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Wochenblatt für 1882 Nr. 78. Freilag, dcu 2S. September Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag.) AbonnementSpreiS vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer testet 10 Ps. I nseratenennalme Montags u. Donnerstags bi« Mittag 12 Uhr. Bekanntmachung, die Volksbibliotheken betreffend. Die Gemeinden hiesigen Bezirks werden darauf aufmerksam gemacht, daß etwaige Uuterstützungsgesuche zu Volksbibliothrken spätestens bis zum 15. Oktober diese» Jahres anher eiuzureich cu sind. In den näher zu begründenden Gesuchen ist nach Maßgabe der Bekanntmachung vom 24. Januar vor. Jrs. mit anzugeben, ob und resp. in wie weit die beteiligten Gemeinden sich an der Unterhaltung und Erweiterung dieser Bibliotheken pekuniär betheiligen, sowie in wessen Eigenthum sich die betreffende Bibliothek befindet. Hierbei wird noch zur Kenntniß der Gemeinden gebracht, daß die aus der Staatsunterstützung auzuschaffenden Bücher nicht mehr von der Roßbergschen Buchhandlung in Leipzig bezogen zu werden brauchen. Meißen, am 21. September 1882. Königliche Amtshauptnuumschaft. v. Bosse. Tagesgerichte. — Die Berliner Blätter aller Richtungen zollen jetzt nach der Rückkehr des Kaisers aus Sachsen der Bevölkerung Sachsens und insbesondere Dresdens ihre Anerkennung für den dem Kaiser be reiteten herzlichen Empfang. So schreibt die „Berl. Börsen-Ztg.": „Die Handschreiben, welche der Kaiser an den König von Sachsen und an den Oberbürgermeister von Dresden anläßlich seines jüngsten Aufenthaltes in der sächsischen Hauptstadt gerichtet hat, sind, ganz ab gesehen von dem besonders warmen Ton derselben, Schriftstücke von exceptioneller Bedeutung. Bisher begnügte sich der Kaiser, wenn er in nicht preußischen Gebietstheilen des Reiches als Gast geweilt hatte, seinen Dank für die Aufnahme und seine Anerkennung über die Leist ungen der von ihm inspizirten Truppen den zuständigen Persönlichkeiten mündlich auszusprechen. Dies geschah sowohl vor zwei Jahren in Mecklenburg, als auch bei den früheren Besuchen am sächsischen Hofe. Die diesmalige Abweichung von der Regel beweist, wie intim sich die Beziehungen zum sächsischen Hofe gestaltet haben und wie hocherfreut der Kaiser über die ihm seitens der sächsischen, speziell der Dresdner Bevölkerung zu Theil gewordenen Aufnahme ist. Se. Majestät hat auch» wie uns berichtet wird, wiederholt Gelegenheit genommen, sich in diesem Sinne zu seiner nächsten Umgebung zu äußern. — Das „Berl. Tgbl." legt der herzlichen Aufnahme des Kaisers seitens der sächsischen Bevölkerung eine noch tiefere Bedeutung bei, indem es schreibt: „Der Empfang des Kaisers im Königreich Sachsen hat weit über die Grenzen des Reiches hinaus einen tiefen Eindruck gemacht. In der hiesigen Diplomatie, welche durch ihre militärischen Vertreter von den Einzelheiten genau unterrichtet ist, bespricht man die auf sächsischem Boden erlebten Vorgänge mit sichtbarer Lebhaftigkeit. Die Ansicht hatte sich zu einer Tradition ausgebildet, daß in den Mittel staaten sich ein gewisser Antagonismus gegen das Reich und insbe sondere Preußen nicht nur erhalten, sondern in den letzten Jahren noch an Umfang zugenommen habe. Die Ereignisse der letzten Tage haben aber dargethan, daß solche Annahmen keinen Halt haben und daß das Reich bei den Fürsten und Bevölkerungen einen tieferen Grund hat, als bis jetzt geglaubt wurde. Der Kampf in der Partei presse hat die fremden Diplomaten zu der Ansicht verleitet, daß das neue politische Gebilde des Reiches möglicher Weise in Gefahr schwebe; jetzt ist man davon gründlich zurückgekommcn. — Der Manöver-Correspondent der „Vossischen Zeitung" ist des Lobes voll über die Haltung der sächsischen Truppen bei der Kaiserparade. Derselbe schreibt: „Wer, wie ich, das XII. Corps bei seiner Organisation im Jahre 1867 gesehen, dann wieder im Jahre 1870 in der Schlacht bei St. Privat, wo es das XII. Corps war, das unsern hart bedrängten Garden so todesmuthig zu Hilfe eilte, der wird für dasselbe stets die Sympathie empfinden, die mau einer braven, tüchtigen Truppe zollen muß. Ich konnte daher auch nicht umhin, in diesem Jahre, wo ich Gelegenheit hatte, zwei preu ßische Corps in ihrer altbewährten Schneidigkeit zu scheu, auch dem Xll. Corps bei Gelegenheit der Besichtigung durch den obersten Kriegs herrn beizuwohnen. Meine Erwartungen sind übertroffen, das königl. sächs. Armeecorps wacht einen über alles Lob erhabenen Eindruck und kann sich jedem alte» preußischen Armeecorps zur Seite stellen. Das Gefühl wird heute ein jeder alte preußische Soldat gehabt haben, der das Corps beim herrlichsten Sonnenschein in zwei Treffen in Parade aufstellung formirt sah. Ganz in der bei uns herkömmlichen Weise standen die Fußtruppen im ersten, die Truppen zu Pferde im zweiten Treffen u. s. m." Der 23. September d. I. war ein Gedenktag seltener Art. An diesem Tage vor 20 Jahren ist der jetzige Fürst und Reichskanzler Bismarck in die preußische Regierung eingetreten. Welche Erfolge, welcher Umschwung, welche Gedanken knüpfen sich an diese 20 Jahre! Eines erkennen Freunde und Gegner an. Deutschlands Ruhm und Machtstellung war jederzeit sein Ideal, an sie denkt er bei Tag und Nacht, Deutschland ist der Anfang und das Ende aller seiner Ent würfe, und um Deutschlands willen beeinflußt er ganz Europa von London bis Stambul, um seinetwillen auch ist er, der Urheber von Königgrätz, Oesterreichs bester Freund geworden. Die Kreuz-Zeitung sagt von ihm: Der Fürst kann nicht rasten und ruhen, wenn er das Volk nicht aller der Segnungen theilhaftig weiß, die seinem reichen Geiste vorschweben. Darum hat er, nachdem ihm Erfolge und Ruhm zu Theil geworden, wie keinem Zeitgenossen, ein neues Ziel zur Be festigung des deutschen Reiches, zur Hebung des Volkes in seinen ärmsten Schichten ins Auge gefaßt. Es ist ein schönes Ideal, dem der Kanzler nachjagt, und das macht ihm wiederum viel Mühe und Arbeit. Wie auf die mühevolle erste Zeit nachher Tage der reichen Ernte, der Siege und Erfolge gekommen ind, so hoffen wir, daß auch die jetzige Mühe und Arbeit keine vergebliche sein werde, sondern daß der Fürst dereinst auch im Hinblick auf sein jetziges Ringen sein Leben in der That köstlich und schön und segensreich werde finden können. Die Deutschen in Odessa haben dem Fürsten Bismarck zu seinem Jubiläum eine Bowle und 6 Becher aus Silber zum Geschenk gemacht. In Preußen soll eine Anordnung getroffen werden, daß gericht lich bestrafte Vagabunden und Bettler, welche auf Grund des 8 362 des Strafgesetzbuches der Landespolizeibehörde überwiesen wurden, in Bezug auf ihre Körperbeschaffenheit und Arbeitsfähigkeit untersucht werden, um dieselben je nach dem Ergebniß der Untersuchung in be sonders hierzu bestimmten Anstalten zu beschäftigen oder ihnen Arbeit nachzuweisen, die Arbeitsunfähigen und Kranken aber getrennt von den Vorgedachten in anderen Anstalten unterzubringen. Der „Köln. Ztg." berichtet man von Berlin: „Die Ultra mon tanen führen wieder eine sehr heftige Sprache und erklären, ein neuer Kulturkampf stehe bevor. Der Reichskanzler scheint einzusehen, daß bei den Wahlen auf eine solche Mehrheit nicht zu rechnen ist. Wie derholt sprechen sich offiziöse Stimmen für die Bildung von Mittel parteien aus. Eine Aeußerung des Ministers v. Bötticher läßt ver- muthen, daß Fürst Bismarck auch eingesehen hat, mit den sozialistischen Plänen zu weit gegangen zu sein, und daß der Staat außer Stande ist, die Sorge für die Arbeiter im erst geplanten Umfange zu über nehmen. Kurz, gute Beobachter glauben, daß wir wieder eine Wen dung der innen, Politik zu erwarten haben. Ueber die auswärtige Politik verlautet aus guter Quelle, daß unsere Beziehungen zu Eng land fortwährend freundlich sind und man hier nicht besorgt, daß England seinen Sieg in Egypten mißbrauchen werde." Halberstadt, 23. September. Seit einigen Wochen sinken die Cigarrenmacher der hiesigen Fabriken. Die Striks werden in wohl überlegter Organisation, anscheinlich unter Führung eines erfahrenen Strikkommisiarius, von Fabrik zu Fabrik ausgeführt. Einige Fabrik besitzer haben den Forderungen auf Lohnerhöhung nachgegeben, wo gegen eine Fabrik sich geweigert haben soll, den Lohnsatz zu erhöhen und den gesetzlichen Weg der Kündigungsfrist der Arbeitszeit rc. be schritten hat. Ein großer Theil der Arbeiter hat daher seit Anfang dieser Woche Feiertage. Die „Kreuzzeitung" erklärt bezüglich der egyptischen Frage: Deutsch land hat auch jetzt kein anderes Interesse an der Frage, als das der Erhaltung des europäischen Friedens, welchen gewahrt zu haben das unvergängliche Verdienst des Berliner Kongresses und der auf demselben wirksamen Kräfte gewesen ist. Dasselbe bleibt auch die Aufgabe und Fürst Bismark läßt sich in derselben sicher nicht stören weder durch das chauvinistische Geschrei der französischen Presse, noch durch das etwaige interessirte Lob der englischen. Die von verschiedenen Seiten gebrachte Meldung, der Reichstag werde bereits anfangs November einberufen werden, wird von anderer Seite, angeblich auf Grund guter Information, bestritten, mit dem Bemerken, daß über die Frage der früheren Einberufung des Reichs tags absolut nach keiner Seite etwas entschieden und der Staatssekretär von Bötticher erst am Sonnabend nach Berlin zurückgekehrt ist; es wird bezweifelt, ob man von dem einmal festgesetzten Termine der Vertagung bis zum 30. November abgehen wird. Allerdings würde sich dann die parlamentarische Situation sehr verwickelt gestalten. Tritt anfangs Dezember der Reichstag zusammen, so muß er sich schon nach einer vierzehntägigen Arbeit bis nach Neujahr vertagen, während die Einberufung des preußischen Landtags verfassungsmäßig bis zum 15. Januar 1883 geschehen muß. für die Königl. Amtshauptmannschnft zu Meißen, das Königl. Amtsgericht nnd den Stadtrath zu Wilsdruff. Aweiundvierzigster Jahrgang. Erschein, wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag AbonnementSpreiS vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer — für rostet_10 Pf Wilsdruff, Tharandt, E- Nosscn, Sicbcnlch» und die Umgegenden.