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Wilsdruff, 5. Juli 1883. Die Reise Sr. Majestät unseres allverehrten Königs Albert, welche Höchstderselbe am Montag ins Erzgebirge und ins Voigtland unter nommen und welche bis in die Stadt Mylau einem wahren Triumph zuge glich, fand hier durch einen hochbedauerlichen Unfall ein jähes Ende. Ueber das betrübende Ereigniß, bei welchem Se. Maj. der König selbst in größter Lebensgefahr schwebte, wird dem „CH. Tgbl." von Mylau, 4. Juli, Nachm. 6 Uhr 45 Min., telegraphirt: „Nachdem Se. Maj. der König heute Nachmittag 2 Uhr die Wollwäscherei des Handelskammerpräsidenten Georgi in Mylau besucht und auf dem Fahrstuhl herabgefahren war, löste sich das Gewicht, tödtete den in der Begleitung Sr. Majestät befindlichen Kreishauptmann Dr. Hübel und verletzte den Direktor Clad, der den Unterarm brach. Se. Maj. der Kön'g ist glücklicher Weise unverletzt, hat aber bereits die Rück reise nach Dresden angetreten.— Ein zweites Telegramm aus Zwickau lautet: „Tiefgefühlte Wehmuth in allen Kreisen der Einwohner erfüllt unsere Stadt in Folge der erschütternden Kunde von dem jähen Tode unseres hochverehrten und innig geliebten Kreishauptmanns Dr. Hübel, dessen irdische Hülle heute noch nach hier überführt werden soll." Schon mit dem Courierzuge 7 Uhr 50 Minuten passirte Se. Maj. gestern Abend auf der Rückreise nach Dresden den Chemnitzer Centralbahnhof. Er unterhielt sich, sichtlich in größter Betrübniß über das Unglück, das ihn und das Land so plötzlich eines seiner tüchtigsten und verdienstvollsten Beamten beraubte, während des Aufenthaltes des Zuges mit Herrn Amtshauptmann Geh. Regierangsrath Schwed ler über das bedauerliche Vorkommniß, über welches wir noch Folgendes erfahren: Das Unglück geschah dadurch, daß sich das Gegengewicht von seiner Befestigung loslöste und mit voller Wucht dem Herrn Kreishauptmann Dr. Hübel, welcher auf dem Fahrstuhl stand, auf den Kopf fiel. Der Anblick des Getödteten war ein gräßlicher, da der Kopf buchstäblich zerschmettert ist. Es fehlte nicht viel, so wäre auch Se. Majestät von dem Gewicht getroffen worden, denn Hochder- selbe stand kaum eine Elle entfernt von der Unglücksstelle. Dem in nächster Nähe befindlichen Direktor des Etablissements, Clad, wurde der Unterarm gebrochen. Der Fahrstuhl ist in den letztvergangenen Tagen wiederholt geprüft und im besten Zustande befunden worden. — Eine weitere Nachricht meldet Folgendes: „Bei Besichtigung des Etablissements Georgi u. Co. durch Se. Maj. den König löste sich beim Niedergehen des Fahrstuhls, aus welchem neben Sr. Majestät u. A. auch Kreishauptmann Dr. Hübel und Herr Fabrikdirektor Clad sich befanden, ein Stück Eisen, welches beim Herabfallen den Herrn Kreishauptmann tödtete und den Fabrikdirektor schwer verletzte. König Albert, höchstwelcher durch Gottes Fügung glücklich davonkam, ordnete sofort die Einstellung aller weiteren Festlichkeiten an und reiste mittels Courierzug nach Dresden zurück." Ein im Ganzen wie in den meisten seiner Einzelheiten recht sehr befriedigendes Bild von dem günstigen Stande der Finanzen und dem gestiegenen Wohlstände im Königreich Sachsen liefert der Rechenschafts bericht für die Finanzperiode 1880—81. Verfassungsgemäß ist ein solcher Rechenschaftsbericht dem nächsten Landtage vorzulegen; er wird aber jetzt bereits im „Dr. I." veröffentlicht. Schon äußerlich weist derselbe mehrere Verbesserungen gegen früher auf, die jedoch in der Hauptsache nur die mit der Prüfung des riesigen Ziffernwerks betrau ten Landstände interessiren werden. Allgemeine Befriedigung aber dürfte der materielle Inhalt der Finauzverwaltung Sachsens in den Jahren 1880—81 erwecken. Die auf 127 519474 M. veranschlagt gewesenen Ueberschüsse sind in Wirklichkeit auf 139 707 852 M. 77 Pf. gestiegen, d. h. die Einnahmequellen des Königreichs haben ein Mehr von 12 188 678 M. 77 Pf. geliefert. Alle großen Partieen des Einnahmebudgets sind daran betheiligt. Es lieferten gegen den Voranschlag mehr die Staatsforsten rund 308 000 M, die Porzellan manufaktur 456 000, die Hüttenwerke 659 OM, das Blaufarbenwerk 114000, die Landeslotterie 894 OM, die allgemeine Kassenverwaltung 329 OM M. Die direkten Steuern brachten sogar 1 939 702 Mark mehr, was auf ein in der Einkommensteuer sich kundgebendes beträcht liches Steigen des Volkswohlstandes schließen läßt. Das beste Pferd im Staatsstalle ist bekannntlich das Dampfroß. Nun denn, die säch sischen Staatsbahnen lieferten einen den Voranschlag übersteigenden Mehrertrag von 7 594 OM (im Jahre 1880 nämlich 3 289 OM, 1881 aber 4 304 OM M.). Damit stieg auch die Verzinsung der in die Eisenbahnen gebauten Staatsgelder. 1879 verzinsten sich unsere Staats bahnen zu 3,870 Prozent, 1879 schon zu 3,750, 1880 aber bereits zu 4,438 und 1881 gar zu 4,571 Prozent. Da der Staat seine An leihen, mit denen er die Eisenbahnen baute, nur zu 4 Proz. verzinst, so macht er damit, abgesehen von dem volkswirthschaftlichen Nutzen derselben, auch noch ein gutes Finanzgeschäft. Fürst Bismarck ist am 2. Juli auf seine Herrschaft Friedrichs- ruh im Sachsenwalde gereist, begleitet von seiner Gemahlin und dem bayerischen Arzt Dr. Schwenninger. Er sah recht leidend aus und gelb im Gesicht; er war in bürgerlicher Kleidung und trug den Schlapp hut in der Hand. In Friedrichsruhe bleibt der Fürst nur einige Tage und geht dann nach Kissingen. Stralsund, 27. Juni. Eine gestern hier abgehaltene Volks versammlung, in welcher der Reichstagsabgeordnete Dr. Max Hirsch einen Vortrag gehalten hatte über die Frage: „Was will und was leistet der Staatssozialismus?" wurde nach der „Strals. Ztg." poli zeilich aufgelöst. In den gastlichen Mauern der alten Hansestadt Hamburg wird in diesen Tagen das erste allgemeine Kriegerfest gefeiert, welches aus allen Gauen Deutschlands ungemein zahlreich beschickt ist. Es ist ein erhebender Gedanke, daß zum ersten Male Mitglieder sämmtlicher deutscher Kriegervereine sich zusammengefunden haben, um sich zu einem baldigen gemeinsamen Zusammenstehen kameradschaftlich die Hand zu reichen und darzuthun, daß die partikularistischen Tendenzen, welche bei einzelnen Vereinen noch mehr oder minder Hervorschauen, allmäh lich den Anschauungen weichen, welche sich im Sinne einer engeren Verbindung der deutschen Kriegervereine geltend machen. Ob schon die Hamburger Festtage zur Gründung eines allgemeinen deutschen Krie gerbundes führen werden, ist zwar aus verschiedenen Gründen noch zu bezweifeln, sicherlich aber werden sie zur baldigen Ausführung dieser Idee lebhafte Anregung geben und die weitere Eutwickelung des deut schen Kriegervereinswesens begünstigen. Ernteaussichten in Ostpreußen. Infolge der fruchtbaren Witterung in der letzten Zeit hat sich die Vegetation sämmtlicher Früchte außerordentlich gehoben und lauten die Berichte, mit Ausnahme einzelner Klagen über Beschädigung durch starke Regengüsse und Hagel, fort dauernd günstig. Der Stand der Sommersaaten berechtigt fast durch weg zu den größten Hoffnungen und auch die Kartoffelfelder lassen Nicht« zu wünschen übrig. Aus allen Ländern des Mittelmeeres laufen Nachrichten über Quarantäne und Schutzmaßregeln gegen die Cholera-Einschleppung «-in. Die Regierungen Frankreichs, Italiens, Oesterreichs, Griechen lands und der Türkei sind in dieser Hinsicht mit aller Entschiedenheit vorgegangen; über die von englischer Seite getroffenen Vorkehrungen verlautet aber bisher nur wenig. Inzwischen melden in Paris einge troffene Depeschen aus London das Auftreten der Cholera in Kairo. Andererseits wird aus Alexandrien die Nachricht übermittelt, daß die Auswanderung aus dieser Stadt wächst, daß die französischen, öster reichischen und englischen Dampfer gefüllt abgehen, und daß bereits für nächste Woche alle Plätze bestellt sind. Zugleich wird aus Kairo gemeldet: „Die Aerzte in Damiette weigern sich, den Konsuln die Zahl der täglichen Todesfälle mitzutheilen. Die Konsuln haben einen Pro test an den Khedive gerichtet. Eine große Anzahl Truppen ist abge sandt worden, um den sanitären Cordon um Damiette herunm zu ver stärken." Da die Bevölkerung in der Stadt Damiette sich auf etwa 34,000 Einwohner beläuft, muß die Epidemie dort mit großer Stärke auftreten, was auch dadurch bestätigt wird, daß nach einer Meldung der „Times" aus Alexandrien vom 27. v. M. an den vorhergehenden Tagen zusammen von 114 Todesfällen 80 durch die Cholera veran laßt wurden. Die in Konstantinopel gegenwärtig stattfindenden Be- rathungen der Diplomatie werden jedenfalls bald helleres Licht über die wirkliche Situation verbreiten. — In Damiette starben am 2. Juli 141, in Mansura 14, in Port Said 5 Personeu. — Am 3. Juli starben in Damiette an der Cholera wieder 110 Personen. Ein betrübender Unglücksfall trug sich in Linthouse (Schottlands bei dem Stapellaufe des Dampfers „Daphne" zu, indem das Schiff umschlug und gegen 1M Personen im Wasser umkamen. Vaterländisches. — Weistropp wird nächsten Sonnabend zahlreiche Gäste beher bergen. Der Dresdner Künstlerverein Mappe wird an diesem Tage Nachmittags 2 Uhr mit Extradampfer in Niederwartha eintreffen und von da hinauf nach Weistropp marschiren, wo in Gestalt einer Bau ernhochzeit ein ländliches Fest abgehalten werden soll. An drolligen Kostümen und Szenen wird cs dabei sicher nicht fehlen, wenn nicht die gegenwärtige tropische Hitze dem Humor Eintrag thut. — Ueber den Stand der Weinberge und Weingärten Sachsens im Elbthal wird offiziell berichtet, daß der zurückgebliebene Rebenwuchs und Fruchtansatz durch die günstigen Witterungsverhältnisse der letzten Wochen seine Normalzeit richtig eingeholt hat. Die Blüthe verläuft richtig, war jedoch dieses Jahr der kühlen Näcbte wegen von längerer Dauer. In das Blaue namentlich ist hier und da etwas Made gekom men. Der Traubenansatz ist im Ganzen nicht groß, Weißes ist durch weg wenig, vom Blauen hat namentlich „Gutblau" reichlich angesetzt. Die Ernteaussichten bei gutem Witterungsfortgang versprechen nur einen mittelmäßigen Ertrag, dagegen wird eine vorzügliche Qualität erhofft. — Am 30. Juni wurden auf dem Vereinsglückschachte in Ocls- nitz die Bergarbeiter Hilbig und Glatz beim Arbeiten am Orte ver schüttet. Hilbig wurde vollständig von der der hereinbrechenden Masse bedeckt und getödtet; Glatz wurde nur bis an die Brust verschüttet, aber auch er gab nach 1^ Stunden seinen Geist auf. Beide Verun glückte waren verheirathet, Hilbig hinterläßt 4, Glatz 6 Kinder. — Am 1. d. Nachm. ertrank in dem zum Kästner'schen Gute im Stadtantheil Marienthal gehörigen Teiche der 13jährige Sohn des Maurers Claus in Zwickau, Gust. Adolf Claus, im Bade. — Die in der I. Bürgerschule in Wurzen ausgebrochene Augen krankheit greift immer mehr um sich und sind seit vorigen Freitag ca. 1M neue Erkrankungen unter den Schulkindern zu konstatiren gewesen. — Am 2. d. Nachm. ertrank beim Baden in der Mulde bei Canitz der in Nischwitz geborene 18jährige Dienstknecht Aug. Eule. — Mit dem 30. Juni hat das k. Amtsgericht zu Reichenau zu sein aufgehört und die Ueberführung der Akten und Depositenbestände nach Zittau geendet. Bei der Ueberführung der Geldpackete sollen die Kassenbeamten den Abgang eines Packeis mit 25,000 M. in Bank noten in Zittau wahrgenommen haben, inzwischen war aber das ver lorene Packet im Reichenauer Gerichtsgebäude aufgefunden worden. — Aus dem Erzgebirge schreibt man jetzt, daß die Hoffnung auf eine reiche Heidelbeerernte, zu welcher der überaus günstige Verlauf der Heidelbeerblüthe berechtigte, leider nur in sehr beschränktem Maaße sich erfüllen werde, da nur ein geringer Ansatz übrig geblieben ist. Gegenwärtig steht die Preißelbeere, deren Bedeutung für den Versandt noch wichtiger ist, in der herrlichsten Blüthe. — Dresden. Freitag Abend gegen 11 Uhr ist gelegentlich der Venetianischen Nacht ein unbekannter Mann zwischen Hotel Bellevue und der Quaimauer herab in die Elbe gefallen und ertrunken. — Seit Freitag Abend 10 Uhr wird ein 12 Jahre alter Knabe vermißt, welcher mit seiner Mutter zur Besichtigung der Illumination bei Hel bigs am Terassenufer sich aufgestellt hatte. Es ist möglich, daß er bei dem enormen Andrang des Publikums unbemerkt in die Elbe ge stürzt ist. — In Reichenbach ist es gelungen, eine Friedhofsdiebin dingfest zu machen. Dieses Weib hat sich nicht gescheut, die von einem Grabe gestohlene seidene Schleife, die noch dazu bedruckt war, umfärben zu lasten, und diese dann zum Ausputz eines ihrer Kleidungsstücke zu verwenden. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am 7. Sonntage nach Trinitatis predigt Vorm. Herr ?. vr. Wahl. Nach dem Vormittagsgottesdienst soll eine Collecte für das rauhe Haus in Hamburg gesammelt werden. Nachmitt. 1 Uhr Katechismusunterredung mit der korfirmirten Jugend. Eine täglich erscheinende größere Zeitung Dresdens sucht für Wilsdruff und Umgegend einen zuverlässigen Lokalkorrespondenten. Offerten befördert die Annoncen-Expedition von Kuckolf l^orso in Dresden unter » « 5S6S (Dr. 10296.) Ein kleiner weißer Pudel ZLÄ LLÄ zugelaufen. Gegen Erstattung der Futterkosten und Jnsertionsgebühren abzuholen bei Max Lamm, Obersteinbach bei Mohorn. 1 freundliche Oberstube mit Zubehör ist zu vermiethen und sofort zu beziehen am Markt Nr. SV. Ein ehrliches, ordentliches Mädchen von 16—17 Jahren wird gesucht Dresdnerstraße No. 235 Part, links.