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glücklich, daß ihr ein freundlicher Zufall die kleine Freundin ins Haus geführt. Vor einem Jahre war ein Jugendfreund des Vaters zum Besuch gekommen. Er wollte mit seiner Familie nach Amerika und nur einige Tage im Schlosse des Barons rasten, ehe er die Reise über den Ocean antrat. Den schlichten, ehrlichen Gutsbesitzer trieb die Sucht nach größerer politischer Freiheit ins Ausland. Besonders war die Mili- tärwirthschaft dem eifrigen Demokraten ein Greuel, seine vier Söhne sollten nicht erst in dieses Joch eingespanm werden, und deshalb ging er nach Amerika. Hermann Winter, so hieß der Mann, hatte noch ein junges Mäd chen mitgebracht, seine Pflegetochter Hertha. Es war ein zartes, lieb liches Geschöpf, mit den einschmeichelndsten Manieren, und Baron Henneberg besonders faßte für die Pflegetochter des Freundes eine ganz besondere Zuneigung. Schon bei ihrem ersten Anblick hatte er eine seltsame Ueberraschung kaum verbergen können, und als er von dem Jugendfreunde erfuhr, daß Hertha nur sein Pflegekind sei, reifte sogleich in ihm der Entschluß, das junge Mädchen nicht den Gefahren einer Seereise und den dortigen, unsicheren Verhältnissen auszusetzen, sondern Hertha bei sich zn behalten. Der alte Winter ließ sich endlich überreden, dem Freunde das Mädchen zu überlassen, mußte er doch gewahren, wie sehr sich Hertha in wenigen Tagen im Schlosse eingelebt hatte und hier heimisch gewor den war. Er konnte ihr drüben in Amerika ein solch angenehmes Dasein nicht bieten, denn es erwartete sie dort ein mühsames und entbehrungsreiches Farmerleben, und so entschloß er sich, wenn auch schweren Herzens, sich von seinen Pflegetöchterchen zu trennen, das ohnehin durch seine Zartheit Verhältnissen nicht gewachsen war, denen sie entgegengingen. Ueber die persönlichen Verhältnisse Herthas erfuhr der Baron von dem Freunde nur soviel, daß die Kleine eigentlich Hortense heiße, er aber den französischen Namen in den deutschen Hertha umgewandelt habe. Vor sechszehn Jahren habe er mit seiner Frau eine Spazierfahrt gemacht. Auf der Landstraße sei ihnen eine ärmlich gekleidete Frau begegnet, mit einem Kinde auf dem Arme, sie habe sich vor Erschöpfung kaum noch fortzuschleppen vermocht, und die Einladung Winters auf dem Wagen Platz zu nehmen, gern angenommen. Er habe sie in sein Haus gebracht, sie sei am andern Tage schwer erkrankt und habe eine Woche ohne Besinnung gelegen. Seiner Frau sei kurz vorher ein Mädchen gestorben, sie habe das Kind der Fremden lieb gewonnen, und als diese, kaum genesen, wieder weiter wandern gewollt, ihr den Vorschlag gemacht, die Kleine vorläufig zurückzulassen. Nach schweren Kämpfen und unter heißen Thränen habe die Fremde endlich darein gewilligt, aber ihren Namen nicht nennen mögen, sondern nur gesagt, daß sie bald wieder kommen und sich ihr Kind holen werde. Sie sei nicht gekommen, wohl aber habe sie später Geld für die Erziehung geschickt, das man der Kleinen aufbewahrt habe. „Nicht war, das ist eine seltsame Geschichte?" hatte Winter hin zugefügt, „aber mehr weiß ich nicht. Ich halt' dafür, die Mutter Herthas war eine Französin. Beschwören möcht' ichs freilich auch nicht. So viel ist gewiß, sie muß damals recht arm und unglücklich gewesen sein und allem Anscheine nach hatte sie bessere Tage gesehen." Der Baron mochte immer fragen und forschen, aus dem Jugend freunde war gar nichts weiter herauszubringen. Entweder wußte er wirklich nichts mehr über die persönlichen Verhältnisse Herthas, oder er mochte sie nicht verrathen. Jetzt lebte Hertha schon seit einem Jahre auf Schloß Henneberg und sie hatte hier die angenehmste Heimath gefunden. Sie schien völlig zur Familie zu gehören, und besonders der Baron schenkte ihr eine wahrhaft väterliche Zuneigung. Auch Agathe hatte die Kleine außerordentlich lieb gewonnen, weil sie so schutzbedürftig war, und trotzdem sie noch einige Monate mehr zählte, als die junge Baronesse, sich dennoch an diese wie an die ältere erfahrene Freundin, vertrauensvoll anlehnte. Auch die große Vorliebe des Vaters für Hertha erregte nicht Agathens Eifersucht, dazu war sie doch zu stolz, um der Kleinen dies Glück und diesen Sonnenschein zu mißgönnen, dessen das zarte, liebliche Geschöpf ohnehin so sehr bedurfte. Hertha wurde auch wirklich von Allen ein wenig verhätschelt. Selbst die Söhne des Barons zeigten sich weniger unbändig und wild, wenn die Kleine mit ihnen spielte. Sie hatte eine Art und Weise, sich in die Herzen der Menschen zu schmeicheln, der Niemand wider stehen konnte, und dennoch lag in dem Wesen Herthas nichts Kriechendes und Demüthigendes. Eine glückliche Heiterkeit lachte aus ihren blauen Augen, ein sonniges Lächeln ruhte gern auf diesem feinen, lieblichen Antlitz, das noch so viel Kindliches hatte und in Gegenwart der ern sten Freundin einen noch jugendlicheren, förmlich unreifen Ausdruck erhielt. „Ich kann Dir gar nicht sagen, wie neugierig ich auf Deinen Bräutigam bin. Ob er wirklich so schwermüthig ist, wie auf seiner Photographie?" begann jetzt Hertha von Neuem, und blickte dabei mit ihren blauen Kinderaugen fragend auf die Freundin. „Eugen war immer ernst, so lange ich ihn gekannt habe," ent gegnete Agathe. „Dann paßt Ihr für einander, denn ich glaube, Du könntest einen lustigen, übermüthigen Mann gar nicht lieb gewinnen. Und nicht wahr, Du liebst doch Deinen Bräutigam recht sehr?" Agathe blickte die Kleine verwundert an. „Was Dn für wunder liche Fragen stellst! Eugen und ich sind schon seit vielen Jahren für einander bestimmt worden. Papa sieht es sehr gern, daß ich Vetter Eugen heirathe, und warum sollte ich ihm nicht diesen Wunsch erfül len?" Das junge Mädchen sagte das so kühl und nüchtern, als ob niemals ihr Herz gesprochen habe und auch nicht sprechen würde. „Aber Du, Agathe, was empfindest Du gegen Deinen Bräntigam?" fragte Hertha von Neuem und tchaute unruhig in das kühle Antlitz der jungen Baroneß. Diese lächelte über die seltsame Erregung der Freundin. „Eugen ist ein höchst ehrenhafter Charakter, ich schätze ihn sehr," entgegnete sie gleichmüthig. Die Kleine war mit dieser Antwort noch nicht zufrieden. „Nicht wahr, Du liebst ihn tief und innig? Denn sonnst giebt es ja in der Ehe kein wahres Glück." Jetzt mußte Agathe doch laut auflachen. „Ach, da sieht man die eifrige Romanleserin! Glaubst Du denn wirklich, daß man sich nur heirathet, wenn man sich unsagbar liebt? Die besten Ehen werden bekanntlich ohne alle Liebe geschlossen." Sie nahm dabei eine so über legene Miene an und sprach mit jener Sicherheit, die ihr eigen war, und die weit über ihre Jahre hinausging. „Nein, nein, sage das nicht," eiferte die Kleine, und ihr frisches, blühendes Antlitz röthete sich noch mehr. „Wie sollten zwei Herzen ein echtes, volles Glück finden, die Nichts fü einander fühlen!? Nur wo die wahre, innige Liebe wurzelt, giebt es in der Ehe ein unver" gängliches, ungetrübtes Glück." (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Ein verderblicher Blitzschlag. In dem braunschweigischen Orte Sottmar fchlug der Blitz in das Haus des Gemeindedieners und tödtete dessen 35 Jahre alte Ehefrau und vier Kinder. Un endlich rührend ist, wie das „Brauuschw. Tgbl." berichtet, die Situ ation, in welcher das Schicksal sie ereilte. Fünf Kinder, im Alter von 12, 10, 6, 5 und 2 Jahren, hatten sich um die Mutter geschaart, als der Donner so furchtbar an zu rollen fing. Diese saß auf dem Sopha und las laut den ängstlichen Kindern Gesangbuchverse vor. Das eine, ein zehnjähriges zierliches Mädchen, kniete auf einer Fuß bank an der Mutter und barg ängstlich das Gesicht im Schooße der selben, die anderen vier hatten sich auf dem Sopha um sie gedrängt; das kleinste lag etwa drei Schritte davon in der Wiege, da es erst 9 Wochen alt. Da fuhr der Blitz in's Zimmer, an der Wand hin unter, an welcher das Sopha stand, und die Mutter und die vier im Sopha hockenden Kinder sanken sofort leblos zusammen, alle mit Brand wunden am Kopfe und am Körper bedeckt. Das vor der Mutter knieende kleine Mädchen wurde betäubt zurückgeworfen und anscheinend leblos, als Hülfe kam, aus dem Hause getragen, kam aber nach einiger Zeit wieder zu sich und zeigt nur einige kleine Brandverletzungen an den Beinen; das Kleinste in der Wiege ist gänzlich unversehrt geblieben. Es bleiben dem unglücklichen Vater, der sammt seiner Frau und Kin dern im Dorfe wohl gelitten ist und sehr fleißig sein soll, noch vier Kinder übrig. * Eine intensive Hitzwoge strich in der vergangenen Woche über die Vereinigten Staaten und ließ in manchen Gegenden das Thermometer bis auf nahezu 100 Grad Fahrenheit steigen. In der Stadt New-Jork allein unterlagen in voriger Woche 672 Kinder der Hitze. Auch verursachte dieselbe im ganzen Lande viele Fälle von Sonnenstich; es starben daran sechs Personen in New-Jork, drei in Brooklyn, fünf in Philadelphia und zwei in Jersey City. Während man dem Verschmachten nahe war, kam eine kalte Woge von Nord westen, die ein Feuer im Kamin wünschenswerth machte und in Chicago die Ueberzieher in Gebrauch brachte. Am Sonntag trat endlich reich licher Regen ein, wodurch die Witterung wieder einen normalen Stand erreichte. * Einen entsetzlichen Tod fand dieser Tage früh in Pan kow die kaum 20 Jahre alte und erst seit Kurzem vermählte Frau I., die Tochter eines dortigen bekannten Börsenbesuchers, durch Ver brennung. Das leichte Morgenkleid der jungen Frau soll an der Flamme der Kaffeemaschine Feuer gefangen haben, das sich mit furcht barer Geschwindigkeit über den ganzen Körper verbreitete. Die arme Fran erlitt hierbei so schwere Brandwunden, daß sie, trotz der eiligst herbeigeholten ärztlichen Hülfe, nach wenigen Stunden unter den qual vollsten Schmerzen verstarb. Ein ähnlicher Fall ereignete sich vor zwei Jahren in Friedrichshagen; auch hier war es eine junge, blü hende Frau, welche einen so entsetzlichen Tod erlitt. * DreiUnglücksfälle auf einmal. Ueber einen sehr kompli- zirten Unglücksfall, welcher sich in Vierlanden zugetragen haben soll und etwas an die Schicksalstragödien erinnert, erfahren die „Harburger Anz." Folgendes: Am 9. Juli Morgen stand bei dem sogenannten Sande in Vierlanden ein Bauer auf dem Deich, um Enten auf der Elbe zu schießen, er traf jedoch unglücklicherweise anstatt der Enten einen in einem Kahne sitzenden Knaben, welcher sogleich verstarb. Aus Verzweiflung über seine That stürzte sich der Mann in die Elbe, um seinem Leben durch Ertrinken ein Ende zu machen. Ein hinzu eilender Bauer sprang, als er den Ertrinkenden sah, sofort ins Wasser, um ihn zu retten, er mußte jedoch, ohne seinen unglücklichen Lands mann den Wellen entreißen zu können, seine hochherzige That mit seinem Leben büßen, so daß in einem kurzen Zeitraum drei Personen ihren Tod fanden. * Vergiftung von Fasanen und Rebhühnern. Der Haß des Pöbels gegen die englischen Gutsherren äußert sich nach irischem Vorbilde jetzt auch in England in gemeinen Bubenstreichen. So wurden kürzlich auf einem Gute in Cheshire dem Besitzer seine Fasanen und Rebhühner vergiftet. Der Hüter derselben ließ das für dieselben be stimmte Futter eine Zeit lang stehen, als er zurück kam und es ver theilte, starben gleich darauf 174 Fasanen nnd 40 Rebhühner. Eine Untersuchung ergab, daß man Strychnin unter das Futter gemischt hatte. * Eine Stadl in Konkurs. Einen eigenthümlichen Kontrast zu dem bei der Unzahl von Festen in der Schweiz gefeierten schwei zerischen Patriotismus und dem „Einer für Alle" und „Alle für Einen" bildet der Todeskampf der Stadt Winterthur, deren Behörden öffent lich erklären, daß sie zum ersten Mal außer Stand seien, die mit 1. Juli fälligen Gehalte ihrer Angestellten und Lehrer auszubezahlen. „Diese tiefste Beschämung," schreibt der Stadtrath, „sei ausschließlich der unverantwortlichen Handlungsweise der Aargauischen Brüder zu verdanken." Der Konkurs der Stadt scheint in wenigen Tagen be vorzustehen. * Von einem Unikum, welches nicht nur den Landwirth und Jagd freund, sondern auch jeden Anderen interessiren dürfte, berichten die „Zitt. Nach." Ein Brutapparat, welcher dem Inspektor des Staats gutes in Bräunsdvrf, Herrn K. Lorenz, gehört, ist seit ca. 3 Wochen wieder in Thüligkeit. Aber nicht junge Haushühner erblicken diesmal durch ihn das Licht der Welt, das wäre zu gewöhnlich, nein — Reb hühner sind es, welche die Schalen durchbrechen und sich aus der dunkeln Hülle zwängen. Wit welcher Possirlichkeit sich diese Thierchen, 24 an der Zahl, sich in der warmen Julisonne tummeln und mit wel cher Behendigkeit sie bei Annäherung menschlicher Wesen sich unter das schützende Dach der künstlichen Henne zurückziehen, ist wirklich in teressant zu beobachten. Wer da sagen wollte: Alles schon da gewesen, dem würde beim Anblick dieser munteren Thierchen das Wort im Munde stecken bleiben. Ob es gelingt, diese Vögel im geschlossenen Raume nnd ohne Eltern groß zu ziehen, kann erst die Zeit lehren. M Theerschwefel - Seife srs bedeutend wirksamer als Theerseifc, vernichtet sie unbedingt alle Arten Hautunreinigkeiten und erzeugt in kürzerer Frisk eine reine, blendendweiße Haut. Vorräthig L Stück 50 Pf. bei Herrn Apotheker in Wilsdruff. Neue Magdeburger mehlreiche Speise- Kartoffeln empfiehlt billigst Beyer im goldnen Löwen.