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Be,ir---Prett M »xd < r»«, o«ch xx^«r» t«4«« aa» Svrvil««, m» H». -«Gracht: ttataa», a <»»« ««roen») ««««jährlich a »l., manailich I Oa.gad« I («»««»« »ad «be»d») «««»U ttdrlich 4.SV M.. manatlud l.L0 Lt. Durch dte Vaft s» ve,trh«u: s!t mal lagltch) »nnrrhald Lrulschland» and der brulichrn Galanten mrrleliLdrlich b,2L M., m»natl>ch t,7L M. autichl. Post- deftevgew, Hi Oesterreich t» a « Ungarn 8 L vierteljährlich. ,ferner in vet» gie», Dänemark, den Donaastaaten, Italia», Luxemdurg, Niederlande, N«wegen, stkch- land. Schweden, Schwei, nut Spanien. I» allen übrigen Staaten nur direkt durch dt» ^ilped. »> Sl. ertältlich. ülbonnemenr-üanalnu«: LngustutplaH 8, bei unjeren Trägern, gUiaie», Spediteure» and Lunadmeftellen, sowie Postämtern »»» Briesträgern. Di« rtngeine dtnmmer lost« Ist Ds^ 1«daktt»» »»d üstrpedttto»: Johannistgasie st. telerdon Rr. I««L «r. «r. 148»«. Morgen-Ausgabe 8. MMgrrTagMM Haudelszettuug. Amtsblatt des Aales «nd des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Sn-eigen-Prew kst» Jttierui« au« uerpgla u»o ^mged»», dia Sseipalte» PetÜMtle 2S st»ä»gt«a, Sngech« «Ü «^ stlaS«»-» , m» »nanntrtÄ so PI., MM»»«» LL0 DS. »M»M»1la»d SVMs-, st»»»». >n«tge»75Vi. ««Na«-» O» M. ^nser«t»». vebürde^ «--»mitiche»rett«0ri Beilagegedstdr st Di. st. Ta »lend exkl. Post, -edühr. chejchäft»ang«<«en an bevorzug lei Stelle st» Preis« «rstüht. Stadakt nach Dar,, Fest erteil t« Aufträge können nicht zurück- gezogrn waeden rzstr da» »trfcheineu an bestimmten Lagen und Plätzen wird test»» Garant»» übernommen. Anzeigen. Annahme i Angustusplatz st, bet ILmtlichen Krliale» u. allen Annancen. stlpeditrouen de» I» »ob Au Alande». stäupt. SUial» Verlt»! <»«l Dnnckar, Herzogl. vaqr. st»sd»^ Handl»»-, Lütz«i^krotz, AL lDelepho» VI. Mr. 4MS). sta np l-SUsttle Dreckbeu r Saeürape 4.1 (Lelephon 4621). Nr 169 Sonnabend 20. Juni 1908. 1V2. Jahrgang. Da» wichtigste. * In der „Nordd. Allg. Ztg." erfolgte am Freitagabend eine hoch politische Kundgebung, die direkt auf den Fürsten Bülow zu- rückznführea ist. Die Döberitzer Kaiserworte werden dem Sinne nach bestätigt und es wird ganz im Tone dieser Worte Deutsch lands Entschlossenheit bezeugt, aus die ultima ratic> der Waffen nicht zu verzichten, wenn die Not dies erfordern sollte. Die Kundgebung ist natürlich in erster Linie an die Adresse des Auslandes gerichtet. sS. Leitart.) * Ueber die 2. Musikfachausstellung, die nächstes Jahr in Leidig stattfindet, hat König Friedrich August das Protektorat übernommen. * Der Kongreß für gewerblichen Recht sfchutz schloß gestern seine Verhandlungen. sS. d. bes. Art. u. Letzte Lokalnachr.) * Der Kaiser verließ gestern mittag Hannover und trat im Automobil di« Fahrt durch die Lüneburger Heide nach Hamburg an. * Der Reichskanzler empfing gestern den ehemaligen Präsi denten der Vereinigten Staaten von Brasilien Rodriguez Alves. * Gegen den Urheber der Indiskretionen über die „Döberitzer Kaiserrede" ist, wie die „Tägl. Rdsch." mitteilt, das Ermittlungs- verfahren eingeleitet worden. * Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht den Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen in der Fassung, in der er dem Bundesrat vorgelegt ist. * Dem Redakteur Marckwald ist das Recht auf Seldst- befchäftigung zugestanden worden. sS. Dischs. R.) * Der schweizerische Nationalrat hat den Antrag aus Einführung eines Bundesmonopols sür den Handel mit Getreide und Mehl ohne Widerspruch sür erheblich erklärt. * Die internationale Entschädigungskommissron in Casablanca hat ihre Tätigkeit begonn en. s^s. AuSl.s * In der französischen Kammer ist gestern die P o l i t i k F r a n k - reichs in Marokko zur Sprache gebracht worden. sS. bei. Art. a. d. 3. Seite.) * Die römischen Parlamentsjournalisten werden, nachdem ihnen vom Kammerpräsidenten befriedigende Erklä rungen geworden waren, ihre Tätigkeit wieder ausnchmcn. lS. Ausl.) , * Der Sultan von Sansibar ist mit dem Dampfer „Adolf Wörmann" iu Marseille eingetroffen und sofort nach Paris weiter gereist. Parole Doberitz. Nach reichlich langer Ueberlegung bringt de: Berliner Moniteur des Kanzlers, die „Norddeutsche Allg. Zeitung", doch noch einen offiziösen Artikel Wer die internationale Lage, wie sie sich infolge der allerjünasten Vorgänge herausgcbildet hat. Das ist unzweifelhaft ein Ereignis von Bedeutung, besonders deswegen, weil aus der Tatsache an sich hervor geht, daß die Situation keineswegs so harmlos geworden ist, um auf eine solche Besprechung verzichten zu können, wie cs wahrscheinlich zunächst in der Absicht des verantwortlichen Leiters unserer auswärtigen Politik gelogen hat. Die „Norddeutsche Allg. Zeitung" schreibt: ,Zn der Beurteilung der politischen Lage macht sich vielfach eine Unruhe geltend, die sich weniger auf greifbare Tatsachen berufen kann, als vielmehr in der verbreiteten Unsicherheit darüber ihren Ursprung hat, daß eine neue Konstellation sich bilden und die friedliche Lösung schwebender Fragen erschweren könnte. Es wär verfehlt, leugnen zu wollen, daß sich schwierige diplomatische Auseinandersetzungen ergeben können. Nur sollte darüber nicht vergessen werden, daß man durch ängst liche und übertreibende Ausmalung möglicher Gefahren nicht den sach lichen und gesunden Lösungen vorarbeitet, die herbeizuführen, ein allen Mächten gemeinsames Interesse gebietet. In solchen Zeiten der Er wartung, wie wir sie gegenwärtig durchleben, drängen sich ersahrungs- gemäß Elemente in den Vordergrund, die Lust am Unheilstiften haben. Solche Zeiten geben den geeignetsten Nährboden sür die haltlosesten Gerüchte ab, und es bedarf nur einer flüchtigen Lektüre der Zeitungen, um sich davon zu üebrzeugen, mit welchem Eifer die Ausstreuung bös- artiger Erfindungen betrieben wird. Die deutsche Politik aber hat be sonderen Grund zur Wachsamkeit, da sich fast alle diese Gerüchte gegen sie als ihr gemeinsames Ängriffsobjekt richjen. Seit Jahren sind wir gewohnt, von eifrigen Preßagenten als die eigentlichen Urheber des russisch-japanischen Krieges hingestellt zu wer den. Es ist kein Wunder, daß auch jetzt wieder mit dieser geschichtlichen Lüge gearbeitet wird, deren dokumentarische Widerlegung leicht möglich wäre. Sobald Fragen des näheren Orients hervortreten, hören wir regelmäßig, daß deutsche Vorschläge in Konstantinopel wirksam sind, um die Türkei in kriegerische Stimmung zu versetzen. Bon da ist es nicht weit bis zu Behauptungen, wie, daß die anarchischen Zustände in Persien das deutsche Konto belasten, daß wir Unteroffiziere als In strukteure nach Afghanistan geschickt haben, daß wir unsere Stellung zu verbessern suchen, wobei wir die islamitische Welt gegen Europa auf- rogcn. Auch sollen wir eine Intervention in Russisch-Polen vorbereiten, heimliche Verbindungen mit Muley Hafid unterhalten uiw. — alles Un wahrheiten, zu deren Unterstützung auch nicht die geringste Tatsache bei gebracht werden kann. Leider haben wir die Beobachtung zu machen, daß den Treibereien gegen die deutsche Politik in Deutschland selbst hier und da durch Sensationslust Vorschub geleistet wird. In einem Augenblick, ba die Fragen des näheren Orients von be sonderer Bedeutung sind, gehört eine erhebliche Leichtfertig keit dazu, um die gänzlich unbegründete Nachricht in die Oessentlich- keit zu werfen, daß der Botschafter Frhr. v. Marschall abberufen unv durch den Generalinspekteur Frhrn. von der Goltz ersetzt werden soll. Schlimmer noch ist der Unfug, daß die Aeußerungen, die Se. Majestät derKaiserim Kreise seiner Offiziere getan hat, in unbeglaubig- terundwillkürlicherFormindie Presse gebracht worden sind. WaS der so bestimmt in Umlauf gesetzten Melduno zugrunde liegt, ist die Besprechung, die der Kaiser in Döoeritz am 29. Mai nach dem Exer zieren der vor 2V Jahren von dem damaligen Kronprinzen Sr. Majestät dein Kaiser Friedrich vorgefübrten Kaiserbrigade abgehalten hat. Diese Besprechung hatte nur dienstliche und militärische Angelegenheiten zum Gegenstände. Sie bezog sich nicht auf politisch« Tagessragen, und es ist darin auch nicht von Einkreisen und von Ausstellen die Rede gewesen, wohl aber hat der Kaiser der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß die Armee dem Geiste Friedrichs des Großen getreu ihren Aufgaben ge wachsen bleiben werde. Gewiß werden wir unsere Augen gegenüber möglichen Gefahren nicht verschließen. Unsere Soldaten tragen nicht an der Mütze den unkriegerischen Sinnspruch des Hildesheimer Kon tingents der ehemaligen Reichsarmee: „Da imoem, ckarnirm, in ckie-tm« noatris." Das Bewußtsein unserer Kraft wird uns die Zuversicht und die Ruhe geben, die allein eines großen friedlichen Volkes würdig ist." Dieses Dokument leidet nach unserem Gefühl an einer inneren Zwiespältigkeit. Es will uns nicht recht einleuchten, was die als un richtig bezeichnete Nachricht von dem Botschafterwechsel in Konstanti nopel sür einen Einfluß auf die Gestaltung unseres Verhältnisses zu den maßgebenden europäischen Völkern haben soll. Und erst recht nicht erklärlich ist es, weshalb gegen diese Sperlingsnachricht mit so grobem Kaliber geschossen wird. Indessen ist das nicht der Punkt, der dem Artikel seine Bedeutung gibt. Wichtig ist vielmehr in erster Linie die Behandlung der Döberitzer Kaiserwortc und unser Verhältnis zu den Revaler Ereignissen. Zunächst ist also nunmehr auch hochoffiziös be stätigt, was wir bisher schon angenommen haben, und was als fest stehend von jedem informierten Politiker vorausgesetzt worden ist, daß nämlich der Kaiser tatsächlich in dem bekannten Sinne mit dem Motto: „Sic sollen uns nur kommen" sich geäußert hat. Daß offiziös die Publikation dieser Worte bedauert und daß die Form der Publikation als „unbeglaubigt und willkürlich" charakterisiert wird, ist man bei solchen Auslastungen gewöhnt und bedeutet fachlich wohl nichts als die Wahrung der amtlichen Rücksicht auf des Kaisers Majestät. Sach lich wird ja dann auch noch zugegeben, daß dem Sinne der Publikation Achnliches vom Kaiser gesprochen worden ist. Das genügt. Beachtens- wert ist ferner, daß nicht dementiert wird, den kaiserlichen Worten hätten auch die fremden Militärbevollmächtigten gelauscht, woraus jeder, der offiziöse Manifestationen zu lesen versteht, schließen kann, daß der Vorgang richtig geschildert worden ist. Man hat also damit zu rechnen, daß der Deutsche Kaiser seine Worte ausdrücklich hat an die Adresse der fremden Nationen richten wollen, womit die Aussprüche Wilhelms II. eine Bedeutung gewinnen, die noch über die ihr bisher zugelegte hinausgeht. Man hat es mit einer politischen Kundgebung größten Stiles und ernstester Art zu tnn. Nachdem dies einmal feststeht und nachdem man sich entschlossen hat, die Sachlage offiziös nicht nachträglich zu vertuschen, war es selbstver ständliche Notwendigkeit, eine offiziöse Interpretation der Kaiserworte auch auf den Ton von Döberitz zu stimmen. Immerhin blieben einem vielgewandten Sprachkünstler, auf welchen Titel Fürst Bülow berechtig ten Anspruch hat, noch weite Möglichkeiten, um zu verharmlosen oder zu verstärken. Bei sorgfältiger Prüfung muß man zu der Ueberzeugung kommen, daß nichts dergleichen hier versucht worden ist. Vielmehr ist mit großer Geschicklichkeit genau mit andern Worten wiederholt worden, was der Kaiser gesagt bat. Aus beiden Kundgebungen leuchtet dieselbe Stimmung, und beide Kundgebungen müssen die gleiche Stimmung er zeugen. Nebersetzt man den Hildesheimer Kontingentsspruch von dem erflehten Frieden ins Negative, wie es die offiziöse Verspottung gebeut, so kommt mit absoluter Genauigkeit der Sinn des kaiserlichen Trutz wortes heraus: „Sie sollen uns nur kommen." Fassen wir den Eindruck dieser Kundgebung zusammen, so können wir sie nur als überaus ernst, aber doch nicht als unerfreulich bezeich nen, denn es war wirklich Zeit, daß den Gerüchten entgegengetreten wurde, Deutschland trage seine Riesenrüstung nur zu Paradezwecken. Auch insofern ist daZ Dokument in der „Norddeutschen Allg. Ztg." seines Eindruckes sicher, als es den häufig vermißten genauen Akkord kaiser licher Willensmeinung und Regierungsabsicht in die Welt hinaustönen läßt. Für das deutsche Volk erwachsen aus diesen Tönen ernste Pflich ten. Es ist leider wahr, daß der nur auf die nächsten eigenen Interessen und sonst auf Einzelheiten gerichtete politische Sinn weiter Bevölke rungsklassen nicht gewöhnt worden ist, eine Politik großen Stils als völkerbestimmcnd zu erfassen. Es ist ferner richtig, daß in diesem Augen blick noch die causa belli nicht konkret genug ist, um dem Volk die Er fassung der Lage leicht zu machen. Das alles ändert aber nichts an dem Ernste dieser Tage, und es wird auch nichts ändern an oer Entschlossen heit, mit der Deutschland zu den Waffen greifen wird, wenn die Not es dazu zwingen sollte. Was die Götter verhüten mögen! Die internen sächsischen Instruktionen zum ReichOvereinrgesetz. * Ein am 17. Juni im „Dresdner Anzeiger" erschienener Leitartikel, der „Das neue Vereinsrecht in Sachsen" behandelte und sich auch mit einem Buche deS Regierungsraies Dr. Adolph über das neue Vereinsrecht beschäftigte, hat dem Kgl. Ministerium eeS Innern Ver anlassung gegeben, die interne sächsische Instruktion zum Reichs- vereinSgesetz im amtlichen Teile des „Dresdner Journals" zu veröffentlichen, sowie ferner in der „Leipziger Zeitung" im Rahmen eines längeren Artikels, der auch im „Dresdner Journal" wieder gegeben ist, Stellung zu dem Leitartikel des „Dresdner Anzeigers" zu nehmen. Man kann beiden dankbar sein, sowohl dem „Dresdner An zeiger", der durch seinen Artikel die Veröffentlichung der internen In struktion veranlaßt, wie auch der Königlichen StaatSregierung, die sich zur Veröffentlichung entschloß. Dabei wollen wir bemerken, daß die Instruktion, die vom 24. Mai datiert ist, eigentlich von vornherein batte öffentlich bekanntgegeben werden lönnen. Nicht nur sür die amtlichen Organe, sondern auch für da« Publikum ist e« leichter, den in Betracht kommenden Bestimmungen und Verfügungen nachzukommen, wenn diese zur öffentlichen KeuntniS ge bracht sind. Vor allem hat aber das Publikum einen gewissen Anhalt. WaS die Instruktion selbst betrifft, jo entspricht sie, das muß gesagt werden, durchaus dem Geiste dcS Gesetze«. Gleich in der Einleitung („Allgemeines") heißt es: „Das Ministerium des Innern erwartet, daß die mit dem Vollzug: d«S Gesetzes und der Ausführungs verordnung betrauten Organe — dem liberalen Zuge des Gesetzes folgend — diese« in der Praxis entsprechend an wenden und sich von jeder Schikane oder Nadel- stichpolitik fernhaUea werden." ES kann hierbei nur der Hoff nung Ausdruck gegeben werden, daß die in Betracht kommenden Organe diesen anerkennenswerten Grundsätzen Rechnung tragen. Ost genug hat man schon erlebt, daß das nicht der Fall war. Glücklicherweise ist dafür gesorgt, daß in solchen Fällen die oberste Instanz angerusen werden kann. Neben dem Be schwerdeweg ist nämlich jetzt im Gegen satz zu früher auch das Verwaltung« st reitversahren zulässig, das beißt, es kann Anfechtungsklage erhoben werven. Bon größter Bedeutung sind nun vie Bestimmungen über die Ge werkschaften. ES beißt in der Instruktion darüber, daß diese, so lange sie sich innerhalb des Rahmens des tz 152 der Gewerbeordnung nur mit Berufs- und Stanvesfragen beschäftigen, alspotitische Vereine nicht anzusehen sind. Unter vieler Voraus setzung werden die Gewerkschaften also auch junge Leute unter 18 Jahren als Mitglieder aufnehmen können. Ferner werden die Gewerkschaftsversammlungen nicht mehr dec Ueberwachung unter liegen, wenn nur Mitglieder zugelasfen sind, denn nach § 13 des Gesetzes werden nur öffentliche Versammlungen überwacht. In ver Instruktion wird denn auch ausdrücklich darauf hingewlesen, daß es der Aufmerk- samkeit der Polizeibehörven überlassen bleiben muß, rechtzeitig Kenntnis von einem verboiswidrigen Treiben innerhalb ver Vereine zu erlangen. Wegen dieser Sachlage braucht man nun noch nicht gleich das Empor schießen geheimer Konventikel zu befürchten. In der Praxis wirv es sich ja so stellen, daß alle Vereine, jeien sie politischer oder mchr- politischer Natur, zu öffentlichen Versammlungen greisen müssen, wenn sie agitieren und Mitglieder gewinnen wollen. Dann aber ist der Behörde die Ueberwachung eingeräumt. Bemerkenswert ist weiter die Bestimmung über die Bekanntgabe von Versammlungen in der Presse mit der Wirksamkeit, daß hierdurch die polizeiliche Anmeldung ersetzt wird. Es heißt hierüber ni ver internen Instruktion: „Die Bestimmung des 8 6ck der AuSf.-Berordnung — dahingehend, daß bei Zulassung von Zeitungen jür Bersammlungs-Bekauntmachungen insbesondere auf deren Verbreitung im Orte Rücksicht zu nehmen ist — berubt ebenso wie die Beschränkungen, daß die Amtsblatteigenjchaft oder der politische Charakter der Zeitungen hierbei leine Rolle spielen wllen, auf Wünschen, die in dieser Beziehung im Reichstage geäußert uns auch von Regierungsseite als verechtigt anerkannt worden sind. Selbstverständlich kann hierbei von der Notwendigkeit einer absolut genauen Berechnung der Verbreitung nicht die Rede sein, doch wird bei Beschwerden oder wesentlicheren Schwankungen in der VerbreitungSmenge eine Nachprüfung und gegebenenfalls eine Aenderung oder Ergänzung der Liste der zu gelassenen Zeitungen elnzutrelen haben." Die übrigen Punkte der Instruktion betreffen das Verhalten ver überwachenden Organe in Versammlungen. Es wird daraus auimerffam gemacht, daß vas Recht zur Wortentziehung weggefallen ist, ebenso das bisher übliche „Rufen zur Tagesordnung". Was vie Aus 1öjung einer Versammlung betriffl,jo genügt die einmalige Entgleisung eines einzel nen Redners in der Richtung des tz 14 Ziffer 5 ves Gejetzes (Aujsordcrung oder Anreizung zu Verbreche») nicht- es muß vielmehr >n irgendeiner Weise — sei es durch einen andern Revner, sei eS durch Annahme ciner Resolution, durch Abstimmung, durch eine eingehenve und län.'ere Begründung oder dergl. — aus den Vorschlag oder Antrag eingegangen werven. Eine Auflösung wegen eintreteuden Tu muttes — w.l bisher Wohl in den weitaus meisten Fällen den Grund zur Auilösung bildete — kann ebcnjalls nicht mehr eiutrelen, doch kann hier unter Umständen eine Bestrafung auf Grund allgemeiner Strafgesetze (z. B- des tz 360, 11 R. R. Str.-G.-B.) erfolgen. Unkultur. Bor kurzem ist ein Büchlein von Kurt Wigand erschienen, das c>er. Titel trägt: „Unkultur. Vier Kapitel Deutschtum." (Modernes Vcr- lagsburcau, Berlin-Leipzig.) Dies Buch über Unkultur hat leider eine unkultivierte Sprache. Der Verfasser spricht bald wie cm Backftjck., bald wie ein Naturbursche. Wie ein Backfffch spricht er, wenn er an? Seite 103 erklärt, er amüsiere sich immer „schrecklich", wenn er von Provinzlern mit ekstatischer Bewunderung das Wort „Nachtleben" aus sprechen höre. Und ungeschliffen spricht er, wenn er aus Serie 12."> er klärt: „An den wichtigjtcn Problemen torkelt der Durchschnittsmensch stumpfsinnig vorüber." Diejc Kraftsprachc schwächt den Eindruck des Buches. Wer andere zur Selbstzucht mahnt, sollte sich erst selbst be herrschen lernen. Ferner geht der Autor hier und da in seiner Hoch schätzung anderer Nationen zu weit und scheint die geschichtliche Ent wicklung und die nationale Psychologie zu ignorieren, z. B. da wo er sagt: „Ein vor jedem Uniformierten schlotternder Deutscher ist aller- dinLs außerstande, sich ein mächtiges Land vorzustellcn, in dem ein Offizier außerdienstlich es kaum jemals der Mühe wert hält, Uniform anzulcgen." Wenn Wigand ferner mit unverkennbarer Bewuiiderung erklärt, ein Brüsewitz würde in England oder den Bereinigten Staaten vom Publikum zerrissen werden, sv kann man ihm auch hier nicht tol- gen. Uns erscheint die Lynchjustiz, die den rohesten Instinkten der Masse front, keineswegs bewundernswert, und wir ziehen es vor, daß jeder Verbrecher seinem ordentlichen Richter zugeführt werde. Wir halten es gerade für einen der schwersten sittlichen Mängel der Demo kratie, daß solchen volkstümlichen Bestialitäten nicht mit der nötigen Energie entgegengetreten werden kann. Wigand ist auch bisweilen sehr ungerecht gegen Deutschland; er ist der Ansicht, daß die deutsche Preise ihre Landsleute täglich mit den „größten Blödheiten" über England be wirte und daß die Zeitungsberichte den Glauben erwecken müßten, jen seits des Wassers lebe eine Horde von Idioten und Gaunern. Wenn man solche Ausführungen liest, so muß man sich mit Erstaunen fragen, wo denn der Verfasser eigentlich in deutschen Blättern ähnliches gesun den hat. Für gewöhnlich betont die deutsche Presse — mit vollem Recht — den unbezähmbaren Egoismus des Engländers, sie vergißt aber sel ten, die Berechtigung dieses Egoismus hervorzuhebcn, und läßt den schätzenswerten Eigenschaften dieser Nation in den meisten Fällen volle Anerkennung widerfahren. Damit sind nun aber auch die Einwendungen beendet, und man muß feststellen, daß die Ausführungen dieses Laienpredigers sehr viel Wahres enthalten. Es findet sich in ihnen auch manche feine psycho logische Bemerkung, und der Verfasser besitzt die immerhin seltene Be gabung, sich seines nationalen Standpunktes zu entäußern, ohne in kriecherische Liebedienerei dem Auslande gegenüber zu verfallen. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und greift auch Gewohnheiten an, die unserem Empfinden durch Jugenderinnerungen poetisch verklärt sind. So sagt er: „Man ist stets krampfhaft bemüht, Rüpeleien von Couleur studenten mit dem frischen, fröhlichen Trunk, der überschüssigen, über schäumenden deutschen Jugendkraft zu entschuldigen oder zu verteidigen, wahrend auch sie in Wahrheit nur Manifestationen sind einer innerhalb unseres Voltes noch nicht überwundenen primitiven Roheit, die wir näher kennen lernen werden." Das heißt nun wohl über das Ziel hinaus'chießen. Insbesondere will es uns gleichgültig scheinen, ob die Ausschreitungen von Couleurstudenten oder von „Wilden" begangen werden. Aber ein Kern von Wahrheit steckt in diesen Bemerkungen. Der Kasernenton, das Kriechen nacy öden, das Brutalisieren nach unten, das tzackenzusammenfchlagen, das überlaute Reden an öffentlichen Orten, doS unappetitliche Esten, die un- aenügendc Sauberkeit, alles dies und vieles andere behandelt der Ver fasser in ehrlich und derb zugrcifender Weise. Auch den deutschen Charakter läßt er nicht ohne weiteres gellen. „Es ist wohl kein Zufall.