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Aus Irland werden neue Gewaltthaten gemeldet, und scheint die Lage dort abermals eine gefahrdrohende zu werden. In Upper Croß, Grafschaft Tipperary, wurden drei Gerichtsvollzieher des irischen Eigen- thumsschutzvereins von einer bewaffneten Mondscheinbande angegriffen. In dem Kampfe, welcher sich entspann, feuerten die Gerichtvollzieher ihre Revolver ab, wodurch einer der Angreifer getödtet und mehrere andere verwundet wurden. Die herbeigerufene Polizei verhaftete fünf Mitglieder der Bande. Auf der Landstraße unweit Ballinamore wurde am Dienstag Abend ein erst ganz kürzlich exmitlirter Pächter namens John Sheridan ermordet. Das Motiv des Mordes ist noch unbekannt, aber zwei der That verdächtige Individuen sind verhaftet worden. Ein merkwürdiges Eisenbahnunglück ereignete sich in Wales, nahe bei Barmouth. Die Bahn läuft dort hoch über dem Meere auf einem Abhang, und noch acht Fuß höher läuft die Landstraße. Diese wird von der Eisenbahn durch eine vertikale Mauer getrennt. Die Mauer sowie ein Theil des Felsens stürzten auf die Eisenbahn herab kurz vor der Ankunft des Zuges; derselbe prallte gegen dieses Hinder niß an, und die Lokomotive und der Tender stürzten fünfzig Klafter über den Abhang zur See hinab. Der Maschinist und der Heizer waren sofort todt. Die Waggons des Zuges stürzten.nicht hinab, fondern stürzten nur auf den Schienen um. Ein Erdrutsch auf der anderen Seite schützte sie vor dem Herabfallen, doch hing die Hälfte des ersten Waggons über dem Abhang. Die Passagiere des Zuges sind nur leicht verletzt. Vaterländisches. Wilsdruff, 11. Januar. Das gestern Abend im Adlersaale abgehaltene zweite Abonnement-Conzert unseres Stadtmusikchors boi wiederum den zahlreichen Anwesenden einen wahren Genuß. Das feingewählte Programm wurde durchweg gut ausgeführt, ganz beson ders hervorzuheben aber sind die Ouvertüre a. ,,Preciosa" v. Weber, Ouvertüre a. „Martha" v. Flotow, die Mitternachtsglocken von Rom und das Potpourri „die Reise um die Welt in 15 Minuten". Ganz wesentlich zur Erheiterung trugen die komischen Vorträge des ehem. Hofschauspielers Herrn Zocher aus Dresden bei; Herr Zocher ist als ein feiner Komiker zu bezeichnen, der es versteht die Kunst mit seiner- persönlichen Liebenswürdigkeit zu verbinden und sich somit seinen Hö rern angenehm zu machen; rauschender Beifall lohnte jeden feiner Vorträge, mit denen er auf sich immer wiederholendes stürmisches Verlangen auch nicht geizte. Herr Zocher wird uns in gutem An denken bleiben und gern wiedergesehen und gehört werden. Die ko mischen Vorträge wurden von Herrn Panzer vom kgl. Conservatorium zu Dresden auf dem Pianino gut begleitet und so trug auch dieser Herr zum Gelingen des Ganzen bei. — In Folge des Aufrufes für den abgebrannten Müller Thü mer in Höfgen und besten blinde Kinder sind an milden Gaben für dieselben in Summa 2700 Mark 89 Pfg. eingegangen. Die Kgl. Amtshauptmannschaft Meißen spricht im Dresdner Journal den edlen Gebern ihren ergebensten Dank mit dem Bemerken aus, daß denKala- mitosen der Wiederaufbau seiner Mühle damit ermöglicht und das Schicksal der unglücklichen Thümerschen Kinder einigermaßen sicherge stellt ist. — Dresden, 8. Januar. Ueber das Befinden Sr. k. Hoheit des Prinzen Albert geht dem „Dr. Journ." folgende Mittheilung zu: Der Zustand Sr. k. Hoheit des Prinzen Albert hat sich insofern ver ändert, als seit einigen Tagen Fieber eingetreten ist, welches mit ge ringen Schwankungen anhält. Der hohe Kranke nimmt nur sehr wenig Nahrung zu sich. Der Schlaf ist unruhig. Die Blutungen haben sich in der letzten Zeit öfter wiederholt. — Döbeln. Unsere Zuckerfabrik, die in die Nähe des Haupt bahnhofs auf Kleinbauchlitzer Flur zu stehen kommt und daher leicht durch ein Schienengleis mit demselben verbunden werden kann, ist im sichtbaren Entstehen begriffen. Schon wird eifrig an der Aufschüttung der Zugangsstraße gearbeitet, und auf den 16. Jan. ist eine General versammlung der Aktionäre nach Bahnhof Döbeln einberufen, um über die Baupläne definitive Beschlüsse zu fassen. — Chemnitz, 3. Januar. Heute früh ist die 5jährige Tochter eines an der Nießner Straße hier wohnhaften Obermälzers in bekla- genswerther Weise verunglückt. Dieselbe befand sich mit zwei jüngeren Geschwistern einige Zeit allein in der Stube. Als die Mutter zurück kam, fand sie die Stube voll Rauch und ihre 5jährige Tochter ganz verbrannt, jedoch noch lebend am Boden liegend. Trotz sofort herbei geholter ärztlicher Hilfe war das Kind nicht zu retten, es starb wenige Stunden darauf an den Folgen der Brandwunden. Es steht zu ver- muthen, daß das Kind dem Ofeufeuer zu nahe gekommen ist und da durch die Kleidung Feuer gefangen bat. Es scheint sich dann nach dem Sopha gepflüchtet zu haben, denn auch dieses war theilweise ver brannt und angekohlt. — Bernstadt, 2. Januar. Heute Vormittag wurden die Nach barn des auf der hiesigen Bautzener Gasse wohnhaften, unverheiratheten 68jährigen Schmiedemeisters Karl Traugott Wenzel inne, daß die Thür seiner von ihm allein bewohnten Behausung verschlossen blieb. Als die Wohnung gegen Uhr polizeilich geöffnet ward, fand man den nicht unbemittelen Hausherrn mit zerschlagener rechter Schädelseite und klaffender Stirnwunde auf dem von ihm zum Schlafen benutzten Kanapee in einer Kammer der ersten Etage todt vor. Der Leichnam war noch mit einem Bett bedeckt und vollständig kalt. Einige Laden waren geöffnet und der Inhalt umgestürzt. Es liegt der dringende Verdacht eines Raubmordes vor, obwohl noch ziemliche Baarstände sich vorfanden. Die nöthigen Erhebungen sind sofort durch das hiesige Amtsgericht und den Gendarmen eingeleitet worden. Bis um 12 Uhr Nachts war der Getödtete in einer verwandten Familie gewesen und dann allein in seine Wohnung zurückgekehrt. Seit 1807 ist in hie siger Parochie keine Mordthat verübt worden. — Ueber die Leipziger Neujahrsmesse berichten die „L. N.": Die Stimmung in Manufakturwaaren zeigte sich matt bei gedrückten Preisen; der ganze Charakter des Geschäfts wies mäßigsten Verlauf auf. Deutsche Käufer waren verschwindend gering am Platze, dagegen hatte das Ausland einige Einkäufer gesandt. Für Meeraner Artikel behauptet die Mode kleine und große Carreaux; für Greiz und Gera ist Ganzwolle, für Elberfeld Halbwolle, sämmtlich uni maßgebend — Die Neujahrmeffe in Tuchen ist diesmal als schlecht zu bezeichnen. Infolge des unbeständigen Winters sind die Lager in Winterwaare noch ziemlich stark assortirt und ist der lauen Witterung halber jetzt wenig Nachfrage vorhanden. Für Sommerwaare zeigte sich zwar Kauflust, jedoch konnten nur größere Geschäfte zu sehr gedrückten Preisen zu Stande gebracht werden. Forster, Gottbuser, Stremberger und Peitzer Fabrikanten brachten viel Lager nach dem Meßplatz, doch haben bis jetzt nur wenige davon geräumt und zwar ebenfalls nur zu billigen Preisen. Crimmitschau hat verhältnißmäßig noch gute Geschäfte ge macht, da infolge des Strikes nicht allzuviel Waaie vorhanden war. Im Großenhainer, Kamenzer, Finsterwalder, Sorauer, Saganer Fa brikat lag das Geschäft still und sind nur theilweise Musterwaaren des ersteren Platzes gegangen, während in schwarzer Waare wiederum sich sehr schwaches Geschäft entwickelte. Fremde Einkäufer waren wenig zu Platze, namentlich fehlten solche von den überschwemmten Gegenden fast sämmtlich. Aosen im Schnee Novelle von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Nun erst glaube ich an seine Rettung", flüsterte die Alte halb schluchzend, „o, Fräulein Heinberg, wie kann der Doktor dieses Opfer Ihnen jemals vergelten!?" „Still Jungfer Willing, still!" gebot Elisabeth, „der Doktor darf gar nichts davon erfahren, hören Sie, keine Ahnung davon haben,— ich würde auf der Stelle dieses Haus verlassen. Versprechen Sie mir das, liebe Willing!" „Verlangen Sie Alles, nur das nicht von mir, Fräulein!" er widerte die Alte leise und bittend, „eine solche Undankbarkeit kann ich doch nicht auf meine Seele laden!" „Es war einfache Menschenpflicht, was ich getha», — Jungfer- Willing! — ich fordere das Versprechen von Ihnen, oder — werde nie wieder ein freundliches Wort mit Ihnen reden. Müßte ich nicht vor Scham vergehen, wenn ich wie eine bezahlte Pflegerin mit meinen Diensten prunken und den Dank des Mannes, der ja diese Dienste nicht einmal verlangt, so unweiblich heraussordern würde. --- Noch einmal, wollen Sie mich verrathen, liebe Willing?" „Ach Gott nein, mein bestes Fräulein", schluchzte die Alte, „Sie sind nun einmal ganz anders, wie wir gewöhnlichen Menschen, ein Engel von Güte und Barmherzigkeit. Es wird mir, weiß Gott, recht schwer fallen, aber ich verspreche es Ihnen doch, darüber zu schweigen, daß Sie ihn wie ein Engel gepflegt haben!" „Ich danke Ihnen, liebe Willing!" flüsterte Elisabeth, „dieser gesunde Schlaf wird meine ferneren Dienste entbehrlich machen, da der Doktor jetzt wohl zum klaren Bewußtsein wieder gelangt, — wodurch es mir selbstverständlich zur Unmöglichkeit wird, fernerhin bei ihm zu wachen." Sie drückte der alten Person freundlich die Hand und schlüpfte geräuschvoll hinaus. Jungfer Willing setzte sich in dem Lehnstuhl zurecht, falte die Hände und gab sich ihren eigenen Gedanken hin, die sich im engen Kreislauf um ihren Herrn und um Elisabeth Heinberg drehten. „Wenn ichs ihm nur sagen dürfte", dachte sie, „er müßte ja gar kein Mensch sein, wenn ihm solche Güte und christliche Barmherzigkeit nicht das Herz um und um wendete. Aber nun soll er es nicht ein mal wissen, was ein Engel für ihn gethan, — nein, das ist rein sünd haft!" Jnngfer Willing zermarterte sich ihr Bischen Gehirn, um einen Ausweg aus diesem Irrgarten zu finden und das Verbrechen mit List zu umgehen. So vergingen nun die letzten Stunden der kalten Win ternacht, welche hier im weichen Lehnstuhl und im mild durchwärmten Zimmer schon zu ertragen war, zumal die gute Elisabeth sie sechs volle Slunden hatte schlafen lassen. Von ihren Gedanken gänzlich beherrscht, stand sie auf und ichürte unvorsichtig geräuschvoll das Feuer, wovon der Kranke erwachte und einen leisen Ruf ausstieß. Jungfer Willing war ganz erschrocken und hätte sich selber ohr- feigen mögen, doch trat sic rasch aus Bett und fragte mit zitternder Stimme, ob der Herr Doktor etwas befehle? „Bist Du's Willing?" „Ja, Herr Doktor!" „Bist Du ganz allein?" „Ganz allein, bester Herr!" rief Jungfer Willing, „o, Gott sei Dank, daß Sie einen wieder kennen!" „Was ist denn mit mir geschehen, Alte?" fragte der Doktor unruhig, „seit wann bin ich krank?" „Seit dem heiligen Abend, Herr Doktor! wo der junge Herr Schneiderund — ja, wo er sie halbtodt geschlagen im Schnee gefunden." „Seit dem heiligen Abend, sagst Du? — Und wie lange ist das nun her?" „Fünf Tage schon, Herr Doktor! doch nun sprechen Sie lieber nicht mehr, es könnte Ihnen doch wohl schaden!" „Es ist Nacht, nicht wahr?" „O, es wird bald Morgen sein, die Uhr geht schon auf sieben." „Und Du hast die ganze Nacht allein bei mir gewacht, Willing? Sag' mir die volle Wahrheit, ich bitte Dich darum." „Ja das thäte ich herzlich gern, lieber Herr," antwortete die Alle zögernd und vertegen, „aber — ich kann es wirklich nicht sagen, — ich habe allerdings bei Ihnen gemacht, das war meine Pflicht und Schuldigkeit — und — na fragen Sie nicht mehr, ich darf es wirklich nicht leiden, der Doktor wird schön schelten, wenn er Sie kränker findet!" „Altes, wunderliches Weib!" murmelte der Kranke, „sie verbirgt mir etwas, — aber es war doch kein Traumbild was ich gesehen!" Er sprach jetzt kein Wort mehr, sondern schloß die Augen, um weiter zu träumen, da jedes Nachdenken sein Gehirn in schmerzhaft fiebernde Bewegung versetzte. Und so kam das Morgenlicht, welche die frohe Botschaft von dem wiedergekehrten Bewußtsein des Kranken allen Hausbewohnern brachte, und eine freudige Erregung hervorrief, mehr, als der finstere Doktor eigentlich verdiente, wie Frau Johanna, die sich selber doch so sehr freute, meinte. Elisabeth hatte der wackeren Frau ebenfalls nach hartem Kampfe das Versprechen abgenommen, ke:n Wort von ihrem Opfer zu verlaut baren, und Herr Schneider sowohl als auch Karl fanden dieses ganz in der Ordnung, wie sie auch beschlossen hatten, die heroische Beihilfe des kleinen adeligen Fräuleins ganz zu verschweigen, und dem wun derlichen Dr. Altmann die Last der Dankbarkeit zu erleichtern. Der Arzt fand den Kranken ganz ausgezeichnet in der Besserung, verbot aber streng, mit ihm über die Art und Weise seiner Verwun^ düng zu reden und hatte nichts dagegen, daß er jetzt, wie er selber wünschte, hinauf in seine eigene Wohnung gebracht werde. , Hier schien er sich selber wiederzufinden, obwohl er es ängstlich vermied, mit seiner Leibwache in Berührung zu kommen, und der alten Willing den Befehl ertheilte, das ungeberdige Vieh fern von ihm zu. halten. „Aber Nero und Linda verschmähen schon seit zwei Tagen das. Futter", bemerkte die Alte mit einem bittenden Ausdruck. Ueber das bleiche Gesicht des Kranken zuckte ein Lächeln. „Darf ich sie auf einen Augenblick hereinbringen?" fragte die. Willing weiter.