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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.06.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080615010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908061501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908061501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-06
- Tag 1908-06-15
-
Monat
1908-06
-
Jahr
1908
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Rr. 164. 162. Jahr«. Leipziger Tageblatt. Montag, iS. Juni 1668. sich daS Recht in Anspruch, zur Frage des schnelleren Ausbaues der Flotte selbständig Stellung zu nehmen." Kommerzienrat Deichmann bat die Versammlung, diese Re- solution möglichst einmütig anzunehmen. (Lebhafter Beifall.) — Ober- Präsident v. Jagow, der sichtlich der geistige Leiter der Tagung war, kührtr auS: Die Resolution enthält das Wort „nationalpolitisch". Außer uristischen Bedenken habe ich noch di« weitere Beanstandung, daß es »edcr.klich ist, das Wort „politisch" überhaupt in die Flottenvereinssach« stineinzubringen. Ich mochte aber die Gegensätze, die nun einmal vor- ' jenen, nicht noch verschärfen, wenn ich auch das Wort „nationalpolitisch" nicht schön finden kann. Ich werde daher für die Resolution stimmen. sLcbhafrer Beifall.) Es folgte eine längere Aussprache, in der fast sämtliche Redner ihr E i nv e r st ä u d n i s mit der Resolution bekundeten. Unter wiederholtem stürmischen Beifall wurde daraus die vorgelezte Resolution fast einstimmig angenommen. Nun schritt man zu dem Hauptpunkte der Tagesordnung, der Wahl des Präsidiums. Der frühere Vorsitzende, Fürst Salm, und der frühere geschäfts führende Vorsitzende, General Keim, wohnten der Verhandlung nicht bei. Zunächst steht die Neuwahl des Präsidenten für Len in Kassel zurück getretenen Fürsten Salm an. Ter Vorstand brachte folgenden Vorschlag: Ter Fürst Salm wird zum Präsidenten wiedergewählt, und für den Fall, daß er aus irgendeinem Grunde die Wahl ablehnen sollte, wird Ad miral Köster-Berlin zum Vorsitzenden gewählt. Der erste Vorschlag, den Fürsten Salm wiederzuwählen, findet stür mischen Beifall. Der Fürst wird einstimmig zum Vor sitzenden wiedergewählt. Der Vorschlag, einen Eveniualpräsidenten in der Person des Ad mirals v. Köster zu wählen, wird aber beanstandet. — Kommerzienrat D e i ch ma n n-Köln und andere sind der Meinung, daß man den Fürsten Salm mit einer solchen Eventualwahl eines eventuellen Nach- folgers in ein Zwangslage triebe. Auch mache man es dem Admiral v. Köster schwer und geradezu unmöglich, eine solche Eventualwahl an- zunehmen. — Schließlich wurde die Eventualwahl des Admirals v. Köster mit schwacher Mehrheit genehmigt, und zwar mit 98 gegen 94 Stimmen. Es folgten sodann die Neuwahlen der übrigen Mitglieder des Präsi- diums. — Kommerzienrat D e i ch m a n n - Köln: Wir sind mit dem Fürsten Salm seinerzeit vom Präsidium zurückgetreten und haben uns solidarisch erklärt. Wir sind also gebunden und können eine Neuwahl nicht annebmen. Es fragt sich nun, wie die Sache sich gestaltet, wenn der Fürst Salm die Wahl annimmt. Unseres Erachtens steht dem nichts entgegen, daß er die Wahl annimmt. Es wäre sogar gut, wenn er an die Spitze des Flottenvereins tritt und mit neuen Vorstandsmit gliedern das Flottenschiff weiterführt. Was nun uns andern Vorstands mitglieder anlangt, so habe ich mich telegraphisch an meine früheren Kollegen gewendet. Ter Baurat K y l lm a n n-Berlin und Admiral Th o m p s o »-Berlin haben mir erklärt, daß sie auf keinen Fall eine Wiederwahl annehmen würden. Vor allem müssen wir aber einen Namen voranstcllen, den Namen des Generals Keim. Auch der Gene ral Keim gehört zu unseren alten lieben Kollegen. Unsere Pflicht wäre es nun, ebenso wie wir den Fürsten Salm wiederaewählt haben, auch den General Keim wiederzuwählen; ich habe bei General Keim an gefragt, ob er eine Wiederwahl annehmen würde, er hat mir aber eine ablehnende Antwort erteilt. (Hört, hört.) Darauf wurde an General Keim folgendes Telegramm ge richtet: „General Keim-Wehlen (Sachsen): Die heutige Versammlung des Deutschen Flottenvereins bringt Ahnen für Ihre unvergleichliche Tätigkeit, durch welche Sie so viel zur Blüte unseres geliebten Flotten vereins beigetragen haben, herzlichsten und wärmsten Dank dar und gibt ihrem dankbaren Empfinden Ausdruck für Ihren hochherzigen Be schluß, der die Einheit im Flottenverein wiederherstellt." Die Wahl der übrigen Mitglieder des Präsidiums, die geheim er folgte, hatte folgendes Ergebnis: Zum ersten Vizepräsidenten wurde gewählt Exzellenz v. L i eb er m a n n - Kassel, zum zweiten Vizepräsidenten Kommerzienrat K ö r n e r - Nürnberg, zum ge- ichäftsführenden Vorsitzenden, an Stelle des General Keim Konteradmiral W e b e r - Berlin, zum stellvertretenden geschäftsführenden Vorsitzenden Oberst Schwarzen berger- Danzig, zum Hauptschatzmeister Geheimrat Karl V. d. H e v d t - Berlin. — Zu Beisitzern wurden gewählt: Geheimrat v. Pflaum- Stuttgart, Direktor Schweckendieck- Dortmund, Dr. Merck- Darmstadt, Präsident Klein- Bonn, Exzellenz v. d. Planitz. Dresden, Kommerzienrat Schillbach - Greiz, Rcgierunasrat Köhne- Hannover und Rat S ch m i d t - Hamburg. — Zu Rechnungs ti rüfern wurden gewählt: Kommerzienrat Tannenbaum- Hannover und Hauptmann Jasper-Bernau; zu Ersatzmännern: Kommerzienrat L eh m a n n - Braunschweig und Geheimrat Hintze- Potsdam. Es wurde dann zur Wahl des Ortes für die nächste Tagung geschritten. — General T h a e t e r - Hkürnberg ladet die Versammlung freundlichst ein, im nächsten Jahre im Bayernlande, in Nürnberg, zu tagen. Es wird dies eine Art Garantie sein, Vergangenes vergessen zu machen. Im übrigen ist dies das erste Wort, das von Bayern aus ge'prochen wird. Nehmen Sie das als ein gutes Zeichen für die wiederhergestellte Einigkeit an. sLebhafter Beifall.) Geheimrat B us ley-Berlin: Ich erkläre, daß die nächste Tagung in Bayern stattfinden wird. (Stürmischer Beifall.) Es wird nun zum nächsten Punkt der Tagesordnung übergegangen, zu dem Anträge, den Fürsten Salm zum Ehrenpräsidenten zu wähle» und den General Keim zum Ehrenmitaliede zu ernennen. — Geheimrat Vuslev: Diese Angelegenheit ist Sache des Präsidiums, das sich noch nicht konstituiert hat. Ich bitte Sie deshalb, die Sache von der Tages- ordnung abzusetzen und die Angelegenheit dem Präsidium zu überwesten. — Die Versammlung stimmte diesem Vorschläge ohne Widerspruch zu. Darauf gelangte noch folgende Resolution zur Annahme: Die heutige Versammlung des Deutschen Flottenvereins spricht den hoch verdienten Mitgliedern des zurückgclretenen Präsidiums, insbesondere dem Fürsten Salm und dem General Keim, ihren Dank aus für die unentwegte und unermüdliche Tätigkeit und für die Besonnenheit, mit der sie den Flottenverein ausgebreitet haben. (Lebhafter Beifall.) Damit Ist die Tagesordnung erschöpft. Es folgen die üblichen Tank- reden. Geheimrat Bußley dankt der Versammlung für den versöhnlichen Geist, der sich gezeigt habe und schließt dann die Tagung mit einem Hoch auf den gute» Geist, der immer im Flottenverein geherrscht habe und auch weiterhin darin herrschen werde. (Stürmischer, anhaltener Beifall.) Damit hatten die Verhandlungen um 4 Uhr ihr Ende erreicht. Am Montag findet ein Ausflug der Teilnehmer nach der Küste statt, wo der Raketenapparat vorgeführt werden wird. Nachmittags sollen Hela und das Seebad Zoppot besucht werden. Für den Dienstag ist eine Fahrt nach Marienburg geplant und für den Mittwoch eine Sonderfahrt nach Schweden und Dänemark. * Danzig, 14. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Beim Festmahl lief folgendes Telegramm des Prinzen Heinrich von Preußen ein: Hemmelmark. An Geheimrat Busley. Ihnen und Raven« danke ich zunächst für die bisherige Mühewaltung, welche Sie auswandten zur Wetterführung der Geschäfte des Flottenvereins. Ferner bin ich dankbar und hocherfreut über das glänzende Ergebnis des heutigen Tages, welches die Gesämtinteressen des Vaterlandes über die Sonderinteressen stellt. Mit dem Wunsch, daß es dem Flotten verein gelingen möge, in stiller, einmütiger Arbeit das deutsche Volk von der Notwendigkeit der Erstarkung des nationalen Werkes auf klärend zu überzeugen, verspreche ich, dem Flottenverein auch ferner hin ein treuer Schützer sein zu wollen, und entbiete ich der Hauptver sammlung meinen aufrichtigen Dank und sehr herzlichen Gruß. Heinrich, Prinz von Preußen, Protektor. Ferner lief nachstehendes Telegramm des Großadmirals von Köster ein: Hocherfreut über den erhebenden Verlauf der Hauptversammlung, beglückwünsche ich die anwesenden Mitglieder zu dem glänzenden patrio tischen Erfolg und gebe mich zunächst noch der Hoffnung hin, daß Fürst Salm, gestützt auf die hervorragenden Leistungen des Vereins unter seiner Leitung, die Wiederwahl annehmen wird. Das in mich gesetzte Vertrauen gereicht mir zu hoher Ehre. Köster. Deutsches Reich. Leipzig, 1b. Juni. * Der Bundesrat hat beschlossen, dem Abs. 5 des 8 19 der Schaumweinsteuer - Ausführungsbestimmungen fol gende Fällung zu geben: „Die Direktivbeborde kann ferner gestatten, baß bei Schaumwein, der unmittelbar ober nach vorübergehender Lagerung in einem Zollager in das Ausland ausgeführt werden soll, von der Abfertigung der Packstücke abgesehen und der Begleitschein Lediglich auf Grund der Anmeldung des Fabrikinhabers ausgefertigt wird. In diesen Fällen ist bei der Ausgangsabfertigung und bei der Abfertigung zu und von dem Lager die im Begleitschein angemeldete Schaumweinmcnge ohne Oeffnung der Packstücke als vorgefunden an- Mnehmen, sofern die Packstücke nach Zahl, Verpackungsart, Zeichen und Nummer mit dem Begleitschein übereinstimmen und kein Grund zu dem Verdachte vorliegt, daß ihr Inhalt von der Anmeldung abweicht. Tie Verbringung des Schaumweins an Bord von Kriegsschiffen zum Verbrauch außerhalb der Zollgrenze ist der unmittelLsren Ausfuhr , gleichzuachten. * Zur Reichssinanzreform schreibt die „Zentralkorresp.": „Nach dem nunmehr Reichsschatzsekretär Sydow seine Sondierungsreise be endet hat, tauchen da und dort bereits Kombinationen über die Reichs- finanzreform auf, die entweder ediglich einem stillen Wunsche Ausdruck geben, oder aber der Kategorie Politiker zuzuschreiben sinb, die gern das Gras wachsen hören. Tatsächlich ist es dem Reichsschatzsekretär nicht leicht geworden, die Bundesstaaten für verschiedene seiner neuen Projekte zu erwärmen, hauptsächlich da, wo es sich um etne Erhöhung der Biersteuer gebandelt hat, die Len Ausfall aus der Zuckersteuer aufbringen soll. Dieses Projekt dürste denn auch in Wirklichkeit gar nicht das Licht der Welt erblicken. Daß die P o st in der Reform eine große Rolle spielen wird, darüber ist man sich schon mit Bestimmtheit klar, doch ist es keineswegs wahrscheinlich, baß hierbei eine Erhöhung der Telegrammgebübren in Frage kommt, vielmehr scheint der Staats- sekretär eine Erhöhung der Zeitungsgebühren in Vor- 'chlag bringen zu wollen. Diese Erhöhung dürfte immerhin beträchtlich sein, denn nach den statistischen Nachweisen setzt die Post hinsichtlich der Zeitungsbeförderung ungefähr 30 Millionen zu. Der Begriff „Reichsbetrieb" dürfte überhaupt bei den Reformen eine große Rolle spielen. Als sicher ist dagegen hinzuneümen, daß der Tabak und Branntwein einen nicht unbeträchtlichen Teil des Defizits werven decken müssen. Auch die Jahrkartensteuer taucht ,n dem Pro bleme auf und soll zu einer Erhöhung derselben hinsichtlich der vierten Wagenklasse führen, wohingegen die erste und die zweite Klasse ent- lastet werden sollen. Bei diesem Projekt dürfte es zu lebhaften Aus einandersetzungen kommen, ebenso wie bei den Telephon gesprächszählern, die sich kaum der Gunst der Mehrheit er- erfreuen dürften. Schließlich wird die von den Konservativen ge wünschte Ä ö r s e n u m f a tz st e u e r als meisttragende Steuer in der Reform erscheinen. Daß der Reichsschatzsekretär das Branntwein monopol und die Banderolen steuer zurückgezogen hat, ift durchaus nicht, wie verschiedentlich behauptet wird, ein Faktum, viel mehr hat er dahingehende Pläne für eventuelle Fälle in Reserve ve- halten. Die Summe der geforderten neuen Steuer soll sich gutem Ver nehmen nach auf 500 000 000 .ii belaufen, womit er das Gleichgewicht wiederherzustellen in der Lage sein will. * Ministerkrisis in Bayern? Aus München wird dazu weiter ge meldet: „Zwischen der Regierung und dem Zentrum andererseits sind ernsthafte Schwierigkeiten entstanden wegen der Gehaltsauf besserung der höheren und höchstenBeamten im neuen Gehaltstarif, die der Ministerpräsident Freiherr v. Podewils im Ab geordnetenhaus als unerläßlich bezeichnet hat. Der „Bayrische Kurier" von heute abend will, ohne die Gründe der Krisis zu nennen, bereits aus bester Quelle erfahren haben, daß zwei Ministersessel bedenklich ins Wackeln geraten seien, hofft aber, daß man die Minister gewissen Quer treibereien gegenüber nicht opfern werde. Da das Blatt den Münchener Poffzeidirektor Freiherrn von der Heydte als Liebhaber für ein Ministerportefeuille nennt, so käme für die Krisis auch das Kultus- Ministerium in Frage, dem Herr von der Heydte, ?er8orra «rrrtissämm beim Regenten, früher als Kunstreferent angehörte, ehe er die Münchener Polizeidirektion als Durchgangsposten übernahm. Seit längerem schon gilt er als ein kommender Mann in Bayern. Der offene Konflikt, in den der Kultusminister durch schroffe Erklärungen in der GehaltSfrage der Lehrerschaft gegenüber geraten ist, kommt bei der starken Deckung dieses Ministers durch das Zentrum nur sekundär in Betracht, wird aber wieder akut, wenn die Vorlage an den Neichsrat kommt." * Russische Studenten in Berlin. Russische Studenten der poly technischen Hochschule in Petersburg haben unter Führung eines Pro fessors eine Studienreise angetreten, welche sie auch nach Deutschland führen soll. Gegenwärtig sind sie in Riga eingetroffen und werden über Warschau die Fahrt nach Berlin antreten. Sowohl hier als auch in Hamburg sollen die wichtigsten technischen Etablissements besucht werden. * Zum Vorgehen der bayerischen Mctallindustricllen gegen ihre An gestellten hat eine Versammlung des Berliner Kreisvereins des Ver bandes deutscher Handlungsgehilfen zu Leipzig folgende Resolution ge faßt: „Die Versammlung des Kreisvereins Berlin im Verbände Deut scher Handlungsgehilfen zu Leipzig. 85 000 Mitglieder, davon 6700 in Berlin, erhebt entrüstet stärksten Widerspruch gegen die vom Verband bayerischer Metallindustricller verhängte Sperre über die Mitglieder von Handlungsgehilfenverbänden. Die Versammlung erblickt in diesem Angriff auf die Vereinigunitsfreiheit eine Vergewaltigung der Hand lungsgehilfen und die Unterbindung ihres Fortkommens. Das an vielen Stellen noch bestehende gute Einvernehmen zwischen Prinzipalen und Gehilfen wird durch ein solches Vorgehen vernichtet und der zwischen beiden Teilen bestehende Gegensatz wird künstlich verstärkt. Aus diesem Grunde erwartet die Versammlung die sofortige bedingungslose Zurück nahme der gefertigten Klausel." * TaS deutsche Zrugversonal. Vom 1. Oktober d. I. an findet eine veränderte Ergänzung des Zeugpersonals statt. Bor bereitet war diese Aenderung durch eine kaiserliche Kabinetts-Order vom 31. März d. I. Sie wird jetzt durch Aussührungsbestimmungen der verschiedenen Kriegsministerien weiter in die Wege geleitet. Beför derungen zu Zeugseldwebeln finden in Zukunft nicht mehr statt, da auf der Oberseuerwerkerschule das Personal im Verwaltungsdienst vorgebildet wird. Absolventen dieser Schule, dort vorgebildete Elemente, werden das Zeuapersonal ergänzen. Bis jetzt lieferten Feld- und Fußartillerie die Zöglinge der Oberfeuerwerkerschule allein, und zwar zur Vorbereitung auf den Dienst des Feuerwerkspersonals. Soll daher die Oberfeuerwerkerschule das Zeugpersonal ergänzen, so müssen auch Anivarter anderer Waffen herangezogen werden, was mit dem nächsten 1. Oktober der Fall sein wird. Unteroffiziere von der nötigen Vorbildung, die mindestens 2, höchstens 4 Jahre bei ihrer Waffe als'Kapitulanten gedient haben und nicht über 25 Jahre alt sind, werden von diesem Tage ab in einer vom Kriegsministerium zu bestimmenden Zahl zur Feld- oder Fußartillerie kommandiert, um sich die nötigen praktischen Kenntnisse deS Artilleriematerials zu erwerben. Bei Ein jährig-Freiwilligen kann diese Kommandierung schon am Schluß des ersten Dienstjahres erfolgen. Der Kommandierung zur Feld- oder Fußartillerie folgt daun die Zuteilung zur Oberseuerwerkschule, nachdem durch erfolgreichen Besuch der Brigadeschulen der Feldartillerie oder Regimentsschulen der Fußartillerie die Befähigung sür die Aus- nähme in die Oberseuerwerkerschule nachgewiesen worben ist. Für diese Schüler wird eine neue Dienstvorschrift demnächst ausgegeben. Die Neuerung hebt entschieden den Durchschnitts-Bildungsgrad des Zeug personals und erschließt einer größeren Anzahl von Unteroffizieren aller Waffen mit der nötigen Vorbildung auch den Zutritt zur Laufbahn deS Feuerwerks- und Zeugosfiziers, die ihnen ein gutes Auskommen und eine geachtete Lebensstellung sichert. Feuilleton. Au» -em Leben Tommaso Salvini». In Florenz erscheint soeben ein interessantes neues Buch des italie nischen Kritikers Piccini, Las ein charakteristisches Lebensbild entwirft von der Persönlichkeit des großen Bühnenkünstlers und das in einer Reihe anekdotischer Einzelzüge das wilde unbändige feurige Temperament spiegelt, das dem Nestor der italienischen Schauspielkunst in den Jahren semes Auftretens so große Macht über seine Zuhörer verlieh und ihm soviel Lorbeeren eintrug. Salvini, der 1827 in Mailand geboren wurde, hatte seltsamerweise als Kind eine starke Abneigung gegen die Bühne und als Abkömmling von Schauspielern vermied er den Besuch von Vor stellungen, wo er nur konnte. Bisweilen zogen seine Eltern den Knaben zu Statistendienjlcn heran; aber das waren für den jungen Tommaso Stunden der Qual und Pein, vor dem Publikum, dem vielköpfigen dunklen Ungeheuer, packte ihn stets eine lähmende unüberwindliche Angst, die noch lange nachwirkte und die ihn nur mit Entsetzen an sein nächstes Auftreten denken ließ. Aber eines Tages, es war in Forli, vollzog sich ein wunder licher Umschwung. Tommaso trat in einer venetianischen Maskenkomödie auf, irgendeine verängstigte Nebenperson hatte er darzustellen und hier er. wies sich die Furcht des jungen Schauspielers und die Abneigung gegen die Bühne als ein glückliches künstlerisches Anregungsmittel: das Publikum spendete ihm Beifall bei offener Szene und von diesem Augenblicke an gewann Tommaso Mut und Selbstvertrauen und begann den Beruf seiner Eltern, den auch er nun mit größerer Liebe ergriff, zu achten und zu bewundern. Als sein Vater in die Gesellschaft Gustavo Modenas eintrat, begleitete ihn auch der Sohn und im Jahre 1843 erntete der Siebzehn jährige in einer tragischen Rolle zum ersten Male den Beifall des Floren, tiner und Mailänder Publikums. Als sein Vater starb, verließ auch bald der Sohn die Gesellschaft Modenas. Ein wunderlicher Streitfall war der Anlaß; cS handelte sich um die alte Perücke, die sein verstorbener Vater zu Lebzelten getragen hatte und die nun auch der Sohn in gewißen Rollen pietätoll tragen wollte. Er verlangte die Perücke von der Frau des Direktors, die die Garderobe verwaltete und die Kostüme zusammenstellte, aber die Matrone wollte dem jungen Schall, spielcr das Stück nicht leihen. Am nächsten Abend bei der Vorstellung sah Tommaso Salvini, daß ein anderer die Perücke aufgesetzt hatte, die einst sein Vater getragen. In einem Anfall zorniger Empörung reißt er dem unschuldigen Partner den Haarschmuck vom Kopfe und stürzt damit wütend zu dem Direktor, der die Sache ins Lächerliche zieht und den jungen Tommaso als Knaben behandelt. Am selben Abend noch hat „der Knabe" seine Entlassung emgereicht und »erließ die Truppe. Das war der erste lkt unbezähmbarer Leidenschaftlichkeit, aber nicht zugleich der letzte. Durch daS ganze Leben des großen Tragöden zieht sich eine Kette von kleinen Zwischenfällen und aufregenden Episoden, die den jähzornigen Lharakter, daS zügellose Temperament und da» Aufbrausende im Wesen Salvini» spiegelt. Einmal schlägt er wegen eine» Paares Stiefel einen Kollegen blutig, ein andermal ist eS der Souffleur, der dem unbesonnenen Zorn de« feurigen Manne» ein Opfer wird. Salvini rauchte gemächlich eine Zigarette, blies den Rauch von sich und der Zufall fügt es, daß die Rauch. Wolke das Gesicht des Souffleurs Baccelli streift. Der wittert eine Be leidigung und bietet dem Tragöden Ohrfeigen an. Salvini springt auf: „Mir?" „Jawohl", und der Souffleur macht den Gestus des Schlagens. Außer sich vor Zorn stürzt Salvini sich auf den andern, er bearbeitet ihn mit furchtbarem Fausthieb und zerschmettert ihm den Unterkiefer. Dann eilt er davon. Pietro Monti eilt ihm später nach, und als Salvini da» ernste und bestürzte Gesicht des Freundes sieht, fällt ihm der Zwischenfall wieder ein: „Und nun?" fragt er, „was hast du mir zu sagen, sprich, ich glaubte schon, ich hätte den Baccelli erschlagen. . . ." Seine Körperkräfte waren außerordentlich, und mehr als einmal hat er davon Beweise geliefert. Als eines Abends Adelaide Ristori plötzlich erkrankte, nahm Salvini sie auf den Arm und trug sie bis in die Wohnung, die ziemlich entfernt lag, ohne auSzuruhen. Ein andermal kam er, in Gegenwart einiger Freunde, auf den übermütigen Einfall, eine Equipage anzuhalten. Er sprang von hinten an da» Fuhrwerk, packte die Hintere Achse der Räder und zog mit einem solchen Rucke, daß die beiden Pferde stehen blieben. Der Kutscher wird wütend und Salvini erhält einen Peitschenhieb. Aber wie ein Tiger stürzt sich nun der Tragöde auf den Nosselenkcr, er packt ihn bei den Schultern und schüttelt ihn mit so großer Erregung, in so blindem Zorne, daß Rock, Hemd und Krawatte zerfetzt werden und Salvini die Stücke in den Händen behält . . . Inzwischen war Salvini berühmt geworden und die Bewunderung des Publikums stachelte ihn zu immer wachsender Ent- faltung seiner gewaltigen Kräfte an. Einmal, es war in Bologna, drohte ein komischer Zwischenfall eine der schönsten Szenen auS „Zaira" zu ver- Nichten. Salvini hatte ein Kostüm als Janitscharengeneral angelegt, das er von einem Antiquar erstanden hatte und auf daS er sehr stolz war. Als aber der Vers kam: „Doch ehe du zustößt, hasse mich, warte", da kam wieder einmal der Geist über Salvini, und in dem Wort „warte" preßte er die ganze elementare Wucht seines Seins und die ganze Stärke seiner Stimme. Allein das rächte sich, der Gürtel seines Gewandes löste sich und der große, mit kostbaren Goldstickereien reichlich geschmückte breite orientalische Losenlatz verlor seinen Halt und begann zu sinken. Der Tragöde war wütend, sein Zorn und sein Aerqer werteten sich um zu edler Leidenschaft, und einen solchen Zauber übte die erregungSdurch- wehte Persönlichkeit des Künstlers auf die Menge, daß niemand lackte und so die Situation gerettet wurde. O * Reelam-Jubilänm. Al» Sonderabdruck au» dem „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel" erscheint soeben ein Heft, in dem der Leipziger Schrift steller I. HaarhauS über da» Jubiiöum der Reclamschen Universalbibliolhrk berichtet. Wie darin mitgeteilt wird, hat man schon deshalb von einer größeren festlichen Veranstaltung absehen müssen, weil der Srniorchef de» Hauses zurzeit durch Krankheit an seine Wohnung gefesselt ist. Tie Aus gabe der 5000. Nummer batte da- HouS Rrclam durch eine Serie vor- bereitet, in der kleine Werke von Richard Voß. Wilhelm Ostwald, Adolf Wilbrandt, Paul Bourgrt, Heinrich HanSjakob, Leopold v. Ranke und Otto Ernst sich finden. Auch sind neue Einbände nach Entwürfen von Peter BebrenS ringesührt worden. Sine größere Ehrung für den Herausgeber der Universalbibltothrk hatte der Senior unter den literarischen Mitarbeitern de» Berlage-, Geheimer Hosrat Dr. Rudolf v Gottschall, in die Weg« geleitet, Er hatte rechtzeitig vor dem Jubeltage an nahezu alle an der Volksbildung inter- eisierten Männer und Frauen Deutschlands je einen Aufruf mit einem von dem Empfänger auszufüllenden Albumblatt versandt. Von diesen Blättern sind schon mehr als 1200 zurückgekommen und täglich laufen noch weitere ein. Außer den Koryphäen der Literatur, Wissenschaft und Kunst haben auch bedeutende Buch händler sich über den Nutzen der Universalbibliothek geäußert. * Agne» Sorma wird zu Beginn der nächsten Saison, und zwar nm 26. September, im Berliner Kleinen Theater die Titelrolle eines englischen Lustspiels, „Lady Frederick" von Maughan, kreiren. Das Stück hat am Londoner Garrick-Theater mit Ethel Irving, der Tochter Henry Irvings, dreihundert Aufführungen erlebt. ES hat eine fehl scherzhafte Hauptszene: eine reife, schöne Frau macht sich häßlich, um einen guten Jungen, der in Liebe zu ihr entbrannt ist, von seiner Schwärmerei abzubringen. Frau Sorma nimmt das Lustspiel nach der Berliner Premiere auf eine Tournee durch deutsche Städte mit. Musikchronik. Die König!. Kammersängerin Ida Hiebler scheidet mit Ablauf dieser Spielzeit von der Berliner Hofoper, der sie seit 1887 an- gehörte. Die Künstlerin gedenkt nur noch gastierend und in Konzerten aus- zntrrten. — Der Kölner Männergesangoereiu hatte in London, in QueenS Hall, mit Hegar» „Totenvolk" und anderen Chören großen Erfolg. — Cbopins sterbliche Ueberreste sollen aus Parts, wo rr am 17. Oktober 1849 gestorben ist, nach seinem Geburtsort Warschau überführt werden. Der Warschauer Chopin-Verein hat die Ueberführung und Beisetzung Chopins in einem Ehrengrab in Aussicht genommen und bereit- eine Abordnung nach Pari- entsandt. Der Verein ist im Besitz einer großen Zahl wertvoller Chopin-Andenken, Briefe und Kompositionen in der Originalhandschrist, die er zu einem Chopin-Museum zu vereinigen gedenkt, ebenso ist die Errichtung eines Chopin-Denkmals geplant. * Kleine Chronik. Ernst Schelling» „8uito kantastiguv" für Klavier und Orchester, die auf dem Münchener Tonkünstlerfeste großen Erfolg hatte, er scheint im Berlage von D. Rahter in Leipzig. — Btctorien Sardou, der Doyen der französischen Dramatiker, wird, wie die Direktion deS Berliner Neuen Schauspielhauses mitteilt, zu Beginn der nächsten Spielzeit nach Berlin kommen, um den Proben und der Erstausführung seiner satirischen Komödie „Rabagas" beizuwohnen. Die genannte Bühne will da» Stück, da» in den sechziger Jahren de- vorigen Jahrhunderts entstanden ist, im Milieu dieser Zeit inszenieren. — Peter Riedel» Drama „Wieland der Schmied", da» die bekannte Sage unabhängig von früheren Bearbeitungen zu verwerten sucht, sand bei der Uraufführung im Prager Deutschen Theater eine beifällige Aus nahme. — Der Hofopernsänaer Hermann Jadlowker vom Hostheatrr in Karlsruhe ist nach erfolgreichem Gastspiel unter den günstigsten Bedingungen au da- Berliner Königliche Opernhaus engagiert worden. — Im Juni heft der „Kulturfragrn", Monatsschrift für den deutschen Kauf- manu, Herausgeber: Johannes Buschmann, Verlag von Georg D. W. Callwev in München (Vierteljahr-Preis 1,50 begründet Josef Reif daS „Recht auf Zeit", da» dem Arbeiter wie dem kaufmännische»! An gestellten zustrbt. Dr. Leonhard Holz weist auf da» „Interesse d»S Kaufmann» an der Zivilprozeßreform" hin. „Bom Wesen und Wert der Arbeit" spricht Ad. Teutenberg und Christian Grotewold schreibt über den „Liberalismus". Eugen Tbari hat einen Beitrag „Bom Bolk-lted tn der Gegenwart" beigesteuert und de» Professor« Max Schnridewin famose» „Neudrutsche» Nationalltrd" glossiert Eugen »alkschmidt, der auch einen „Uhdeartikel" geschrieben hat. (Kritiken siehe 8. Seite.)
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