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Taqesgeschichte. Bevor die Reichstagsmitglieder in die Weihnachtsferie» gehen konnten, mußten sie noch zwei Tage lang scharfe und lange Reden anhören, denn es stand die Berathung der Denkschrift über die Aus führung des Sozialistengesetzes auf der Tagesordnung. Abg. von Vollmar beschwerte sich über die Härten und Ungesetzlichkeiten in der Ausführung des Sozialistengesetzes, das nichts als eine Verbitterung erreicht und Haß gesäet habe. Das Briefgeheimniß sei seiner Partei gegenüber nicht mehr vorhanden, die Spionage habe einen unerhörten Umfang genommen. Minister v. Puttkamer erklärte es als unrichtig, wenn die Wirksamkeit des Sozialistengesetzes bestritten werde. Die zwölf sozialdemokratischen Abgeordneten verdankten ihren Sitz nicht der Stärke ihrer Partei, sondern der traurigen Uneinigkeit der staats erhaltenden Parteien; dw Zahl der sozialdemokratischen Stimmen bei den Wahlen sei sogar nicht unerheblich zurückgegangen. Die Regie- ruug kenne keine Unterschiede in der Richtung der Sozialdemokratie, für sie seien die Bestrebungen, die durch den Vorredner vertreten würden, eben so staatsgefährdend, wie die eines Most. Nur in der Taktik, nicht in den Zielen liege der Unterschied. Der Minister verlas Citate aus sozialdemokratischen Schriften, die in die Hand der Regie rung gefallen waren, über Ehe, Staat, Christenthum rc., um aus ihnen die Gefährlichkeit der sozialdemokratische» Agitation und Propaganda zu beweisen, welche die in der Denkschrift erwähnten Maßregeln als unabwendbar erscheinen lassen. Der Minister sagte, die Citate seien nicht mehr menschlich, sondern bestialisch und gab unter dem lauten Beifall des Haufes denen, die solche Dinge vertreten, den Rath, Most nach Amerika zu folgen und dem deutschen Vaterlande, dessen Kinder sie nicht mehr seien, den Rücken zu kehren. Der Minister citirte fer ner die Verhandlungen des Wydener Kongresses am 20. August 1882, woran die Abgeordneten Kayser, v. Vollmar und Grillenberger sich betheiliglen, Letzterer sogar den nahen Tag der Revolution feierte. Das klinge anders, als die parlamentarischen Reden, zeige aber das wahre Gesicht der sozialdemokratischen Bestrebungen. Der sächsische Minister v. Nostitz-Wallwitz rechtfertigte die Verhängung, bezw. Ver längerung des kleinen Belagerungszustandes über Leipzig. Ueber die Sozialistendebatte im Reichstage sagt die fezessioni- stische „Tribüne": „Die gestrige Diskussion im Reichstage gehört zu den unerquicklichsten, die jemals stattgefunden haben. Es lebt in den deutschen Volksvertretungen ein Maß von Geduld, wie es in anderen Ländern unerhört ist. Weder die Rede des Herrn v. Vollmar, noch die des Herrn Grillenberger hätte man in einem andern Parlamente zu Ende gehört. Wir denken dabei weniger an die Disziplinargewalt des Präsidenten als an jene Zornesausbrüche, die in Paris oder Rom die Stimme eines Redners regelmäßig ersticken, welcher die Gefühle der Verfammlung verletzt. Es giebt in der That nichts Widersinni geres, als daß man in einem Parlamente und in den Formen einer parlamentarischen Diskussion erörtert, ob und wann und unter welchen Voraussetzungen eine revolutionäre Erhebung im Lande angebracht ist, eine Erhebung, die sich nicht allein gegen die herrschende Staatsgewalt sondern gegen die ganze bestehende Gesellschaftsordnung richtet. Es ist doch in der Thar eine die Grenzen der Toleranz übersteigende Zu- muthung, daß eine ernsthafte Versammlung einen Redner anhört, der gar kein Geheimniß daraus macht, daß er nur spreche, um sich einst weilen die Zeit zu vertreiben, bis draußen die Ereignisse Hereinbrechen, von denen er das Heil erhofft. Leider blieb die Rede der Sozialde mokraten nicht die thörichtste des Tages; den Preis gewann Herr Dr. Wendt (Fortschritspartei) aus Hamburg, der diesen Anlaß für fehr geeignet hielt, sich als Republikaner zu bekennen. Im ganzen Hause schien Niemand Neigung zu haben, sich mit Herrn Dr. Wendt über die Frage, ob Republik, ob Monarchie, auseinanderzusetzen." Der Konflikt in der Berliner Fortschrittspartei scheint in der That über kurz oder lang zu einem vollständigen Bruch sühreu zu sollen. An den Fraktionssitzungen der Fortschrittspartei im Reichstag nehmen, wie man hört, die Anhänger Hänels, an denjenigen des Abgeordneten hauses diejenigen Richters nach den neuerlichen Vorkommnissen nicht mehr theil. Auf die Dauer ist ein solcher Zustand unhaltbar. Berlin wird bis Abschluß dieses Jahres die volle Abrundung des zweiten Hunderttausend über die erste Million seiner Einwohner zahl nicht ganz erreichen. Mit dem Wochenschlnß vom 19. November d. I. war seine Einwohnerzahl erst bis zu 1 187 950 Personen an gewachsen. Der Zuzug in der bezeichneten Woche hatte wiederum 2252, der Verzug nur 1548, der Ueberschuß und Zuwachs seiner Be völkerung also 694 Personen betragen. Die „Kölner Zeitung" brachte in den letzten Tagen einen Artikel, in welchem, wie behauptet wird, sichere Mittheilungen über den Cha rakter und die Entstehung des so viel besprochenen deutsch-öster reichischen Bündnisses gemacht werden. Der Artikel lautet in seinem wesentlichen Theile wie folgt: „Das wichtigste Ereigniß der letzten Jahre, welches seit seinem Eintreten die ganze politische Lage Europas beherrscht hat, ist das 1879 zwischen dem deutschen Reich und Oesterreich-Ungarn abgeschlossene Bündniß. Wir haben stets behauptet, daß es sich dabei nicht um ein bloßes Protokoll handelt, welches von den Ministern, Bismarck auf der einen Seite, Hahmerle und Andrassy auf der andern, unterzeichnet sei, sondern daß das Bünd- niß in aller Form abgeschlossen sei und die Unterschrift der Kaiser Wilhelm und Franz Josef erlangt habe. Und zwar wurde uns der 15. Oktober 1879 als der Tag angegeben, an welchem dieses Bündniß vollzogen wurde. Neuesterdings ist der förmliche Abschluß eines Bünd nisses durch Mittheilungen, die für offiziös gelten, bestätigt worden und da weder in Wien noch Berlin die Thatsache in Abrede gestellt wurde, dürfen wir sie als beglaubigt ansehen. Wir sind heute in der Lage, eine verbürgte Mittheilung zu machen, wodurch es bestätigt wird, daß es sich um ein in aller Form abgeschlossenes Bündniß han delt. Wir erfahren nämlich, daß das Bündniß zwischen dem deutschen Reich und Oesterreich-Ungarn auf eine bestimmte Frist, nämlich auf fünf Jahre abgeschlossen ist. Es dauert also bis zum 15. Oktober 1884; aber es hat sich bisher so bewährt und verspricht auch künftig eine so große Friedensbürgschaft für beide Reiche zu bleiben, daß man wohl auf dessen Verlängerung rechnen kann. Es ist ein Vertheidig- ungsbündniß, als dessen wesentlicher Inhalt angegeben wird, daß, wenn eins derselben von zwei Seiten zugleich angegriffen würde, das andre Reich zur Hilfeleistung verpflichtet sei, daß ist gewiß der mächtigste Damm, welcher allen möglichen französisch-russischen Zettelungen gegen über aufgeworfen werden kann. Ein solches Bündniß zwischen Ost und West hat um so weniger Aussicht, wenn das Gegenbündniß im Voraus gesichert ist. Uebrigens wird durch das Bündniß keineswegs ausgeschlossen, daß ein Staat dem Andern Hilfe leiste, wenn er auch nur von einer Seite angegriffen werden follte. Das hängt von den Umständen ab. Ueber den Abfchluß diefes wichtigen Bündnisses erfährt man nachträglich noch einige nähere Umstände. Man weiß, wie große Mühe es gekostet hat, den Kaiser Wilhelm zur Unterzeichnung zu be wegen. Fürst Bismarck hatte die Verabredung in Wien mit den öster reichischen Staatsmännern und in Gegenwart des Kaisers Franz Ivies getroffen, konnte aber nicht im Voraus bestimmen, ob es ihm gelingen werde, die Zustimmung seines kaiserlichen Herrn zu erlangend Doch setzte er sein Reichskanzlerantt au diese Angelegenheit. Man erinnert sich, daß Graf Otto v. Stolberg-Wernigerode nach Baden-Baden »eiste, wo sich damals die kaiserlichen Herrschaften aushielten, um die Geneh migung des Kaisers zu erwirken. Es wird versichert, daß damals Fürst Bismarck zur Hilfe des Grafen täglich an den Kaiser geschrieben und jedem seiner Briefe eine kleine Denkschrift beigelegt habe. Diese Bis- marckschen Promemorien von 1879 werden als kleine Meisterstücke ge priesen. Kaiser Wilhelm kam es sehr schwer an, einen Vertrag zu unterzeichnen, der zwar nur ein Vertheidigungsbündniß sein soll, aber doch möglicherweise gegen Rußland zur Ausführung kommen könnte, mährend er stets ein inniges Verhältniß zu Rußland und seinem theu- ren Freunde Alexander II. als Grundlage seiner Politik betrachtete. Er machte bei der Ertheilung seiner Unterschrift die Bedingung, daß nach Petersburg Mittheilung über den Vertrag zugleich mit der Be tonung des ausschließlichZfriedtichen Zweckes desselben gemacht würde." Die „Nordd. Allg. Zig." schreibt: „In Bestätigung mehrfacher ähnlicher Nachrichten aus jüngster Zeit bringt eine Wiener Korrespon denz des „Deutschen Tageblattes" die Mittheilung, daß die Franzosen ihre Abneigung, Produkte deutscher Industrie zu beziehen, gegenwärtig wo immer möglich, bethätigen; aus diesem Beweggrund würden neuer dings keine französischen Bestellungen mehr in deutschen Fabriken, trotz der unübertroffenen Leistungsfähigkeit derselben, gemacht, sondern alle derartigen Aufträge ergingen lediglich an österreichische Fabrikanten. Wir glanben allerdings behaupten zu dürfen, daß deutsche Konsumenten bei der Entscheidung über die Güte von Waaren und über die geeig netste Bezugsquelle derselben zu sehr an der Gewohnheit vernünftiger Ueberlegnng festhaltcn, um sich hierbei durch solche Politische Rücksichten wie die Franzosen beeinflussen zu lassen. Aber die deutsche Politik pflegt nicht solche Erscheinungen, wie die in Rede stehenden, ruhig hinzunehmen. Wir hören, daß in Anbetracht der erwähnten von meh reren Seiten gemeldeten Vorgänge die Absicht besteht, Frankreich ge genüber nicht bei der gegenwärtigen enthaltsamen Zollskala zu ver bleiben. Insbesondere würden moussirende Weine und die sogenannten artiol 8 ckö Ouris einem höheren Zollsätze unterzogen werden. Die Königin vonJtalien hat 200 Anzüge für die armen Ueber- schwemmten anfertigen lassen und beschäftigt in ihrer Villa zu Monza, wo sie jetzt weilt, viele Näherinnen zu ähnlichem Zweck. Eine Auf forderung der Königin an vornehme Damen Mailands, ihr zu helfen, hat guten Erfolg gehabt. Ueberall sieht inan die vornehmen Damen, das Beispiel der Königin befolgend, beschäftigt mit der Schecre und eifrig bemüht, aus abgelegten Ueberröcken oder einem Plaid warme Kleider für die armen Kinder in den überschwemmten Provinzen her zustellen. In der City, dem Londoner Geschäftsviertel, hat eine Feuersbrunst Waaren im Werthe von 40 Millionen Mark verzehrt. (E i n g e s a n d t.) Man muß heutzutage über die Zuversichtlichkeit staunen, mit der Gelehrte das gerade Gegentheil von dem behaupten, was die heiligste, älteste Urkunde der Menschheit, die Bibel, über den Anfang des Menschengeschlechts aussagt. Und worauf gründen sich diese zuversicht lichen Behauptungen? Angeblich auf ganz neue Forschungen und Entdeckungen. Welche sind die? Wir wünschen zu wissen, mit welchem Recht man in unserem Jahrhundert einen religiösen Glauben, dessen Alter nach Jahrtausenden zählt, umzustürzen wagt. Nun man höre! Es sollen neuerdings wilde Völkerschaften beobachtet worden sein, welche absolut keine Religion besitzen, weder religiöse Begriffe, noch Ueberlieferungew, noch Gebräuche. Daraus schließt man also, die Menschen hätten im Anfang alle insgesammt keine Religion gehabt. Welch eine Schlußfolgerung! Kann man die noch wissenschaftlich nennen? Wenn von 7 Söhnen eines gottesfürchtigen Vaters einer alle Religion verliert, kann und darf man daraus den Schluß ziehen, daß alle 7 Söhne ohne Religion auferzogen worden seien? Aber ganz abgesehen davon, ist's überhaupt wahr, daß es völlig religions lose Wilde giebt? Es hatten wohl manche Reisende diese Behauptung aufgestellt, weil sie bei ihrem flüchtigen Besuch nichts von Religion an den Betreffenden bemerkt hatten. Aber sie hatten viel zu kurz bei ihnen verweilt, ihre Sprache fast gar nicht verstanden und ihre Sitten und Gebräuche noch gar nicht eigentlich studirt. Als dann später die für religionslos gehaltenen Wilden eingehender kennen ge lernt wurden, da fand sichs nun freilich, daß man sie viel zu ober flächlich beurtheilt hatte, und daß allerdings religiöse Sitten und Ge wohnheiten unter ihnen herrschten, und oft tiefere, als man für mög lich gehalten hätte. Nur einige Belege dafür. Von den eingeborenen Stämmen Neuhollands hatte man behauptet, sie hätten gar keine Re ligion. Bei genauerem Studium fand sichs jedoch, daß die Dueens- landbewohner einen bösen Schlangengeist, Budyah genannt, und die Bewohner von Neusüdwales einen Schöpfergott, Bhaiami, anbeten. Von mehreren Völkerschaften Centralafrikas hatte der Afrikareisende Sir Samuel Baker behauptet, sie seien völlige Atheisten. Spätere Afrikareisende, wie G. Schweinfurth, Ernst Marno und Andere thaten jedoch dar, daß Baker nur oberflächliche Beobachtungen gemacht habe. Denn die als völlig religionslos hingestellten Stämme haben ebenso gut religiöse Begriffe und Gebräuche, als zum Beispiel Verehrung eines bösen Geistes Nyeledit, Zauberei und dergleichen, wie andre Negerstämme. So hat der Brasilien-Reisende Prinz Max von Wied auch bei den rohesten Volksstämmen einen gewissen Glauben an über sinnliche Mächte vorgefunden, und so viel man bis jetzt Jndianer- stämme studirt hat, bei jedem noch hat man den Glauben an einen Donner- oder Regengott, sowie gewisse Spuren von Unsterblichkeits- Hoffnung entdeckt. Also auch dieser Versuch, die Autorität uud Glaub würdigkeit der Bibel an der Hand der vergleichenden Religionswissen schaft zu Fall zu bringen, ist als ein völlig verunglückter anzusehen. Kirchcuunchrichteu aus Wilsdruff. Nächste Mittwoch früh 9 Uhr Beichte und CommUnion. bedeutend wirksamer als Theerseife, vernichtet sie unbedingt alle Arten Hautunreinigkeiten und erzeugt in kürzester Frist eine blenden- weiße Haut. Vorräthig L Stück 50 Pf. bei Herrn Apotheker L.-sulmsr' in Wilsdruff.