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Fährmann, Böhnisch, Heinze, P hilipp, Riedel (starb am 30. Septem ber 1882) und Schaffrath; we ter ein Sezessionist Roth und ein so zialdemokratischer Abgeordneter Freytag. Hierüber ist im 25. länd lichen Wahlkreise e n Ersatz fm den konservativen verstorbenen Amts richter Schade zu wählen. N ach der Partcisteüung haben also die Konservativen 14, die Fort chritüer 6, die Nationalliberalen 4 und Se- zessionisien und Sozialdemokrat n je einen Sitz erledigt. In der Frage über die Ar oeitsbücher hat auch der Landcsvecein der Konservativen Sachsens Ste lung genommen, indem derselbe durch seinen Vorsitzenden, Herrn Kammer-Herrn Freih. v. Friesen auf Rötha eine Erklärung für die Einführw g obligatorischer Arbeitsbücher für ge werbliche Arbeiter cm den deutschen Reichstag in Berlin abgeben ließ. — In Ortmannsdorf i t am 9. d. Vormittag eine, dem Gast- wirth Mehlhorn in Hartensdor' gehörige Scheune niedergebrannt, bei Beseitigung der Schuttmasse aber der gänzlich verkohlte Leichnam eines unbekannten Mannes, veimuthlich eines Handwerksburschen, ge funden worden. — In Hausdorf ist ein unheimlicher Fund gemacht worden. Auf dem Grundstücke des Gutsbesitzers Lotze sollte der Grund zur Vergrößerung einer Scheune gegraben werden und dabei stieß man auf ein anscheinend männliches Gerippe. Dabeiliegende große Nägel lassen darauf schloßen, daß der Leichnam in einer Kiste vergraben worden und muthmrßlich schon längere Zeit gelegen hat. — In Berggießhübel ist über eine Bergmannsfamilie ein schweres Unglück hweingebroch, n. Nicht weniger als 4 Kinder im Alter von einem halben bis < chr Jahren raffte die böse Diphteritis in 8 Tagen dahin. Gegenwärtig liegen noch die Mutter und das älteste Mädchen von 11 Jahren an derselben Krankheit darnieder, Hoffnung auf Genesung ist jebcch vorhanden. — Leipzig. In ßiner am letzten Mittwoch Abend in der Central .falle abgehaltenen Sitzu rg beschloß der geschäftsführende Aus schuß zur Vorbereitung einer v>m 15. Mai bis 15. Oktober 1885 in Leipzig abzuhaltendsn sächlichen Landesausstellung für Gewerbe und Jndustre zunächst die Beschaffung eines Garantiefonds für das ge plante Unternehmen ins Auge zu fassen. Es wird zu diesem Zwecke in Kürze eine diesbezügliche Aufforderung an die zunächst betheiligren Kreise gerichtet weiden. Die Summe des aufzubringenden Garantie kapitals ist durch eine technisch Komission unter gewissenhafter Be nutzung der anderwärts gemacht en Erfahrungen auf 270,000 M. ver anschlagt. Wie aus den Verl)mdlungen des gedachten Komitees, an dessen Spitze Gewerbekammerpr isident Häckel die Berathuugen leitete, hervorg ng, tritt der mit den Vorarbeiten betraute geschäftsführende Ausschuß mit Energie und Ernst für die Sache ein und strebt, da er sich der Unterstützung einer großen Anzahl von Handels- und Gewerbe kammern Sachsens, Gewerbevereinen, sowie ähnlicher Körperschaften gewiß weiß, auch von der Förderung des Unternehmens seitens der Staatsbehörden und des hiesigen Raths überzeugt ist, nunmehr mit allen Kräften die weiter» Verwrrkliü ung des Planes an, dem bekanntlich Se. Maj. der König in zustin mendster und wohlwollendster Weise seine Aufmerksamkeit geschenkt hat. Die hochentwickelte Industrie Sachsens und das rührige Gew rbe unseres Landes wird sicherlich dem Unternehmen freudig und gern nahe treten, um so mehr als es gilt, auch einmal in dein geschlossenen Rahmen des eigenen Landes sich gleichen Vorbildern anderer Rayons ebenbürtig an die Seite zu stellen. Wm ZLllerseelentage. Novelle von Emilie Heinrichs, s Nacht ruck verboten.! (Fortsetzung und Schluß.) „Nun, dann wird's wohl, so sein," nickte sie befriedigt, „und ich kanns Ihnen mittheilen von dein Joseph, den ich besser gekannt habe als die ganze Stadt, da ich an die zehn Jahre mit seinen Eltern ein Häuschen zusammen bewohnt hc be. Der Joseph Heider war ein Heller- Kopf und konnte so schön schreiben, so tüchtig rechnen, daß ihn der reiche Finanzrath Stein, der größte Bankier in unsrer Stadt, in sein Komptoir nahm; da glaubte nu n natürlich, sein Glück wäre für alle Zeiten gemacht, aber es kam anders. Der Joseph war treu wie Gold, das wußte der Finanzrath wohl und machte ihn nach acht oder zehn Jahren zu einem Kassirer. Die alten Heiders waren mittlerweile Beide gestorben und das war e n Glück, so sahen sie doch nichts mehr von all dem Elend, daß üoer ihren Josef herembrechen sollte. Dieser hatte sich mit einem armen, aber bildhübschen Mädchen verlobt und wollte sie, als er Kassirer geworden, heimführen an den eignen Herd. — Die Maria Huber war eine geschickte Stickerin und arbeitete auch für die Frau Finanzräthin Stein, es war ein frommes, kreuzbraves Mädel, das ihre bbnde Mutter und zwei kleinere Geschwister ernährte und dieses Glück also reichlich verdient hatte. Nun fuhr aber, wie's in der Bibel heißt, der Beelzebub dazwischen und säete Unkraut; der Finanzrath, jener Mann, der seit einem halben Jahre unter jenem prächtigen Denkmal liegt und mit den dicken Wachskerzen und reichen Kränzen aus den Qualen des Fegefeuers erlöst werden soll, hatte die schöne Maria bei seiner Frau gesehen und glaubte, er könne als rei cher Mann nur seine Hand nach ihr ausstrecken. Da war ihm na türlich der Bräutigam im Wege." — „Nur der Bräutigam?" unterbrach der Fremde sie finster, „so fand er bei der Braut also keinen Widerstand?" „Ei, welche Frage, Herr?" fuhr die Frau entrüstet fort. „Ich sagte ihnen ja vorhin, die Maria sei ein kreuzbraves Mädchen gewesen, was sie noch heut zur Stunde ist, wie viel man die Arme auch hat ver leumden wollen." „So lebt sie noch, die Maria Huber?" fragte der Fremde leise. „Ja, freilich lebt sie noch, ein elend jammervolles Leben, das ich nimmer ertragen könnte . . . Doch Ihr dürft mich nicht unterbrechen, Herr, der Faden kommt mir sonst abhanden. Die Maria war dem Joseph in Liebe und Treue von Herzen zugethan, das weiß ich, die Barbara Eisenberg, so sicher, daß ich noch heut das heilige Sakrament drauf nehmen wollte, und der Joseph Heider hats auch verdient, das Mädchen war sein Alles. Als es dem Finanzrath Stein nun immer nicht gelingen mochte, ihr Herz abwendig zu machen und sie durch sein Geld zu gewinnen, da wußte er es durch schlechte Menschen anzustellen, daß der Joseph eifersüchtig wurde und ihr das Leben recht herzlich schwer machte. Die Arme klagte es mir damals öfters. Eines Abends fand er den Finanzrath in ihrem Häuschen und da wars zu Ende mit dem Vertrauen, an seinem Herrn könnt er sich nicht vergreifen, so brach er denn mit der Maria und wurde menschenscheu. Der reiche Mann aber fürchtete ihn und suchte ihn zn verderben. Die Gelegenheit da zu fand sich endlich; — in der Kasse fehlten 2000 Gulden, Joseph wußte nichts über deren Verbleib, er kam ins Gefängniß und wurde nach einem halben Jahre, wegen mangelnder Beweise, wie es hieß, wieder freigelassen. Da wars aber aus mit dem Unglücklichen, ganz c us. — Niemand wollte ihm Arbeit geben, obgleich man ihm den Dieb nicht ins Gesicht werfen durfte. Die gute Maria hätte ihn gern aus genommen, sie liebte ihn wie früher und war die Einzige, außer mir, ine an seine Unschuld glaubte. AVer das Mißtrauen saß ihm jetzt noch üefer im Herzen, und der Haß gegen die ganze Welt dazu, und eines Tages war er verschwunden. Man fand seine Kleider am Flusse und zweifelte nicht, daß er sich aus Verzweiflung das Leben genommen. Von seiner Leiche aber war nichts zu entdecken, bis man sie nach et lichen Monaten in einem Fischernetze fing und sie Abends dort unten mi der Mauer in der Armensünderecke begrub. Die Maria und ich, wir Beide allein gaben ihm das Geleite." Die Frau schwieg und trocknete sich die Augen. Der Fremde drückte ihr die Hand. „Sie sind eine brave Frau", sprach er leise. „Wie aber nahm Naria dieses Unglück auf?" setzte er hastig hinzu. Ach die Arme weinte so viel, daß sie fast erblindete und nicht nehr sticken konnte. Dem Finanzrath zeigte sie die Thure, aber das löse Gerücht spann doch geschäftig daran, ihren guten Ruf zu unter- ;raben. Wie schwer es ihr geworden, bü all dem Jammer auch noch Brod für sich, bie blinde Mutter und die beiden Geschwister anzu- chaffen, laßt sich denken, aber sie hats tapfer getragen und ohne Rast und Ruh gearbeitet bis in die sinkende Nacht. Nun ist die Mutter wdt, die Geschwister herangewachsen, aber arbeiten muß sie noch im- ner wie ein Lastthier, und ich wette, sie hat noch immer heut' nach zehn Jahren, so lang wirds wohl schon her sein, das einsame Grab n der Armensünderecke nicht vergessen. „So meinen Sie?" „Nun, daß die Maria ein Lichtlein und einen Kranz für ihren stoseph erübrigt hat, das meine ich; hat sie doch alljährlich am AUer- eelentag für ihn gebetet, für ihn, an den kein Mensch sonst denkt, und lessen Grab gemieden wird als das eines Ausgestoßenen. — Der Fremde fuhr sich rasch mit der Hand über die Augen. „Noch eins, liebe Frau," sagte er, als diese sich still grüßend jetzt mtfernen wollte, „hat man'denn damals in der ausgefundenen Leiche nit Bestimmtheit den Joseph Heider wieder erkant?" „Jesus Maria, wer sollte es denn anders gewesen sein, Herr? Oie Leiche hatte lange im Wasser gelegen und war bereits in Fäulniß ibergangen, ich hätte sie um die Welt nicht sehen können, auch die Naria hielt ich davon zurück. Die Polizei sagt, es sei ganz bestimmt >er Joseph Heider, welcher als Selbstmörder dort unten an der Fried- jofsmauer verscharrt worden ist." „Es ist gut, ich danke Ihnen, liebe Frau!" nickte der Fremde, üftete grüßend den Hut und ging langsam der bezeichneten Mauer zu. Die Frau blickte ihm einen Augenblick nach, dann schüttelte sie verwundert den Kopf und ging zurück. III. Des Fremden Schritte wurden immer langsamer je näher er der Armensünderecke kam, er blieb öfters stehen und strich sich mit der Hand iber die Stirn, dann warf er den Mantel zurück, als würde ihm zu heiß, obwohl die Luft rauh war und der Herbstwind kalt durch die Trauerweiden fuhr. Starr war sein Blick auf die einsame Mauer gerichtet, wo er jetzt deutlich eine dunkle Gestalt knieen sah; ein dünnes Lichtlein flackerte wie in Irrlicht auf dem Grab und ein Papierkranz schmückte die Stätte, wohin kein anderer menschlicher Fuß sich verirrte. „Sie ist es", murmelte er, „Maria — siedetet für die Seele deö Selbstmörders!" Wie gebannt blieb er stehen und sprach halblaut die Gedanken, welche seine Seele so mächtig bewegten, in jener Saphir'schen Dich- iung aus: Möchte wissen, wenn ich bald begraben werde sein, Und auf meinem Grab sicht ein Kreuzchen oder Stein, Und man vor Riedgras kaum das Grab zu sehen vermag Ob sie wohl kommen wird am AUerseelentag. Ob sie den feuchten Blick wohl senket niederwärts, Ob sie bei sich nicht denkt: Hier ruht ein treues Herz Ob sie um meinen Stein ein kleines Kränzchen flicht, Ob sie für meine Ruh ein Vaterunser spricht. Gewiß, sie wird wohl kommen, zu beten auf mein Grab, Sie weiß, daß ich sonst Keinen für mich zu beten hab'. „Nein, Keinen, Keinen!" seufzte der fremde Mann, „dorthin in jene Ecke verirrt sich Niemand als die erbarmende Liebe." Fester zog er den Mantel um die Schultern und schritt rasch auf das einsame Grab zu, welches mit dem kleinste Lichte, dem armseligsten Kranze, aber auch mit den schönsten Perlen, mit Thränen echter Liebe geschmückt war. Die trauernde kniete an dem Grabhügel, sie betete und weinte, er konnte ihr Antlitz, das sie tief niedergesenkt hatte, nicht senken, es war, als rede sie mit Todten als sei die Außenwelt für sie in diesem Au genblicke nicht vorhanden. Unverwandt betrachtete der Fremde die Mädchengestalt, Thräne um Thräne rollte dabei in seinen Bart hinab. Nun sprach sie halblaut ein Vaterunser und erhob sich, um heim- zukehren. Sie wandte sich — ihr von Thränen verdunkelter Blick fiel auf den Fremden, der sie mit einem unsagbaren Ausdruck von Liebe und Rührung ansah. Glühende Röthe überflog ihr immer noch düvsches blasses Gesicht, auf welches Gram und Entbehrungen ihre ehernen Zeichen eingegraben hatten. Hastig wollte sie an ihm vorübereilen, als er den Hut abnahm und mit zitternder Stimme ihren Namen aussprach. „Maria!" Wie vom Blitz getroffen zuckte sie zusammen und starrte ihn eine Weile regungslos an. „Großer Gott, es ist Joseph oder sein Geist!" stammelte sie und brach bewußtlos zusammen. Der Fremde fing sie in seinen Armen auf und legte sie sauft auf den Grabhügel nieder. Wie eine verlorene Seele flackerte das Lichtlein in der Armen- sänderecke und leise strich der Wind durch die papierenen Blätter des Kranzes. An der Seite der Ohnmächtigen aber kniete der Fremde, bis sie sich erholte. Sie erwachte endlich unter seinen Bemühungen und, zusammen,» schauernd, wie im Entsetzen, schloß sie aufs Neue die Augen. „Maria, sieh mich ohne Furcht und Beben an", sprach er zärtlchxl „ich bin's wirklich und leibhaftig, Dein Joseph, kein Geist, wie ^t! fürchtest. O, sieh mich an und sprich, kannst Du mir vergeben, ich an Dir gesündigt in wilder Eifersucht?" A