonnen werden sollte, bis dafür die nöthigen 800 000 Mark vorhanden waren und kaum war es fertig, so füllte es sich mit 300 Kindern; auch das zweite und dritte Haus,, beide mit einem Kostenaufwand von 880 000 Mark gebaut, füllten sich mit noch 850 Kindern. Im Jahre 1861 mußte wieder an eine Erweiterung des Werkes gedacht werden und es wurden noch zwei große Häuser für weitere 850 Kinder ge baut, deren Bau 1,200 000 Mark kostete. Um einen Begriff von der Größe der Waisenanstalt zu geben, erwähnte Redner nur, daß sie 500 Zimmer mit 1700 großen Fenstern enthalte, daß allein für 24 000 Mark Milch jährlich verbraucht wird, über haupt der jährliche Aufwand dafür 876 000 Mark beträgt. Der Betrieb des In stituts in allen seinen Zweigen hat bis Mai d. I. die Summe von 19,150,000 M. gekostet. Gewiß autreibend zu dem dankenden Ausruf, welchen Prediger Müller ge brauchte: „Seht, was für einen reichen Herrn wir im Himmel haben!" Tagesgeschichte. Berlin, 17. November. Da diesmal der Kaiser den Landtag persönlich eröffnete, so hatte auch der Eröffnungsakt einen feierlicheren Anstrich als sonst. Die Thronrede machte auf alle Hörer einen tiefen Eindruck, der zum Theil auf den schlicht-ernsten Vortrag zurückzuführen ist. Der Beifall bei dem Passus über die Nothwendigkeit der unver züglichen Entlastung der ärmeren Volksklassen von dem Drucke der direkten Steuern entrang sich unwillkürlich den Herzen; es war un möglich, denselben zurückzuhalten. In der linksliberalen Presse wird die Thronrede natürlich abfälligst kritisirt. Sogar der PasiuS über die Sicherung des Friedens erfährt Angriffe. Die „Nat.-Ztg." er blickt in dem Umstande, daß derselbe in der Thronrede zur Eröffnung des preußischen Landtages enthalten ist, einen Eingriff in die Macht vollkommenheiten des Reichs! Wenn dem Blatte das deutsche Reich wirklich so am Herzen liegt, so möge es doch die Reichsregierung in der Schaffung von Einrichtungen unterstützen, welche Diejenigen, die heute noch dem Reiche mißtrauisch gegenüberstehen, für den'Reichs- gedanken gewinnen können. Geradezu perfid verfährt das „Berliner Tagebl." Der Kaiser hat seine Ueberzeugung von der Nothwen digkeit der unverzüglichen Entlastung der ärmeren Volksklassen ausge sprochen. Dem gegenüber hat das genannte Blatt die Keckheit, zu behaupten, es sei dies nur eine zielbewußte Berechnung, um für eine event. Auflösung des Reichstags Stimmung für konservative Wahlen zu machen. Also: Kaiserwort—Parteimanöver! Und da wundern sich die Berliner Juden, wenn ihnen die monarchisch gesinnte Bevöl kerung abhold ist! Es muß ein Anfang gemacht werden mit der sozial-politischen Reform — sagt der Kaiser —, die Größe des Staates kann nicht blos in seiner Machtentwicklung nach außen gefunden werden, ie muß die Wirkung auch der inneren Wohlfahrt und Zufriedenheit ein, vor Allem darf die formale Freiheitsentwicklung nicht zu einer Mchlerischen Abfindung Derjenigen gemacht werden, welche die poli tische Freiheit und Gleichheit mit um so stärkerer materieller Noth und Abhängigkeit zu bezahlen haben. Das große Wort des Kaisers: Es muß geholfen werden! — erscholl nicht zum ersten Mal vom preu ßischen Throne herab; unsere größten Fürsten haben ihren höchsten Ruhm in der stetigen Sorge für das Gemeinwohl gesucht; eben darum aber hat das preußische Königthum seine lebendige Macht siegreich be wahrt, und niemals wird es der politischen Spekulation gelingen, es zu einem Schatten zu verflüchtigen oder als bloßes Ornament zu be handeln. Dorthin, woher die Hülfe kommt, wenden sich vertrauens voll die Blicke des Volkes; dorthin, wo die Sorge um das Gemein wohl zur anerkannten Pflicht des erhabenen Berufs geworden ist; —