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Kosen im Schnee Novelle von Emilie Heinrichs. ^Nachdruck verboten^ (Fortsetzung.) Droben im ersten Stock schien alles wie ansgestorben zu sein, nur in einem einzigen Zimmer schimmerte ein mattes Licht, die Studirlampe des Doktor Altmann. Letzterer, ein großer, schlanker Mann mit einem bleichen, düstern Antlitz, in welchem nur die Augen von unergründlicher Tiefe und Farbe schön zu nennen waren, saß im Studium seines gelehrten Folianten vertieft vor seinem großen Schreibtisch, der fast die Hälfte des Zim mers einnahm. Die fchmale Hand, welche den feingefchuittenen Kopf stützte, war von durchsichtiger Weiße uud mit einem Brillantring am kleinen Fin ger gefchmückt. Der dunkle Nollbart zeigte hie und da schon weiße Fäden, wie auch das lockige Haar einige feine Silberstreifeu anfzu- weisen hatte. Plötzlich schlug er das Buch zu, erhob sich finster lächelnd, und durchschritt einige Male das geräumige Zimmer, welches an den Wän den rings umher einen förmlichen zoologischen Garten von allen er denklichen ausgestopften Thieren besaß. Als der Doktor seine Wanderung begann, erhob sich aus jedem Winkel wie auf Kommando ein Thier, um ihn auf Schritt uud Tritt zu begleiten. Voran ein mächtiger Neufundländer, dem sich ein schlan kes Windspiel zugesellte, — hinter diesen beiden Koryphäen der Ge sellschaft eiu prächtiger grau getigerter Kater mit einer schönen An gorakatze, — denen ein Äste mit possirlichen Sprüngen solgte. — Diese seltsame Leibwache folgte dem schweigsamen Gebieter auf Schritt und Tritt und blieb stets in der angegebenen Reihenfolge, über welche der Neufundländer mit Eifersucht wachte. — „Weihnacht!" murmelte der Doktor, „o, muß mich dieses Wort denn immer und immer wieder packen und meine Einsamkeit zur Qual mir gestatten? — Warum treibt uns der Cherub mit dem Flammen schwerte aus dem Paradies der Kindheit und läßt uns schließlich nichts als die Verzweiflung? Was ist besser — ein solches nutzloses Dasein oder der Tod? — Was ist Wissen? — Was ist Erkenntniß? — Ein Funken jenes seligen Kinderglaubeus für all den gelehrten Wnst! —" Rastlos setzte der arme reiche Mann seine Wanderung fort und mit ihm die wunderliche Leibgarde. „Ihr Thoren!" wandte er sich an diese, „seid mir treu, weil ich Euch die Dressur gegeben; — was soll mir solche Treue! — die Men- s schen, mit denen ich einen Bund geschlossen, verriethen mich, — und! die Erziehung hatte sie so trefflich dressirt. — Es ist Alles Dressur , in diesem Leben, und nur der ist frei, welcher im vollen Bewußtsein s feiner Freiheit die Bürde von sich wirft. — Ich will frei sein! — Geht in Eure Winkel," befahl er den Thieren, uud gehorsam kehrte die ganze Gesellschaft auf ihre Plätze zurück. Der Doktor nahm ans seinem Schreibtisch ein Dokument und überflog es rasch. Es war sein Testament. Dann legte er ein Päck chen auf den Tisch und klingelte, worauf erst nach einer geraumen Weile die alte Jungfer Willing erschien. „Hier, Alte!" sagte er, mit abgewendetem Gesicht das Päckchen ihr reichend, „Dein Weihnachtsgeschenk. — Ich werde auf eine unbe stimmte Zeit verreisen," setzte er nach einer Weile mit etwas unsicherer Stimme hinzu. „Du wirst hier bleiben, und die Wohnung wie Deine eigene benutzen, — für Dein Alter ist gesorgt. Ich danke Dir für Deine Liebe und Treue, die Du mir von Kindheit an bewiesen hast, — bist die Einzige, die sich bewährt hat, doch ist eine weiße Schwalbe zu wenig, alte Willing, viel zu wenig, da auch Du auf diese Treue; dressirt geworden. Gieb mir die Hand — so, Alte, lebe wohl!" Jungfer Willing hielt seine Hand fest und blickte ihm mit töbt- licher Angst ins düstere Antlitz. „Wohin wollen Sie verreisen, Herr Doktor?" „Das ist meine Sache, Alte!" „Nein, lieber Herr, nicht so ganz allein," sprach die Willing mit fester «stimme, „ich Habs Ihrer seligen Frau Muller auf dem Sterbe bette versprochen, bei Ihnen zu bleiben; und wenn Sie verreisen, geh ich mit." „Du bist toll, Alte!" fuhr sie der Doktor barsch au. „Thut nichts, lieber Herr; — wir Menschen haben alle einen kleinen Sparren, und je gelehrsamer Einer ist, desto größer soll der Sparren sein, hab ich mir sagen lassen. Es ist wahr, die Menschen sind falsch gegen Sie gewesen, — aber im Grunde waren's doch nur einige Falsche, und was will das heißen in der großen und weiten Welt, wo doch so viele Millionen Menschen wohnen. Ein dummes Frauenzimmer, das sich mit Ihnen verlobt hatte, wurde untren und nahm einen andern, ja, lieber Gott, das passirt so unendlich Vielen, die aber doch zu guter letzt den Kopf oben behalten und die dumme Gans verachten. Dann kam ein guter Freund, der Sie betrog und am Ende der eigene Schwager, welcher die Frau, Ihre einzige Schwe ster, ins Elend stieß und Sie um viel Geld bestahl. — Schlimm ist es ja, daß ist wahr, aber Alles schon dagewesen, ohne daß man des halb nöthig hätte, die Menschen zu verachten und sich mit unvernünf tigem Viehzeug zu umgeben. Nun wollen Sie mitten im Winter ver reisen ohne mich, das darf ich nimmer zugeben, was sollte ich der Seligen sagen, wenn der Herrgott mich bald abriefe?" „Dank es Deinem grauen Haar, Alte, — daß ich Dich ruhig an- gehört," versetzte der Doktor achselzuckend, — „geh, Du kennst meinen Willen!" „Geben Sie mir Ihre Pistolen, lieber Herr!" bat die Alte mit zitternder Stimme, „ich bitte im Namen der seligen Frau Mutter darum." Der Doktor stampfte mit dem Fuße und lächelte daun ingrimmig, worauf er einen Kasten aus emem Wandschrank nahm und denselben der allen Willing hinreichte. „Da, Du Närrin! — ich werde so vielen Spektakel nicht machen, — nun laß mich in Ruhe!" Jungfer Willing öffnete vorsichtig den Kasten, sah die Pistolen und verließ zögernd damit das Zimmer. „Verrücktes altes Weib!" murmelte der gelehrte Mann, „nichts als Dressur —" Er setzte sich an seinen Schreibtisch und schrieb eifrig, wohl eine Stunde lang. Dann erhob er sich, öffnete das Fenster und blickte hinaus in die weiße Winterlandschaft. Droben am nächtlichen Him mel funkelten die ewigen Sterne zu dem einsamen Manne herab, der starr und wie geistesabwesend hinaus und hinauf schaute. So todt — so kalt war's auch in seiner Brust, — doch drüben in einem Hause, da blitzt es urplötzlich auf, und dort — dort — ringsum der Helle Lichterglanz des Cyristbaumes, — das heilig — wunderbare Symbol der ewigen erlösenden Liebe. — Ehre sei Gott in der Höhe! — Friede auf Erden! — Und den Menschen eiu Wohlgefallen! Der Doktor wandte sich ab, ein Stöhnen, wie nach Erlösung, ent rang sich seinen Lippen, und wieder wanderte er im Zimmer auf und ab, gefolgt von feiner getreuen Leibwache. „Zurück, dummes Vieb!" donnerte er, und die erschreckten Thiere stoben in alle Winkel. Das schlichte Wort der alten Willing schien doch unmerklich Wurzel gefaßt zu haben. Unten bei Herrn Schneider brach jetzt der Kinderjubel los, und eine unsagbare Wehmuth legte sich wie ein Trauermantel über des Doktors Gemüth. Was ihn früher aus dem Hause getrieben, hielt ihn jetzt fest wie mit einem geheimnißvollen Zauber. Er drückte beide Hände vor die Augen und weinte, — weinte zum ersten Male nach langen Jahren. Damals, als die Mutter ihm gestorben, da hatten diese glühenden Tropfen sein Herz ausgebrannt. „Rufst Du mich zu Dir, Mutter?" flüsterte er, „o, es ist Zeit, — ich komme, ich komme!" (Fortsetzung folgt.) Freundtn einer geistig anregenden nnd unterhaltenden Lektüre ann mit vollem Recht das „Deutsche Montags-Blatt" empfohlen werden. Diese durch und durch originelle literarisch-politische Wochenschrift, welche die hervorragendste« deutschen Schriftsteller zu ihren Mitarbeitern zählt, enthält eine Fülle geistvoll geschriebener Artikel, die ein treues Spiegelbild der politischen, literarischen und künstlerischen Strebungen unserer Tage darstellen. Jede neu auftaucheude Frage, jede neue Erscheinung in Wissenschaft, Politik, Kunst uud Leben findet im „Deutschen Montags Blatt unparteiische und er schöpfende Behandlung, während die gesellschaftlichen Zustände der Gegenwart in elegantester Form interessante Beleuchtung erfahren. Belle tristische Feuilletons und Humoresken sorgen für die Unterhaltung der Lefer. Diefe literarisch-politische Zeitschrift ersten Ranges, welche am zeitungslosen Tage, dem Montag, erscheint, verbindet die Vorzüge einer unterhaltenden nnd anregenden Wochenschrift mit denen einer wvhlinformirten, reich mit Nachrichten aus erster Quelle ausge- statteteu Zeitung, und so entspricht das „Deutsche Montags-Blatt" in seiner Doppel-Natur einem entschiedenen Bedürfnis -eS gebildeten Lesepublikums, wofür die große Verbreitung den besten Beweis liefert. Alle Reichöpostanstalten und Buchhandlungen nehmen Abonnements zum Preise von 2 Mark 50 Pf. Pro Quartal entgegen. Zur Begegnung von Verwechselungen verweise man bei Postbestellungen auf Nr. 1352 der Post-Zeituugs-Preisliste pro 1883. Probe-Nummern versendet Kiuri« und die Expedition des „Deutschen MontagS-Blatt," Berlin 8 Auetivn. Den 27. Dezember, als den 3. 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