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armten Edelmannes, der von einer kümmerlichen Pension und stolzen Erinnerungen lebt, der trotz dieser wenig glänzenden Resultate von seinem einzigen Kinde verlangte, daß es dasselbe Ziel suche. Ich be suchte die Schule und war froh, auf diese Weise meine Lehrer los zu werden. Als ich jedoch den Soldatenrock angezogen, konnte ich den Zwang, dem ich mich fügen sollte, nicht ertragen, und die Beschäftig ung, die mir wurde, langweilte mich. Es dauerte nicht lange, so hatte ich eben so viele Feinde wie Vorgesetzte, und man that mir den Willen: man jagte mich fort. Niemand war froher als ich, und Niemand zorniger als mein Vater. Er fluchte und tobte, nannte mich einen ehrlosen Feigling und wies mir die Thüre." „Als der erste Sturm vertobt war, schrieb er an einen seiner Vettern, einen Gerichtsrath, und bat ihn, sich meiner anzunehmen und zu versuchen, ob er aus mir einen Bücherwurm oder Actenträger machen könne, er wolle nichts mehr von mir wissen." „Die Verachtung und Härte meines Vaters kränkte und empörte mich. Ich schwur, ihm zu zeigen, daß man, auch ohne gerade Soldat zu sei, ein Ehrenmann sein könne, und daß ich seine Unterstützung nicht mehr gebrauche." „Mein Onkel nahm mich zu sich, ich arbeitete vom Morgen bis zum Abend und war bald so weit, daß ich nicht nur eine Anstellung erhielt, sondern daß man mir auch mit einer Menge von Complimenten über meine Fähigkeiten eine glänzende Zukunft in Aussicht stellte." „Ich besuchte meinen Vater, aber kein freundliches oder ermunterndes Wort kam über seine Lippen. Zu dem Lobe meines Onkels sagte er: „Desto schlimmer; wenn Arthur etwas taugt, dann mußte er erst recht Soldat bleiben." „Ich hatte eine leidliche Anstellung und war, wie gesagt, auf dem Wege, mir eine ordentliche Zukunft zu sichern, aber — ich hatte zwei Fehler, an denen Alles scheitern sollte. Der eine war die unglückliche Manie, mich für einen Dichter zu halten, nachdem für meine Erstlings poesien einige Thaler Honorar und das berauschende Lob der Kritik erhalten hatte; der zweite ein unersättlicher Ehrgeiz, der immer gefähr licher wurde, je mehr mein Selbstbewußtsein sich hob. Ich bildete mir ein, man könne mich nicht mehr entbehren, meine Kuriere ward mir zu langsam, ich wollte vorwärts, wollte alle meine Kräfte zur Geltung bringen." „Da ließ mich eines Tages mein Onkel rufen und theilte mir in ziemlich rauhen Worten mit, daß ich anfinge, mich zu vernachlässigen, ich schiene meinen Dienst sehr leicht zu nehmen und triebe statt dessen brotlose Künste." „Diese Bezeichnung meiner dichterischen Versuche, von denen ich träumte, daß sie mich unsterblich machen würden, erbitterte mich am meisten. Ich antwortete ohne die Achtung, die ich ihm schuldig war, und erklärte, diese „brotlosen Künste" wären mehr werth, als der geistlose Büreaudienst, mit dem ich meine Zeit tödtete, ohne genügenden Ersatz dafür zu erhalten." „Der Onkel, ein echter Büreaukrat, wurde nun ebenfalls gereizt; ein Wort gab das andere, bis ich zuletzt den Dienst quittirte." „Als ich das Haus meines Onkel verließ, ging es nur eben so, wie an dem Tage, wo ich von meinem Vater schied. Ich bereute es, gegen meinen Wohlthäter undankbar gewesen zu sein; ich dachte daran, daß ich ihn verletzt und bekümmert habe; aber der Gedanke, du bist frei, du kannst jetzt auf eigenen Füßen stehen, und du wirst zeigen, was du bist und was du kannst, erfüllte mein Inneres mit stolzer Freude." „Ich miethete mir eine kleine Wohnung und widmete mich ganz den Musen. Meine Feder ruhte weder Tag noch Nacht, ich wollte, ich mußte mir einen Namen machen." „Aber sehr bald zeigte es sich, daß das Dichterbrot ein Hunger brot ist. Nur selten kam ein spärliches Honorar, statt dessen häuften sich die Manuskripte und die Auslagen für das Postporto der zurück geschickten Arbeiten." „Ich kam mit jedem Tage mehr herunter. Der Erfolg, welcher die Feder eines Dichter spornen muß, blieb aus, und ich fühlte, daß ich schlechter, geistloser schrieb, als je. Alles, selbst die Poesie, hatte mich verlassen. Da begegnete ich einst meinem Vater. Sein kummer voller Blick traf mich wie ein Dolchstich. Ich hatte so stolze Hoff nungen gehegt, so geprahlt — und jetzt sah ich aus wie ein Bettler, der uni ein Almosen bittet." „Ich schämte mich und floh in eine Seitengasse, um ihn nicht zu begegnen, um nicht in der schadhaften Toilette sein Mitleid zu erregen, aber er hatte alles gesehen." Am Abend desselben Tages erhielt ich einen Brief von ihm mit zwanzig Thalern." „„Du siehst,"" schrieb er, „„wohin Dein Hochmuth Dich geführt hat, bitte Deinen Onkel um Verzeihung, vielleicht nimmt er sich noch mals Deiner an. Ich bin zu arm, einen Müssiggänger zu ernähren. Befolge meinen Rath, damit ich nicht den Kummer erlebe, den Erben meines ehrlichen Namens in Schmach und Schande untergehen zu sehen." " „Ich weinte vor Schmerz, Reue und Verzweiflung, als ich den Brief las," erzählte M . . . weiter, „aber das Almosen wies ich zu rück. Es wäre feige, schrieb ich meinem Vater, wenn ich vor den Folgen meines Hochmuths zurückbebte, ich will sie männlich ertragen. Deine Güte habe ich verwirkt, ich werde versuchen, mich durchzuschlagen, aber Schande sollst Du nie durch mich erleben. „Als ich diesen Brief abgeschickt hatte, packte ich meine Sachen ein und reiste hierher. Der Erlös einer kleinen Arbeit gab mir die Mittel dazu, bis heute im Hotel zu leben, der Betrag meiner Rech nung liegt in meinem Schreibpult." ,Zch habe, seitdem ich hier war, alles versucht, eine Anstellung zu erhalten, ich hätte selbst Dienste nicht verschmäht, die anzunehmen ich in meiner Vaterstadt erröthet wäre. Aber es war umsonst. Und dennoch, mein Herr," hier sahM . . . mir fest ins Auge, „ist es nicht Muthlosigkeit, die mich an diesen Ort führte, man hofft ja von Tag zu Tag; vielleicht hätte ich heute oder morgen eine Stellung gefunden; nein, es ist etwas Anderes, was mich herführt, was den Entschluß in mir zur Reife gebracht hat, mit dem ich hierher ging. „Es ist einerseits die rächende Hand des Schicksals, welche ich über mir sehe, das thränenfeuchte Auge meines Vaters verfolgt mich, und ich glaube fest, dieser Fluch ist es, der Fluch meiner Schuld, der mir überall in den Weg tritt, und es nicht zuläßt, daß ich mich erhebe, der mich immer wieder niederdrückt. Andererseits ekelt mich das Leben an, die Welt mit ihrem geistlosen Mechanismus, indem nur Hohlköpfe gedeihen, die Zeit in ihrem schlaffen Gange, der nie nach den Gaben, sondern nur nach dem Paß und dem Taufschein fragt, dies 19. Jahr hundert, in welchem nur der Schwindler Glück macht, das Geld re giert und Gunst entscheidet. Mein Leben in der Heimat habe ich mir verloren; in der Fremde gilt es nichts, weil ich zu ehrlich bin und zu wenig dumm, um entweder zu betrügen oder — Glück zu haben." M . . . schloß mit diesen Worten seine Erzählung, und ich ge stehe, fuhr Horsteck nach kurzer Pause fort, daß mich das Wesen dieses Unglücklichen so ergriff, daß ich den Moment nie vergessen werde; hätte er in diesem Augenblicke die Pistole an den Mund gesetzt, wer weiß, ob ich ihn zurückgehalten hätte. Er that es nicht, im Gegentheil, seine Augen füllten sich mit Thränen. Das Gefühl in der Brust kämpfte so mächtig mit dem Bewußtsein seines Unglücks und der zähen Lebens kraft, die noch immer weder Muth noch Stolz verloren hatte, daß ich ihn mit einer Mischung von Achtung, Bewunderung und Theilnahme anschaute. Es lag etwas so Poetisches in dieser Kraft, selbst seine Fehler trugen etwas in sich, das man achten und bewundern mußte. Er deckte mir zu ersten Male das Leben auf, er lüftete den Schleier, welcher dem Reichen, dem Hochgeborenen und dem Glücklichen, welcher den geraden Pfad des Lebens, die bequeme Heerstraße, wandelt, das wahre Unglück verbirgt, er riß die Maske, den Flitterputz von unserer gerühmten Zeit der Intelligenz und blies die Schminke von dem Jahr hundert des Fortschrittes. Im Mittelalter gabs Herren und Knechte, ein kräftiger Arm schaffte sich Brot; heute, wo man prahlt, daß der Geist regiert, daß Talent und Wissen den Mann erheben, verhungert ein Mensch, weil er den Hochmuth hatte, zu wähnen, durch geistige Befähigung mehr zu gelten als durch Maschinenarbeit — und dann, als er getäuscht wieder umkehrt, findet er die Maschine besetzt, er ist zu „klug", um einfache Arbeit zu verrichten. Ich mußte ihm still schweigend Recht geben, daß die Zeit erbärmlich sei, als ich ihm an bot, bei meinem Verwandten, dem Minister K . . ., für ihn zu sprechen, nachdem ich durch hohle Trostworte weniger als durch die Erinnerung an seinen Vater die Selbstmordgedanken in ihm verscheucht hatte. K. stellte ihn an und Herr v. M . . . zeigte sich sehr bald als einen der brauchbarsten Köpfe des Büreaus. Vorher hatte man danach nicht gefragt, was er leisten könne, seine Befähigung nicht geprüft; jetzt wo der Minister ihn ins Departement schickte, fand man, daß er eine sehr gute Acquisition sei. Dieses Lob, fuhr Horsteck fort, war der beste Beweis für die Worte des Herrn v. M . . ., mit denen er unsere Zeit geschildert, und ich gestehe, daß mich jedes Lob, welches ich über ihn hörte, fast unangenehm berührte; denn es schärfte das Gift, welches er in jener Stunde mir eingeträufelt, ich lernte immer mehr, die Menschen verachten und die Verhältnisse gering schätzen, auf welche unsere Zustände basirt sind. Dieser Mann, von dem man mir schrieb, er eigene sich für die höchsten Staatsposten, wäre untergegangen, wenn ich, ein unbedeutender junger Offizier, ihm nicht durch eine zufällige Verwandtschaft eine Pro tektion verschafft hätte! (Fortsetzung folgt.) Vermischte». * Zwölf Mädchen erstickt. Die „Italic" meldet ein schreckliches Unglück, das sich in der Nacht vom 18. auf den 19. September zu Cavaller maggiore in Piemont zugetragen hat. Man fand dort 12 junge Mädchen, die bei der Seidenspinnerei beschäftigt waren, an Erstickung gestorben, weil sie in ihrem Zimmer eine halbabgedrehte Petroleumlampe hatten brennen lassen. Die Flamme theilte sich dec Flüssigkeit im Innern des Metallrezipienten mit und verzehrte lang sam das Oxygen, wodurch die Erstickung herbeigeführt wurde. Man fand am Morgen die Leichen mit allen Zeichen des fürchterlichen To- deskampfes, den die unglücklichen ausgestanden hatten. — Späteren Nachrichten zufolge waren die armen Opfer drei Schwestern Grosso, im Alter von 10, 12 und 15 Jahren, Rosa Caterina 17, Giobergio Caterina 16, Marie Aba 16, drei Schwestern Gonella, 15, I8 und 23, Emilie Dall' Ortv 15, Franziska Pia 15 und Laura Pia 17 Jahre alt. Der Jammer der Eltern ist herzzerreißend. Der Vater der Grosso wollte sich, wahnsinnig vor Schmerz, unter einen Eisenbahnzug werfen; die Mutter zweier Anderen wurde im letzten Augenblick, als sie sich ins Wasser stürzen wollte, gewaltsam zurückgchalten. Eines der Mäd chen sollte am Sonntag heirathen, aber der herbeigeholte Bräutigam fand nur noch ihre Leiche. Am 23. September fand die Beerdigung der Unglücklichen unte Begleitung des Präfekten, des Bürgermeisters, aller Behörden des Distriktes, sämmtlicher Arbeiterinnen der Seiden spinnerei und vieler Verwandten der Opfer statt. * Folgende heitere Geschichte erzählt ein englisches Blatt: Ein Ehe mann, der ziemlich stark unter dem Pantoffel steht und gleichzeitig großer Hundeliebhaber ist, kaufte jüngst bei einem Besuche in Aork ein Paar ganz junger Hunde. Da er es nicht wagte, sie nach Hause zu bringen, bevor sie sich gewisse jugendliche Unarten abgewöhnt, gab er sie einem Hundehändler zur Pflege und Erziehung. Als er wenige Tage darauf nach Hause kam, fand er seine Frau über Hals und Kopf damit beschäftigt, Vorbereitungen zum Verlassen seines Hauses zu treffen und eine Scheidungsklage gegen ihn anzustrengen. De» Grund ihres seltsamen Benehmens bildete ein Telegramm des Hunde händlers an ihren Mann, das vor wenigen Stunden einHelaufen und in folgenden Ausdrücken abgefaßt war : „Die herzigen Klemen befinde» sich sehr wohl und sehen prächtig aus. Schicken Sie Geld für ihre Verpflegung." .... * Ein radikales Mittel gegen den Mißbrauch der alkoholischen Getränke hat der Gemeinderath zu Kopenhagen in Anwendung gebracht. Von den 1350 Schankwirthschaften der dänischen Hauptstadt werden 1050 geschlossen, deren bisherige Inhaber eine Entschädigung von je 300 Kronen erhalten, die von den verbleibenden Schänken zu zahlende Steuer wird von 60 auf 200 Kronen erhöht. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Monat September. Getauft: Luise Ida, Friedrich Carl Robert Webers, Fleischers in Grumbach, Tochter; Clara Marie, Friedrich August Otto Leglers, Bürg. u. Schlossers hier, Tochter; Martha Meta, Carl Heinr. Ranfts, Bürg. u. Tischlers hier, Tochter; Hugo Richard, Ernst Hugo Hörigs, Barbierstubeninhabers hier, Sohn; Bertha Hedwig, Franz Clemens Funke's, ans. Bürg. u. Zimmermanns hier, Tochter; Marie Elisabeth, Robert Otto Pinkerts, Bürg. u. Schuhmachers hier, Tochter. Beerdigt: Carl August Ziegs, ans. Bürg. u. Fleischer hier, 66 I. 3 M. 20 T. alt; Anna Alma und Alma Marie Bertha, Töchter des Wilhelm Adolph Kripvenstapel, ans. Bürg. u. Leimfabri- kants hier, 1 I. 4 M. 21 T. und 2 I. 9 M. 15 T. alt; Frau Friederike Ernestine verw. Vogel geb. Jakob hier, 49 I. 15 T. alt; Laura Clara, Julius Hermann Schötz's, Bürg, u, Fischwaarenhändl. hier, Tochter, 1 I. 7 M. 12 T. alt; Emil Bernhard, Rudolp Bern hard Hoyers, ans. Bürg. u. Klempners hier, Sohn, 12 I. 7 M 10 T. alt. Redaction, Druck und Verlag von H. A. Berger in Wilsdruff.