Volltext Seite (XML)
fahren den besten Erfolg haben, denn durch die der Erde innewoh nende Feuchtigkeit wird die Ausdünstung des Eies durch die Brut wärme ersetzt und die unterlegten Eier werden, wenn sonst sie be fruchtet sind, sicher auskommen. Schein und Sein. Erzählung von Ferd. v. Döbeln. Fortsetzung. Aber ebensowenig als die in der Residenz Zurückgebliebenen konnten Alfred und Konstanze die Ruhe finden. Letztere zog sich in ihre Zimmer zurück; Alfred aber fühlte sich zu bedrückt in den engen Mauern, ihn zog es hinaus in die stille, sternenhelle Nacht, nnd so schlich er sich zu einer Seitenpforte hinaus. Er schritt der an der Ostseite gelegenen Grotte, seinem Lieblings platze, zu; doch kaum war er hundert Schritte vom Hause entfernt, als er hinter sich leichte Schritte hörte, und sich umschauend, gewahrte er den Verwalter Erdmann, welcher einen Revolver in der Hand hielt. „Mein Gott," fragte Alfred, „was thnn Sie so spät hier? Und was soll die Waffe?" „Still," flüsterte Erdmann, „kommen Sie etwas in das Gebüsch." Dort angekommen, begann er: „Herr Sekretär, der Schurke Harting, der frühere Hausverwalter, umschleicht seit einiger Zeit unter sehr verdächtigen Umständen das Schloß; ich habe ihn, trotz des langen Mantels, in welchen er sich gehüllt hat, doch erkannt." „Wie?" rief Alfred erschrocken, „was hat der Schurke hier zu schaffen?" „Er schlich an die Fenster der Zimmer, welche die gnädige Frau bewohnt, und -- doch still," unterbrach er sich. Er faßte Alfred fest am Arme und deutete nach einer Gestalt, die sich vorsichtig an dem die Ostseite des Schlosses einfassenden Strauchwerke dahinschlich und endlich an den Fenstern der Zimmer, die die Frau von Elsfeld während ihrer Krankheit bewohnte, Halt machte. „Der Schurke macht seine Rechnung ohne den Wirth," flüsterte Alfred, „er scheint nicht zu wissen, daß Frau von Elsfeld die die darüber liegendenssZimmer der ersten Etage bewohnt." „Was mag er nur wollen?" fragte Erdmann. „Etwas Gutes ist's gewiß nicht, denn der Elende ist sein Lebtag nicht auf geraden Wegen gegangen." Jetzt trat der Mann etwas vom Hause zurück. Als er in den Zimmern der ersten Etage Licht erblickte, blieb er einige Augenblicke unentschlossen stehen, dann schlich er, von den Blicken Alfred's und Erdmann's verfolgt, nach dem Hofe, und kehrte bald darauf mit einer Leiter zurück, welche er unter den erleuchteten Fenstern vorsichtig anlehnte und sich bereit machte, hinaufzusteigen. Doch kaum hatte er einige Sprossen erklommen, so eilten Alfred und Erdmann mit Blitzesschnelle herbei. „Steh' Schurke!" rief ihm Alfred entgegen, während Erdmann ihm zugleich den geladenen Revolver auf die Brust setzte. Es ist eine vielfach erwiesene Thatsache, das die schurkischsten Verbrecher, die bei Ausführung ihrer Pläne selbst vor dem teuflisch sten Mittel nicht zurückschrecken, auch zugleich die feigsten sind, wenn sie sich unrettbar verloren sehen. So war es auch hier der Fall. Furchtsam und zitternd stand der Elende da; Erdmann hatte sich nicht geirrt, es war in der That Harting. Auch er trug einen Revolver bei sich, doch wurde ihn dieser von Alfred entrissen. Fast willenlos ließ er sich von den beiden Männern nach der Kanzlei führen. „Schurke!" rief ihm Alfred, dort angelangt, zu, „gestehen Sie, welche entsetzliche That hatten Sie vor?" „Gnade, Herr Sekretär," stammelte er, vor Angst bebend, „ich will ja Alles gestehen." „Ihr offenes Bekenntniß allein vermag Ihre Strafe zu mildern. Beabsichtigten Sie einen Racheakt gegen Frau von Elsfeld, oder handelten Sie in fremdem Auftrage?" „Herr von Moslitz hat mich verleitet." „Herr von Moslitz?" fragte erstaunt Alfred, „und zu was soll Sie Der verleitet haben?" „Frau von Elsfeld zu tödten," hauchte er. „Heiliger Gott!" rief Alfred, „wird denn dieser Elende nicht müde, die edle Frau zu verfolgen. Aber," fuhr er nach einer Pause fort, „ist doch Herr von Moslitz in Canada, wie konnte er Sie zu der furchtbaren That verleiten?" „Ich bin in seinem Banne, und durch meine frühere Schuld hat er mich so in seiner Gewalt, daß ich sein willenloses Werkzeug geworden bin. O, üben Sie Gnade an mir, Herr Sekretär. Hier lesen Sie, und Sie werden sehen, daß ich nur gezwungen die That versuchte." Er zog einen Brief aus seiner Tasche, und diesen Alfred über reichend, fuhr er fort: „Möge Gott Ihr Herz zur Milde stimmen —" „Elender, lästere den Namen Gottes nicht," unterbrach er ihn, „zittere vor seiner Gerechtigkeit." Er entfaltete den Brief nnd las: „Sie versprachen mir bei meiner unfreiwilligen Abreise, in Allem, was ich Ihnen auftrüge, zu Dienst zu sein. Jetzt gilt es, Ihr Wort einzulösen. Ich halte es in dem sogenannten „Lande der Freiheit" nicht mehr aus; doch kann ich ans Gründen, die Ihnen gleichgiltig sein können, bei Lebzeiten meiner Schwester nicht zurück. Wie Sie damals, aus Rache wegen Ihrer Entlassung, das Schloß anzünden konnten, so werden Sie wohl auchdurcheinenwohlgezielten Schuß auf meine Schwester meine Rückkehr ermöglichen und mir zugleich die Erbschaft sichern können. Unmittelbar nach Ausführung der That empfangen Sie von mir fünftausend Thaler, mit denen Sie sich ein sorgenfreies Alter schaffen können. Ist aber die That binnen Vierteljahresfrist nicht geschehen, so schreibe ich von hier aus an die dortigen Gerichte und klage Sie der vorsätzlichen Brandstiftung an. Sie haben also die Wahl zwischen einer hohen Summe Geldes und dem Gefängnisse u. f. w." „Entsetzlich!" rief Alfred, nachdem er den Brief zu Ende gelesen, „und Sie nahmen keinen Anstand, sich das Blutgeld zu verdienen? Sie waren es also, der das Schloß in Brand steckte? — Herr Erd mann," fuhr er, sich an diesen wendend, fort, „bewachen Sie den Elenden, ich will Frau von Elsfeld Bericht erstatten." „Gehen Sie, Herr Sekretär," entgegnete Erdmann, indem er den Revolver erhob, „ich bürge dafür, daß er mir nicht entwischt." Alfred wollte gehen, kehrte aber an der Thüre wieder um und sprach: „Nein, Herr Erdmann, wir wollen Frau von Elsfeld wegen dieses Schurken nicht um den Schlaf bringen. Sie erfährt nach dem Erwachen noch früh genug die traurige Kunde." Beide hielten nun bei Harting Wacht. Dieser starrte in furchtbarer Angst vor sich hin und machte auch nicht den leisesten Versuch, seinen Wächtern zu entrinnen. Endlich graute der Tag und die gewöhnliche Frühstücksstunde erschien. Alfred ordnete seine Toilette und begab sich zu Frau von Elsfeld. „Mein Gott, Alfred!" rief sie aus, als sie in sein bleiches, ver störtes Gesicht blickte, „wie siehst Du aus? Bist Du unwohl?" „O nein, meine theure Konstanze," entgegnete er, „doch bringe ich Dir eine gar ernste Nachricht." Er erzählte ihr hierauf, was in der verflossenen Nacht vorgekommen war, und so schonend er es auch that, Konstanze bebte doch zusammen und rief schmerzlich aus: „O, mein Gott, wann werden diese furchtbaren Verfolgungen enden?" Bald gelang es Alfred jedoch, sie zu beruhigen, und auf seine Frage, was mit Harting geschehen sollte, entgegnete sie: „Du wirst Dich nun schon an Selbstständigkeit gewöhnen wüssen, lieber Alfred; thue in dieser Angelegenheit, wie Du für gut befindest." „Ich meine," entgegnete Alfred, „es wird am besten sein, der Gerechtigkeit ihren Lauf zu lassen, damit Du endlich einmal Ruhe vor den entsetzlichen Verfolgungen hast." Frau von Elsfeld war damit einverstanden, und so schickte Alfred denn nach zwei Gensd'armen, die Harting seiner Strafe überliefern sollten. Bald waren diese zur Stelle, und nachdem ihnen Alfred den Sachverhalt erzählt, wurde Harting die Verhaftung angekündigt und wenige Augenblicke darauf schritt der Verbrecher zwischen den beiden Gensd'armen der Stadt zu. Auf der Hälfte des Weges gelangten sie in ein kleines Wäldchen, dessen Unterholz ziemlich dicht war, und diesen Ort hatte Harting sich zu einem Fluchtversuche ausgewählt. Bis dahin war er gesenkten Hauptes neben den beiden Beamten hergeschritten, und nur verstohlen hatte er rechts und links geschaut, um den richtigen Ort und Zeitpunkt zu erspähen. Kaum waren sie in der Mitte des Wäldchens angelangt, so gab er dem einen der Beamten einen Stoß, daß dieser zu Boden fiel, und mit mächtigen Sprüngen eilte er in das Gebüsch hinein. Rasch war der Gefallene wieder auf den Beinen, und schon hatte der Eine den Fliehenden beinahe erfaßt, als er über eine Wurzel strauchelte und zu Boden fiel. Dadurch gewann Harting einen Vorsprung. Der Andere rief dem Fliehenden ein dreimaliges Halt zu, und als dieser, sich nicht daran kehrend, mit wilder Hast weiter eilte, krachte ein Schuß durch die Luft und mit einem Schrei stürzte Harting zu sammen. Die Kugel des Gensd'armen hatte ihn mitten durch das Herz getroffen und wenige Augenblicke darauf that er den letzten Athemzug. Er wurde als Leiche an das Gericht abgeliefert. Niemand beklagte ihn, als die Kunde in das Schloß drang; es war ein Abschluß, wie er zu dem Leden des Elenden paßte. 12. Kapitel. Der Sühne Sold. Die Chesnutstraße in Philadelphia, welche sich vom Delaware - bis zum Schuykill-River erstreckt, ist nicht nur eine der größten, sondern auch eine der schönsten und verkehrsreichsten Straßen Amerika's. Wohl war von Penn, dem Gründer und Erbauer Philadelphias, die Marktstraße als Hauptstraße in Aussicht genommen, allein die weit schmälere Chesnutstraße mit ihren monumentalen, in Marmor und feinem Sandstein ausgeführten Bauten hat erstere weit überflügelt. „Gegenüber der „Jndependance Hall", dem Gebäude, in welchem Washington vor hundert Jahren die Unabhängigkeitserklärung der Ver einigten Staaten Nordamerikas verlas, befindet sich ein Restaurant mit Namen „Jefferson's Hall", in dessen eleganten Räumen man Menschen fast aller Nationen erblickt, und ebenso liegen dort die her vorragendsten Zeitungen Englands, Frankreichs, Deutschlands, Ame rika's u. s. w. aus. Treten wir in das Restaurant ein. Obgleich es kaum neun Uhr Vormittags ist, sind doch fast alle Plätze besetzt, oder doch nach amerikanischer Art mit den Beinen belegt; denn der echte Amerikaner hat mit dem Engländer nicht nur die Sprache, sondern auch die rücksichtsloseste Bequemlichkeit gemein. Unter den vielen Fremden erblicken wir aber auch einen Bekannten, und zwar Niemand anders als den früheren Oberhofmeister von Moslitz. Er trug einen schlichten Reiseanzug und sein Gesicht sah etwas bleich, ja man konnte fast sagen fahl, aus. Trotzdem umspielte der tückische, kalte Zug noch immer seinen Mund; er trat sogar durch die Blässe noch mehr hervor als sonst. Mehrere deutsche Zeitungen lagen vor ihm, und mit sichtlichem Eifer durchlas er die seiner Heimath. Auf einmal zuckte er zusammen. Das Gesicht bedeckte plötzlich dunkle Röthe und die Hände begannen zu zittern, während die Augen aus ihren Höhlen hervortraten. Er hatte eine Mittheilung aus seiner Heimath gelesen, welche lautete: „In dem eine Stunde von der Residenz gelegenen Schlosse ist durch die Umsicht zweier Beamten ein schweres Verbrechen verhindert worden. Der vormalige Hausverwalter Harting hat beabsichtigt, die Besitzerin des Schlosses, Frau von Elsfeld, zu ermorden, doch ist er glücklicherweise ergriffen worden. — Bei seinem Transporte nach der Stadl hat Harting einen Fluchtversuch unternommen und ist von einem Gens'darm erschossen worden. Wie verlautet, hat man einen Brief bei dem Verbrecher gefunden, worin dieser von einem der Frau von Elsfeld sehr nahe stehenden, jetzt in Amerika lebenden Manne zu dem Verbrechen gedungen worden ist. Die eingeleitete Untersuchung wird wohl mehr Licht über die Motive zu der geplanten fürchterlichen That geben, und hoffentlich wird auch den Anstifter zu dem beabsichtigten Morde feine Strafe ereilen." Vorsichtig blickte er sich, nachdem er gelesen hatte, um» und alS er sah, daß Niemand ihn beobachtete, rief er den Kellner herbei. „Was habe ich zu bezahlen?" fragte er. „Eine Tasse Kaffee und eine Portion Eis, macht fünfzig Cents." „Hier ist Geld," entgegnete er, einen halben Dollar auf den Tisch legend; und nach einer Pause fuhr er fort: (Forts, folgt.) Rednciivn, Druü und Verlag von H. A. Berger in Wilsdruff.