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Wochenblatt . für für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruss. Dreiundvicrzigfter Jahrgang. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag. AbonnemenißpreiS vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bi« Mittag 12 Ukr. Erscheint wöchentlich 2 Mol Lienstag und Freitag. Abonnemcutspreis i erteljährlich 1 Marl. Eine einzelne Nummer kostet 10 Ps. Inseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Nr. 38. Freitags den 20. Juli 1883. Die diesjährigen Obsterträge der fiskalischen ^tlleen auf der Meißen-Wilsdruffer Chaussee, Abtheilung 2 und .^Kesselsdorf-Nossener Chaussee, Abtheilung 1,2 und 3 sollen Mittwoch, den 23. Juli d. I., von Vormittags 11 Uhr an, III» »HIHI - " III gegen sofortige baare Bezahlung und unter den sonstigen vor Beginn des Termins bekannt zu machenden Bedingungen an Meist bietende verpachtet werden. Meißen, am 11. Juli 1883. Die Königl. Chaussee-Inspektion. Die Königl. Bauverwalterei. Neuhaus. Diesel. Interessantes ans Luthers Lebe«. IV. Die Lateinschule in Magdeburg hat Luther nur ein Jahr lang besucht, dann brachte ihn sein Bater nach Eisenach, wo ein Verwandter, Namens Konrad, Küster an der Nikolaikirche war. Seinen Lebens unterhalt mußte sich freilich Luther größtentheils selbst verdienen, denn im Elternhaus gings bei der großen Kinderfchaar knapp her und die Eisenacher Verwandten hatten auch nicht viel übrig. Der Verdienst bestand damals nicht in Feld, sondern in Nahrungsmitteln, Parteken (Brotbemmen) genannt, welche die armen Lateinschüler beim Brotreigen das heißt bei Singumgängen, namentlich zu kirchlichen Festzeiten vor den Häusern einsammelten. Luther erzählt später selbst: „Ich bin auch ein solcher Partekenhengst gewest, sonderlich zu Eisenach, in meiner lieben Stadt." Als die schwarzmäntelige Knabenschaar einst zu Weih nachten vor einem einzeln stehenden Bauernhof ein vierstimmiges Lied von der Geburt des Christkindleins in Bethlehem abgesungen hatte, trat der Bauer heraus und rief niit rauher Stimme? ' Wo seid Ihr, Ihr Buben? Er hatte zwei Bratwürste für sie in der Hand, sie aber liefen vor Schreck und Angst davon, bis er ihnen nachlief und sie die Würste abholcn hieß. So verschüchtert waren damals die Schüler durch die Schrecken der strengen Schulzucht. Luther bekam's übrigens bald etwas besser. Ursula Cotta, die Frau eines reichen Eisenacher Bürgers, Namens Kunz oder Konrad, freute sich so herzlich an der frommen Andacht, mit welcher der Knabe Luther seine Choräle her- sang, daß sie ihn Mittags mit am Familientische essen ließ. Gleiche Wohlthat empfing er dann auch von ihrem Bruder Schalke, sowie vom Schalbe'schen Collegium, einer Anstalt, welche den Frauciskaner- mönchen gehörte und die von der Schalbe'schen Familie mit reichen Stiftungen bedacht worden war. Während der vierjährigen Schulzeit in Eisenach lernte er vor Allem gründlich und fertig Latein. Der Schulmeister, Johannes Trebonius, war ein gelehrter, auch dichterisch begabter Herr, der jedesmal, wenn er in die Schulstube eintrat, fein Barett abnahm, da Gott unter den anwesenden Jungen manchen zu einem Bürgermeister oder Kanzler oder hochgelehrten Doktor auser- sehen haben werde." Die religiösen Eindrücke, welche Luther in seiner Kindheit empfangen hat, sind ihm Zeit seines Lebens unvergeßlich ge blieben. So mangelhaft auch der Religionsunterricht war, darauf wollte die Kirche auch unter dem Papstthum halten, daß die Kinder in der Schule und zu Haus das apostolische Glaubensbekenntniß (die drei Artikel), das Vaterunser und die zehn Gebote auswendig lernten, beteten und auch Psalmen und geistliche Lieder sangen. Letzterer gab es einen reichen Schatz und es ist Luthers Verdienst, daß er ihn spä terhin dem deutschen Volke wieder aufschloß. Tastesgeschichte. Se. Maj. Kaiser Wilhelm ist wohlbehalten in Bad Gastein eingetroffen und von den Bewohnern des Ortes wie von den Bade gästen mit jubelnden Zurufen empfangen worden. Der ganze Ort war festlich geschmückt. Bad Ems, 13. Juli. Zum Andenken an die denkwürdige Be gegnung unseres Kaisers mit dem französischen Gesandten Bened etti 1870 liegt auf der historischen Stelle, etwa sechs Schritt vor dem Kommissariatsgebäude unseres Bades ein Stein, auf welchem die Worte eingravirt sind: „13. Juli, Vormittags 9 Uhr 10 Minuten." Patriotische Kurgäste hatten nun heute am Jahrestage jeiwn Stein mit Prachtvollen Blumen geschmückt. Die größte Zierde aber war ein Eichen- und Lorbeerkranz mit den sinnigen Versen: „Geschmückt sei heut mit Lorbeerblatt Und mit dem Laub der Eiche, Der erste Stein des Fundaments Zum heil'gen Deutschen Reiche." Gutem Vernehmen nach rühren die Zeilen von dem hier zur Kur weilenden Dichter Emil Ritterhaus aus Barmen her. Der Kaiser Franz Joseph wird am 1. August von Ischl nach Gastein zur Entrevue mit dem Kaiser Wilhelm fahren und den deutschen Monarchen, der an demselben Tage abreist, einige Sta tionen weit begleiten. Berlin. Das Gerücht, daß seitens der Reichsregierung Material zu einer anderweitigen Vorlage wegen höherer Besteuerung des Tabaks gesammelt werde, bestätigt sich. Nachdem das Tabaksmonopol im Reichstage auf einen so bedeutenden Widerstand gestoßen ist — 227 von 320 Stimmen —, daß wenigstens vorläufig auf die Einführung desselben nicht gerechnet werden kann, ist man wiederum, wie die „Vofsische Zeitung" mittheilt, der Frage näher getreten, ob es nicht möglich sei, die Tabakfabrikatsteuer nach amerikanischem Muster ein- zuführen. Aus Görlitz wird berichtet: Am 13. Juli haben Gewitterstürme Wolkenbrüche und Hagelschlag im Riesengebirge, Niederschlesien und in der Oberlausitz neue große Verwüstungen angerichtet, ferner aus Sprottau: In vielen Orten des Kreises haben schwere Gewitter, verbunden mit orkanartigem Sturm und Hagelschlag, großen Schaden angerichtet, in mehreren Orten hat der Blitz eingeschlagen, die Papier fabrik in Eulau ist niedergebrannt; aus Pappenheim (Bayern)wird berichtet: Heute Nachmittag zog ein schwerer Gewittersturm über unsere Stadt hin. Dabei ging ein dichter Hagel über unsere Stadt nieder, dessen Schloßen in der Größe von Hühner- und Taubeneiern in den Häusern längs der Wetterseite fast alle Fensterscheiben zertrümmerten und strichweise bedeutenden Schaden an den Früchten des Feldes und den Obstbäumen anrichteten. Endlich heißt es in einem Bericht aus Weißenburg: Der heutige Nachmittag brachte uns wieder mehrere schwere Gewitter. Das letzte entlud sich unter Sturm und Hagel, der in unseren Nachbargemeinden Holzingen, Weimersheim, Ellingen, Weiboldshansen re. die üppig stehenden Fluren furchtbar verwüstete. Es fielen faustgroße Hagelkörner, bis zu V» Pfund wiegend. In 8 bis 10 Tagen hätte die Ernte begonnen, und nun ist in den betroffenen Strichen Alles öde und dem Erdboden gleich. Auch aus vielen Theilen Württembergs wird von einem ver heerenden Gewitter berichtet, das am 10. Juli mit Wolkenbruch und Hagelschlag die Ernteaussichten vernichtete. Das dem Fürsten Bismarck gehörende Wohnhaus und das Mühlengebüude Aumühle bei Friedrichsruh sind am 12. d. M. nie- dergebrannt. Hören wir einmal das Urtheil eines amerikanischen Staatsmannes und Gelehrten uud obendrein geistreichen Mannes über das neue deutsche Reich. Andreas White, Rector der Cornell-Universität und vieljähriger amerikanischer Gesandter in Berlin, ein genauer Ken ner Deutschlands, hat vor einiger Zeit einen öffentlichen Vortrag über dieses Reich gehalten, und die A. Z. hat diesen Vortrag veröffentlicht. Wir theilen die Hauptstücke desselben mit und machen den Anfang mit des Amerikaners Urtheil über Bismarck. „Was einem Fremden im deutschen Reichstage am meisten auffällt, ist die Stellung, welche der Mann einnimmt, der am meisten zur Belebung des politischen Lebens sowohl durch seine staatsmännische Kunst wie durch seine Miß griffe beigetragen hat, es ist die Stellung des Fürsten Bismarck. Der große Kanzler ist durchaus nicht immer in den Sitzungen an wesend; in manchen Sessionen erscheint er nur zwei oder dreimal. Wer ihn zum ersten Mal hört, hält ihn nicht für einen guten Redner. Die majestätische Gestalt scheint vergeblich nach dem präcisen Ausdruck der Gedanken zu ringen. Unter Räuspern und Keuchen bringt er un bedeutende, ja gewöhnliche Ausdrücke hervor; dann leuchtet plötzlich ein Wort auf, das feine ganze Politik erhellt, ein Beiwort, das einen Gegner oder eine Partei niederschmettert, ein Wort, das sofort zur Parole der ganzen Nation wird. Zwischen lose eingestreuten Remi- niscenzeii taucht eine scharspointirte historische Thatsache auf. Nach einer Masse abschweifender persönlicher Bemerkungen zucken wie Blitze zur Ueberzeuguug zwingende Sentenzen über die Versammlung hin; und wieder nach einem halb traurigen, beinahe muthlose» Monolog folgt zum Schluß ein Donnerwvrt gegen seine Feinde, ein Appell an die deutsche Nation, ein Appell an die Zukunft, welcher nicht nur den ganzen Reichstag, nein, das ganze Volk durchzittert. Wohl haben in den modernen Parlamenten manche Männer mit größerer Beredtsam- keit, aber kaum einer mit solch überwältigender Wucht gesprochen. In all seinen Reden ist ein merkwürdiges Gemisch von Trotz und Ueberredung. Er hat sich schon längst gewöhnt, die Regierung im Gegensatz zur Majorität zu leiten. Die Gerechtigkeit verlangt es, zu sagen, daß sein Ausharren im Amte nicht eine Folge despotischer Laune oder eigennütziger Hartnäckigkeit ist. Er weigert sich einfach, dem in Europa herrschend gewordenen englischen Constitutionalismus beizupflichten. Und mag man auch noch so sehr mit der freiheits liebenden Partei, die ihn, gegenwärtig opponirt, sympathisiren, man muß doch — sagt White — dem Glauben sich hingeben, Fürst Bis marck habe instinktmäßig die richtige Bahn betreten." Nach White's Ueberzeuguug passen die amerikanischen Einrichtungen, welche die Exe cutive von der Legislative vollkommen unabhängig in Betreff der