Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.06.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080613015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908061301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908061301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-06
- Tag 1908-06-13
-
Monat
1908-06
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezugS-Prei» Morgen-Ausgabe 8. ««zeigen-PreW M LR»« m» -üoentt« d«ch «ser« LtM «ck Sp-dit««» t»« Ha»« ^bracht» ,'^TUÜMI LT^E IHM», I («or«n« and abend«) «lottrl» jährlich 4-bO M., wvmultch l.ftll w. Vurck d>« O,ft ,» bezteften: fl «al ttgltch) >»»rrhald Deutschland« und dir deutschen Oalanien merielitbrlich b,L M-, monallrch 1,7b M. »»Ischl. Poft» bestell,etd, >ür Oesterreich 8 L SS », Ungarn 8 L vtertelsthrlich. ferner in Vel den. Däne«art, den Donaukaaten, Italien, Luremdurg, Rieder land«, Norwegen, Ruft» Ian» Schwede», Schweiz u»d Spanien. In alle» tbrtgen Staaten nur direkt durch dt» LrV«d. d. «. erbLltlich. «boitnenient-Dlnabine: S»,uft»«pl»tz 8, b«< unsere» lritgern, Atliaten, Spediteure» „d Unnatzi»-stellen, sowie PotzLmteru u»d vrieftrtgern. Die «tnzelne Nummer kostet lv Psg. ledakttou und Lrpedittour Jodanailgasse 8 §Ä«bim Nr. I4SSL Nr. I4SV3, Nr. I4M«. MWgerTlUMaü Handclszeitung. Ämtsökatt des Nates und des Nolizemmtes der Stadt Leipzig. M« Ich»«, au« an« Uw^ftuug K,SaKaHöw««chchla»ft»»»ch«a« I»Iit««» SÜW^ Neklan»«» IM., »«» ««wärt« S0 W., >«»««> rLt I^r »m» Lu«««» SV«., »ua«. >»«<««» 7ft»„ «-La men USO «. Inserat« ». Veh»»« In «Mttche» D«S MW. lveilage^büdr ftvt. p. Tausend «pkl. Poft» gebühr. <ftesch»st«anoetgen an devortugtei Stelle tm Preise erhiht. Rabatt »ach Darii Fefterteilw «uftrtge kbnnen nicht «urftch» gezogen ««den. Für da« Erscheine» «, bestimmt»» Lagen u»d Plüh« wird ketue Garantie übernommra Pnzrigen.»nnab««i P»a»ft»«pl«tz 8, »et ILmtliche» Filiale» u. allen Pinon«,»» Erpedrttouen d»« Au» »ad «utlaude«. Pa»p1-SiNale verki», <«rl D»»«»r, Herzogl. Payr, -chftttch' Handlung, Lll««>strafte lü tDelephon VI, Nr. «M3), Haupt-Siliale vrelbe»'. Serstrafte 4,1 (Telephon 4S2I). Nr. 162. Sonnabend 13. Juni 1908. 162. Jahrgang. Da» wichtigste. * Der neue amerikanische Botschafter in Berlin, Dr. Hill, ist in Berlin eingetroffen. * Znm Vorsitzenden des Schwurgerichts im Prozeß Eulen burg wurde Landgerichtsdireltor Kanzow ernannt. (S. Dischs. R.) * Gestern fand inWien der große Huldigungsfestzug vor Kaiser Franz Josef statt, womit die Veranstaltungen anläßlich des 60jährigen Regierungsjubiläums ihren Höhepunkt erreicht haben. lS. d. bes. Art.) * Die österreichischen ausständigen Studenten er klären, daß der Rückzug Professor Wahrmunds auf ihre eigene Haltung keinen Einfluß ausüben könne. * Nachrichten aus Tiflis zufolge kam es bei dem Leichenbegäng nis des Russenführers Gorbatchow zu einem Zusammenstoß zwischen Revolutionären und Kosaken. Auf beiden Seiten wurde geschossen, es gab viele Tote und Verwundete. * Die „Nowoie Wremja" meldet, daß in Täbris sechs verkleidete türkische Offiziere eingedrungen seien, die angeblich von deutschen Topo graphen geführt worden wären. * Im Prager Schachturnier der internationalen Meister teilten Schlecht er »Wien und Du ras-Prag den ersten und zweiten Preis. (S. Letzte Tep.) Lvrnetti rind fern Werk. lVon unserem römischen ^.-Korrespondenten.) Rom, 9. Juni. Giulio Prinetti war seit fünf Jahren ein körperlich gebrochener Mann. Sein Tod, der heute erfolgte, war nicht unerwartet. In das Ge füge des politischen Lebens bringt er keine merkliche Lücke. Und dies, obwohl Prinetti noch bis zuletzt dank der Energie seines Wollens poli tisch gearbeitet hat. Die Energie ist wohl überhaupt das kennzeichnende Merkmal dieses Anno 1848 geborenen Piemontesen. Mit technischen Studien fing er an. Doch das Systematische und planmäßig Konstruktive war weniger seine Sache, als die industrielle Betätigung und stetige materielle Ausnutzung jeder singulären Einsicht. So begründete er eine Fahrradfabrik, Prinetti e Stucchi, die heute noch vorzügliche Geschäfte macht, und zahl- reiche andere industrielle Unternehmungen, darunter eine Gerberei. Mit dem Reichtum, den er so rasch erwarb, kam ihm, wie so vielen Iw» dustriellen, der Ehrgeiz nach gesellschaftlichem Ansehen. Als Mittel zu diesem Ziel schien nichts geeigneter als politische Betätigung. Das Deputiertenmandat, zu dem ihm seine wirtschaftlichen Unternehmungen in der Lombardei und seine volle Börse rasch verhalfen, brachte ihm auch den erforderlichen politischen Geist mit und führte ihn auf den äußersten rechten Flügel der Kammer, allwo auch die feudalen Aristokraten saßen. Er machte sich bemerkbar in den Debatten, wo er mit viel Entschieden heit und beschränktem Kriterium aufzutreten liebte, und in den Kom missionen. Als nach dem Sturze Crispis der Marchese Antonio di Rudini 1896 ein Kabinett zu bilden hatte, war Prinettis Geltung im Parlament groß genug, um auS ihm einen Staatsminister zu machen. Herr Prinetti fand seinerseits als Minister der öffentlichen Arbeiten so viel Geschmack an der Regierung, daß er nach dem Sturze des Kabi netts nichts anderes mehr im Sinne hatte, als sich wie auch immer den Boden zu einer neuen und möglichst hohen Ministerschaft zu bereiten, lind siehe, im Jahre 1901 war der Ultra-Konservative in der Lage, dem radikal-demokratischen Kabinett Aanardelli-Giolitti seine Kraft zur Ver fügung zu stellen. In diesem Kabinett war er aber dafür Minister des Auswärtigen, und die Tore der ganz großen Gesellschaft standen ihm somit endlich offen. Der Appetit kommt beim Esten, und Herrn Prinetti genügte es nunmehr nicht, die feinsten Beziehungen zu haben, selber Marchese geworden zu sein: er wollte auch Ruhm. Improvisierter Politiker, wie er im ganzen war, begann er auch in der auswärtigen Politik zu improvisieren. Der alte Dreibund war ihm nicht sonderlich sympathisch, weil er für eindrucksvolle Neuerungen wenig zu brauchen war. Konnte er nun schon aus allzu zwingenden und evidenten Gründen nicht von ihm ab sehen, so wollte er doch wenigstens den alten Geist aus ihm hinaus- führen. Er band also zugleich mit Frankreich und mit Rußland an, um der Freundschaft und um konkreter Vereinbarungen willen, und er bat sich, hierin durchaus konform der traditionellen italienischen Haltung, Englands Sympathie für Italien. Mit England und Frankreich hatte er durchaus Glück, und namentlich verfehlte Herr Delcass4 nicht, den Intentionen Prinettis weit entgegenzukommen und die neuen vorzüg lichen Beziehungen zu Italien in einer Kammerrede der Welt vor Augen zu halten. Er „regulierte" mit diesen beiden Mächten auch ohne Schwie- rigkeit Italiens Stellung im Mittelmeer, indem er einen leibhaftigen und entwicklungsfähigen italienischen Spatz in Marokko hingab für eine imaginäre Taube in Tripolis, die nicht einmal die französisch englischen Farben trug. Die Aktion schien Herrn Prinetti jedenfalls ganz großartig. Um die Skeptiker zu überzeugen, machte er sogleich der Türkei daS wohlgemeinte Angebot, Tripolis und Khrenaika gegen Geld an Italien zu zedieren, und es lag gewiß nicht an Prinetti, daß die Türkei nicht mochte. Schon die famose Absicht, vermittels einer „archäo logischen" Expedition in Tripolis und Khrenaika „Zwischenfälle" zu provozieren, wegen deren man dann hätte mit der Türkei Fraktur reden können, war ihm durch die Türkei vereitelt worden, und nur sein Kollege vom Unterrichtsministerium, Nunzio Nasi, hatte bei seinem Straf prozeß vor dem Senat den Ruhm von der Geschichte. Dafür wollte Prinetti auf dem Balkan quittieren. Er war a priochi überzeugt, daß Italien auf dem Balkan nur im Gegensatz zu Oesterreich aufzutreten habe, und suchte sich daher ohne weiteres an Rußland zu attachieren. Rußland war aber damals noch nicht sehr fest davon überzeugt, daß auch Italien zu den „direkt interessierten" Mächten gehöre, und zog es vor, mit Oesterreich allein zu bleiben und zum Uebersluß durch daS Programm von Mürzsteg schwarz auf weiß kundzugeben, daß Italien in der balkanischen Politik heute wie zur Zeit des Berliner Kongresses von 1878 nichts zu suchen habe. Und so hatte des Königs Victor Emanuel Hl. allererster Auslandsbesuch in Petersburg seinen Zweck verfehlt und, da Zar Nikolaus trotz seines schriftlichen Versprechens den Besuch bislang nicht erwidert hat, nicht einmal das äußere Prestige ver schont. Zu diesen Mißerfolgen kam noch der begreifliche Unmut der Verbündeten, denen die Verlängerung des Dreibundoertrages um zehn Jahre nicht genügen konnte, wenn eine so wenig bundesfreundliche Politik und Gesinnung in Rom Oberwasser hatte. In Wien war man um so mehr verstimmt, als Prinetti trotz des durch den Grafen Nigra ausgesprochenen Wunsches von Kaiser Franz Josef nach einer persön lichen Begegnung mit dem jungen Könige es durchsetzte, daß dieser auf der Reise nach Petersburg den österreichischen Boden umging. Das politische Werk Prinettis ist nicht spurlos geblieben. Die Be ziehungen zwischen Italien und Frankreich sind durch ihn so gefestigt worden, daß auch offene Interessengegensätze und diplomatische Manöver oder Stimmungen sie nur für eine kurze Weile zu erschüttern vermögen. Sein Marokko-Tripolis-Vertrag, der in Algeciras Italiens Haltung bestimmte, wird dagegen heute in Italien vielerorts schon recht be dauert, und Minister Tittoni hätte ihn gern vermißt. Er ist zudem der Grund für die feindselige Haltung der Türkei in Tripolis gegen über Italienern und italienischen Interessen, die neuerdings so akuten Charakter angenommen hat und noch lange nicht erledigt ist. Pri nettis Idee eines italienischen Zusammengehens mit Rußland auf dem Balkan ist aber neuerdings verwirklicht worden, und zwar in demselben Moment, als das russisch-österreichische Uebereinkommen, das Prinetti ja gar nicht hat entstehen lassen wollen, in die Brüche ging. Allerdings war die Voraussetzung diessr Verwirklichung eine weitgreifende und plan' mäßige diplomatische Arbeit, der man in Berlin und Wien nicht mit der erforderlichen gleichen Weitsicht und Planmäßigkeit zu begegnen wußte: die Niederlage, welche die italienisch-russische Verständigung sowohl für die österreichische, als ganz besonders für die deutsche Diplomatie be deutet, scheint nötig gewesen zu sein, nm in Italien wieder eine sehr dreibundfreundliche Stimmung, wie sie heute im großen und ganzen verzeichnet werden kann, heraufzuführen. Und wenn man heute sehr wohl sagen kann, daß der Dreibund in Italien so geschätzt ist, wie nie seit CrispiS Zeiten, so ist doch gegen früher die Auffassung von Sinn und Moral des Dreibundes in Italien fundamental verändert, zum Nachteil der Verbündeten. Und hierzu bat Prinettis Wirken nicht wenig beigetragen. Die Heiniarbeitsarrrstellung in Frankfurt a. M. * Frankfurt a. M., 11. Juni. Die Räume des alten Senckenbergschen Museums in Frankfurt a. M. lam Eschenheimer Tor) beherbergen augenblicklich eine Ausstellung der Heimarbeit des rheinisch-mainiichen Wirtschaftsgebiets. Obwohl das Gebiet, dem die ausgestellten Produkte usw. entnommen sind, ein geo graphisch begrenztes ist, so verdient die Ausstellung doch die eingehendste Beachtung aller derer, denen eine Erhaltung und Besserung der Heim arbeit am Herzen liegt. Die erste Ausstellung dieser Art fand bekannt lich vor einigen Jahren in Berlin statt und das Material, das sic zu tage förderte, kann als grundlegend betrachtet werden. Auf ihr baute die Frankfurter Ausstellung auf, und es gelang ihr, das Beste übersichtlich und anschaulich zu bieten. Es wäre unmöglich, in einer Besprechung ein einigermaßen vollständiges Bild der Aus stellung zu entwerfen, schon der Vielseitigkeit und Ausdehnung des Ausgestellten wegen: hier mögen in großen Zügen einzelne Gebiete, die vielleicht weniger bekannt sind als die Heimarbeit der Kleiderkonfektion, berührt und geschildert werden. Von einigen Erwerbsiweigen der Hausindustrie hat die Verwaltung der Ausstellung kleine Musterwerkstätten zusammengestellt. Da sehen wir in ihrer primitivsten Einfachheit eine Töpferei aus der Rhön. Kleine und große Krüge und Zierrat aus Ton mit einfacher Bemalung gehen aus der Hand des flinken Töpfers hervor, Pilze und Frösche« als Sparbüchsen, ulkige Männlein und Weiblein. Wie klein ist da der Stunden-Nettoverdienst von 27 Pfennigen, selbst wenn man in Betracht zieht, daß bei der Töpferei (vor allem beim Brennen der Tonwaren) sehr große Unkosten entstehen. An die surrende Töpferscheibe reiht sicht hie Drehbank des Holzdrehers aus dem Odenwald. Pferdchen und Tiere aller Gattungen, pbantasievoll ergänzt, stehen auf seinem rohen Ti'ck,. In seiner niederen Werkstatt, die da und dort auch als Schlafraum dient, drechselt er die Spiclwaren, die der reichen Kinder Tische füllen. Auch in dieser Branche ist der Verdienst sehr gering, 10—13 Pf. pro Stunde, und gar oft desint sich die Arbeitszeit auf 18—20 Stunden aus. Nach Entwürfen von Künstlern arbeiten die Holzdreher des Eisenacher Ober landes, auch werden da die Rauchpseifen aus allen möglichen seltenen! Holzarten hergestellt, zum Teil mit feiner Schnitzerei. Neben dem Tisch mit den etwas steifen „Odenwäldcrpferdchen" steht ein Tisch mit niedlichen Elfenbein- und Beinschnitzereien aus Erbach, zierliche Elefanten, voller Bewegung und Grazie. Auch praktische Gegenstände werden hier gefertigt. Fein fassonierte Stockgriffe, Schmuck und Toilet ten, ferner Reliefs noch Entwürfen von Künstlern und der eigenen Hand. Die Werkzeuge und die Werkstattcinrichtung sind sehr einfach, eine Fräsbank und ein Werkbrett mit Bohrer, Stichel und Schaber und kleinen Sägen. In den Schraubstock gespannt erhält das rohe Stück Horn oder Elfenbein die reichen Umriste und wird dann geformt und geglättet. DaS Handwerk dieser Schnitzer bringt auch etwas mehr ein, als dasjenige der vorher genannten Heimarbeiter, bei einem Arbeitstag von 10 Stunden einen Verdienst von 5—8 Mark. Geschickte, dünne Frauenhände fertigen Schmuck für den Christbaum aus Watte oder Baumwolle, aus Flitter und Draht, übersponnene GlaS- kugeln, rotbackige Aepfel und andere Früchte. Meist wird die Her stellung des Christbaumschmucks als Nebenerwerb mit einer Arbeitszeit von 4—5 Stunden neben dem regelmäßigen Einkommen mit einem Nettostundenverdienst von 8—18 Pfennigen betrieben. Aus Rhein hessen ist ein Korbflechter da und zeigt seine Kunst. Transportkörbe, große und kleine Marktkörbe gröberer Oualität und fein geflochtene Zierkörbe, Picknickkörbe usw. entstehen in den Stuben der Korbflechter im Odenwald, Taunus und Vogelsberg. Weiter sehen wir kunstvoll geflochtene Stuhlsitze und Sesselrücken, gemusterte, mit verschieden ge- färbtem Material geflochtene Liegestühle. Der Verdienst ist für' die einzelnen Artikel ungleich, am schlimmsten sind die Stuhlflechter des Vogelsberges daran, die etwa 7 Sitze in 17—21 Stunden mit einem Nettoverdienst von 2,25 flechten: etwas besser stellen sich die Korb flechter. Das eigenartige Gewerbe der Nagelschmiede ist ebenfalls vertreten. Besonders interessant ist der Antrieb des Blasebalges durch einen Hund, der in einem breiten Holzrad läuft und eine Kurve! antreibt. In der Esse wird der Draht geglüht, Hammerschläge spitzen ihn zu. Mit dem Blockmeißel wird dann der Draht in der gewünschten Länge abgeschnitten und mit dem Hammer der Kopf aufgeschlagen. Der Verdienst ist hier sehr gering, ungefähr 8—9 Mark in der Woche. Die Entstehung des blendenden Linnen zeigt ein grauhaariger Weber aus dem Vogelsberg an seinem gebräunten, reich geschnitzten Web stuhl. Die Weberei ist überhaupt stark vertreten aus der Ausstellung, die Arbeitszeit beträgt durchschnittlich 12 Stunden mit einem Lohn von 50 Pf. bis 2 Mark im Tag. In der Rhön findet sich die Plüschweberei, die einen etwas höheren Verdienst aufweisen kann, bis zu 2,40 Mark. Soviel von den Schauwerkstätten, die sehr gut veranschaulichen, mit welch primitiven Mitteln gearbeitet wird, z. B. Fuß oder Handantrieb mit Ausnahme bei der Nagelschmiede. Nun ist in Betracht zu ziehen, daß die Beleuchtung meist sehr schlecht ist, auch bei Tag in den niederen Stuben der Häuschen im Vogelsberg und Taunus. Die Ausstellung von Herren- und Damenkonfektion, von Mützen und Hüten, Häkel- und Strickarbeiten, Leder- und Schuharbeiten, Pelzen usw. führt uns in die hohen Dachkammern der Städte. Es sind sehr traurige Verhältnisse, die hier eröffnet und beleuchtet wurden: Stundcnlöhne in der Stickerei und Häkelei von 7 Pfennig, für Schneiderarbeit zwischen 15—18 Pfennig in Aschaffenburg und Worms, besser in Darmstadt mit 38 bis 42 Pf. Endlich seien noch erwähnt die Spezialgebiete der Zigarrenmacherei — eine Witwe in Gießen rollt im Tag 500 Zigarren und erhält 32 Pf. für das Hundert —, die Safranindustrie mit Löhnen von 1,40 bis 1,65 Mark im Tag, die Honiglebkuchenbäckerei, bei der eine Familie von 5 Personen etwa 15 .K bei 15stündigem Arbeitstag verdient, Möbel schreinerei, mit 28 .il Wochenverdienst ohne Anrechnung der Geschäfts unkosten. Es ist ein anheimelndes Wort das Wort „Heimarbeit", fast dünkt einem, es habe einen poetischen Klang. Und es drückt so traurige Zu stände aus. Wohl bat die Hausindustrie auch ihre guten und schönen Seiten, hier ist z. B. zu nennen die Freude an der Arbeit, die Freude, etwas allein gemacht zu haben, es unter seinen eigenen Händen ent stehen zu sehen. Das fehlt im Großbetrieb, jeder fertigt nur ein Teilchen jahraus, jahrein, er sieht und lernt das Ganze oft kaum kennen, vermag kaum die Beziehung des Teilchens, das er herstellt, zum fertigen Großen zu schätzen, und das Donnern der Maschinen macht seine Ohren taub. Ich glaube, es ist sehr zu wünschen, daß die Heim arbeit erhalten bleibe und zunehme. Wie vielen erblüht aus ihr mehr Befriedigung, als wenn sie an der tosenden Maschine stehen, bei der sie nur dienen, nicht mithelfen können. Aber um die Heimarbeit zu einer günstigen Erwerbsquelle zu machen, müssen die Erwerbs bedingungen und -Möglichkeiten gebessert werden. Dabei mitzuhelfen, bat sich die Frankfurter HeimarbeitSausstellung zum Ziele gesetzt, und in der Tat ist cs ibr gelungen, Klarheit und Licht zu schaffen und daS Interesse der weitesten Kreise für eine Besserung der Heimarbeit zu er wecken. Die Raiserchrrldigung in Wien. Wien, 12. Juni. (Telegramm.) Mit dem Kaiserbuldigungsfestzuge am gestrigen Tage, über den wir bereits telegraphisch berichteten, haben die aus Anlatz des Regie- rnngsjubiläums Kaiser Franz Josefs veranstalteten Festlichkeiten ihren Höhepunkt erreicht. Ter Fremdenzufluß und die Zahl der Besucher aus den österreichisch-ungarischen Landen ist so groß, daß die Hotels nicht ausreichten und viele bei Privaten Unterkunft suchen mußten. 300 große Tribünen zu beiden Seiten des etwa 10 Kilometer langen Fest weges waren zur Aufnahme von 100 000 Zuschauern eingerichtet. Außerdem sahen mehrere Hunderttausende teils im Prater, teils im Raum zwischen den Tribünen den Festzug vorüberziehen. 1700 Ordner, von Polizei und Militär unterstützt, sorgten für den ruhigen Verlauf des Huldigungsaktes. Zahlreiche Erfrischungs- und Rettungsstationen waren auf der ganzen Strecke verteilt; sie, wie auch die vier Haupt- quartiere des Festzuges, waren durch Telegraphenlrnien miteinander verbunden. Um 7 Uhr 30 Min. brach die erste Gruppe von der Rotunde auf und erreichte den Praterstern etwa um 8 Uhr. Der Zug nahm dann seinen Weg durch die Praterstraße über Äspcrnbrücke, Stubenring, Parkring, Kärntner-, Opern- und Burgring zu dem zwischen dem äuße ren Burgtor und den beiden Hofmuseen besonders glanzvoll ausgestatte- ten Kaiserfestplatz. Der Festzug langte um 10 Uhr vormittags beim Kaiserfestplatz an. Auf der Terrasse saßen die Mitglieder der kaiser lichen Familie, auf den anschließenden Tribünen die Diplomaten, die Minister, die Vvf- und Staatswürdenträger, die Generalität, die Geist lichkeit und Ehrengäste. Der Kaiser begab sich von der Hofburg in das Kaiserzelt, wo der Ehrenpräsident und der Präsident des Komitees Ansprachen hielten, auf welche der Kaiser erwiderte. Der Bürgermeister überreichte an läßlich des Jestzuges eine geprägte Huldigungsplakette in Gold. Auf ein Zeichen des Kaisers setzte der Festzug seinen Weg fort. Der Kaiser verfolgte sichtlich gerührt mit dem größten Interesse die einzelnen Gruppen und dankte namentlich unermüdlich für tue seitens der einzel nen Nationalitäten in ihrer Sprache dargebrachten brausenden Hui- digungen. Auch das sehr zahlreiche Tribünenpublikum spendete den Gruppen lebhaft Beifall. Ter Kaiser verblieb die ganze Zeit stehend auf dem Festplatz. Nachdem die letzte Gruppe den Kaiserplatz passiert halte, brachten die Sänger eine Huldigungsserenade dar, welche mit der vom Publikum jubelnd aufgenommenen Bolkshymne schloß. Der Bürgermeister hielt eine kurze Ansprache an den Kaiser und schloß mit Hochrufen, die ein tausendstimmiges begeistertes Echo fanden. Der Kaiser dankte innigst für die Huldigung. Nunmehr läuteten alle Kirchenglocken Wiens. Nach dreistündigem Aufenthalt auf dem Festplatze kehrte der Kaiser mit der gesamten Familie in die Hofburg zurück. — Der Festzug hatte indessen seinen Weg über den FranzenSring fortgesetzt, wo auf einer großen Tribüne vor dem Parlament die Mitglieder des Herren hauses und des Mgeordnetenhauses Platz genommen hatten. Sodann kehrte der Zug, an der Votivkirche vorbei, über den Franz-Josess-Kai und durch die Kaiser-Josefs- und Ausstellungsstraße zurück nach dem Prater, wo er sich bei der Rotunde wieder auslöste. Auf der Kaisertcrrassc fanden sich alle Erzhcrzöge und Erzherzogin nen ein, ferner die Prinzessin Maria Theresia von Bayern mit ihren Töchtern Helmtrudis und Gundelinde, Prinz und Prinzessin Leopold von Bayern mit ihren Kindern, den Prinzen Georgund Konrad, Prinz und Prinzessin Elias von Parma, Herzogin Maria Theresia von Württemberg, Herzog Miguel von Braganza, die Prinzessin Philipp und Leopold von Sachsen-Koburg und Gotha mit Tochter, Herzogin Thyra von Cumberland mit ihren Kindern, Prinz Friedrich zu Schaum- burg-Lippe, Prinzessin Maria das Neves von Bourbon, Prinzessin Alexandra zu Schaumburg-Lippe, Graf und Gräfin Scefried mit Kin dern. Der Festzug verlief in jeder Hinsicht glänzend: die Teilnahme des Publikums war musterhaft, es herrschte vollste Ruhe und Ordnung. Prächtiges Wetter begünstigte die Veranstaltung, ohne daß sich die Sonne allzu drückend fühlbar gemacht hätte. DaS polizeiliche Sani- tätödepartementS verzeichnete ^3 Uhr, um welche Zeit der Festzug fast beendet und das Publikum größtenteils auseinandergeströmt war, nur etwa 400 Fälle von Erkrankungen, die sich durchweg als OhnmachtS» anfälle leichter Natur erwiesen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite