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seinen Spaziergängen trotz ihrer kleinen, zierlichen Figur mit ihm Tritt, und sie war es auch, die niemals um Mittel verlegen war, ihm die Langeweile zu vertreiben. Auch heute, nach dem Bade, saß Edith an der Seite des Obersten und las ihm aus einem Romane vor. Bald jedoch merkte sie, daß er nicht mehr mit Aufmerksamkeit zuhörte, und sie schloß sogleich das Buch, um mit ihm zu plaudern. Der alte Herr war nicht anspruchsvoll; sie konnte einen Gegen stand berühren, welchen sie wollte, er fand stets ihre Unterhaltung angenehm und geistreich. Sie mußte ihm von ihrem heutigen Mor- genspazierganae erzählen, verschwieg aber ihr Zusammentreffen mir Herrn von Brosse. Während ihr Schwiegervater die an Tollheit grenzende Schwärmerei des Franzosen sehr leicht nahm, ja sich daran ergötzte, war es ihr äußerst peinlich, nur daran erinnert zu werden. „Und dann hat Herr von Rohrbeck das Glück gehabt. Dich zu fällig zu treffen," sagte der alte Herr scherzend und das Wort „zufällig" betonend. „Er scheint weite Morgenspaziergänge ebenfalls zu lieben," ent gegnete Edith unbefangen, „aber ich werde die meinigen einstellen." „Ach, Du nimmst mir doch meine Neckerei nicht etwa übel?" sagte der Oberst ganz erschrocken; „Du weißt ja, liebes Kind, daß ich es gern sehe, wenn Dir die jungen Herren ein Bischen de» Hof machen, ich fürchte nur immer, daß doch einmal einer kommt, der Dich mir entführt." „Habe keine Sorge. Ich werde mein jetziges Glück nicht ver scherzen, wann könnte ich es je wieder so gnt haben, wie bei Dir?" und die kleine Frau schmiegte sich schmeichelnd zu den Füßen des alten Herrn, der zärtlich mit seiner breiten starken Hand über ihr blondes Haupt hinwegfuhr. „Und was sollte ich auch anfangen ohne Dich," sagte der Oberst, und aus seinen Worten klang die innige Liebe, die er für seine Schwie gertochter empfand. „Uebrigens thust Du ganz klug daran, nicht noch einmal in die Ehelotterie zu setzen, Du könntest doch wieder eine Niete ziehen." „Nein, nein, Papa, Robert war nicht so schlimm, wie Du immer glaubst," eiferte sogleich Frau von Herbstein. „Er hatte die redlichsten Gesinnungen gegen mich und hat mich wahrhaft geliebt." „Kind, mich täuschest Du nicht," entgegnete der Oberst mit über legenem Lächeln; „die Zeit hat freilich das Bild des Todten bei Dir sehr verschönert, aber meine Anschauungen über ihn hat der Tod nicht verändert. Robert war ein leichtsinniger Patron, ein wüster Gesell, und mir kannst Du nichts einredcn, ich weiß doch, daß Du an seiner Seite die schlimmsten Tage gehabt." „Ich war damals noch zu blutjung und verstand es nicht, ihn ein wenig zu leiten." Der Oberst lachte hell auf. „Bin ich doch mit dem tollen Bur schen nicht fertig geworden, wie hättest Du etwas über ihn vermögen sollen. Nein, der Robert war wie ei» wildes Pferd, er spottete Spo ren und Peitsche und wollte nach eigener Laune durch die Welt rasen." Edith wagte ihrem Schwiegervater nicht weiter zu widersprechen; sie wußte schon, daß er darüber leicht verdrießlich wurde. Auch der alte Herr brach das Gespräch ab, war doch dieser Gegenstand zwischen Ihnen schon zu oft erörtert worden, ohne daß Einer den Andern zu seiner Ansicht zu bekehren vermochte. „Herr von Rohrbeck gefällt mir ganz gut," begann der Oberst deshalb nach kurzer Pause. „Er scheint mir ein tüchtiger, ehrenwerther Mann zu sein, den würde ich noch ehesten für Dich aussuchen, wenn ich's über's Herz bringen könnte, mich von Dir zu trennen." „Ach, Papa, Du bist heute wieder in Deiner übermüthigsten Laune, entgegnete die Schwiegertochter lächelnd. „Herr von Rohrbeck ist zehn Jahr jünger als ich, er könnte beinahe mein Sohn sein." „O, o, Du mußt nicht übertreiben!" rief der alte Herr lebhaft aus. „Sieht man Dir Deine 36 Jahre wohl an? Du kannst es noch mit dem jüngsten Mädchen aufnehmen." „Willst Du mich denn mit Gewalt eitel machen, Papa?" scherzte Frau von Herbstein, und auf ihrem blühenden, frischen Antlitz zeigte sich ein reizendes Lächeln, das sie noch mehr verjüngte und verschönte. ,Zch sage nur die Wahrheit," eiferte der Oberst. „Hier in Teplitz habe ich keine gefunden, die schöner wäre, Du verdunkelst sie alle. Und machst Du nicht fortwährend neue Eroberungen?" „Jetzt verdüsterte sich das Gesicht Edith's. „Ich weiß es selber nicht, wie ich es eigentlich verschuldet habe, daß ich immer wieder von solchen Huldigungen belästigt werde." Das begreifst Du nicht?" fragte der alte Herr lachend. „Ich möchte Dir's gern sagen, aber dann klagst Du wieder, daß ich Dich eitel mache. Nimm Dir's nur nicht zu Herzen. Solche Schwär mereien kannst Du Dir schon gefallen lassen und ich habe mein ganz besonderes Vergnügen daran. Ja, da schaust Du ganz verwundert drein," fuhr er in guter Laune fort. „Kannst Du mir's denn ver argen?! Wenn man nicht mehr zu tanzen vermag, sieht man doch gern zu, wie sich die Andern wie toll herumschwenken. Man kommt sich dann so klug und vernünftig vor, und Du glaubst gar nicht, wie ich meinen Spaß hab', wenn ich seh', daß Du Allen die Köpfe ver drehst und noch die Jüngsten aussiichst." „Und ich fühl' es immer wie einen Fluch, der auf mir lastet, daß man mich mit solchen Huldigungen förmlich verfolgt." „Ach, das mußt Du nicht so ernsthaft nehmen," ermahnte der Oberst. „Den jungen Herren kann es gar nicht schaden, wenn sie ein bischen im Feuer exerziren, sie kommen dann in die Uebung und wer den auf diese Weise noch die besten und aufmerksamsten Ehemänner." Jetzt brach wieder der heitere Sinn der schönen Wittwe durch. Sie mußte über die Bemerkung ihres Schwiegervaters laut anflachen. „Da soll ich also zur Ausbildung der jungen Mannschaft dienen! — Papa, Du theilst mir ja eine recht hübsche Aufgabe zu." „Eine höchst wichtige," fuhr der alte Herr mit ernster Miene fort, während in seinen grauen Augen der Schalk lauerte. „Ist doch eine solche Schulung ganz unschätzbar! Ich hab sie auch durchgemacht ! und mich als junger Fähnrich sterblich in eine Frau verliebt, die nicht einmal so schön war wie Du, aber sie hat mir auf immer das Talent beigebracht, mit Damen zu verkehren, denn Du mußt doch selber sagen, daß ich bis zu dieser Stunde bei den Frauen wohl gelitten bin." „Ja, noch gefährlich," scherzte die Schwiegertochter und erhob drohend den Finger. „Das Gesicht der Frau Majorin Kronegge er glüht jedes Mal in den höchsten Farben, sobald sie Deiner ansichtig wird." „Ach, wie boshaft Du bist, Edith," seufzte der Oberst; Duweißt recht gut, wie die Gicht der alten Kronegge mit meinem Rheumatis mus so wunderbar sympathisirt, daß sie immer die größten Schmerzen hat, sobald sie mich nur sieht." Das Helle, glückliche Auflachen der Schwiegertochter bewies dem alten Herrn, daß es mit seinem Scherz gelungen war, die trüben Ge danken Ediths völlig zu verscheuchen. „Ich muß Dich jetzt allein lassen, Kind, der Kommerzienrath Munkelberg hat mich zu einer Schachpartie eingeladen, und ich mochte ihm nicht abschlagen, damit diese Leute nicht glauben, wir Militärs hätten ein Vorurtheil gegen sie." Der eifrige Schachspieler wollte sich selber nicht gestehen, wie gern er jede Gelegenheit zu einer Partie er- - griff, und besonders an dem Kommerzienrath hatte er einen ebenbür- ; tigen Gegner gefunden, den er stets nur nach schweren Ringen besiegen - konnte. „Laß Dir nur die Zeit nicht lang werden, Du Aermste. Nun, r morgen hast Du dafür wieder bei uns eine kleine Gesellschaft" — und t zärtlich von der geliebten Tochter Abschied nehmend, trat der alte l Herr seine Wanderung an. Edith eilte auf den Balkon hinaus, um nach ihrer Gewo hnheit dem - theuren Greise von hier aus noch einen Gruß zuzuwinken. Er nickte ' wie immer freundlich herauf; sie sah ihm lächelnd »ach, aber allmählich schwanden diese heiteren Züge aus ihrem Antlitz, es wurde immer - ernster, sie ließ sich auf einen Gartenstuhl nieder und stützte den Kopf in die Hand; es konnten keine fröhlichen Gedanken sein, die sie heim- ' suchten, denn das seine, liebliche Gesicht erhielt den schwermüthigsten > Ausdruck. , Die auf dein Balkon grupvirten mächtigen Blattpflanzen verbar- ' gen Edith den Blicken Neugieriger. Vielleicht würde man auch jetzt wieder die düstere Stimmung der schönen Wittwe für Koketterie ge- - halten haben; es hieß ja allgemein, daß gerade ihre Traurigkeit so ' anziehend sei.(Fortsetzung folgt.) > Vermischtes. * „Eine Gesellschafterin auf Reisen" wurde, wie oft, in Berliner Blättern gesucht. Ein junges gebildetes Mädchen, die Tochter ' eines höheren Beamte», meldete sich zur Stelle mid stellte sich der suchende» Dame, einer „verwittweten gnädigen Frau Lieutenant" vor. , Die gnädige Frau war sehr vornehm, fragte, ob die junge Dame französisch und englisch spreche, ein Musikstück vom Blatte spielen . könne u. s. w. Die junge hübsche Dame bejahte und wurde für eine Reise nach Karlsbad und in die deutsche und französische Schweiz als Begleiterin angenommen, auch ihr Onkel, der Herr Rath, werde mit reisen, sagte die „gnädige Frau". Die junge Dame war entzückt und berichtete zu Haus alles getreulich. Der Vater schüttelte den Kopf, erkundigte sich bei bekannten höheren Polizeibeamten vertraulich nach dem Charakter der gnädigen Frau und erfuhr: „Frau verw. Lieute- nant S. ist eine Person, die bereits dreimal wegen Kuppelei bestraft ist und erst kürzlich wieder eine Gefängnißstrafc verbüßt hat." Aus dem Engagement wurde nichts, die Sache aber zur Warnung veröffentlicht. * Was die Toilette der Stadt Paris kostet. Die tägliche Rei nigung der französischen Hauptstadt beziffert sich gegenwärtig auf eine jährliche Ausgabe von 5,243,000 Francs. Sie wird von 820 ange stellten Straßenkehrern und 2010 Aushülfskehrern beiderlei Geschlechts besorgt, unter der Leitung von 186 Aufsehern. Die Aushülfsarbeiter erhalten durchschnittlich 30 Centimes per Stunde. Die permanent Angestellten verdienen einige Hundert Francs mehr. Die Erhaltung der Straßen kostet 8,502,000 Francs, die des Trottoirs und der Sei tenalleen 1,265,200 Francs. * Ein Gottesleugner. In einer religiösen Versammlung zu New-Jork wurde kürzlich folgendes erzählt: Joseph Barker war ein Gottesleugner, der Jahre lang das Laud durchzog, um Vorträge über den Atheismus zu halten. Eines Tages äußerte er in einem solchen Vortrag: „Wenn es wirklich einen Gott gäbe, glaubt Ihr nicht, daß derselbe sich dann um mich bekümmern müßte, der ich mein ganzes Leben gegen ihn kämpfe? Schaut mich nur einmal recht an, wie gut es mir geht; ich bin stark und vergnügt, immer bereit, Andere zum Lachen zu bringen. Wenn es einen Gott giebt, warum läßt er nicht seine Unzufriedenheit mit mir merken, der ich ihn fortwährend lästere?" Da stand ein Bauer auf und sagte: „Mein Hund hat die Gewohnheit, Alles anzubellen, was er sieht, sogar de» Mo»d. Und was thut der Mond? Er fährt fort zu leuchten, ohne von dem Geheul des unver nünftigen Geschöpfes Notiz zu nehmen. Gerade so verhält es sich mit dem Redner, der sich eben hat höre» lasse«. Er bellt gegen den All mächtigen, wie der Hund gegen den Mond. Gott aber macht es so, wie es längst in der Bibel geschrieben steht: er läßt seine Sonne aufgehen über Böse und über Gute. Er ist geduldig, weil er die lange Ewigkeit vor sich hat, es kommt aber der Tag, wo er Rech nung halten wird mit allen Menschenkindern, auch mit Mr. Barker." Diese Worte machten tiefen Eindruck auf die Zuhörer; und selbst Barker hat später seinen Jcrthum erkannt, für seine Sünden Buße gethan und den Rest seines Lebens dazu benutzt, zum Staunen Vieler und zum Segen Bieler, das Wort von Jesu Christo zu verkünden. * Die Kosten der Moskauer Krönung. Aus Petersburg wird der „N. Fr. Presse" neuerlich geschrieben: Wie von unterrichteter Seite verlautet, belaufen sich die Kosten der Krönungsfestlichkeiten aus nicht weniger als 54 Millionen, eine Summe, welche um wenigstens 20 Millionen den Voranschlag übertrifft. — In der Elbe ertrank am 1. d. ein 12jähr. Knabe aus Coswig, welcher am rechten Ufer badete. Dresdner Produkten-Börse, vom 2. Juli. Weizen, inl. weiß 177—197 M., do. gelb, neu 175—192 M., do. feucht 160—170 M., fremder weiß 195—215 M., do. gelb 190—213 M. engl. Abkunft 170—175 M. Roggen, inl. 140—145 M., do. feuchter 130-140 M„ russ. u. galiz. 135—145 M., Preuß. 155—160 M. Gerste, inl. 130—140 M., böhm. u. mähr. 180—200 M., Futtergerste 125—135 M., Hafer, inl. 130—145 M-, neuer inl. 114—128 M. Mais, Cinquan- tine 153—158 M., rumänisch 155 M., — amerik. 145—148 M. Erbsen, weiße Kochwaare 190- 200 M. Futterwaare 160—170 M. Bohnen 220—240 M. Wicken — M. Leinsaat, feine 235—255 M., mittel 215—225 M. Rüböl, raffinirtes 75,00 M. Rapskuchen , lange 14,00 M„ runde 14,00 M. Malz 22—28 M. Weizenmehle: Kaiser- ! auszug 37,(X) M., Griesler-Auszug 34,50 M., Semmelmehl 32,00 M„ Bäckermundmehl 29,50 M., Grieslermundmehl 24,50 M., Pohlmehl 18,00 M. Roggenmehl Nr. 0 27,00 M., Nr. 0/1 26,00M„ Nr. 1 25,00 M., Nr. 2 20,00 M„ Nr. 3 18,00 M. Futtermehl 14,00 M. Weizen kleie, grobe 10,50 M., feine — M. Roggenkleie 12,00 M. Spiritus 57,00 G. Dresdner Getreide-Börse, vom 2. Juli. An der Börse: pro 1000 Kilogramm: Weizen weiß 177—197 M., Weizen braun 175—192 M„ Korn 140—145 M., Gerste 130-140 M., Hafer 130-145 M. - Auf dem Markte: Hafer pro Hektoliter: 6 M. 80 Pf. bis 7 M. 80 Pf. Kartoffeln 7 M. — Pf. dis 8 M. — Pf. Butter 1 Kilogramm: 2 M. 40 Pf. bis 2 M. 80 Pf. Heu pro Centner 3 M. 20 Pf. bis 4 M. 40 Pf. Stroh pro SchockWO M. bis 22 M.