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nirgends Ruhe." Er liest in den Zeitungen, daß Leute in Belin den Militärpaß des „Kürassiers Sobbe" gesehen und daß dieser wahr scheinlich der Mörder sei. — Warum flüchteten sie nicht? fragte ihn der Richter. — „Ich war willenlos geworden und konnte zu keinem Entschluß kommen", lautete die Antwort niit tiefem Seufzer. In die. sem Gemüthsznstand wartete er seine Entdeckung und Verhaftung ab wie ein Fatum. — Wie Berliner Blätter zu berichten wissen, solider Landgerichtsrath Hollmann, welcher bekanntlich die Untersuchung gegen Sobbe leitete, die Absicht haben, ein Gnadengesuch für denselben beim beim Kaiser einzureichen. Die Veranlassung hierzu soll das reumüthige Geständniß des Mörders sein, das einen tiefen Eindruck auf Herrn Hollmann gemacht und bei diesem den Glauben erweckt hat, daß der geistige Zustand Sobbe's bei Begehung des fürchterlichen Verbrechens Eein völlig normaler gewesen sei. Die Anklänge an das Mittelalter mehren sich in unserer glorreichen und wissensreichen Zeit noch immer. Aus Trautenau in Böhmen wird gemeldet, daß die dortigen Deutschen infolge der fana tischen Haltung und ebensolchen Vorgehens der Geistlichkeit entschlossen seien, von der katholischen zur protestantischen Kirche überzutreten. Der Bischof von Königgräz hat kürzlich angeordnet, daß in der Traute- nauer Decanatkirche künftig nur czechisch gepredigt werden soll. Nun besteht aber die Einwohnerschaft (etwa 10,000 Seelen) zu vier Fünfteln aus Deutschen. Die Frage entsteht nun gleich: wie, wenn diese ihren Vorsatz wirklich ausführen? Die Antwort ist nicht schwer. Sie wer den so lange drangsalirt werden, bis sie sich entschließen, auszuwan dern; denn mit dem directen Vertreiben geht es heutzutage nicht mehr so leicht wie zu den Zeiten der Waldenser, Salzburger und Huge notten. Den Trautenauer Spinnern, Webern, Färbern, Papier- und Glasarbeitern braucht aber deshalb nicht bange um ihre Zukunft zu fein, sie sind fleißige und geschickte Leute und werden schon ihr Unter kommen finden. Wien, 5. Mai. Circa 1000 Bäckergesellen demonstrirten im Vereinshause, zerstörten die Möbel und Fenster und wurden mit den Wachtleuten handgemein. Nachdem die Straße abgesperrt war, wurde die Ruhe wieder hergestellt. Gleichzeitig fand vor der Wohnung des Bäckergenossenfchaftsvorstandes eine Demonstration von circa 400 Ge sellen statt, welche Fenster und Thüren zertrümmerten. Die Krönungsfeierlichkeiten in Moskau werden in folgen der Weise vor sich gehen. Am 10. Mai feierlicher Einzug des Kai- ferpaares, am 11. die Fahnenweihe, die jeder Krönung vorausgehen den Fasten am 12., 13. und 14. Am 14. Uebertragung der Reichs insignien, am 15. Krönung. An den folgenden Tagen Empfang der Glückwünsche und zwar am 16. Mai jene der Fürstlichkeiten, des dip lomatischen Corps und der hohen Reichswürdeuträger, am 17. jene der militärischen Spitzen und am 18. Mai diejenigen anderer Stände. Am Abend des 18. Galavorstellung, am 19. Mai Rücktransport der Reichsinsignien. Am 19. und 20. Galatafel, am 21. Volksfest. Am 22. aus Anlaß des Jahrestages der Kaiserin Marie Alexandrowna Besuch des Sergius-Klosters, am 24. Tafel, am 25. Ball, am 26. Einweihung der Erlöserkirche und am 28. Truppeumusterung. Am 29. Mai Rückreise nach St. Petersburg, woselbst die Deputaten der Stadt den Majestäten Brod und Salz entgegenbringen werden. Portsmouth, 5. Mai. Als heute Vormittags einige Soldaten im Pulvermagazin von Priddyshurd mir der Füllung von Granaten beschäftigt waren, explodirte eine Granate und führte dadurch eine Ex plosion des Pulvermagazins herbei. 6 Personen wurden getödtet, mehrere verwundet. Vaterländisches. — Altenberg. In Sachen des Weiterbaues der Sekundär bahnlinie Hainsberg-Kipsdorf bis Altenberg, bez. zur Lan desgrenze wurde seitens des Gemeinderaths zu Altenberg beim k. Fi nanzministerium eine wiederholte Petition eingereicht, wobei in der Hauptsache darauf hingewiesen wird, daß der Vorläufige Endpunkt nur für den dortigen Personenverkehr eine Erleichterung sei, während der Kohlen- und Frachtverkehr immer noch zu sehr abgelegen ist. — Meißen. Dem königl. Bezirkssteuereinnehmer Diesel ist am 1. Mai das Prädikat „Steuerrath" verliehen worden. — Bei der am 4. d. M. stattgefundenen Ziehung der sächsischen Landeslotterie fiel der Hauptgewinn (500000 Mk.) auf eine Num mer der Collection des Herrn August Bretschneider in Löbau. Der große Gewinn geht in viele kleine Theile, indem die Nummer in 6 einfachen und 2 Doppelloofen verkauft ist und, wie sich bis jetzt her ausstellen ließ, meist mehrere Spieler an einem Zehntel participiren. Meist sind ärmere Leute die glücklichsten Gewinner. — Die fächf-böhm. Dampfschifffahrts-Gesellschaft eröffnet ihren diesjährigen Sommerfahrplan bereits am 10. Mai d. I. und ist der selbe ein sehr reichhaltiger. Die Fahrten selbst anlangend, so finden täglich von Dresden aus statt: 1 nach Leitmeritz, 2 nach Aussig, 4 nach Herrnskretschen, 5 nach Schandau, 8 nach Pirna und ebenso viele Fahrten von diesen Stationen nach Dresden. Zwischen Blasewitz - Loschwitz und Dresden finden von früh 5 Uhr 40 Min. bis Abends 9 Uhr 45 Min. halbstündlich Fahrten statt, während zwischen Dresden und Pillnitz eine stündliche Fahrgelegenheit geboten ist, so daß von Dresden bis Blasewitz täglich 29 Fahrten und ebenso viel von Bla sewitz nach Dresden stattfinden, bis Pillnitz hingegen läglich 17 Schiffe und ebenso viel von Pillnitz nach Dresden Verkehren. Auf der unteren Tour erfolgten täglich 4 Fahrten nach Meißen und zurück, 3 nach Riesa und zurück und 1 Fahrt nach Strehla und zurück unter Berühr ung sämmtlicher Zwifchenstationen. — Eine gerechte Strafe hat das Schwurgericht zu Dresden über einen untreuen Staatsdiener verhangen, indem es von mildernden Umständen absah und den Sünder zu Zuchthausstrafe vernrtheilte. Die Verhandlung richtete sich gegen den Oberförster a. D. Carl Jul. Rosenbaum aus Johanngeorgenstadt. Der am 18. Febr. 1822 ge- borne, bisher unbescholtene Angeklagte ist der Sohn eines Oberförsters, verheirathet, Vater von 3 Kindern und besitzt, nach seiner Angabe, ein Vermögen von 60,000 Mk. Nachdem Rosenbaum die Forstakade mie zu Tharandt besucht, trat er zunächst als Forstgehilfe in den Staatsdienst, fungirte später als Oberförster in Großbothen und wurde im Jahre 1859 als Oberförster in Lohmen angestellt. Die Einnah men aus seiner Dienststellung beliefen sich zuletzt auf 6500 M. jährlich. Rosenbaum wird zur Last gelegt, als Verwalter des Lohmener Forst reviers in neun Fällen dem Königl. Sächs. Staatsfiskus eingenommene Geldbeträge nicht abgeliefert, fondern rechtswidrig sich zugeeignet, und um diese Unterschlagungen zu verdecken, die betreffenden Kontobücher, Forstregister, Manuale rc. fälschlich geführt zu haben. Dem Verbiete der Geschworenen gemäß wurde Rosenbaum wegen Unterschlagung von 3565 Mk. 74 Pf. und falscher Führung der betreffenden Bücher unter Ausschluß mildernder Umstände zu 6 Jahren Zuchthaus und 10jährigem Ehrenrechtsverlust verurtheilt. — Nossen, 3. Mai. Schon seit vielen Jahren hatte man Be weise, daß Wilddiebe in den Forsten der Rittergüter Augnstusberg, Hirschfeld Reinsberg, Bieberstein und in den umliegenden bäuerliche» Jagdrevieren ihr Wesen trieben, niemals aber gelang es, dieselben auf frischer That abzufasfen. Da setzte neuerdings der Besitzer des Ritter gutes Hirschfeld für Denjenigen eine Belohnung von 300 M. aus, welcher Näheres über das Verbrechen »üttheilen könne, und siehe da, es währte nicht lange, da hatte die Polizei so viel Material in den Händen, um eine weitverzweigte Gesellschaft von Wilddieben zur Haft zu bringen. Dieselben sind vorläufig wegen Feststellung des Thalbe- standes im hiesigen Gefängniß in Gewahrsam gebracht und haben später ihre Aburtheilung in Freiberg zu erwarten. — Ein schrecklicher Anblick bot sich am 3. d. M. früh einem Leipziger Spaziergänger dar, als derfelbe bei einer Waldpartie durch die Linie an das Röddelwehr gelangte. Es lagen daselbst zwei Leichen übereinander, ein junger Mann von etwa 20 Jahren und ein Knabe. Beide hatten sich vermittelst Cyankali vergiftet, wovon sie noch in zwei Fläschchen bedeutende Quantitäten bei sich führten. Wie sich später ergab, war der Aeltere, ein 20jähriger Buchhandlungs- gehülfe, der Onkel des Jüngeren, eines hiesigen 13jährigen Schulknaben. Dem Ersteren war wegen seines äußerst exaltirten Wesens der Um gang mit dem Knaben seitens der Eltern des Letzteren untersagt worden. Trotzdem hatte er den Knaben an sich zu ziehen gewußt und war bereits seit 8 Tagen mit ihm spurlos verschwunden. Bei den Leichen fand sich eine Visitenkarte, worauf die Worte standen „selbst getödtet am 2. Mai." — Als am Mittwoch Nachmittag in Zittau ein Hochzeitszug eben die Kirche verlassen wollte, stürzte der Großvater der Braut, Rentier M. Plötzlich zu Boden. Ein Schlagfluß hatte ihn getroffen, welchem er in der Nacht noch vollends erlag. — Am Himmelfahrtstag Abends in der 9. Stunde hatten sich in Stadt Wehlen 3 junge Burschen und ebensoviel Mädchen in ein kleines Boot gesetzt, um nach Rathen zu fahren. Da gerade der Ket tendampferzug kam, so wollten die Insassen des Bootes letzteres an diesen Zug anhängen, zum Entsetzen Aller schlug jedoch das Boot beim Nachfahren um und gewiß hätten Alle den Tod des Ertrinkens erleiden müssen, wenn nicht ein gutes Geschick es fügte, daß gerade der Schiffseigner Ehrlich sein Fahrzeug abhing. Die Leute desselben stiegen eiligst in einen kleinen Kahn und bewirkten mit aufopfernder Anstrengung die Rettung der 3 Mädchen sowie zweier Burschen, während der dritte Bursche, Namens Hermann Weber, nicht mehr erlangt werden konnte. — Behufs Aufrechthaltung der Ordnung bei Leichenbe gängnissen sind für das Königreich Sachsen aus Anlaß mehrfacher mißliebiger Vorgänge neuerdings strenge Bestimmungen unter An drohung von Geldstrafen bis zu 60 M. oder Haftstrafe bis zu 14 Tagen im Uebertretungsfalle erlassen worden. Hiernach ist ausdrück lich verboten die Veranstaltung von Leichenzügen, welche nicht so wohl eine Kundgebung der persönlichen Liebe und Achtung für den Verstorbenen, als die Bezeugung einer der Kirche, sowie der staat lichen Ordnung feindlichen Gesinnung bezwecken; ebenso das dieser Ab sicht entsprechende Führen und Trage» von Fahnen und Abzeichen bei Leichenbestattungen; ferner das Reden am Grabe ohne vorgängige Zu stimmung des Ortsgeistlichen, das unbefugte, mit dem Ernst der Hand lung, sowie der Würde des Orts nicht im Einklang stehende Sprechen am Grabe überhaupt, endlich die unangemessenen lauten Beifalls äußerungen durch „Bravo" und Hurrah!" und andere derartige Zu rufe im Anschlusse an die am Grabe gesprochenen Worte, sowie auch sonst ein der Handlung und dem Orte nicht entsprechendes lautes und unpassendes Betragen, Tabakrauchen und dergleichen. Zur Aufrecht haltung der Ordnung ist polizeiliche Hülfe in Anspruch zu nehmen und Uebertreter sind der Kircheninspektion anzuzeigen. — In einer Wohnung der Leipziger Vorstadt in Chemnitz wurde durch einen unglücklichen Zufall ein 3 Jahre alter Knabe mit kochend heißem Wasser derart verbrüht, daß das arme Kind am nächst folgenden Tage verstarb. Schein und Sein. Erzählung von Ferd. v. Döbeln. Fortsetzung. Wohl nahm Alfred herzlichen Antheil an den frohen, den Vater und die Schwester betreffenden Nachrichten, indessen die rechte Freude wollte bei ihm nicht zum Durchbruche kommen. Er war bei Frida gewesen, und auf die Frage des Vaters nach deren Befinden entgegnete er mit einem Seufzer: „Sie welkt mehr und mehr dahin und ihr Zustand verschlimmert sich mit jedem Tage." Er setzte sich wehmüthig an den Tisch und stützte das Haupt auf die Hände. Ach, er hatte nur zu recht. Auf das Gemüth des armen Mäd chens hatte in der letzten Zeit zu viel eingewirkt. Der Contrast zwi schen bitterer Armuth und Reichthum, die plötzliche Rückkehr des todtgeglaubten Vaters und endlich die Verhaftung Alfred's, alles dies hatte ihr Herz so aufgeregt, daß es unter den heftigen Schicksalsschlä gen fast gebrochen war. Hierzu bildete sich ein schweres Lungenleiden, welches trotz der sorgsamen Pflege der Eltern, trotz der Bemühungen des Arztes schlimmer und schlimmer wurde. — Was half ihr nun der Comfort der ncubezogenen Wohnung, was halfen ihr die Blumen? Ach, auf ihren bleichen Wangen blüthen bereits die Rosen des Todes; sie wußte, daß ihre Tage gezählt waren, und verbarg sich ihren hoffnungslosen Zustand nicht. Alfred saß täglich einige Stunden bei ihr, und diese Stunden waren noch ihre einzige Freude. Mit Sehnsucht verfolgte sie den Zeiger der Uhr; sie wußte, daß Alfred immer gegen sieben Uhr zu ihr kam, und zu dieser Zeit nahm sie alle ihre Kräfte zusammen, um so stark als möglich zu sein. Sie wagte dann nicht, eine Thräne sehen, einen Seufzer hören zu lassen, weil sie den Geliebten nicht be trüben wollte. Auch heute trat Alfred um sieben Uhr ein. Frieda lag wie gewöhnlich in einem weichen Lehnstuhle. Die dunkelrothen Flecken auf den bleichen Wangen stachen heute noch greller ab als sonst und die weißen, welken Hände hielten eine prachtvolle Rose, ihre Lieblingsblume. Alfred reichte dem Vater und der Mutter die Hand, und dann trat er auf Frida zu und sagte: „Wie geht's Dir, meine liebe Frida?" „Wenn Du bei mir bist, lieber Alfred, dann geht mir's immer gut; aber in den langen, langen Nächten, die gar nicht enden wollen, o, da ist's oft recht traurig!" „Habe nur Geduld, liebe Frida," tröstete Alfred; „in wenig