Volltext Seite (XML)
BezugS-Prek» M L»tPPa «d «llo wr» lmrch »Brr, trt-rr «L kprdit«r, dB Ha»« gebracht« «»«gab« ä lu»r uiorar»«) vtrrtrltthrltch » »., wommich I Pi.; »»«gab« S (marara« and abend«) »trrHt- tthrltch 4.SÜ M., manatltch l.K) W. Durch dt« v»g »» brHtebe»: (2 «aal täglich) i»»«rbali> Deaüchland, »ad der dratlchea Poloair» vierte Ijährtich b,2S«., monatlich 1,7b M. a»1!chl. P-st. betzrllgew, >ür Oesterreich U U 66 d, Uagara 8 L »tertelttdrlich. ssrrarr ta vel- gie», Düarmari, den Donaustamen, Italien, Lurrmbarg, Niederlande, Norwegen, «ah» land, Schweden, Schwei» an» Spaaieo. Ja alle» übrigen Staate» aar direkt durch di» LlV«d. d. »l. erhLlUtch. «donnetarnr-pnnavme, L»g,ü»«platz 8, bei anseren Trägern, Filialen, Spediteure» and «nnahmellellea, sowie Postämtern u«t» lvrtefträger». Di« etnzrlne Nuanaer kostet 10 Psg. ledaktio, and Lrvrdtttoa: Jotzannitgast« 8. Üelevbon Nr. l«6VL Nr. 14SW» «r. 14SS», Abend-Ausgabe 8. UchMerTWMM Haudelszettung. Amtsblatt des Nates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Luz eigen-Preis Br Inserate aue ttelozig und Um^d»», di, »aespaltrn, Petitzeil« L> PI., ftaa»»i«lle tageige, Sv PI., Neklamea 1Pi.; da» autwärt, 3V Ps., Reklamen l-Lt M.; vom N»1 land SOPI., finem». «»»eigen 7SPI.. Reklame» Uüi) M. Inserat« v. Behörde«« a amUtcheu TeilMPI. Lrilagegebübr 5 M. p. Taalrab exkl. Poft« aebühr. LelchästSanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabat« nach Tarn FesterteUte Austrüge küaaea nicht »urück- gezogen werden. Für da« Erscheinen an destiuulltrn Lagen und Plätzen wird keia» Äaraatte übernommen. Pagrigen-Vaaahme« stluguftutzplatz 8, b«t sämtlichen Filiale» u. allen Anaoucen- Erpel»Uu>neu de« Ja» »ad «utzloade«. Haupt-Silialr Berit»: Sari Luackee, Her-ogl. Baqr. H<sbnch> handlang, Lützowstrabe lstt (Telephon VI. Nr. 460S). Paupt-Siltalr Dre«de»: Seeslratze 4, I (Lelephon 4621). Nr. 189. Da» Wichtigste. * Der offiziöse Artikel der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" ,Lur Lage" wird in der Presse überaus lebhaft kommentiert. lS. d. bes. Art.) * Prinz Ernst August v. Cumberland soll formell auf Hannover verzichtet haben. lS. Dtschs. R.) * In der italienischen Kammer gab es gestern ebenfalls eine Mar o k k o-In t erp e ll a t i o n. lS. Ausl.) *Jn der gestrigen Marokkodebatte in der französischen Kammer er klärte Minister Pichon, Frankreich werde MuleyHafid nur anerkennen, wenn er alle Genugtuungen verspreche. lS. d. bes. Art.) * Nachfolger Tafts als Staatssekretär des Krieges wird Lüke Wright von Tennessen, der früher Botschafter in Tokio war. * Der republikanische Konvent der Vereinigten Staaten wählte Sherman zum Kandidaten für die V iz e p r ä s i d e n t s ch a ft. lS. Ausl.) Die Hvesse zur Lage. Die gestrige offiziöse Auslassung der „Nordd. Allg. Ztg." zu den Döberitzer Kaiserworten hat in der gesamten deutschen Presse einen überaus lebhaften Widerhall gefunden, wie es bisher kaum Len inspirierten Artikeln des halbamtlichen Blattes beschieden gewesen ist, und der am besten zeigt, wie sehr überall der Ernst der Lage erkannt und gewürdigt wird. Von bisher vorliegenden Preßstimmen geben wir die folgenden wieder: Die Berliner Presse. Die „Tägliche Rundschau" führt aus: „Die Regierung selbst proklamiert in ihrer Auslassung die Politik entschlossener Wachsamkeit und hofft dadurch den Frieden zu erhalten. Es ist nicht mehr wie billig, daß an der Wachsamkeit und Entschlossenheit auch das Volk teil nimmt. Dazu gehört aber, daß man ihm die Erkenntnis des Ernstes der Lage nicht durch Ableugnung und Versteckspiel erschwert, und ibm nicht die vorüberziehenden Wolken bald als ein Wiesel, bald als ein Kameel anzusehen befiehlt." Ganz auf den Boden der offiziösen Auslassung stellt sich die „Vossische Zeitun g". Sie schreibt u. a.: „Die Reichsregicrung und das deutsche Volk wollen ernstlich und ehrlich den Frieden, sie haben es genugsam be wiesen. Aber sie wissen, daß nichts dem Frieden gefährlicher werden kann als der Anschein der Schwäche. Deutschland wird den Krieg in demselben Augenblick haben, wo seine Gegner glauben, daß es ihn nicht führen kann, daß es ihn fürchtet. Diesem Glauben tritt der Artikel der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" nachdrücklich entgegen. Und wir hoffen, damit wird dem Frieden gedient werden. Wir hoffen weiter, daß die diplomatischen Schwierigkeiten, die anscheinend bestehen oder drohen, eine Lösung finden, die den Völkern eine ruhige und gedeihliche Entwicklung gewährleisten." Im „B ö r s e n k u r i er" lesen wir: „Die wob leb ge wogenen Worte des offiziösen Organs der deutschen Ne gierung verdienen die ernsteste Aufmerksamkeit und werden ihren Eindruck Wohl nirgends verfehlen. Sie haben vollauf Recht in ihren Hinweisen darauf, daß cs keineswegs angezeigt ist, sich fortgesetzt in Schwarzmalereien und Gefahrwitterungcn zu ergehen, ober der Kern punkt der obigen Auslassung liegt doch in dem hier zum ersten Male so offen ausgesprochenen Zugeständnis, daß „schwierige diplomatische Aus einandersetzungen" sich ergeben könnten, d. h. mit anderen Worten, daß solche schon setzt ins Auge gefaßt werden. Auf welchem Gebiete man sie in erster Linie zu suchen hat, geht daraus hervor, daß weiterhin die Sonnabend 20. Juni 1908, 102. Jahrgang Marokko rn der französischen ALainnier. Zu der gestrigen Marokkodebatte in der französischen Deputierten kammer, über die wir bereits in einem besonderen Artikel in einem Teil unserer letzten Ausgabe berichteten, wird noch gemeldet: Jaurös schloß seine Rede in der Deputiertenkammer mit der Bemerkung, daß kerne Notwendigkeit bestehe. Abdul A z i z, dellen Herrschaft nur noch einer Ruine gleiche, fernerhin zri stützen, und indem er den Minister des Aeußcren beschwor, die Akte von Algeciras nicht zu überschreiten, um die politische Atmosphäre, die ohnehin so gespannt sei, nicht noch mehr zu gefährden. (Beifall aus der äußersten Linken. Pichon wollte reden, wurde aber durch den Lärm aus der äußersten Linken daran gehindert, wo die Abgeordneten, trotz der Bitten Jaurös', mit den Pultdeckeln schlugen. Präsident Brisson bemerkte, der Ausdruck des Ministers des Aeußern habe seinen Ge- danken überschritten; denn niemand in der Kammer spreche in einem anderen Namen als in dem Frankreichs. (Lebhafter Beifall.) Minister Pichon stimmte der Erklärung des Kammerpräsidenten bei und fügte hinzu, niemals habe der Vertreter einer fremden Macht eine Sprache geführt, wie sie Jaurös im Sinne habe. Die Kammer nahm dann mit 343 gegen 126 Stimmen die schon mitgeteilte, von der Negie rung gebilligte Tagesordnung an, in welcher der Regierung das Ver trauen ausgesprochen wird, ohne Einmischung in die inneren Angelegen- beiten Marokkos und in Uebereinstimmung mit der Algecirasakte die Rechte und die Würde Frankreichs in Marokko zu wahren. Zweifel darüber, ob die Leitung unserer auswärtigeu Politik imstande ist den Ernst der Lage voll zu würdigen und die drohende Gefahr zu beschwören Es wäre mit der Ruhe und Zuversicht zweifellos besser ae- stellt wenn das deutsche Volk das Bewußtsein haben könnte, daß auch die Leitung unserer auswärtigen Politik eine überlegene Kraft darstellt, wie sie dem Fürsten Bismarck eigen war." Unzufrieden wie immer ,st natürlich der „Vorwärts : „Wir können nur wiederholen, daß, wenn „schwierige diplomatische Aus einandersetzungen" bevorstehen, diese Schwierigkeiten zu einem großen Teile die Folgen unserer schlechten auswärtigen Politik sind. Aber weder Marokko noch gar die Türkei und Mazedonien sind Fragen, die irgend wie Lebensinteressen des deutschen Volkes betreffen. Die deutsche Diplo matie wird daher gut tun, diese Fragen in einer Weise zu lösen, die scde Gefährdung des Friedens vollkommen ausschließt, und sich rechtzeitig daran erinnern, daß weder der Balkan, noch Marokko die Knochen eines einzigen Grenadiers wert sind Wir dächten, die amtlichen Stellen täten am besten, an die Rede nicht mehr als unbedingt nötig zu erinnern und die unglücklichen Zuhörer ungeschoren zu lassen." Von der „ übrigen deutschen Presse liegen uns bisher folgende Aeußerungen vor: Die halboffiziöse „Kölnische Zeitung" knöpft an den Artikel nur folgende Bemerkung: „Auch diese Auslassung der „Nordd. Allg. Ztg." ist ein erfreulicher Beleg dafür, daß unsere leitenden Kreise sich ebenso von einem unvorsichtigen Optimismus wie von nervöser Aengst- lichkeit fernhalten. Man wird diese Stellung draußen in der Welt hoffentlich ebenso zu würdigen wissen, wie man mit richtigem psycholo gischen Verständnis die angeblichen Worte des Kaisers beurteilt hat." Das rheinische Zentrumsorgan, die „Kölnische Volks zeitung", würdigt den Ernst der politischen Lage und schreibt: „Di- Sprache des offiziösen Blattes ist ernst genug, um erkennen zu lassen, daß auch die Verantwortlichen Stellen von Beunruhigung nicht frei sind. Die Hinweise auf die Möglichkeit „schwieriger diplomatischer Aus- cinandersetzungen , auf die Unsicherheit, ob etwa eine neue Konstellation sich bilden „und eine friedliche Lösung schwebender Fragen erschweren könnte", und die Andeutung über das Vorhandensein „wirklicher Ge fahren" am Schlüsse sagen in dieser Beziehung genug." Nicht sehr optimistisch äußert sich die „Rhein.-Westfäl. Ow_": „An dem Stil erkennt man den Meister. Das ist nicht aus der Redaktion der „Norddeutschen", sondern im Reichskanzlerpalais entstanden. Wenn man dort nur auch so handeln möchte, wie man zu reden und zu schreiben ver steht. Das deutsche Volk würde in seiner Mehrheit fest zu einer solchen Regierung stehen." Fragen des „näheren Orients" als von „besonderer Bedeutung bezeich net werden. Wenn zugleich — naturgemäß nur hypothetisch — von einer „neuen Konstellation" gesprochen wird, die sich bilden und eine friedliche Lösung schwebender Fragen erschweren könnte, so ist dieser Hinweis aus die Zusammenkunft von Reval deutlich genug. Es wird der unge teilten Billigung der öffentlichen Meinung Deutschlands sicher sein, das aufs neue die volle Friedfertigkeit der deutschen Politik betont wird, aber ebenso berechtigt ist die Hervorhebung der Kraft Deutschlands, die es ihm ermögliche, mit Ruhe und Zuversicht etwaigen Gefahren ent gegenzusehen." Recht ausführlich beschäftigt sich die „F r e i si n n i g e Z t g." mit der Angelegenheit und schreibt u. a.: „Eine völlige Klarheit wird durch das halbamtliche Dementi nun allerdings nicht gebracht. Aber in einem Moment, wie dem gegenwärtigen, wo die internationale Lage sehr ge spannt ist, wird füglich nicht verlangt werden können, daß nun etwa der positive Wortlaut der Ansprache bekanntgegeben wird. Es muß genügen, zu wissen, daß die Worte des Kaisers nur an seine Offiziere gerichtet gewesen sin-d und daß fremde Militärattaches nicht anwesend waren. — Wenn aber jemand bis dahin Zweifel daran hegen konnte, daß die inter- nationalen Verhältnisse, und namentlich diejenigen Deutschlands, zu ver schiedenen Staaten eine gewisse Spannung zeigen, den muß die Lektüre des offiziösen Artikels unbedingt eines Besseren belehren. Denn wenn nicht geleugnet wird, daß sich „schwierige diplomatische Auseinander- shungen" ergeben können, so müssen schon jetzt Dinge vorliegen, die die Möglichkeit solcher schwierigen Auseinandevsetzungen rechtfertigen. Welches diese Dinge sind, das spricht die halbamtliche Auslassung nicht offen aus. . . . Man wird der deutschen Diplomatie Glauben schenken dürfen, wenn sie die völlige Friedlichkeit ihrer Absichten betont, und man wird der Hoffnung Ausdruck geben, daß cs gelingen wird, auch über die gegenwärtigen kritischen Zeitläufte ohne ernste Konflikte hinwegzukom- men. Wir Deutsche dürfen um so mehr mit Ruhe den kommenden Er eignissen, welches sie auch sein mögen, entgegensetzen, da wir auf alles gerüstet sind." Sehr warm schreibt die „Post": „Die offizielle Note ist von einem Kraftbewußtsein und einer Würde getragen, die an die beste Zeit des ersten Reichskanzlers erinnert. Die kraftvollen Worte werden sehr dazu beitragen, auch den letzten Rest von Unruhe und Besorgnis im deutschen Volke zu beseitigen, denn sie gibt ihm das Bewußtsein, daß seine Geschicke in festen und starken Händen ruhen, die imstande sind, die Interessen der Nation mit Nachdruck zu verteidigen. Jeder Patriot wird dem Fürsten Bülow für sein mannhaftes Auftreten Dank wissen." Aehnlich schreibt die „Staatsbürger Zeitung: „Wir freuen uns des Friedens mehr als des Krieges und denken nicht an eine leichtfertige Friedensstörung. Aber die anderen Mächte werden gut tun, uns unsere Stimme im europäischen Konzert zu be- lasten. Gerade weil die Lage nicht ohne Ernst ist, soll das Ausland wissen, daß unser Kaiser am Tage der Entscheidung sein Volk hinter sich hat!" Eine eigenartige Anschauung vertritt die „D e u ts ch e T a ge s zt g.", die den Artikel der „Nordd. Allg. Ztg." unter der Ueberschrist „Wozu?" bringt und hinzufügt: „Es ist uns nicht gelungen. zu entdecken, zu welchem sachdienlichen Zweck dieser Artikel veröffentlicht worden sein mag." Einen Ausfall gegen die deutsche Diplomatie und das Auswärtige Amt verbindet das „Berliner Tageblatt" mit seiner Be- prechung: „Die Kundgebung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" pricht von „schwierigen diplomatischen Auseinandersetzungen", die sich er geben können. Wir haben schon gezeigt, daß es keineswegs unmöglich ein wird, in diesen Auseinandersetzungen, die sich um Mazedonien drehen werden, die „sachlichen und gesunden Lösungen" zu finden. Aber dazu bedarf cs vor allem der kühlen Uebcrlegcnheit, der „Zuversicht und Ruhe" — und nicht nur auf feiten der öffentlichen Meinung, an die der Appell der „Norddeutschen" sich richtet, sondern mehr noch auf feiten der deutschen Diplomatie und des Auswärtigen Amtes. Erfreulicherweise wird die Vertretung Deutschlands bei den bevorstehenden Verhandlungen in den Händen des Jreiherrn v. Marschall liegen. Und diese Tatsache wirkt beruhigender als alle Berliner Beruhigungsnoten zusammen." Die klerikale „Germania" schreibt: „Aus diesem offiziösen Zu geständnis leuchtet zur Genüge hervor, wie ernst gegenwärtig die politische Lage ist, und wie gerechtfertigt die Besorgnisse sind, die namentlich in Deutschland sich geltend machen. Man schwebt im Feuilleton. Wir machen uns immer nur um so mehr Sorge wegen unseres Lebens, je mehr dasselbe im Werte verliert. Rousseau. * Goethe» Erscheinung. Zu den vielen Deutern, die Goethes äußere Erscheinung nach den vorhandenen Bildnissen und schriftlichen Zeugnissen genau testzustellen suchten, gesellt sich jetzt auch ein Künstler, der bekannte Münchner Zeich ner Karl Bauer, der schon in zahlreichen Steinzeichnungen Goethes Bilo in den verschiedensten Lebensaltern und Seelenzuständcn scstzuhalten versucht hat und der es nun unternimmt, in einem kleinen Buche, das unter dem Titel „Goethes Kopf und Gestalt" in den nächsten Tagen als Sonderheft zu den „Stunoen mit Goethe" bei Mittler L Sohn in Berlin erscheint, das Ergebnis seiner eingehenden Beschäftigung mit dem Gegen stände zusammenzufassen. Es gewährt einen besonderen Reiz, in diesem Buche, dem ein reiches Llbbildungsmaterial beigegeben ist, die Formen von Goethes Kopf und Körper in der tief cinoringenden Analyse des Künstlers zu studieren und die mannigfachen Schlußfolgerungen, die sie ihm nahe logen, kennen zu lernen. Goethes Anziehungskraft auf die Menschen und seine Gewalt über sie, so führt Bauer aus, beruhten bei seinen Lebzeiten und beruhen noch heute nicht zum wenigsten darauf, daß in ihm sehr große geistige Gaben mit einer vorteilhaften äußeren Erscheinung vereinigt waren. Seine Vollkommenheit, seine Harmonie wären dahin, wenn wir uns als den Verfasser seiner Lieder, Dramen und Romane eine der typischen Ge- lchrtengestalten seiner Zeit, ein Männchen wie Kank oder Wieland, denken müßten. Wir empfinden Goethes Bild als ein Stück von um'crem Nationalvermögen. Wenn man uns von Hellas oder der Renaissance in Italien spricht, so nennen wir mit Freude und Stolz Goethe als einen uns Nahestehenden, der ebenso reich und gleich nach außen und innen sich entfaltete und neben Sophokles und Leonardo da Vinci mit Ehren steht. Goethe hatte nicht die regelmäßige Schönheit eines Apollo oder anderer antiken Statuen, er hatte auch nicht die engelhafte Schön heit Shelleys oder Hölderlins, aber sein Aeußeres wirkte sehr stark zu seinen Gunsten. In der Jugend wie im Alter. ... „Vom Vater hab' ich die Statur", berichtet Goethe selber; wir fügen hinzu, daß er seine Statur aber auch von seinen Gewohnheiten hatte. Zeitweilig hat er sein Bild verunichönt, in den Schlußjähren des 18. Jahrhunderts, als er es sich in Cbristianens Pflege Wohl sein ließ. „Die Leute sagen, ich sei nach und nach dick geworden", meldet er 1708 dem Jugendfreund Kestner; die Leute, z. B. Charlotte v. Stein und ihr Sohn Karl, drückten es noch viel gröber aus. Aber er arbeitete die über mäßige Fülle wieder fort, und alles in allem ist kein Zweifel, daß er durch seine Lebensweise und seine gewollte Haltung sich sein imponieren des Aussehen in hohem Maße selber gegeben hat. Er erschien größer als er war: das war sein Werk, und er erschien auch steifer und stolzer, als er war: das war auch etwas Gewolltes. Er hat sich in manchen Leibesübungen einen schlanken und gelenkigen Körper erworben; er war auch im Alter, wo er das Haus im Winter wenig verließ, in der Stube kein Hocker und Lieger, sondern ein Geher und Steher. Er hielt sich sehr gerade, zog die Schultern straff zurück, vereinigte die Hände oder die Unterarme auf dem Rücken. . . Im März dieses Jahres ist nach den Kleidungsstücken Goethes eine Figur hergestellt worden, auf die sie genau passen; dadurch ist es übrigens möglich geworden, Goethes Kleider zu photographieren, wie wenn sie auf ihm selber säßen. In dem neuen Buche wird zum ersten Male diese Photographie veröffentlicht. Im einzelnen stellt Bauer von den Formen des Kopses und Körpers folgendes fest: Man hat von Goethes Schiesgcsichiigkeit gesprochen. Im Leben fallen solche Ungleichheiten und Schiefheiten kaum auf, wenn nicht besonders daraus aufmerksam gemacht wird; die meisten Männerköpse und auch viele Frauenköpfe haben sie. Möbius gibt die Kopfmaße Goethes nach der Weißerschen Maske: „Die Höhe des Gesichts (vom unteren Rande des Kinns bis zur Biegung des Stirnbeins) ist etwa 20 am, die größte Breite des Gesichts 13 am, die der Stirn 12 am, der Abstand der Augen mitten 6 am, die Länge der Nase 5,7 am, die Breite des Mundes 6,5 am." Dann spricht er auch von der starken Skoliose (seitlichen Verschiebung) des Gesichts. „Der linke Nasenflügel und der linke Mundwinkel einerseits stehen tiefer, das rechte Auge anderseits. Abstand zwischen äußerem Augenwinkel und Mundwinkel: links 8 am, rechts 7,6 am. Ursache der Skoliose ist offenbar die wesentlich stärkere Entwickelung der linken Hälfte des Vorderkopfcs: die Wölbung der linken Stirnhälste ist stärker als die der rechten." Wie gesagt: nur ganz wenige haben diese Ungleichheit im Leben bemerkt. Hautfarbe und Gc- bärdenspiel ließen wohl auch über einige Pockennarben an den Nasen- flügeln hinwegsehen: nur Schwager Vulpius erwähnt sie. Spuren ehe maliger Pockenkrankheit waren damals 'ehr häufig, bei Wieland z. B. waren sie sehr augenfällig. Die Gesichtsfarbe Goethes war zumeist bräunlich, in der Jugend oft gelblich-blaß, später rötlicher. Die Stirn war, namentlich von der Seite betrachtet, in den all gemeinen Umrissen ihrer rundlichen Wölbung derjenigen des Kindes ähnlich gebildet. Nach nicht sehr hohem Ausstieg fliegt sie in herrlichem, weitem Bogen über die Scheitelgegend zurück und verläuft in voller Rundung am Hinterkopf, der am oberen Teil den Langschädel vollendet, während am Klcingebirn die Linie sehr schlank zum kräftigen aufrechten Halse abbiegt. Der klare Stirnbogcn, wie er sich so in die meist auf wärts gekämmten, oft auch gekräuselten tzaarwellen hineinzog, ist wohl hauptsächlich die Veranlassung der enthusiastischen Schilderungen, welche die Zeitgenossen so oft von dieser Stirne geben. Namentlich bei der Neigung des Hauptes vor und zurück wird diese dem Spiel des Lichtes sich darbietendc Wölbung ausgefallen fein, zumal sie auch im einzelnen so schön ausgebildet war wie keine andere Heroenstirn, von der wir sichere Urkunden haben. In seinem Gedankengebirge ist die Gegend über den Augen besonders stark entwickelt, wie das auch bei Luther, Beethoven und Napoleon der Fall ist. Bei Nietzsche dagegen ist die Wölbung des Stirnbeines steiler und höher, und so ist es bei den meisten Philosophen; Scheitelhöhe und Hinterkops sind bei ihnen im allgemeinen geringer; für letzteres ist Kant eine Ausnahme. Ten stärksten Gegensatz zu Goethe bietet Friedrich der Große mit seinem fast vogelmäßig kleinen, wenn auch sein ziselierten Vorderkopf. Von vorn gesehen, erscheint Goethes Schädel vorn schmal; über den Ohren und nach hinten zu wird er besonders breit. Sein Kopf umfang war so groß, wie derjenige Richard Wagners, nämlich 60 orn; beide hatten es schwer, passende Hüte zu bekommen. Laube erzählt die Anekdote, in Dresden habe eine Dame Goethe geneckt, daß er immer noch den alten Hut trage. Daraus habe dieser erwidert: er habe erst gestern nach einem neuen gesucht, aber in Dresden sei man aus große Köpfe nicht eingerichtet. Nach einem im Goethe-Hause zu Weimar erhaltenen Zylinderhute ist die Breite des Kopses erstaunlich. Bei 20,3 om Tiele ist die Breite 18 am . . . Das Ohr Goethes war regelmäßig, eher groß, und nicht besonders ausgebildet. Es schmiegte sich dem Schädel nahe an. Unter den schön geschwungenen dunklen Brauen schauten nicht be sonders große, aber weit geöffnete Augen mit fast erstaunendem Aus- druck, ähnlich denen des Christuskindes der Madonna Zixtina, bald sinnig, bald mehr feurig-ergreifend in die für sie so wunderliche Welt. Schopenhauer erzählt, er habe den Blick des alten Goethe meist Io erregt gesehen, Laß das Weiße im Auge noch über der Iris sichtbar war. Darin glich Goethe also Alexander dem Großen, dessen Büste im Louvre auch sonst manche Ähnlichkeiten, natürlich mit dem jüngeren Goethe, aufweist. In manchen Berichten über den Dichter ist von seinem „Wälzen der Augen", von dem „furchterregenden Schießen der Blicke" die Rede; die Augen verrieten am meisten den „wütigen Wolf" der Jugendzeit, und sie verrieten auch ost noch den Vulkan, der auch im alten Goethe nicht ganz erloschen war. Durch ihre starke Wölbung fingen die Augen, die beim schmalen Bau des ganzen Ovals ziemlich nahe bci'ammcn standen, viel Licht und Reflex ans. Bei den stärker vorstehenden Augen dcS alten Bismarck konnte ich ans nächster Nähe beobachten, wie durch die kugelige Form des Aug- apfels das feuchte Funkeln und Glitzern merkwürdig wirkte: bei Goethe war wegen der größeren Lidspalte diese Wirkung gewiß nickst geringer. Heine sagt in seiner Schilderung Goethes: „Seine Augen waren ruhig wie die eines Gottes", aber die andern alle berichten das Gegenteil, mögen sie auch von „Heldcnaugcn" reden. „Tiefsassend" mag der „feuervolle" Blick auch dadurch gewirkt haben, daß der Zwischenraum von Braue zu Augenlid sehr gering und dieses sehr schmal war. Das war dann allerdings nicht der Fall, wenn er „die Augenbrauen in die Höbe zog, als ginge der Hirnknochen mit". Erwähnt sei noch, daß Goethe nach seiner eigenen Angabe seine Augen von Jugend auf sehr leicht in den Zustand des Schielens versetzen konnte.