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Wochenblatt für Nr. 104 1882. Freitag, den 29. Dezember für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Zweiun-vierzigster Jahrgang. Erscheint wöchentlich 2 Mal LienStag und Freitag.) AbvnnementspreiS vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer k-stet^O Ps. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 llhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag Abonncmentspreis vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer „ für kostet 10 Pf Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. krliANntmLedniiK, Die am 24. dieses Monats begonnenen Weihnachtsferien sollen nicht bis mit dem 1. Januar 1883 sondern bis mit dem ?. Januar 1883 dauern; der Unterricht in den hiesigen Bürgerschulen nimmt daher erst am Montag, den 8. Januar 1883, wieder seinen Anfang. Wilsdruff, am 28. December 1882. Der Schulvorstand. Ficker, Brgmstr. — Im Monat Januar 188S ist die hiesige Sparkassen-Expedition jeden Wochentag außer Mittwochs geöffnet. Wilsdruff, am 18. Dezember 1882. Der Stadtrath. Ficker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Das „Echo" in Moskau schreibt: „Die Feldzüge 1866 und 1870, sowie deren Literatur haben in der Masse die Ueberzeugung geweckt, daß der eiserne Kanzler, Moltke und die preußische Armee unbesieglich und nichts für sie unmöglich sei. Aber verhält es sich so in Wirk lichkeit? Wir wollen versuchen, auf die Möglichkeiten hinzuweisen, auf welche die Preußen bei einem Kampfe mit Rußland rechnen können, aber ebenso auch auf diejenigen, welche sich in diesem Kampfe zu unseren Gunsten geltend machen werden. Die Preußen haben den Vortheil einer schnelleren Mobilmachung, welche ihnen gestattet, uns mit einer Invasion zuvorzukommen. Die Preußen haben viele gute Generale; ihre Flotte zählt 29 schöne Panzerschiffe; ihre Festungen sind in gutem Zustande; der ganze Grenzrayon gegen Rußland ist in fortisikatorischer Beziehung gut vorbereitet; ferner gewähren den Preu ßen die gut gewählten und sorgsam vorbereiteten Bündnisse und Neu tralitäten eine große Unterstützung. Fürst Bismarck zeigte sich hierin als Meister, während umgekehrt die Russen, wie aus der Geschichte zu sehen, immer schwache Diplomaten waren. Dies alles beweist, daß Deutschland ein ernster Gegner, daß es nöthig ist, unseren schwachen Punkten unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden und möglichst schnell den wichtigsten Mängeln abzuhelfen; aber nicht entfernt geht daraus her vor, daß Deutsch and unbesiegbar ist, und nothwendig die Oberhand über uns gewinnen muß. Die Ueberlegenheit in der militärischen Organisation, sowie in der taktischen Ausbildung war zur Zeit des siebenjährigen Krieges genau ebenso wie jetzt auf feiten der Preußen, und dennoch errangen wir Siege über dieselben. Obwohl man dem Wissen, der Erfahrung und Kriegskunst der preußischen Generale Ge rechtigkeit angedeihcn lassen muß, so findet man doch auch bei uns trotz unserer Armuth in dieser Beziehung einige hervorragende Namen. Die Finanzlage Rußlands ist nicht glänzend, und das ist wichtig, da man heutzutage Krieg nicht nur mit Truppen, sondern auch mit Geld führt; dafür führt man ihn aber niemals mit eigenem Gelde, sondern nimmt seine Zuflucht zu Anleihen, und es würde schwer fallen, einen Krieg anzugeben, der bei glänzender Finanzlage begonnen ist. Meist begannen die Kriege, und besonders die unserigen, unter sehr schwie rigen finanziellen Verhältnissen, und dennoch waren viele von ihnen siegreich. Endlich muß im Kriege das Land furchtbare Anstrengungen machen, und da ist Rußland gewöhnt, in schweren Augenblicken alle seine Kräfte anzuspannen. Die Geschichte bestätigt dies. In Betreff der Bündnisse läßt sich sagen, daß Verbündete selten einmüthig han deln; Eifersucht und die Verschiedenheit der Interessen machen sich sehr bald geltend; darauf muß man immer rechnen und die Entfremdung der Verbündeten geschickt zu benutzen verstehen. Bündnisse und Neu tralitäten, welche die Preußen abschließen, werden leicht gebrochen werden, sobald ihre Waffen nicht glücklich find. Doch die Hauptsache, worauf wir hoffen, worauf wir vertrauen — das ist die moralische Ueberlegenheit der russischen Soldaten, die unerschütterliche Stand haftigkeit der russischen Armee, an welcher die deutsche Organisation scheitern muß. Napoleon, dieser große Kenner der Kriegskunst, sagt, daß im Kriege der Erfolg zu dreiviertel von dem moralischen Element abhänge. Auch giebt es noch andere Umstände, die uns günstig sind. Dazu rechnen wir unsere jüngere Kriegserfahrung (Krieg 1877/78), während die Preußen nun schon elf Jahre Frieden haben. Wenn es wichtig ist, erfahrene und im Feuer erprobte Führer zu besitzen, so ist er doch nicht minder wichtig, daß die Masse der Geführten erfahren und im Feuer erprobt ist. Die Eigenthümlichkeit des Kriegsschau platzes, welchen Rußland darbietet (seine Tiefe und Ausdehnung), er möglicht es nicht, der russichen Armee entscheidende Schläge beizubrin- gen. Wenn die Armee noch nicht formirt ist und fühlt, daß sie noch nicht im Stunde ist, eine Schlacht zu ließen, so Hai sie das auch nicht nöthig, denn die Tiefe des Kriegsschauplatzes gestattet dies; von einer Einnahme von Moskau oder Petersburg zu reden, wäre lächerlich; auch spielen sie für Rußland nicht eine solche Rolle, wie z. B. Paris für Frankreich; sich des Landes und seiner Machtquellen zu bemäch tigen, ist infolge der großen Ausdehnung unseres Gebietes nicht mög lich, und infolgedessen ist es auch schwierig, entscheidende Erfolge zu erzielen. Aber, wird man uns sagen, die Preußen werden auch nicht so verfahren. Sie werden die Schnelligkeit ihrer Mobilmachung be nutzen, das Königreich Polen zu besetzen, sich hiermit begnügen und zur Vertheidigung übergehen. Wie schnell und erfolgreich aher auch ihr Einmarsch sein möge, so glauben wir doch nicht, daß es ihnen gelingen wird, sich sogleich der Festungen Nowo-Georgiewsk, Iwan gorod und Brest-Litowsk zu bemächtigen; so lange aber sich diese Festungen nicht in den Händen der Preußen befinden, können sie sich auch nicht als Herren des Landes ansehen. Während dieser Zeit können wir wohl mobil machen, unsere Truppen in Rußland zusammen ziehen und mit denselben zum Angriff übergehen. Endlich ist es auch gar nicht so schwer, beim Beginn des Krieges die Mobilmachung selbst der preußischen Armee sowie ihren Einmarsch in unser Gebiet aufzu halten. Zum Schluß wollen wir noch erklären, daß es nicht in un serem Interesse liegt, die Mittel zu zeigen, mit denen wir gegen die Preußen operiren; die Hauptsache ist, daß sie vorhanden sind. Berlin, 23. Dezember. Das italienische Königspaar soll, wie verlautet, beabsichtigen, zur Feier der silbernen Hochzeit unseres Kron prinzenpaares, welche am 28. Januar stattfindet, hierherzukommen. Berlin, 25. Dezember. Gestern Nachmittag um 4 Uhr erschie nen im kaiserlichen Palais die königlichen Hofstaaten, mit welchen der Kaiser und die Kaiserin alsbald im Balkonsaale gemeinsam das Diner einnahmen, worauf dann für dieselben im blauen Speisesaale die Weihnachtsbescheerung stattfand. Nachdem hierauf dieser Theil der Feier beendet war und die Hofstaaten sich verabschiedet hatten, versam melten sich um 8 Uhr die hier und in Potsdam anwesenden Mit glieder der königlichen Familie im Balkonsaale des königlichen Palais, woselbst dann die kaiserlichen Majestäten mit denselben zusammen den Thee einnahmen. — Sodann fand für die kaiserliche Familie im klei nen Speisesaale die Bescheerung statt und nach dieser blieben die aller höchsten und höchsten Herrschaften noch zum Thee vereint. Der Kaiser hat am 23. d. den Reichskanzler zum Vortrag em pfangen. Die Gesundheit des Fürsten Bismarck ist nicht so zerrüttet, wie vielfach angegeben wird. Der Kreis seiner Thätigkeit ist geschäft lich nicht beschränkter, als er seit Jahren bei seiner Anwesenheit zu sein pflegte, eher umfänglicher. Offizielle Besuche haben schon seit Jahren von ihm weder gemacht noch empfangen werden können. Der geschäftliche Verkehr mit den Ministern und Chefs der inländischen Centralstellen geht seinen regelmäßigen Gang wie immer, nur etwas erschwert durch Verminderung des mündlichen Verkehrs, da die Ge sichtsschmerzen, an denen der Fürst leidet, hauptsächlich durch lautes und anhaltendes Sprechen provozirt werden. Dies wird auch, meint die „Post", den Grund bilden, warum der Kanzler darauf verzichtet hat, den Sitzungen des Reichs- und Landtages beizuwohnen, wie es bei der Ankunft in Berlin seine Absicht war. Der Antrag auf Abänderung der Gewerbeordnung in der Hinsicht, daß fernerhin Arbeitgebern, die nicht der Innung angehören, die An nahme von Lehrlingen untersagt werden kann, ist unterm 14. Dezbr. beim Reichtstag eingereicht und jetzt zur Versendung gelangt. Er trägt etwa I40 Unterschriften des Centrums, der Konservativen und Welfen. Mitglieder der Deutschen Reichspartei haben nicht unter zeichnet. An dem Zustandekommen einer Mehrheit für den Antrag wird man zweifeln dürfen. Aus Bundesrathskreisen hört man, daß der Antrag auf Ein führungobligatorischer Arbeitsbücher wenig Aussicht hat, von dieser Körperschaft angenommen zu werden. Die preußische und die Mehr zahl der kleineren Regierungen halten daran fest, daß die Maßregel an sich, zur Zeit wenigstens, nicht zu empfehlen sei und in den Arbeiter kreisen Verstimmung erregen würde. Jedenfalls wird in Arbeiterkreisen die Agitation gegen den Antrag mit solchem Eifer betrieben, daß der