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Infolge des fortdauernden Regenwetters ist der Rhein bei Mannheim wieder auf 745 Ctm. gestiegen. Das Rheinvorland ist theilweise überschwemmt. Der Neckar ist bei Mannheim bis 812 gestiegen und noch im Steigen begriffen. Fast der ganze obere Theil des Neckarvorlandes ist überschwemmt, die Schifffahrt ist eingestellt. Aus Frankfurt a. M. wird von demselben Tage berichtet: Der Main ist über feine Ufer getreten, die Verbindungsbahn und das diesseitige Quai stehen unter Wasser. Die Nachrichten aus dem Tiroler Ueberschwemmungsgebiet lauten noch immer trostlos. Erst jetzt, nachdem die meisten Wasser abgelaufen, läßt sich die Größe des Unglücks recht übersehen. In manchen Ge genden ist die Thalsohle auf langen Strecken Morast und Wüste. Bergabrutschungen drohen noch, und in einigen Orten des Etfchthales, wo die ausgetretenen Gewässer noch derzeit Tausende von Hektaren Land meterhoch überfluthen, wird, wenn die Entwässerung nicht bald gelingt, Alles zu einem Sumpfe zufammeufrieren. Eine amtliche Kommission, welche jüngst das Posterthal beging, hat erhoben, daß blos zur Regulirung der Drau und Rienz, ohne Berücksichtigung der Seitenbäche, ein Aufwand von vier Millionen nöthig märe. Und welche Unsummen Geldes erfordern die übrigen Schutzbauten im Lande! Woher das Geld nehmen? Manche Thalstriche Tirols werden viel leicht als nimmer bewohnbar verlassen werden müssen. Der gambcttistifche „Voltaire" bringt einen merkwürdigen Artikel, der nichts Geringeres enthält, als daß eine Restauration der Bour bonen in nächster Zeit in Frankreich zu erwarten fei. Früher, so ist der Gedankengang des Artikels, sei Fürst Bismarck entschieden gegen eine Bourbonendynastie gewesen, seit aber das Land sich unter der Republik erholt habe, sei die republikanische Staatsform dem Kanzler verhaßt. Ebenso interessire sich der Kaiser von Oesterreich lebhaft für die Restauration und habe dem Grafen Chambord kürzlich in Gala uniform einen Besuch gemacht. Auch König Humbert von Italien habe nichts dagegen. Seit dem Tage habe sich die Politik des Grafen Chambvrd geändert und er mit aller Macht die Agitation betrieben. Der Kaiser von Oesterreich habe dem Grasen angezeigt, daß er auf die Unterstützung Deutschlands und Oesterreichs rechnen dürfe. Der Vertreter des Grafen Chambord sei Herr v. Blacas, in dessen Händen sich bereits ein Manifest befinde, welches in nächster Zeit zur Veröffent lichung kommen werde. Die Fahnenfrage sei zwischen dem Grafen Chambord nnd dem Herzog von Orleans so geordnet, daß ersterer das Liliendanner als „Königsstandarte" beibehalte, während die Tri colore die Nationalfahne bilden folle. Blacas habe ein Komitee zur Seite, dem St. Viktor präsidire, und in allen größeren Orten seien royalistische Bezirksvereine gebildet worden. So sagt das gambetti- stische Blatt. Ob etwas oder gar nichts Wahres an der Sache ist, muß sich zeigen, sicher ist allerdings, daß in Frankreich sich der roy alistische Geist überall mächtig regt und daß bei einem etwaigen Wechsel in der Leitung des Staates, der wohl sehr bald erfolgen kann, die Monarchie viele Chancen hat. Meldet doch die „K. Z." aus Paris, das Royalistenkomitee lasse augenblicklich 180 000 Umschläge zur Aus sendung des neuen Manifestes des Königs anfertigen. Dagegen klingt das, was der Artikel über die Haltung der auswärtigen Mächte gegen über der Restaurationspolitik sagt, nicht recht glaublich. In Odessa macht seit einigen Tagen die dort erfolgte Verhaf tung von vier Polizeibeamten großes Aufsehen. Es sind dies die Vorsteher von vier Stadtbezirken, die wegen Betrugs, Mißbrauchs der Amtsgewalt und Erpressung angeklagt sind. Neulich ging die Nachricht durch die Zeitungen, daß die sogen. Agrarverbrechen in Irland sich in den letzten Monden wesentlich vermindert hätten. Leider hat die Freude nicht lange gedauert. Schon kurz nachher wurden wieder Morde gemeldet und jetzt ist eine ganze aus sechs Personen bestehende Familie Nachts überfallen und nieder gemetzelt worden. Das Grauenhafte dieses Vorfalles wird noch da durch vermehrt, daß die Ueberfallenen ganz arme Leute waren. Mau vermuthet daher, daß der ermordete Familienvater der Angeber eines anderen Mörders gewesen fei. Glücklicherweise sind die Verbrecher schon am andern Morgen dingfest gemacht worden. Der Anführer wurde sofort abgeurtheilt und gehenkt. London, 24. November. Eine Depesche des „Lloyd" meldet: Zwei zum Dampfer „Winton" gehörige Wallfischfahrerboote, von Rotterdam nach Odessa bestimmt, sind am 17. d. bei Port Aegenton angetroffen. Die Boote scheiterten mit 28 Personen, welche die Be mannung des „Winton" bildeten. Alle ertranken, einen ausgenommen. Baterlän-ischeS. — Die durch die Annahme der Goldwährung herbeigesührte Entwerthung des Silbers hat auch den tief eiuschneidensten Einfluß auf unseren sächsischen Silberbergbau gehabt; nicht nur, daß der Staat große Einbußen hat, sondern auch die Arbeiterbevölkerung des Erzge birges hat schwer darunter zu leiden. Es geht dies überzeugend her vor aus den Worten, welche bei Gelegenheit des Bimetallisten-Kon gresses in Köln am 12. Oktober d. I. Herr Paul Heinicke aus Frei berg äußerte. Er sagte u. a.: „Durch die Einführung der Goldwäh rung haben nicht allein Handel, Industrie und Landwirthschast fchwer gelitten, auch der deutsche Silberbergbau empfindet die hierdurch ent standene Entwerthung des Silbers schwer nnd sind wir deshalb zu dem heute hier stattfindenden internationalen Kongreß von den im Freiberger BergamtSrevier gelegenen Gruben hergesandt worden, um unsere berechtigten Klagen zu Gehör zu bringen. Unser sächsischer Erzbergbau, dem unser Vaterland einen erheblichen Theil seines Wohl standes verdankt, und der ca. 700 Jahre hindurch eine nach vielen Tausenden zählende Bevölkerung gut nährte, geht seit der von Jahr zu Jahr immer größer werdenden Silberentwerthung erheblich zurück und es ist nicht abzusehen, was werden soll, wenn trotz größter Spar samkeit die fort und fort geringer werdende Ausbeute die beim Berg bau betheiligten Kapitalisten immermehr abwendig macht. Der Ver lust, welchen Deutschlands Silberbergban durch Entwerthung des Sil bers erlitten, beziffert sich auf 40 Millionen Mark, hieran partizipiren Mansfeld mit ca. jährlich einer Million, während die im Bergamts- bezirk Freiberg gelegenen Gruben bis jetzt 4 161 000 Mark verloren haben." — Der seit 5 Jahren bestehende Geflügelzüchtcrverein für Nossen und Umgegend hat sich verschiedener Umstände wegen aufgelöst. Man bedauert diesen Schritt allgemein, da durch die Bestrebungen des Vereins die Geflügelzucht hiesiger Gegend einen namhaften Aufschwung genom men, auch die arrangirten Ausstellungen an Quantität und Qualität sich denen größerer Städte zu Seite stellen konnten. Um so erfreulicher ist jetzt zu hören, daß eine Anzahl alter Mitglieder, tüchtige Züchter und Kenner, sich in den nächsten Tagen wieder vereinigen und einen neuen Verein ins Leben rufen wollen. — Von verschiedenen Seiten wird erfreulicherweise berichtet, daß an den Obstbäumen besonders Birnen und Kirschen, trotz des ungün stigen Sommers, doch ein überaus reicher Ansatz von schön ausge bildeten Fruchtknospen zu sehen. Diese Fruchtknospen sind bei ihrer auffallenden Dicke auch für das ungeübte Auge von den spiken Blätter knospen zu unterscheiden und können mit ihrer erfreulichen Aussicht für das nächste Jahr doch wenigstens in etwas einen Trost für die em pfindlichen Entbehrungen an Obst in diesem Jahre gewähren. — Wie verlautet, sind auf dem Lande jetzt mehrfach russische Pferdejuden aufgetaucht, welche neben ihrem Pferdehandel auch mit Thran und Maschinenöl hausiren. Diese anscheinend sehr billigen Ma terialien sind fast gänzlich werthlos und läßt sich deshalb ^nur der Rath ertheilen: Taschen zu! — Gegenüber der noch immer verbreiteten Ansicht, daß Trau ungen in der Adventszeit nicht stattfinden ist daran zu erinnern, daß diese früher bestandene Beschränkung in Wegfall gekommen ist. Die betreffende, für die Kirche geltende geschlossene Zeit beschränkt sich jetzt lediglich auf die ersten Feiertage der drei hohen Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten, die Bußtage und die Charwoche. — Der vor einigen Monaten verstorbene Dresdner Bürger Franz Ludwig Gehe, Begründer und alleiniger Inhaber der Firma Gehe u. Comp., hat den größten Theil seines Vermögens testamentarisch zn gemeinnützigen Zwecken bestimmt. Außer der von ihm beabsichtigten und mit zwei Millionen Mark dotirten „Gehestiftung" Hal derselbe nämlich noch weitere 261,000 M. verschiedenen öffentlichen Instituten, Stiftungen und Vereinen zugewendet. Ungefähr die Hälfte diefcr Summe ist kommunalen Instituten zngedacht, bezw. stadträthlicher Verwaltung unterstellt, darunter 60 000 Mark zur Begründung von Freibetten im Stadtkrankenhanse und 30 000 M. zur Fundirung eines Stipendiums. Im Ganzen vertheile» sich die obgedachten 261 OM M. dergestalt, daß 25 500 M. für kirchliche Zwecke, 118 5M M. für Bildung und Wissenschaft, 78 000 M. für Krankenpflege, 36 000 M. für Wohlthätigkeitszwecke im enger» Sinne und 3000 M. für sonstige gemeinnützige Zwecke bestimmt sind. Seine Mitarbeiter in der Hand lung hat der Verstorbene nach Verhältniß ihrer Dienstzeit und ihres Salairs mit Legaten im Gesammtbetrage von ungefähr 100 000 M. bedacht. — Seit 1874 sind in Sachsen 416 Schulhäuser neu gebaut und 212 reparirt, an- oder umgebaut worden. Hannovers Helden. Von E. Heinrichs. Widerrechtlicher Nachdruck wird strafrechtlich verfolgt. (Fortsetzung.) Einige Kugeln sausten über die Köpfe der noch am Graben ver weilenden Republikaner hinweg, da empfahlen sie sich mit vieler Artig keit und gingen langsam zurück, ohne die geringste Furcht blicken zu lassen. Die Artillerieoffiziere, welche darunten gewesen, salutirten, hierauf die Garnison mit zwei Salven, bei denen sie die Kugeln in einem hohen Bogen über die Stadt wegschossen. In einem Hause dicht am Thore hielt der General von Hammer- stein während dieser kleinen Vorgänge eine rasche Berathung mildem Hauptmann Scharnhorst hinsichtlich der Aufforderung des Generals Moreau. Es verursachte dem edlen Manne eine höchst unangenehme Em pfindung, daß in der Aufforderung nur von der Uebergabe des OrtcS die Rede war, welches die Wahrscheinlichkeit zuließ, daß der Feind einen freien Abzug zu gestatten, nicht abgeneigt wäre. Von der andern Seite war es aber auch keinem Zweifel unter worfen, daß den Emigranten die Capitulation nicht gehalten werden konnte und daß diese der erbitterten Rache in die Hände fielen, wen» nicht das Durchschlagen der Garnison oder ein Entsatz sie rettete. Vierhundert Menschenleben lagen in seiner Hand! Es gehörte in der That die ganze Energie und innere Kraft eines folchen Mannes wie Hammerstein dazu, hier den raschen und festen Entschluß zu fassen, der einer so großen Verantwortlichkeit gegenüber feiner ganz würdig war, ihm wie seiner Garnison einen unvergäng lichen Platz in der Geschichte zu bewahren und dem Namen Hanno vers einen ewig grünenden Zweig des Ruhmes hinzuzusügen. Er reichte dem Hauptmann Scharnhorst jetzt entschlossen die Hand und sprach kurz: „Kommt bis Abend kein Entsatz, dann schlagen wir uns in der nächsten Nacht durch. Der Feind darf unfere Bedrängniß nicht errathen!" Mit fester Hand schrieb er unter die Aufforderung: „Ich kenne meine Pflichten und werde mich nicht ergeben," und sandte das Original zurück. Jetzt war die Brücke abgebrochen, nur ein Ziel lag vor den Tapfer», es hieß: Durch! Der Verlust der Munition und die Gewißheit der verlorenen Schlacht, da kein Entsatz kam, ließen ihm überhaupt keine Wahl mehr — in der nächsten Nacht mußte der Plan ausgeführt werden und Scharnhorst, sein einziger Vertrauter, erhielt den Auftrag, in's Geheim dazu alle vorläufigen Arrangements zu treffen. Um den Feind indessen glauben zu machen, daß man »och eine längere Vertheidigung beabsichtige, so wurde nachdem es finster war, eine Mühle und einige Häuser vor dem Coutraier Thore, in welchen Feinde waren, angegriffen und angezündet. Hammerstein wollte vor dem Forum der Welt und seines Ge- wissens ganz allein die volle Verantwortlichkeit dieses in seiner Art einzigen Schrittes, welchem nichts in der Geschichte zu Seite steht, übernehmen. Zweitausend Mann, durch verlorene Treffen und Schlachten nie dergeschlagen, von Entbehrungen aller Art auf den Tod ermüdet, sollten sich durch ein Armee von 20,000 Mann sieggewohnter Feinde schlagen! Nie konnte ein Commandant mit größerem Rechte capituliren als Hammerstein in dieser Lage. Selbst die Zeit, die ihm bestimmt war, den Ort zu halten, lief schon mit dem 28. April ab. Vergebens wurde ihm von einem der ersteren Stabsoffiziere vor gestellt, daß der Widerstand nur eine unnütze Blutverschwendung sei; daß er dem Interesse des Vaterlands, das ohnehin an dem Kriege keinen Antheil nehme, nicht gemäß handle, wenn er nicht diese brave Leute für dasselbe erhalte; daß das hannoversche Torps, beständig exponirt, schon zum Theil aufgerieben und auf eine höchst undankbare Art behandelt und daß ohne die Annahme der angebotenen ehrenvollen Capitulation auch dieser kleine Theil desselben so gut als verloren fei. Hammerstein schüttelte ernst den Kopf nnd antwortete ruhig: „Ich glaube nicht politische Verhältnisse in Betracht ziehen zu dürfen; wir handeln hier als Soldaten, welche nicht blos die Verpflichtung