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sämmtlicher Geschworenen, welche sich eine Anzahl der anwesenden Anarchisten zu gleichem Zwecke sorgfältig notirten. Man stellte sonach förmliche Listen von zu Exekutirenden auf und beschloß ferner, am 14. Juli überall fchwarze Fahne» auszustecken und das Getriebe in den Straßen zur Herbeiführung von Tumulten zu benutzen, um somit na mens der proletarischen Gerechtigkeit die Opfer der Bourgeosie-Justiz zu rächen. Vorerst mußte am 26. d. ein Reporter des konservativen „Clairon" wegen angeblichen Lachens die Bekanntschaft mit den Fäusten der auf ihn einhauenden Anarchisten machen. Dem Vernehmen nach ist übrigens der Minister Waldeck-Rausseau entschlossen, im Mimster- rathe die Verhaftung der wüthendsten Schreier wegen obigen Mord- drohungcn zu verlangen. Die Franzofen wüthen über die Aufstellung der Germania auf dem Niederwalde am 27. September in Gegenwart des Kaisers Wil helm. Unter der Ueberschrift: „Vergiß mein nicht" schreibt die Pariser Presse: „Unsere Sieger errichten ihr Denkmal an den Uiern des Rheins, auf den Grenzen, welche die Natur uus gegeben hat und welche Deutsch land früher oder später uns wieder zurückgebeu wird. Es erweckt das in uns eine rasende Lust hinzugehen, um das Denkmal umzustürzen und auf jeden Fall ist es ein sicheres Mittel, uus zu verhindern, daß wir vergessen." Bei einer Feuersbrunst im Theater in Dervio in Italien kamen 47 Menschen um und 16 wurden schwer beschädigt. Das politische Leben in England ist in der letzten Zeit ziemlich ruhig dahingeflossen, zumal da auch in Irland die Verhältnisse sich mehr und mehr bessern. Nur einmal wurden die englischen Politiker dieser Tage in lebhafte Erregung versetzt und zwar durch die Bir minghamer Rede des Parlamentsmitgliedes John Bright über den Kanaltunnel. Bekanntlich ist dieses Projekt in England aus zahlreiche Gegner gestoßen, die sich namentlich in den Reihen der Konservativen finden nnd welche allerdings nicht ganz mit Unrecht behaupten, daß der Kanaltunnel die Vortheile, welche die maritime Lage des Jnsel- königreiches demselben bietet, illusorisch mache, wenigstens, was die VertheidiAung gegen einen unvermutheten feindliche» Angriff anbelangt. John Bnght bezeichnet nun in seiner Rede alle diese Bedenken als unsinnig und stellte die Gegner des Kanaltunnelprojektes geradezu als Narren. Diese mehr als drastischen Aeußerungen riefen in ganz England Aufsehen und bei den Konservativen großen Aerger hervor, so daß der Führer der Konservativen im Unterhaus?, Northcote, einen parlamentarische» Tadel gegen den radikalen Abgeordneten für Bir mingham beantragte. Das Haus ging jedoch nicht hierauf eiu und Mr. Bright kann nun auck ferner ungehindert die Schale seines Spottes über die Widersacher des Kanaltunnelprojektes ausgießen. — Der „Standard" will aus sicherer Quelle wissen, daß das russische Kaiser paar dem englischen Hofe im Juli einen Besuch abstatten werde. Die Kaiserin gedenke einige Zeit in London zu verweile» und währenddessen würde Kaiser Alexander dem deutschen Kaiser in Ems einen Besuch machen; ferner versichert der „Standard", daß der russische Herrscher bei der Zusammenkunft zwischen den Kaisern von Deutschland und Oesterreich ebenfalls zugegen sein würde. London, 24. Juni. Im Kanal hat ein Znlammenstvß zwischen den Schiffen „Waitrara" und „Hurunui" stattgefunden, welche beide sich auf dem Wege nach Neu-Seeland befanden. Die „Waitrara" kenterte, 25 Personen sind ertrunken. Die jüngst im englischen Parlament gegen den Khedive von Egypten erhobene Anklage wegen Urheberschaft des Alexandriner Blutbades hat zu einem Briefwechsel zwischen dem Ankläger Lord Churchill und dem Premierminister Gladstone geführt, welchen die Londoner Blätter veröffentliche». Der Premier sagt in seinem Schrei ben, die Regierung werde der Stellung des Khedive als Herrscher von Egypten und der Verantwortung der Regierung für die Wohlfahrt Egyptens die erforderliche Berücksichtigung angedcihen lassen. Lord Churchill faßt diefe Worte geschickt auf und zwingt Gladstone, ihm Stand zu halten, verlangt die strengste Untersuchung und erklärt in seiner Antwort vom 16. d., daß er, nunmehr der „Mithülse" der Re gierung sicher, im Laufe der nächsten Tage seine Anklageschrist gegen Tewfik Pascha als Urheber der Alexandriner Metzeleien überreichen und die ganze ihm vorliegende Evidenz unterbreiten werde. Begreif licher Weise erregt dies zuversichtliche Auftreten Lord Churchill's großes Auffehen. Petersburg. Eine Feuersbrunst vernichtete am 25. d. M. eine an der Newa-Mündung belegene Sägemühle nebst Holzlager, sowie den größten Theil der Privathäuser auf der Lootseninsel, ferner die auf der Gutujew-Jnfel befindliche, von der Krone erpachtete Dampf- kornmühle, eine Fabrik chemischer Produkte, eine Knochenmühle und ein Baumwollenlager mit 3000 Ballen Wolle. Der Schade» wird auf ca. 14/, Millionen Rubel geschätzt, das abgebrannte Eigenthum ist mit 1 Million Rubel versichert. Der Mississippi ist in St. Louis 34 Fuß über der normalen Pegelhöhe und noch in fortwährendem Steigen begriffen; alle Ge schäfte stocken. Die Niederungen sind überfluthet und der Eisenbahn verkehr ist außerordentlich erschwert. — Die Branntweinbrennerei in Gibsontown im südwestlichen Pennsylvanien ist sammt den Vorräthen von 8000 Barrels Whisky niedergebrannt. Der Schaden wird auf 500,000 Doll, beziffert. Einige Exlosionen fanden statt, wodurch 18 Personen schwer verletzt wurden. Vaterländisches. Wilsdruff. Wir habe» im Interesse unserer geehrte» Leser un serm Tageskalender auch die Abfahrtszeiten auf der Linie Hainsberg- Schmiedeberg beigefügt. (Siehe heute zweites Blatt.) — Das für nächsten Sonntag im goldnen Löwen angekündigte Künstlerkonzert muß wegen Behinderung der Herren Künstler bis auf Weiteres verschoben werden. — Nossen. Für Freunde des sächsischen Bergbaues wird eS gewiß von Interesse jein, zu erfahren, daß bei einem auf der Grube „Vereinigt Feld" bei Siebenlehn vor Kurzem gemachten Erzanbruch die Probirung desselben 0,1 Pfundantheil Gold, d. i. 0,001 Proz., und 4 Pfundtheile Silber pro Centner ergab. — Das „Dresdner Journal" enthält folgende vom 22. Juni da- tirte und vom Gesammtministerium unterzeichnete Bekanntmachung: Auf Grund von Z 28 des Gefetzes gegen die gemeingefährlichen Be strebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 wird mit Ge nehmigung des Bundesraths für die Dauer eines Jahres angeordnet, was folgt: Z 1. Personen, von denen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu befolgen ist, kann der Aufenthalt in der Stadt Leipzig und in dem Bezirke der Amtshauptmannschaft Leipzig von der Landespolizeibchörde untersagt werden. 8 2. Vorstehende Anordnung tritt mit dem 29. dieses Monats in Kraft. — Mit Genehmigung des k. sächsischen Ministeriums des Innern Wird auch für den zweiten Termin dieses Jahres bei der Gebäude versicherung der Erlaß eines halben Pfennigs von jeder Beitragsein - heit geschehen. Innerhalb der Abtheilung jür freiwillige Versicherung findet eine Ermäßigung der Versichernngsbeiträge nicht statt. — Nach dem jetzt nnsgegebencn Programm des in Dresden vom 14. bis 17. Juli d. I. stattfindende» 1. Sächsischen Krieger festes findet am Sonnabend den 14. d. M. Abends 7 Uhr Coneert auf dem Alaunplatze und dann Commers in der Festhalle daselbst statt. Sonntag Nachmittag halb 2 Uhr stellt sich der Festzug auf der dazu sehr geeigneten geräumigen Weißeritzstraße auf. Bei An kunft des Zuges auf dem Festplatze wird derselbe feierlich begrüßt und werden dort 3 volle Militärkapellen concertire», auch foll am Abend eine glänzende Beleuchtung des Platzes stattfinden. Montag Vormittag 9 Uhr wird ein Feldgottesdienst, 2 Stunden später die Generalversammlung des Bundes abgehalten. Nach Schluß der Nach mittag 3 Uhr stattfindendeu Festtafel erfolgen Vorträge der vereinigten Dresdner Militär-Singechöre und der Militärkapellen. Bei ein brechender Dunkelheit werden mehrere von dem Residenztheater-Director Karl arrangirte Feld- und Lagerscenen bei elektrischer Beleuchtung vorgeführt. Die Reihe der Festlichkeiten beschließt am Dienstag Abend ein solenner Abschieskommers und ei» glänzendes Feuerwerk. Bei der Königlichen Altersrentenbank in Dresden — Landhaus straße 16 — wurden im Jahre 1882 in 833 Einlagen 594 023 M. eingezahlt, welche sich nach den Wohnorten der Versicherten wie folgt vertheilen. Aus dem sächsischen Jnlandc stammen 574 738 M. oder 97"/» der Gesammteinlage, von auswärts 19 285 M., davon aus dem Reiche 15 951 M. Vom ersteren Theile stammt die größere Hälfte aus Dres den und seiner Umgebung, nämlich 261543 M. aus der Residenz selbst und 46 947 M. aus den beiden Amtshauptmaunschaften Dresden- Altstadt und Neustadt, zusammen 308 490 M. gleich 52"/« der Ein lagen überhaupt oder 54 der Einlagen aus Sachsen. Ferner stam men 83 678 M. oder 14"/„ der Gesammteinlage aus Stadt und Amtshauptmannschaft Leipzig (Stadt 78 016 M., Amtshauptmanufchaft 5662 M.) und 43 019 M. oder 7 "/„ aus Stadt u. Amtshauptmann schaft Chemnitz (St. 32 796 M., Amtsh. 10 223 M.). Der Rest an 139 551 M. oder 23"/,, der Gesammteinlage vertheilt sich auf die Amtshauptmaunschaften Zittau mit 36 0I4 M., Rochlitz mit 19 808 M., Döbeln mit 11481 M., Grimma mit 10 519 M., Zwickau mit 8634 M., Oschatz mit 6746 M., Glauchau mit 6337 M., Annaberg mit 5388 M., Dippoldiswalde mit 5209 M., Pirna mit 4689 M., Meißen mit 4313 M., Bautzen mit 3443 M., Marienberg mit 3408 M. und je mit weniger als 3000 M. auf die noch übrigen 10 Amts hauptmannschaften Löbau, Freiberg, Plauen, Borna, Auerbach, Gro ßenhain, Flöha, Oelsnitz, Schwarzenberg und Kamenz, von denen die letztgenannte die geringste Einlagesumme von 362 M. in 5 Einlagen aufzuweisen hat. Diese Vertheilung zeigt wiederum, daß die Alters rentenbank auch im Jahre 1882 an ihrem Sitze selbst zwar sich einer großen und, wie zu konstatire» ist, fortdauernd zunehmenden Beliebt heit erfreut hat, in den meisten übrigen Ortschaften des Landes aber, wenn auch mehr als in allen früheren Jahren, so doch immer noch verhältnißmäßig wenig benutzt worden ist. Hätte im ganzen Lande im Verhältniß der Bevölkerungsziffer dieselbe Betheiligung wie in Dresden stattgefunden, so würden im vorigen Jahre über 3 Millionen M. bei der Altersrentenbank eingezahlt worden sein. — Dresden. Der Johannismarkt war zwar dieses Mal durch das herrlichste Wetter begünstigt, dennoch schien der Verkehr am Montag nur schwach und von auswärts mar nur eine kleine Zahl Käufer erschienen. Die städtischen Kunde» halten sich schon längere Zeit gerade von diesem Markte zurück, weil die fälligen Miethen und die naheliegenden Steuertermine ihre flüssigen Mittel beschränken. Dieser längstgefühlte Nachtheil macht für die Fabrikanten den Besuch dieses Jahrmarkts nur in den seltensten Fällen lohnend, sodaß ein Wegfall desselben wohl im allseitigen Interesse läge. — Gelegentlich der am 19. Juni in Meißen im Saale des Gasthofes „zur Sonne" abgehaltenen diesjährigen „Meißner Konferenz" sächsischer Geistlicher erstattete Superint. Vr. Harig-Großenhain sein Referat „Ueber die sittlichen Gefahren des gegenwärtigen Wirthshaus- lebens und die der Kirche daraus erwachsenden Aufgaben." Nachdem der Redner die schon in alten Zeiten bestandene Nothwendigkeit »nd die Berechtigung des Wirthshausvcrkehrs nachgewiesen, zeigte er wie in den jüngsten Tagen die rapide Zunahme der Schankstätten und die Art der darin gebotenen Genüsse den Wirthshausverkehr zu einem Wirthshausleben gemacht haben, welches das häusliche Leben ver drängt und zu einer sittlichen Gefahr wird. Als Folgen seien leib liches Elend, Zunahme der Armuth, Zerrüttung des Familienlebens, Wachsthum der Verbrechen, geistige Verkommenheit, nicht selten Wahn sinn und Selbstmord zu bezeichnen. Eingehend behandelte alsdann Referent die daraus der Kirche erwachsenden Aufgaben, die einestheils von derselben direkt, anderntheils durch ihren Einfluß auf den Staat und in ihrer Verbindung mit der inner» Mission zu erfüllen seien. Bei der sich dem Vortrage anschließenden Debatte, wurden als auf die Ausdehnung des Wirthshauslebens besonders einwirkend, eines theils die besonders in großen Städte» sich vorfindenden ungesunden und unzulänglichen Wohnungen, anderntheils der namentlich in Fabriks distrikten sich zeigende Mangel an guten Hausfrauen hervorgehoben. Schließlich einigte man sich über die Annahmen folgender Thesen: I. Der Wirthshausverkehr ist 1. nothwendig, wo er den Mangel eines Hauswesens ersetzen muß; 2. erlaubt, wo er eine wirkliche Erholung von der Arbeit und eine Stärkung zu derselben darbietet. Daß dies nicht immer Grund und Zweck des Wirthshausverkehrs ist, zeigt die rapide Zunahme der Schankstätten und die Art der darin gebotenen Genüsse. Wo aber der Wirthshausverkehr zum Wirthshausleben wird und das häusliche Leben verdrängt, wird er zu einer sittlichen Gefahr. II. 1. Die sittliche Gefahr entsteht: durch geistlose, frivole und sitten verderbliche Gespräche, durch den gewohnheitsmäßigen Genuß berau schender Getränke, durch das Spiel um Geldgewinn, durch unsittliche Vorträge, Schaustellungen und sonstige derartige Vergnügungen. 2. Die Folgen sind: leibliches Elend, Zunahme der Armuth, Zerrüttung des Familienlebens, Wachsthum der Verbrechen, geistige Verkommen heit, nicht selten Wahnsinn und Selbstmord. III. Daraus erwachsen der Kirche ihre Aufgaben und zwar: 1. der Kirche für sich: das öffent liche Zeugniß in der Predigt, in den Kasualreden und im Konfiman- den- und Katechismusunterricht, die specielle Seelsorge an den Ge fährdeten, wie an den Gefallenen. 2. Der Kirche in ihrem Einflüsse auf den Staat: die Kirche hat anzuerkennen, was seitens der öffentlichen Gesetzgebung schon geschehen ist in Betreff der Beschränkung der Schank- koncessionen, der Beaufsichtigung und Beschränkung öffentlicher Lust barkeiten, der Polizeistunde, der Besteuerung berauschender Getränke und Zurechnungsfähigkeit bei den im Rausche begangenen Verbrechen, sie hat aber weiter darauf zu halten, daß die vorhandenen Gesetze in möglichster Strenge gehandhabt und durch neue ergänzende Maßnahmen, wie etwa Uneinklagbarkeit der Zechschulden, Aufstellung von Säufer-