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rasch das Zimmer. Sein Herz durfte nicht bewegt und weich werden bei den Leiden oder dem Tode des Einzelnen; hatte er doch für die nächsten Stunden seine ganze Kaltblütigkeit, den vollen Mannesmuth nöthig, um dem tausendfachen Tode fest in's Auge zu schauen. Noch hatte er das Haus nicht verlassen, als Hektor d'Anville den letzten Seufzer aushauchte. Auf der Esplanade, dem großen freien Platze zwischen dem Brügger- und dem Iper-Thore stand die Garnison von Menin in Reih und Glied; über ihr hinweg sausten die Bomben, welche sich von der Seite von Halluin und von Ipern unaufhörlich kreuzten, je doch eine so glückliche Richtung hatten, daß nicht eine auf die Espla nade zwischen die Truppen siel. Der General ging jetzt von einem Bataillon zum anderen, lobte jedes und versprach ihm nur dann die Befreiung von einer slavischen Gefangenschaft, wenn es sich auf sein Bajonett verlassen würde. Die Truppen waren höchst erfreut uud wünschten einander Glück, daß es endlich so weit gekommen, während die 200, welche Zurück bleiben mußten, ganz untröstlich waren; Lümenant Julius Hartmann, den viele Hannoveraner der Gegenwart als greisen General in ihrer Mitte gekannt haben, hatte das Kommando der 30 Kanonen, welche im Orte zurückbleiben mußten. Um halb 2 Uhr traf das Emigranten-Bataillon auf den Feind und nun stürmten die Grenadiere hinaus auf die Halb-Brigade des Generals Vandamme, welche größtentheils niedergestoßcn wurde. Soweit war Alles glücklich ausgeführt, nun aber begannen Miß verständnisse und unglückliche Zufälle aller Art, welche sich im Kampfe niemals vorher berechnen lassen. Reihe und Glied lösten sich, Mann gegen Mann ging es im blutigen Handgemenge, es war ein furchtbarer Vernichtungskampf von Verzweiflung und wildem Hasse geführt. Der greise General, der beständig zwischen der Barriere und der Vorstadt Brügge, wo der entscheidende Punkt und das Gefecht am hitzigsten war, sich befand, sagte düster: „Die Sache geht schlecht, ich will lieber aus der Stelle sterben, als in den Ort zurückgehen!" worauf er das Vorrücken der letzten 3 Grenadier-Kompagnien, welche die Ar- rieregarde bilden sollten, besaht. „Kinder!" redete er sie an, „von Euch hängt alles ab; wenn ihr schießt, so sind wir verloren; wenn wir mit dem Bajonnette in den Feind eindringen, so siegen wir, — und ihr habt dann meine brave Garnison gerettet." Und vorwärts ging es auf den Feind, als ging es zum fröhlichen Tanze, — mit dem ganzen Ungestüm todesmuthiger Tapferkeit. Sie warfen nieder, was sich ihnen in den Weg stellte, doch die Uebermacht war zu gewaltig, bas Häuflein mußte zurückweichen, von allen Seiten eingeschloffen. Ueberall wurde gekämpft, die Subordination mußte unter diesen verzweifelten Umständen ein Ende haben, — die Infan teristen schossen einzeln und theilten einander Patronen mit, die sie noch hatten. „Keinen Pardon annehmen, sich wehren bis auf den letzten Bluts tropfen!" das war die Parole, welche die Tapferen sich wechselseitig gegeben. Und wieder sah man Trupps, welche ihre Offiziere verloren hatten und die von Gemeinen kommandirt wurden, welche den Gehorsam wie Offiziere fanden. Der General hatte seinen Adjutanten nach der Vorstadt Brügge mit den Grenadieren geschickt, um ihm von dem Zustande in jener Gegend Nachricht zu geben, — er kam nicht zurück. Wenn sie verloren? — Welches Gefühl für den Greis! „Ich bedaure," sagte er, „daß die Truppen mit ihrer bewiesenen Tapferkeit nicht glücklicher gewesen sind. Ich verliere wenig dabei — bin 60 Jahre alt — ich habe aber auch nichts dabei gewinnen wollen." Noch einmal raffte er sich auf, es galt zu sterben. Er versam melte Alles um sich, was noch von den Seinen übrig war, ließ die Kanonen folgen und sagte: „Auf nach Moorseele! Tve Kavallerie jagt in Karriere auf den Feind, haut alles nieder, die Infanterie folgt und stößt, was sich ihr widersetzt, zu Boden. — Marsch, marsch!" Nun ging es im Galopp, unter Viktoriarufen vorwärts, die Feinde liefen erschreckt auseinander — und das Häuflein kam durch — es war gerettet! Da sie überall Feinde vermuthen mußten, wurde der Weg nach Rouselaer genommen. Der General schickte einige Cavalleristen hin, um den Ort zu rekognosziren. Welche Freude, als diese Nachricht brachten, daß dort die übrigen drei Bataillone und mehrere Geschütze, selbst eroberte, auf dem Markte anfmarschirt ständen. Welche Feder vermöchte die Gefühle eines solchen Augenblicks zu schildern, sie sind eben unbeschreiblich. Die Freude war grenzenlos, sie wurde nur durch den Tod so manches braven Kameraden getrübt, denn war der Verlust auch nicht so groß, als man anfangs glaubte, so wurden doch Viele vergebens gesucht. Bei dem Emigranten-Bataillon ging besonders die tiefe Rührung über. Hätte der General kapitulirt, so wären sie Alle vielleicht schon diesen Morgen zum Richtplatze geführt worden. — Ihre Thränen dankten dem edlen Helden für die Erhaltung ihres Lebens und noch später nannte er sie nie anders als seine Freunde, welche er gewisser maßen als sein Eigenthum ansah. Und weiter, immer weiter ging es der aüiirten Armee zu. In der Stadt Brügge wurde ihnen vom Magistrat die Aufnahme ver weigert, da sprach Hammerstein ruhig: „Ich bitte nicht um Quartier für meine Leute, ich nehme es, und wehe dem, der sich widersetzt. Sagen Sie dies Ihren Bürgern und fügen Sie hinzu, daß meine Leute sehr ihre Rechnung dabei finden würden, wenn die Stadt sich widersetzte. — Sie werden mich schon verstehen." — Da erhielten sie Quartier, und als der Magistrat dein General nachher ein Geschenk von seinen Weinen aus eine höchst schmeichelhafte Weise übersandte, schlug er dasselbe aus mit den Worten: „Nur durch die gute Behandlung meiner braven Soldaten, welche Hilfe bedürfen, kann die Stadt meine Achtung und Vorsorge erwerben, meiner Person fehlt es an nichts." Bevor wir von unsern tapferen Hannoveranern Abschied nehmen, folge mir der Leser noch einmal nach Menin, um dort noch einen theilnehmenden Blick aus die zurückgebliebenen Freunde zu werfen. Gegen Morgen war das Feuer des Feindes wieder eben so stark als vorher, und als sich bis 9 Uhr kein Entsatz zeigte, und der Feind Miene zum Sturm machte, capitulirte der Coinmandant mit seiner kleinen Besatzung, welche, nachdem sie den Bürgern, die aus den Kellern wieder zum Vorschein kamen, zur Schau durch die Stadt geführt war, nach Lille auf die Zitadelle gebracht wurde. Im Hause des Kaufmanns Laroche spielte bald nach dem Ein züge der Republikaner eine eigenthümUche Szene. Der Sohn des Hauses, welcher als Offizier in der französischen Armee diente, erschien in Begleitung einiger Soldaten urplötzlich vor dem bei seinem Anblick fast zu Tod erschreckten Vater, um ihn zu be grüßen und um die Aufnahnie eines Verwundeten zu bitten. „Jesus Maria! schrie Vater Laroche, die Hände ringend, „mein Haus wird ja ganz zum Lazareth umgewandelt." „Ei, Vater!" bemerkte Henry boshaft, „dies ist ein guter Jako biner, er mag an die Stelle der Aristokratin, welche wir noch heute pflichtscbuldigst auslieferu, treten. Mit diesen Worten wollte er das Haus verlassen, wahrscheinlich um seinen fürchterlichen Entschluß sogleich auszuführen. Mit kräftiger Hand hielt Charles den Bruder zurück. „Halt!" sprach er ruhig, jene Aristokratin, welche Du verderben willst, ist das Weib dieses verwundeten Jakobiners, — Deine Anzeige wird nichts nützen." Henry starrte ihn einen Augenblick an und brach dann i» ein höhnisches Gelächter aus. „Du selber bist der Jakobiner, welcher die stolze Edeldame durch eine solche Comödie erobern will," hohnlachte er, „so kannst Du ihr auf dem Blutgerüst Gesellschaft leisten, weil Du die Republik um ein Opfer betrügen willst." „Lästere nicht, Bruder!" tönte Jeannetten's Stimme Plötzlich da zwischen, „ich weiß jetzt Alles, weiß, daß Du die arme Hortense zum Weibe begehrt und sie bei ihrer Weigerung gegen die Thür geschleu dert hast. Darum willst Du sie jetzt verderben. Aber es nützt Dir nichts, das Document von Leon Ferrand ist in meiner Hand, sie ist die Gattin eines Republikaners. „Schurke! heimtückischer Hund, darum also riethest Du mir brü derlich zu, das Vaterhaus zu verlassen und die Aristokratin zu fliehen," knirschte Charles ihn wild schüttelnd, „was hindert mich daran, Dir eine Kugel durchs Hirn zu jagen, Bube?" „Mein gutes Messer!" murmelte Henry,—blitzschnell eine scharfe Klinge aus der Tasche reißend. Im selben Augenblicke donnerte ein Schuß durch das Haus, Henry bäumte sich empor, und brach dann mit einem Fluch zusammen, die Kugel eines der Soldaten, welche noch immer neben dem Verwundeten mit finsterer Miene Wache hielten, saß ihm mitten in der Brnst. Bevor sich einer nur von dem jähen Schrecken erholen konnte, war Henry eine Leiche. Der Soldat aber stieß ruhig sein Gewehr auf den Boden und sagte: „Der Schuft wollte den Lieutenant durchbohren, er hat das Messer noch in der Hand. Uort äs nm vio! die Kugel that ihm gut, jetzt können wir gehen." Er kommandirte seinen Kameraden ein „Kehrt!" und verließ gleich- müthig mit ihnen das Haus. Vater Laroche war einer Ohnmacht nahe und hatte jetzt nichts mehr gegen die Aufnahme des Verwundeten, welcher kein anderer als Leon Ferrand war. Und Tage, Wochen flogen dahin; Einer nach dem Andern genaß im Hause des Kaufmanns unter der aufopferndsten Pflege, und endlich war das Lazareth aufgehoben. Leon und Hortense, welche sich unter dem Grauen des Todes wiedergefunden, und der ehrliche Lieutenant Braun, das tapfere han noversche Kind, sie alle genasen zum neuen glücklichen Leben. Nicht nach dem blutigen Paris kehrte Leon mit seiner geliebten Hortense zurück; galt er doch in der Armee schon für gestorben. Unter fremden Namen entflohen sie nach der Schweiz, wo sie still ihrem Glücke lebten, fern von den wilden Stürmen, welche so lange noch die Welt erschütterten. Lieutenant Braun aber, welchen die erhaltene Wunde zum Kriegs- dienst fernerhin untüchtig gemacht, segnete noch in späten Jahren den unglücklichen Hektor d'Anville und ganz besonders die feindliche Bombe, welche ihn unter Jeannettens Pflege gebracht. Denn mochte Vater Laroche auch sauer dazu sehen, er mußte wohl einwilligen und sein flandrisches Kind mit dem Deutschen in die nordische Heimat ziehen lassen, — die Beiden hatten sich gar so lieb und paßten trotz der ver schiedenen Temperamente ganz vortrefflich für einander. Und so nehmen wir hiermit Abschied von Menin, Melcher Name in der Geschichte und dem Herzen des hannoverschen Volkes für ewige Zeiten mit Flammenschrift verzeichnet stehen muß. Sie, die Helden von Menin sind Hannovers Spartaner und Ham merstein ist ihr Leonidas! HnuMerlMdlungen vor dem Königl. Schöffengericht zu Wilsdruff, am 8. Dezember a. c. Vorm. 9 Uhr gegen die Handarbeiter Carl Ernst Hase aus Röhrs- dorf und Ernst Heinrich Michael Heinze aus Erlebach, wegen Dieb stahls. Vorm. ^,10 Uhr gegen den Arbeiter Ernst Wilhelm Bendel aus Meißen wegen Diebstahls. Vorm. -/«IO Uhr Privatklage des Schuhmacher Gustav Riegel in Grumbach gegen den Händler Heinrich Flade das. wegen Beleidigung. Vorm. 10 Uhr Privatklage des Haus besitzers Ernst Fieke hier gegen den Händler Heinrich Flade in Grum bach wegen Beleidigung und Körperverletzung. Vorm. 11 Uhr Pri vatklage des Sattlers Johann Eyßer in Groitzsch gegen den Böttcher Gretzschel in Schmiedewalde wegen Beleidigung und Körperverletzung. Kirchelluachlichteu aus Wilsdruff. Morgen Mittwoch früh 9 Uhr Beichte und Communion. Monat November. Getanft: Arthur Albert, Ernst Gustav Schirmers, ans. Bürg, u. Bäckers hier, Sohn; Alfred Oswald, Heinrich Adolf Hennigs, Tagarb. hier, Sohn; Alfred Curt, Carl Ernst Louis Hauptmanns, Maurers u. Brenners in Limbach, Sohn; Emil Edgar Artin, August Emil Junghans's, Stadtgutsbesitzers hier, Sohn; Rudolph Martin, Friedrich Emil Ludewigs, Erbgerichtsbesitzers in Grumbach, Sohn; Auguste Bertha, Friedrich Ernst Traugott Koksch's, ans. Bürg, und Schuhmachers hier, Tochter. Beerdigt: Frau Christiane Wilhelmine, Johann Gottlob Wittig's, ans. Bürg. u. Sattlermeisters hier, Ehefrau, 75 I. 2 M. 10 T. alt; Frau Wilhelmine, Johann Friedrich Adolf Lehmanns, Tagarb. hier, Ehefrau, 49 I. 1 M. 29 T. alt. Ein leichter Rennschlitten mit Plüschdecke ist billig zu verkaufen. Das Nähere beim Sattler B. «Klemm in Wilsdruff. Redacuvn, Druck und Verlag von H. A. Berger in Wilsdruff.