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HM- Zweites Blatt. -UW Wochenblatt für für die König!. Amtshanptmnnnschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht nnd den Stadtrath zu Wilsdruff. Zweiundvierzigster Jahrgang Nr. Ll. 1882. DüMag, drn 14. Mälz Erschein! wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) Abonncmentspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf Jnseratcnannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erschein! wöchentlich 2 Mal (Lienstag und Freitag.) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. SW? TiMMUdt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden T ogesgeschichte. Berlin. Für Sonntag, den 12. März, waren in allen sechs Reichstags-Wahlkreisen große Wähler-Versammlungen anberaumt worden, in welchen die nachstehende Resolution zur Annahme gelangte: „Die heute versammelten Wähler der sechs Berliner Reichstags-Wahl- kreise erklären sich mit aller Entschiedenheit gegen die Einführung des Tabaks-Monopols. Denn das Tabaks-Monopol bedeutet die Ver nichtung einer großen lebenskräftigen Privatindustrie, die Einschränkung des Tabakbaus, die unbedingte Abhängigkeit großer Bevölkernngs- klassen von der Regierung. Erfahrungsmäßig arbeitet der Staat keines falls billiger als die Privatindustrie; große Entschädigungen müssen gezahlt werden. Erhebliche Einnahmen für den Staat könnten also nur durch entsprechende Vertheuerung oder Verschlechterung der Fabrikate erzielt werden. Beides aber vermindert nothwcndig den Verbrauch und damit wieder die Einnahmen, so daß das Monopol dem Staate keinen bedeutenden Gewinn, der Bevölkerung aber unzweifelhaste Nach theile bringt. Die Versammlung erklärt sich ebenso entschieden gegen jede weitere Erhöhung der Steuern und Zölle auf Tabak; sie verlangt, daß endlich der viel gequälten Tabaks-Industrie diejenige Ruhe und Sicherheit gegen fiskalische Maßnahmen zu Theil wird, ohne welche kein redlicher Erwerb mehr möglich ist und auf welche jeder Bürger dem Staat gegenüber ein wohlbegründetes Recht hat." Die seiner Zeit vielfach aufgestellte und von den Berliner und den Wiener offiziösen Blättern bestrittene Behauptung, daß die Affaire Skobeleff noch zu diplomatifcheu Weiterungen Anlaß geben werde, stellt sich, wie man der Wiener „Presse" ans Berlin schreibt, nun nachträglich doch als richtig heraus. Es heißt iu der betreffenden Korrespondenz: „Allerdings ist bis zur Stunde kein diplomatischer Schritt in dieser Richtung erfolgt, man ist jedoch in den Berliner Regierungskreifen nichtsdestoweniger über die herausfordernden Prah lereien des moskowitischen Percy sehr verstimmt, und wenn bisher Von deutscher Seite in Petersburg keine Reklamationen erhoben wurden, so geschah dies nur deswegen, weil man dem befreundeten Nachbar reiche Zeit lassen wollte, auch ohne äußere Pression Deutschland und Oesterreich eine Satisfaktion zu gewähren. Sowohl in Berlin wie in Wien erwartet man aber eine solche Satisfaktion. Der deutsche Botschafter in Petersburg, General Schweinitz, hat die Weisung er halten, die Sache vorläufig, und insbesondere insolange sich General Skobeleff noch auf fremdem Boden befand, nicht zur Sprache zu bringen, sondern abzuwarten, was die russische Regierung in dieser Beziehung aus freien Stücken veranlaßt. Ja, die Instructionen des Generals Schweinitz gehen noch weiter, indem ihm sogar anfgetragen wurde, der Entgegennahme jeder Erklärung der russischen Regierung auszuweichen, insolange nicht bekannt ist, welche Genugthuung man den beiden befreundeten Kaisermächten gewährt hat. Man beginnt übrigens schon ziemlich verstimmt darüber zu sein, daß diese Satis faktion noch immer nicht gegeben wurde, obwohl General Skobeleff sich bereits seit mehreren Tagen in Petersburg befindet." — Die „Presse" sagt hierzu: Die Darstellung der Skobeleff-Frage unseres Berliner Korrespondenten wird uns auch aus hiesigen diplomatischen Kreisen bestätigt. TaS deutsche Reich verfügt im Kriege über eine Heeresmacht von inSgesammt 1492 000 Mann, 312 700 Pferden und 2500 Ge schützen, Oesterreich-Ungarn über 1 119 200 Mann, 189 600 Pferden und 1620 Geschützen, Rußland (Sollbestand) über 2 733 000 Mann 398 800 Pferden und 3770 Geschützen, Frankreich über 1780 300 Mann, 350000 Pferden und 4000 Geschützen. Auf das Areal der einzelnen Länder berechnet, macht dies pro 100 Quadratkilometer (an nähernd 2 Quadratmcilen) für das Deutsche Reich 276 Manu, für Oesterreich-Ungarn 180, für Rußland 50 und für Frankreich 337 Mann. Obwohl nun Frankreich verhältnißmäßig über die größte Heeresmacht verfügt, so muß dem deutschen Reiche doch der erste Rang zuerkannt werden, da es in Bezug auf Organisation, Schlagfertigkeit, tüchtige und intelligente Führung alle anderen Mächte bedeutend über ragt. Im Falle eines Krieges müßte Frankreich jedoch eine bedeu tende Heeresmacht in Afrika lassen, wenn es seine dortigen Besitzungen nicht aufgeben wollte. Ueberdies braucht es so viel für seine Unzahl von Festungen (dreiundsechszig), daß dadurch eine abermalige unver- hältnißmäßige Schwächung bedingt wäre. Was Rußland betrifft, so ist ausdrücklich bemerkt „Sollbestand". Wenn man bedenkt, wie vieles im Zarenreich nur auf dem Papier steht, so kann man unbedenklich die Zahl von 2 733 000 auf die Hälfte reduziren, nnd was dann übrig bliebe, ließe vom deutfchen militärischen Standpunkt in Organisation, Schlagsertigkcit und Führung gewiß Manches zu wünschen. DaS Defraudationssystem hat unter der Aera Jgnatieff sicherlich nicht ab genommen. Wie war es doch 1877, als alle Magazine gefüllt sein sollten? Es stellte sich bald Mangel an Munition heraus, es waren vollständig ausgeschossene Geschütze mitgenommen worden n. dergl. m. Und welche Mühe kostete es, den „kranken Mann" endlich zu über wältigen. Schon gleich im Anfang hatten die Türken bedeutende Vvr- tyeue errungen und nach der Schlacht bei Plewna (30. Juli) rettete sie nur die unbegreifliche Unthätigkeit der türkischen Heerführer vor einer Katastrohe, die bei einer energischen Ausnutzung der errungenen Vortheile unausbleiblich gewesen wäre. Man sollte doch endlich die mystische Furcht vor dem russischen Colvß, dessen Unbeholfenheit und Unzulänglichkeit sich bei jeder Gelegenheit bewiese, fahren lassen, wie man auch diesseits endlich die pietätvolle Nachsicht gegen russische Ungezogenheiten aufgeben sollte. Es verlautet, daß die Majorität des Ausschusses des Volkswirth- schaftsraths sich für das T.-Monvpvl erklären werde. Nach ziemlich sicherer Berechnung würden im Ausschuß 16 für, 9 gegen das Monopol und im Plenum 40 für und 30 dagegen stimmen. Ferner wird in Regierungskreisen die Erwartung gehegt, daß die beiden ersten Instanzen den Entwurf nicht lange aufhalten werden, weshalb man jetzt schon die Einberufung des Reichstages in Aussicht nimmt und zwar nennt man als Termin den 17. April. Das neugeschaffene Königreich Serbien zählt unter den kleinen europäischen Königreichen zwar die wenigsten Einwohner (1700 000), es wäre jedoch ungerechtfertigt, wollte man ihm mit Mißachtung be gegnen. Es ist fast viermal so groß.wie Thüringen (48 600 Quadrat kilometer) und es darf sich in jeder Hinsicht ein gesegnetes Land nennen. Das Klima ist trotz der südlichen Lage mehr mild als warm, der Boden äußerst fruchtbar, es besitzt einen großen Reichthum prachtvoller Waldungen (sie bedecken 70 Prozent des Areals), auch sind Metalle und Steinkohlen zur Genüge vorhanden, wenn auch der Bergbau nur erst vereinzelt betrieben wird. Hauptnahrungszweig ist die Viehzucht. Der Ackerbau, obwohl nur auf 12 Prozenten des Areals und sehr nachlässig betrieben, liefert dennoch Getreide zur Ausfuhr. Von großer Bedeutung und enormer Ergiebigkeit ist der Obstbau. Ende dieses Jahres sollen vertragsmäßig die serbischen Eisenbahnen, die direkte Anschlüsse nördlich nach Wien, südlich nach Salonichi und Constan- tinopel erhalten, fertig sein, wodurch also das Land plötzlich iu den Weltverkehr hineingezogen wird. Es steht ihm also eine beneidens- werthe Zukunft bevor, sofern seine Herrscher ihren Ehrgeiz nichl auf Politischem Felde, sondern in der wirthschaftlichen Entwickelung des Landes suchen. Die Thatsache, daß König Milan seine Krone dem Hanse Habsburg verdankt, läßt in dieser Hinsicht das Beste hoffen. Es ist ein Schachzug der österreichischen Diplomatie, der alle Achtung verdient. Denn erstens hat sie dadurch der, wenn auch nur heimlichen, Theilnahme am südslavischen Aufstande einen Riegel vorgeschoben und zweitens einen Erfolg gegen Rußland gewonnen, der dort, wie man aus den neidifchen und höhnischen Bemerkungen verschiedener russicher Blätter ersehen kann, auch wohl empfunden wird. Die Kriegs stärke der serbischen Armee beziffert sich ans 215 000 Mann. Die Papstfrage scheint wiederum in Fluß kommen zu sollen. Diesmal ist es der Papst selber, der sie aufwirft. Er hat nämlich anläßlich des Jahrestags feiner Thronbesteigung in einer Ansprache an die Cardinäle von Neuem die Unvereinbarkeit seiner Souverainetät mit der Anwesenheit des Köuigthums in Rom hervorgehoben. Der „Figaro" versichert von Neuem, Alles sei zur Abreise bereit und er zählt Einzelheiten über die getroffenen Maßnahmen. Die Inventare über die Archive nnd Kunstschätze sind angefertigt. Die Diplomatie hat auf Anfrage einstimmig erklärt, daß sie den Papst an feinen neuen Aufenthaltsort begleiten würde. Der Papst wird bei feiner Abreife einen Vicar im Vatican mit einer Commission von drei Cardinälen zurücklassen und die Gesandten aller Mächte werden zur Deckung des Vatikans die Fahnen ihrer Staaten an der von den Schweizern be wachten Eingangsthür anbringen. Nun, eine so großartige Wendung wird die Angelegenheit doch wohl nicht nehmen und einstweilen sieht es auch nicht danach ans, als ob die Mächte Lust haben, sich auf die Behandlung dieser Frage einznlassen. Aus Petersburg wird gemeldet, im russischen Kriegsministerium herrsche lebhafte Thätigkeit. Der große Generalstab wurde beauftragt, den Mobilisirungsplau, welcher alljährlich erst im Mai vollendet wird, diesmal bereits im März vvrzulegen. Ferner werde der Stand der Kavallerie-Regimeuter von v ier auf sechsj Eskadronen er höht. Gleich nach dem Eintreffen Skobeleffs in Petersburg fallen Jgnatieff und Giers nach Gatschina beschieden worden sein. Zuerst, heißt es, kam Jgnatieff, welcher ungefähr fünfzehn Minuten beim Zaren verweilte; Giers, der sodann empfangen wurde, hatte eine anderthalbstündige Audienz. Eine halbe Stunde nach dieser Audienz verließ ein kaiserlicher Courier mit einem Haudschreibeu des Zareu an Kaiser Wilhelm Gatschina. Auf sechzehn Millionen Rubel beziffert die Petersburger Börse den Verlust, den sie durch die Reden Skobcleff's erlitten. Das ist ein hartes Reugeld, welches der panslavistische General seinen Lands leuten aufgewälzt hat, und bisher ist demselben noch nicht einmal zu Gemüthegeführt worden, wie theuer seine Beredlsamkeit dem russischen Nationalvermögen zn stehen kommt. Es werden im Gegentheile emsige Versuche gemacht, ihn zu entlasten, nnd nicht blvs die bekannte Frau Olga Novikoff tritt von Moskau aus publizistisch für ihn ein, sondern auch der Petersburger Kronjurist Martens hat nach London ein Schreiben gerichtet, worin er darzuthun bemüht ist, daß Skobeleff