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Staates unterzuordnen. Zuerst wird wohl jeder Vater, jede Mutter „ein gutes Wort" zur Zucht anwenden, um den Eigenwillen des Kindes zu brechen; doch hüte sich ein jedes, dies öfters zu wieder holen, wenn es das erste und zweite Mal keine Wirkung gehabt. Jetzt gilt es, durch Unangenehmes, welches sich bis zur körperlichen Züchtigung steigern kann, den Eigenwillen des Kindes so zu breche», daß es aufs Wort gehorcht. Ein Kind, welches im Alter von 4 und 5 Jahren nicht aufs Wort gehorcht, ist schon verzogen, und die Schule kann oft mit allem Fleiße und aller Energie das nicht wieder gut machen, was der Compaguon, das Haus, verschuldet hat. Ein Beispiel: Der Vater geht im Spätsommer mit dem Kinde die Straße entlang. Rechts und links lacht reifes Obst von den Straßenbäumen. Das Kind begehrt darnach. Hier ist die rechte Gelegenheit, das Kind die Enthaltsamkeit und Ehrlichkeit zu lehren: „Was nicht unser ist, das rühren wir nicht an, und wenn es nur eine Kirsche, eine Pflaume wäre!" Ebenso ist es mit dem Angeln in Bächen und Flüssen. Wer ohne dazu berechtigt zu sein, seinem Kinde Solches gestattet, erzieht es zum Diebstahl und nimmermehr zum freien Gehorsam gegen gött liches und menschliches Gesetz. (Fortsetzung folgt.) Tagtsgeschichte. Mit tiefem Schmerz muß es Jeden erfüllen, daß nach den neu sten Nachrichten Alexandrien, eine Stadt von mehr als 200000 Einwohnern und der Sitz eines blühenden Handels durch den Aus bruch von verheerenden Bränden am zweiten Tage des Bombarde ments furchtbar verwüstet und nach der Flucht seiner Einwohner ver ödet ist. Auf einen solchen Ausgang des Bombardements ist man in England nicht gefaßt gewesen; man betrachtete die egyptische Expedi tion im Licht einer militärischen Promenade, die Beschießung Alexan driens als eine wohlverdiente Züchtigung der egyptischen Militärpartei für das Massacre vom 11. Juni. Diese Züchtigung, nahm man an, würde vollkommen ausreichen, um Arabi Pascha sammt seinem Anhang zur Unterwerfung zu bringen, man rechnete auch wohl darauf, daß das durch die Granaten aus seiner Ruhe aufgestörte Volk sich des Diktators entledigen und die Engländer mit lautem Jubel als Befreier begrüßen werde. In der Absicht der englischen Regierung wie ihres Admirals hat es sicher nicht gelegen, Alexandrien ein so tragisches Geschick zu bereiten, und wenn auch die Erbitterung der englischen Seeleute über die Niedermetzelung einiger Kameraden, wenn auch Mangel an Geschicklichkeit oder an Disziplin auf dem Geschwader in einzelnen Fällen eine Anzahl von Geschossen auf die Stadt selbst ge führt haben, so ist doch vorerst wohl jene Annahme die gerechtfertigtere, daß das in Alexandrien selbst lvsgelasscne Gesindel die Brandfackel geschwungen hat, wie es in dem Morde von zurückgebliebenen Euro päern noch einmal feinen Rachedurst stillte. Zudem darf man nicht außer Acht lassen, daß Arabi Pascha entschlossen scheint, den Kampf bis aufs Messer fortzusetzen. Ihm darf man leider zutrauen, daß er auch Kairo noch opfern werde, wenn England und Frankreich große Truppenkörper landen sollten, um die egyptische Armee zu zertrümmern. Die „W. A. Z." bringt einen längeren Bericht ihres Spezial- Berichterstatters über die letzten Vorgänge in Egypten, dem wir Nachstehendes entnehmen: Alexandrien ist eine völlig ruinirte Stadt. Totale Berwüstung ist das Wort, das allein alles bezeichnen kann. Nicht die englischen Kanonen haben das Unheil angerichtet. Entweder hat die Armee Arabis vor dem Rückzüge alles angerichtet, ober man hat die Gefängnisse geöffnet. In manchen Straßen war nicht ein unausgeraubtes Haus zu finden, überall waren die Thüren eingeschlagen, viel fältig auch die Fensterläden oder Fenstergitter. Die Leichen lagen in großer Menge umher, sie müssen nach Tausenden beziffert werden, darunter zahlreiche Europäer, vor allem aber Frauen, Türkinnen, Araberinnen, Tscherkessinnen. Ueber den Zustand dieser Unglücklichen läßt sich nichts sagen. Verwundete wurden nicht gesehen. Die Erschlagenen hatten fast durchwegs Messerwunden. Am schrecklichsten war der An blick in der Rue de laBourse. Unsere Leute drangen, trotzdem ihnen diebrennenden Trümmer auf die Köpfe fielen, mit großer Bravour vor, zuerst immer Blaujacken mit Beilen und Faschinenmessern, dann Marine-Infanterie mit gefälltem Bajonnet In die Rue de la Bourse hatten sich einige hundert Europäer geflüchtet. Sie ver- barrikadirten sich im Hause der Imperial Ottoman-Bank, anfangs unten im großen Geschästssaal. Dort drangen die Mörder, die bewaffnet waren, nach kurzem Gefecht ein; die Europäer retirirten in die obere Etage und vertheidigten die zwei Stiegen. Es war ein furchtbarer Kampf, denn Hunderte von Arabern, einige Beduinen und viele Nubier liegen erschossen in der Rue de laBourse. Zuletzt blieben die Angreifer Sieger, indem sie von oben einen Eingang praktizirten. Was dann geschah, läßt sich nur ahnen, weil dort nicht Ein Europäer mit dem Leben davonkam. Auch ein paar- koptische Christen wurden dort getödlet. Der Anblick war ganz unqualifizirbar. Die Leichen waren, soweit sich das sehen ließ, alle aufs teuflischste verstümmelt. Nicht Menschen, Thiere haben gewüthet. Den Christen, die nicht in den eigentlichen ele ganten Christenvierteln wohnten, ging es verhältnißmäßig besser. Ein Theil von ihnen, etwa Hundert an der Zahl, schlug sich durch, sie fanden einige Straßen ver hältnißmäßig praktikabel und kamen allmählich zum Pont Neuf. Von dort holten unsere Boote sie ab. Die Einbarkirung war nicht leicht, die Boote waren überladen, die See hoch, aber die unvergleichliche Seemannskunst der Blaujacken und ihr Prak tisches Geschick überwand alle Schwierigkeiten. Es sind unter den Geretteten meist Männer, ich sah keine Frau, aber es sind welche darunter. Die Leute, die von dem Pöbel wie wilde Thiere gehetzt wurden, erzählen Schreckliches. Einstimmig versichern sie, daß Arabi die Gefängnisse geöffnet und die Sträflings aufgefordert habe, zu plündern, sie möchten nur die Rechtgläubigen verschonen. Natülich wurde auch das nicht beachtet. Den in die Stadt gekommenen Beduinen gab er, derselben Quelle zufolge, förmlichen Befehl, die Christenquartiere zu plündern und in Brand zu stecken. Alexandrien ist vollständig ruinirt; der materielle Schaden, der angerichtet wurde, beläuft sich auf Millionen. Schreckliche Bestialitäten sind vorgesallen. In den Chri stenvierteln drangen — nach der Erzählung der Geretteten — die Plünderer in die Häuser und ermordeten alles, was ihnen in den Weg kam. Einige hundert Euro päer wurden auf diese Art zum Theil unter bestialischen Martern ermordet. Arabi Pascha hat mit den egyptischen Truppen, die er selbst kom- mandirt, Alexandrien den Rücken gekehrt und ist in vollem Rück züge nach dem Innern begriffen, um daselbst die Armee, die während der Belagerung stark gelitten hatte, zu reorganisiren, möglicherweise alle waffenfähige Männer zum Kampf aufzurufen und so den etwaigen Landungstruppen Widerstand zu leisten. Von Christen, die sich vor dem von entlassenen Sträflingen und eingedrungenen Beduinen in Szene gesetzten zweiten Massacre gerettet, wird vermuthet, daß außer dem so ziemlich alle Europäer ermordet worden seien. Auch diejenige Presse, welche das Vorgehen Englands entschieden verurtheilt, neigt jetzt der Ansicht zu, daß der Brand nur zum geringsten Theile durch die Geschosse der Engländer verursacht ist, sondern in der Hauptsache die losgelassenen Horden zu Urhebern hat. Einstimmig ist man auch auf der englischen Flotte in dem Lobe der egyptischen Soldaten und insbesondere der Artillerie, die mit Geschick, Muth und Ausdauer die Vertheidigung geführt haben. Was den weiteren Verlauf der Dinge in Egypten selbst anlangt, so scheint England ganz ernstlich zu beabsichtigen, dort ein Corps von nahezu 50,000 Mann zu landen. Bisher haben nur 600 Mann Marinesoldaten und Matrosen den egyptischen Boden betreten, ohne indeß die Forts, mit Ausnahme zweier, zu besetzen, in denen Minen liegen sollen. Ueber die Haltung der Mächte ist auch im Augenblicke noch nichts Sicheres bekannt, doch sprechen Anzeichen dafür, daß die Konferenz der Türkei die Ausführung der Pazifikation Egyptens über tragen hat, diese aber von derselben abgelehnt und dann in die Hände der beiden Westmächte und vielleicht Italiens gelegt werden wird. London, 15. Juli. Nach einer Tepesche des „Reuterschen Bu reaus" aus Alexandrien von gestern Abend 8 Uhr sollte abends eine größere Truppenabtheilung unter Beihilfe seitens der neutralen Schiffe gelandet werden, um die Ordnung in der Stadt aufrecht zu erhalten. — Nach einem weiteren Telegramm aus dem Hafen von Alexandrien vom 14. d., abends 10 Uhr, wird Alexandrien jetzt in allen Theilen von Marinesoldaten bewacht, welche Befehl erhalten haben, die Sol daten zu entwaffnen und die Plünderer zu erschießen. Mau sucht die Bevölkerung zur Rückkehr zu ermuchigen. Die Dampfer „Penelope" und „Alexandra" sind heute Abend nach Port Said abgegangen. Die Feuersbrunst in der Stadt greift immer weiter um sich. Vaterländisches. — Für den Kongreß der sächsischen Gewerbe- nnd Hand" werkervereine, welcher in der Zeit vom 27. bis 29. Angust dss.Js' in Bautzen stattsinden soll, sind beim Verbandsvororte Zittau Anträge eingegangen. So beantragt der Gewerbeverein zu Sebnitz, daß die von dem letzten Handwerkertage in Magdeburg gefaßten Beschlüsse auf die Tagesordnung des Kongresses behufs Weiterberathung resp. Annahme gesetzt werden möchten (derselbe Antrag war schon vor dem Gewerbeverein zu Riesa eingegangen); der Gewerbeverein zu Bischofs werda, zugleich im Namen der Brndervereine zu Kamenz, Pulsnitz und Großröhrsdorf, daß der Wahlmodus zur Haudels- und Gewerbe kammer abgeändert werde; der Gcwerbeverein zu Mittweida, daß von Seiten des Kongresses eine Petition um Erweiterung der Kompetenz der Amtsgerichte an den Reichstag gerichtet werde; der Gewerbeverein zu Hainichen für den Gauverband der niedererzgebirgischen Gewerbe- Vereine, daß der Kongreß dahin Beschluß fasse, daß in Sachsen mehr und kleinere Gauverbände gebildet werden, welche ähnliche Zwecke ver folgen, wie der Ganverband der niedererzgebirgischen Gewerbevereiue, sowie daß der Kongreß durch seinen Vorort bei der k. Regierung dahin vorstellig werde, daß das Wahlrecht zur Handels- und Gewerbe kammer in direkter Weise ansgeübt werde. — Freiberg, 13. Juli. Festgeschlossen und unter sicherer Be gleitung zweier hiesiger Gerichtsdiener wurde gestern Nachmittag mit dem 5 Uhr-Zuge von Nossen der ruchlose Mörder Apitzsch nach dem hiesigen königlichen Landgerichte eingeliefert. 'Nach Hunderten zählend hatte sich das Publikum schon lange vor Ankunft des fraglichen Zuges nach dem Bahnhofe begeben, um dieses Scheusal in Menschengestalt in Augenschein nehmen zu können. Doch eine allgemeine Enttäuschung gab sich kund, als man, anstatt eine robuste, kräftige Verbrechergestalt zu erblicken, eine kleine, kaum mittelgroße, nichtssagende Physiognomie zu Gesichte bekam, welche, wie schon erwähnt, festgeschlossen, geführt von seinen Transportbeamten, mit scheuen, niedergeschlagenen Blicken durch die Kopf an Kopf stehende Menge passirte. Worte des Abscheus gaben sich kund und war es nur eine Stimme, welche hier vorherr schend war und zwar die: „Keine Gnade für ihn." — Die seit dem 1. d. M. in Oelsnitz i. V. eingeführte Bier steuer, durch welche vom halben Liter Bier ein Viertel-Pfennig für die Armenkasse erhoben wird, veranlaßte 36 Schankberechtigte, den Preis des Glases Bier um einen, auch 2 Pfennige zu erhöhen. Das Publikum ist mit dieser Steigerung des Bierpreises, welcher der Armen kasse ein Viertel, den Wirthen drei Viertel, oder bei einem jährlichen Ertrag von ungefähr 4000 M. der Stadt 1000, den Schankberechtigten 3000 M. brächte, wenig zufrieden. Der Unwille der Gäste war Ver anlassung, daß mehrere Restaurateure zu dem alten Preis wieder zu rückgekehrt sind und andere diesem Beispiele folgen werden. Die Anger- mann'sche Brauerei in Hof will die Abgabe tragen, wenn die Wirthe das Bier nicht thenrer geben. — Der Tod des Webers Sauer in dem Dorfe Wernersreuth hat dort großes Anfseyen erregt, nnd die Behörden sehen sich veran laßt, die Leiche desselben sezireu zu lassen. Der Gerichtsarzt hat kvnstatirt, daß der Tod durch Brechruhr infolge des Genusses verdorbener Speisen eingetreten sei, und die weitere Untersuchung hat ergeben, daß die verdorbenen Speisen aus zwei Restaurationen in Franzensbad stammten. Da die Weber jahraus, jahrein nur schmale Kost haben, so kaufen sie sich im Sommer in den Frauzensbader Wirthschaften die Fleischreste, um sich einmal an Fleisch sättigen zu können. Der Weber Künzel aus Wernersreuth hatte solche Speisereste mit heimge bracht, mit seiner Familie davon gegessen und auch an 3 andere, Familien, darunter an den verstorbenen Weber Sauer, davon verkauft. Sämmtliche Personen sind dadurch krank geworden, und Sauer starb daran. Dessen Wittwe, sowie die Frau des Künzel, liegen noch krank darnieder, während 9 andere Personen, welche gleichfalls von den Speisen genossen und die üblen Folgen an sich verspürt hatten, wieder genesen sind. Nach der Aussage Künzels waren in einer Restauration die Reste des Fleisches undGemüses in einem kupfernen Kessel aufbewahrt, und es ist wohl möglich, daß sich dadurch Grünspan gebildet und auf die Verdauungsorgane der armen Menschen schädlich eingewirkt hat. — Nach wiederholten Untersuchungen durch bewährte Chemiker ist das in Gruben bei Meißen gefundene mineralische Brunnenwasser das eisen- und manganreichste, was bisher vorgekommen, und es hat dessen Verkaus und Versandt probeweise begonnen. Verschlungene Kuhnen Zeitroman von Ferd. Kießling. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Aus Frieda's Augen strömten auf's Neue Thränen hervor. Der Oberförster reichte ihr die Hand und sprach: „Beruhe Dich, mein Kind! — Sieh, Dein Vater hat Dich an mich gewiesen, und sei überzeugt, daß ich nicht ruhen werde, bis ich sein Vertrauen gerechtfertigt und Dich wieder in den Besitz Deines Eigenthnms gebracht habe." „Herr Oberförster," nahm jetzt Aron das Wort, „und auch Sie, liebes gnädiges Fräulein, haben Sie Vertrauen zu dem alten Aron?" „Gewiß," entgegneten Beide fast zugleich. „Nun, so hören Sie: Nehmen Sie zu sich alle Papiere aus dieser Schatulle, aber schweigen gegen Jedermann davon und lassen Sie nicht merken dem Justizrath, daß Sie wissen von der Schatulle und den Papieren, die drin sind." „Das verspreche ich Ench, Aron!" „Und ich verspreche," entgegnete selbstbewußt Aron, „daß Sie haben in drei Tagen das Buch, m welchem sich befindet das Testament nebst den Familien-Urkunden!" „Wie sollte das möglich sein?" fragte etwas ungläubig der Ober förster, während Frieda den Inden fragend anblickte. „Seien Sie versichert, der Aron spricht nicht mehr, als er halten kann! — In drei Tagen bin ich bei Ihnen mit dem Familien-Archiv und dem Testament! — Jetzt muß ich Sie bitten zu gehen, denn ich