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die mft tieferem Schmerz erkannte, daß ihr Eheglück auf immer in Scherben lag . . . Das kam nicht wieder — auch wenn es wirklich ihrem Manne gelang, die kühnen Zukunftsträume zu verwirklichen, die beständig vor feinen brennenden Augen funkelten. Eines Tages kehrte Max noch später als sonst nach Hause und in einer Verfassung zurück, die es ihm unmöglich machte, wie sonst seinen Zustand ein wenig zu verbergen. Welch traurige Nächte hatte die junge Frau seit der Verirrung ihres Mannes zugebracht. Sie vermochte nicht die Augen zu schließen, Stunde an Stunde verrann und er kam noch immer nicht, nnd wenn sie dann endlich das Oeffnen der Thüre hörte, stellte sie sich schlafend, weil sie es selber fühlte, daß sie dann nicht mehr die Kraft besessen hätte, ihren Schmerz und ihre Verzweiflung zu verbergen. Heute aber konnte sie nicht ruhig bleiben; sie horte einen schweren Fall, dann ein dumpfes Röcheln, und als sie Licht anzündete, sah sie ihren Mann am Boden lieben mit bleichen, wild verstörtem Gesicht und undeutliche Worte vor sich hinmurmelnd. Ottilie erhob sich von ihrem Lager, warf rasch einen Schlafrock über und versuchte nun, die bewußtlose Masse, die vor ihr lag, zu entkleiden und ins Bett zu bringen. Wer ihr gesagt hätte, daß ihr einst eine solch grauenhafte Szene bevorstehen würde! — Sie hatte vor einem Betrunkenen stets ein solches Entsetzen gehabt — und jetzt war der bis zur Sinnlosigkeit berauschte Mann, der kaum noch zu lallen vermochte, ihr Gatte. Aber sie mußte ihren Ekel überwinden — sie durfte ihn nicht dort am Boden hilflos liegen lassen und den noch setzte der Trunkene sogleich ihren Bemühungen den heftigsten Wi derstand entgegen. „Fort, fort," lallte er, „die Hallunken — sie haben mich schön geplündert, aus — aus" — und Tannberg schloß vollends die ver glasten Augen und ließ wieder den Kopf auf den Boden zurücksinken. Wie es Ottilien endlich gelungen war, ihren Mann ins Bett zu bringen, sie wußte es selbst nicht. Sie hatte alle Kräfte dazu gebraucht und dabei war es ihr ge wesen, als müsse sie vor Scham und Schmerz vergehen. Ja, sie schämte sich in der Seele ihres Gatten, daß er so tief, so tief gesunken. — Jetzt schlief ec mit den geräuschvollen Athemzügen eines Berauschten. In die Augen der unglücklichen Frau kam kein Schlummer. Ach, sie hatte gemeint, in dieser Nacht das Schlimmste und Furchtbarste erlebt zu haben und der Morgen sollte ihr noch Entsetzlicheres bringen . . . Wenn Max auch noch so spät nach Hause gekommen war, er er wachte gewohnheitsmäßig doch zur rechten Zeit und versäumte niemals seine Amtsstunden. Heute schlief er tief und fest weiter und seiner Frau blieb zuletzt weiter nichts übrig, als ihn zu wecken. Er durfte ja nicht seine Berufspflichten versäumen. „Es ist schon sehr spät und Du mußt in das Komptoir," sagte Ottilie und wandte sich dann von ihm ab, es war ihr unmöglich, sei nen Anblick zu ertragen. Tannberg fuhr sich mit der Hand über die Stirne, als müsse er sich erst besinnen, dann sagte er mit heiserer, rauher Stimme: „Ja, es ist zu spät — ich werde nicht gehen," und er wollte sich umdrehen, um wieder weiter zu schlafen. Dies durfte die Frau nicht dulden, nnd wie es ihr auch Ueber- windnng kostete, sagte sie jetzt laut und eindringlich: „Du kannst nicht länger zögern. Oder willst Du auch noch durch eine solche Sänmnih Deine Stellung auf das Spiel setzen?" Bei diesen Worten richtete sich der Schlaftrunkene wieder empor und starrte sie von neuem an. Er wollte sich rasch erheben und der Mahnung seiner Fran nachkommen, aber plößlich mußte ihm die volle klare Besinnung zurückkehren; er stieß einen tiefen Seufzer aus, ließ den Kopf auf die Brust sinken, und ohne seine Fran anzusehen, preßte er mühsam hervor: „Das ist doch alles vorbei — ich bin so wie so verloren —" Jetzt erst tauchte in der jungen unglücklichen Frau die Ahnung auf, daß für sie noch etwas Schlimmeres auf dem Spiele stand und sie fragte erschrocken: „Max, was ist gestern geschehen? Du kamst gestern so spät nach Hause und —" sie brachte nun doch nicht ihren gerechten Vorwurf über die Lippen, als sie die tiefe Niedergeschlagen heit ihres Mannes bemerkte. „Ich habe meinen Schwur nicht gehalten, ich weiß es wohl, daß Du mich seitdem verachten mußt; aber ich war zu unglücklich; ich wollte mich betäuben — und nun ist alles aus . . . O, verzeihe mir, Ottilie, daß ich Dich so unglücklich gemacht habe." Und Tannberg streckte in leidenschaftlicher Selbstanklage seine Arme nach ihr aus. ,Za, ich mar sehr unglücklich!" sagte die junge Frau leise und ihre Thränen brachen unaufhaltsam hervor. „Nun siehst Du Dein Unrecht ein und damit ist alles wieder gut." Sie wollte ihn zärtlich umarmen, doch er wehrte sie beinahe heftig ab: „Nein, nein, ich ver diene nicht Deine Verzeihung," stammelte er verwirrt. „Ich habe mich lei.btsinnig in den Abgrund gestürzt und jetzt ist es mein einziger Schmerz, daß ich auch Dich und mein armes Kind mit hinabgerissen." „Das mußt Du nicht sagen," ermahnte Ottilie und versuchte milo und freundlich zu lächeln, „Du wirst Dich aus Deiner Verirrung schon I wieder herausfindcn, Du hast ja damals auch aus Liebe zu mir Dein Leidenschaft beherrscht." „O, Ottilie, Du weißt nicht alles," preßte Tannberg hervor und ! wagte seine Frau nicht mehr auzublicken, „ich wollte auch ein reicher Mann werden, damit Du Deine Wahl nicht zu bereuen hattest, und i das Geld schien mir ja soleicht zu gewinnen, sah ich doch täglich, daß die größten Dummköpfe im Handumdrehen Hunderttausende in die Tasche steckten. Ich wollte deshalb auch mein Glück versuchen . . . und spielte heimlich an der Börse. Anfangs ging auch alles prächtig, ich war auf dem beste» Wege, in kurzer Zeit mein Schäfchen im Trock nen zu haben — da der nichtswürdige Krach — ich verlor. Nun hielt ich es für eine glänzende Spekulation, wenn ich den Niedergang der Kurse benutzte, und noch mehr Papiere kaufte; sie mußten doch uvth- wendig bald wieder steigen — aber sie sanken immer tiefer und —" der junge Kassirer vermochte nicht weiter zu sprechen, er stockte und starrte düster, völlig verzweifelt vor sich hin. (Schluß folgt.) Vermischtes. * Zu den Opfern des Ringthealers in Wie» gehörte der Schneider Gertel. Zu dem Hilfskomitee kam heulend und schreiend eine Frau gelaufen: ach Gott, mein Mann, der Flickschneider Gerte«, wollte sich auch eine« guten Tag machen und ist ins Ringtheater gegangen und verbrannt. Ich habe vier Kinder, was fang' ich an? — Das Hülfskomitä gab ihr sofort 200 Gulden, bald darauf eine jährliche Unterstützung von 360 Gulden und für jedes Kind wurde» 6000 fl. verzinslich angelegt. Vor Kurzem nun wurde der verbrannte Schneider lebend in einem ungarischen Dorfe ermittelt und nach Wien transportirt. Er ist nicht mehr Pensionär und ein paar andere Leute, die auch vom Feuer profitirten, auch nicht mehr. * In Berlin erkrankte ein Manu an der Cholera und wurde im Siechkorbe nach dem Lazarett) gebracht. Auf dem Wege dal)!» setzten die Träger vor einem Braunlweinladen den Korb nieder, nm sich durch einen Schluck zu stärken. — Der Kranke, der nur einen gelinden An fall gehabt hatte und sich schon wieder besser fühlte, öffnete jetzt den Deckel des Korbes und entfernte sich, ohne daß die Träger es be merkten. Als diese zurnckkehrten und der eine durch dieOeffnung des Korbes blickte, ries er ganz verwundert: „Aber, Lude, kiek mal, der hat sich janz alle jebrochen." * Der kleinen Gemeinde Mainsdorf im Kreise Zerbst ist eine Erb schaft von 80 000 Dollars zugefallen. Ein von dort gebürtiger junger Mann hatte vor längerer Zeit aus Furcht vor dem Militärdienst seine Heimat verlassen lind sich »ach Amerika geflüchtet. Dort hat er sich das bedeutende Vermögen erworben und daslelbe nun seinem Heimats dörfchen vererbt, da er weder Weib noch Kind hinterläßt. * Großes Aussehen hat in Frankfurt der infolge eines Ver sehens eines Apothekers durch Vergiftung eingetrctene Tod eines Kindes erregt. Der Apotheker hatte statt Chinin Morphium gegeben. Der herbeigenifene Arzt, der die Medizin verschrieben hatte, wollte dem Vater beweisen, daß das Kind infolge der Medizin nicht gestorben sei und trank ahnungslos den Rest derselben. Durch schleunig angewandtes Gegengift gelang wenigstens die Rettung des Arztes. * Von Koblenz aus wollte ein Schäfer in Gesellschaft seines Hundes eine Reise per Eisenbahn machen. Der Schaffner wies ihm zur Unterbringung seines treuen Geführten das Hundecoupee an. Eine Minute nachher waren beide verschwunden. Man fand beide schließ lich im Hundecoupee vor, und nur mit großer Mühe gelang es schließ lich dem Bahnpcrsoiial, de» Schäfer standesgemäß unterzubringen. Postalisches. Ju de» zum Landbestellbezirk des Postamts in Wilsdruff gehörigen Orten Grumbach und Sora werden vom 17. bez. vom 25. April d. I. ab P o st h ü l f st e l l e n eingerichtet und zwar in Grumbach beim Schmiedemeister 8ebubsi-t »nd in Sora beim Ge. meindevorstand Küstner. Wochcnlnarkt zu Wilsdruk, an, 14. April. Eine Kanne Butter kostete 2 Mark 60 Pf. bis 2 Mark 70 Pf. Ferkel wurden eingebracht 235 Stück und verkauft ä Paar 24 Mark — Pf. bis 36 Mark — Pf Bei Unterzeichnetem sind noch 2 Stück schöne kräftige Läufer von vorzüglicher Race zu verkaufen. Tb. Ünsebkv. Eine Oberstnbe mit Zubehör ist zu vermiethen und sofort oder zu Johanni zu beziehen. Ro fengaffe 87. Lehrlingsgesuch. Ein junger Mensch, welcher die Buchdrutkerkunst erlernen will findet unter günstigen Bedingungen Unterkommen in der Bnch- drückerei zu WilS-ruff. M S D G G T SN von Preis-couranten, keellnunAen, Circularen, LmxcksUIrrnssu, Ir* i-o g-r», Mkr-Scheinen, 8vbuI-2sUAIN886N, VadvIIen ioäer ^.rt. VON Kesobäfts- L /tckrvss- Karton, Lroebureu, Gclegknhkils-SMchien, LrLsk-Oorrvsrbs, Quittungen, Lrivk-Läpfe», porniulnron, ote. sto. ttu8küllrun8 aUor vorliommonckon bei Zoliäestor unä sebnellgter LsäisnunZ. 8. H.. Lörzer In U Redaction, Druck und Verlag von H. A. Berger in Wilsdruff.