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Wochenblatt für für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, ^as König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dreiun-vierzigster Jahrgang. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag. AbonnementspreiS vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Rümmer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montag- u. Donnerstag« bi« Mittag IS vbr. Erschein« wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag.) Abonnementspreik »ierteljährlich l Mark. Eine einzelne Nummer tostet 10 Pf. Jnseratenannahme RvntagS ».Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. 1883. Freitag, den 4. Mai Nr. 3«. Bekanntmachung. Es wird beabsichtigt, den in Röhrsdorfer Flur gelegenen, von Klipphausen nach RöhrSdorf führenden Fahrweg, niederer Kirchweg genannt, als öffentlichen Fahrweg einzuziehen, als Wirthschaftsweg und als öffentlichen Fußweg aber beizubehalten. In Gemäsheit 8 14 Abs. 2 des Wegebaugesetzes voin 12. Januar 1870 wird dieses Vorhaben hierdurch mit dem Bemerken bekannt gemacht daß etwaige Widersprüche dagegen binnen 3 Wochen unter gehöriger Begründung allhier anzubringen sind. Meißen, am 27. April 1883. Königliche Amtshauptmannschaft. v. Bosse. Bekanntmachung, das vorzeitige Annoneiren des Tanzhaltens betr. Von Gastwirthen hiesigen Bezirks ist zeither mehrfach das außerhalb der im Tanzregulative festgesetzten Zeiten beabsichtigte Tanz- halten vor Einholung der hierzu erforderlichen Genehmigung in den Lokalblättern bekannt gemacht worden. Die Königliche Amtshauptmann schaft sieht sich daher veranlaßt, die betreffenden Gastwirthe darauf aufmerksam zu machen, daß sie sich die Folgen dieses vorzeitigen Annon- cirens selbst zuzuschreiben haben, wenn ihnen die Erlaubniß zu solchem Tanzhalten hier versagt wird. Meißen, am 1. Mai 1883. Königliche Amtshauptmannschaft. v. Boffe. Konkursverfahren In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Schnittwaareuhändlers Gotthelf Moritz Wehner in Wilsdruff ist zur Abnahme der Schlußrechnung des Vewalters, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeichniß der bei der Vertheilung zu berücksichtigenden Forderungen und zur Beschlußfassung der Gläubiger über die nicht verwerthbaren Vermögensstücke der Schlußtermin auf den 3V Mai 1883, vormittags A Uhr, vor dem Königlichen Amtsgerichte hierselbst bestimmt. Wilsdruff, den 1. Mai 1883. Busch, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts. Interessantes aus Luthers Leben. I. (Luthers Geschlecht.) Luthers Eltern, Hans und Margarethe Luder, stammten aus Möhra, einem bescheidenen Dorf, welches zwei Stunden südlich von Eisenach liegt. Dort gabs fast nur selbständige Bauern mit Haus und Hof, Vieh und Pferden, welche wegen der moorigen Beschaffen heit des Bodens (daher wohl auch Möhra oder More seinen Namen hatte) zu strenger Arbeit genöthigt waren. Aus dieser handfesten der ben Bauernschaft ist Luther hervorgegangen. Im Gespräch mit seinem Freunde Melanchthon, äußerte er selbst einmal: „Ich bin eines Bauern Sohn, mein Vater, Großvater, Ahnherrn sind rechte Bauern gewest", worauf Melanchthon meinte, wenn er am Ort der Ahnen geblieben, hätte er wohl können Schultheiß im Dorfe oder ein oberster Knecht über die andern werden mögen. Zu seinem väterlichen Geschlecht gehörten in Möhra mehrere Fa milien und Häuser und auch in der Umgegend war es verbreitet. Der Name Luder (denn Luther mit th schrieb er sich erst, nachdem er in Wittenberg Professor geworden war) ist ursprünglich Personenname, und heißt eigentlich Lothar, das heißt ein im Heere Berühmter. In dem zweifellos sehr alten Geschlecht erbte sich ein eigenthümliches Wappen fort, nämlich eine von der Seite gesehene Armbrust mit zwei Rosen neben ihr. Es hat sich übrigens dies Geschlecht durch alle Heimsuchungen und Umwälzungen hindurch, namentlich durch die Nöthe des 30jährigen Krieges hindurch bis in die Gegenwart hinein fest be hauptet. Noch jetzt giebts dort drei Familien Luther, die sämmtlich Landwirthschaft betreiben, und sollen ihre Gesichtszüge eine auffallende Aehnlichkeit mit denen Luthers aufweisen. Auch soll iu der dortigen Gegend heute noch eine besondere Tiefe des Gefühls und Festigkeit des Sinnes herrschen. In Möhra ist Luthers Vater zum Manne herangewachsen. Luthers Großvater hieß Heine, d. h. Heinrich und und Luthers Mutter war eine geborne Ziegler. Luthers Vater hatte noch zwei Brüder, so daß das väterliche Erbgut getheilt werden mußte. Aber da in Möhra nicht das Erstgeburtsrecht galt, sondern der jüngste Sohn das väterliche Gut erbte, so mag Luthers Vater nach seinem selbstständigen emporstrebenden Sinn es für gut befunden haben, die Heimath zu verlassen und seine Kenntnisse und Fertigkeiten als Berg mann, die er sich schon in den Bergwerken Möhras erworben hatte, anderswo zu verwerthen. Darum zog er nach Eisleben, wo der Berg bau in hoher Blüthe stand. Dort wurde Luther am 10. November 1483 geboren, Nachts zwischen 11 und 12 Uhr und wurde Luther nach der damaligen Sitte gleich den folgenden Tag getauft. Die Petrikirche, in welcher er getauft wurde, wurde bald nach seiner Ge burt neugebaut, doch soll im heutigen Taufstein derselben noch ein Rest des alten erhalten sein. Vom Geburtshaus Luthers stehen nur noch die Mauern des Erdgeschosses, in diesem zeigt man noch heute ein nach der Straße liegendes Zimmer, in welchem der Reformator zur Welt gekommen ist. Taqesgeschichte. Berlin, 30. April. Der ehrende Nachruf, welchen der konser vative Reichstagspräsident dem fortschrittlichen Volksmanne Schulze- Delitzsch heute widmete, hat auf allen Seiten sehr angenehm berührt. Der Nachruf, in welche,n Präsident v. Levetzow zugleich Zeugniß von seiner edlen Gesinnung gegen die Gegner ablegt, hat folgenden Wort laut: „Ich habe dem Hause die schmerzliche Mittheilung zu machen, daß unser verehrter Kollege Schulze-Delitzsch, Abgeordneter für den Wahlkreis Wiesbaden-Rheindorf, nach längerem Leiden gestern früh verstorben ist. Der Dahingeschiedene gehörte dem Reichstage ununter brochen seit dem Jahre 1867 an. Wie er sein ganzes Leben der öffentlichen Wohlfahrt widmete und auch auf dem genossenschaftlichen Gebiete unter Aufstellung neuer Gesichtspunkte der Schöpfer war hoch- bedeutungsvoller, weit über die Grenzen Deutschlands hinausragender Institutionen und Korporationen, deren Berather und Förderer, deren Seele mit voller Hingabe und Frische bis an seinen Tod war, so wirkte er auch im Reichstage als ein Muster treuer Pflichterfüllung, auf allen Seiten hochgeschätzt, bei allem Eifer stets sachlich auch be reit, mit seinen Gegnern sich über seine Ansichten zu verständigen. Er empfand es sehr schmerzlich, daß seine sinkenden Kräfte es ihm in letzter Zeit nicht mehr gestatteten, unseren Sitzungen regelmäßig bei zuwohnen. Wir werden den liebenswürdigen und ehrwürdigen Kollegen nimmer vergessen und zu Ehren seines Andenkens bitte ich Sie, meine Herren, sich' von Ihren Sitzen zu erheben. (Dies geschieht.) Der Reichstag hat am Montag die zweite Lesung des Arbei ter-Krankenversicherungsgesetzes beendigt. Die Resultate der zweiten Lesung schließen sich, einige unwesentliche Modifikationen ab gerechnet, überall den Beschlüssen der Kommission an. Für die dritte Lesung sind im Laufe der Verhandlungen bereits einige Abänderungs anträge angekündigt, die zum Theil nur redaktionelle Verbesserungen anstreben sollen, das Hauptgewicht der dritten Berathung wird sich jedoch der Frage zuwenden, ob der angenommene § la, welcher die land- und forstwirthschaftlichen Arbeiter prinzipiell dem Versicherungs- zwange unterwirft, beibehalten oder ob diese Frage im Sinne des ab gelehnten Antrages des Abg. v. Hertling geregelt werden soll, worauf die Reichsregierung ebenfalls ein großes Gewicht legt. Berlin. Eine tumultuarische Szene, hervorgerufen durch die Meuterei von Gefangenen, fand letzten Freitag Abend im Sitz ungssaale der 3. Strafkammer des Landgerichts zu Moabit statt, welche gegen eine aus 15 Mitgliedern bestehende Einbrecherbande ver handelt hatte. Die Bande, welche in Berliner Geschäftslokalen und in der Umgegend von Berlin zahlreiche Einbruchsdiebstähle verübt hatte, bestand aus lauter bereits mit Zuchthaus bestraften Personen, von denen bekannt war, daß sie vor Gewaltthätigkeiten, selbst im Sitzungssaale, nicht zurückscheuen würden. Als nun die Verhandlungen ihrem Abschluß entgegengingen und vorherzusehen war, daß die Ange klagten zu langen Zuchthausstrafen verurtheilt würden, forderte der Kriminalkommissar Braun, der während der Voruntersuchung die po lizeilichen Recherchen geführt hatte und bei der Hauptverhandlung als Zeuge anwesend war, die zugleich mit ihm als Zeugen anwesenden Kriminalschutzleute auf, bis zum Ende der Verhandlung im Saale zurückzubleiben, um einer etwaigen Meuterei der 14 Gefangenen (der 15. Gefangene war während der Verhandlung abgeführt worden, da er den „wilden Mann" spielte), sofort entgegentreten zu können. Als nun Abends der Vorsitzende das Urtheil verlesen hatte, welches auf ca. 70 Jahre Zuchthaus für die Mitglieder der Bande zusammen lau-