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Beilage zu Nr. 31 des Amts- u. Wochenblattes für Wilsdruff. (Fortsetzung aus dein Hauptblatt.) — Von allen Seiten kommen jetzt traurige Botschaften von dem großen Schaden, der durch die letzten Fröste in den Obst- und na mentlich Kirschplantagen ungerichtet worden ist. Besonders bedauerns- werthe Verheerungen sind in dieser Hinsicht in Laubegast, Tolkewitz, Gruna und Reick zu bekunden. — Der k. sächsische Wetterprophet Stannebein, der von uns Sachsen zu den großen, von der Seewarte in Hamburg zu deu kleinen Propheten gerechnet wird, hat einen guten Sommer und eine gute Ernte prophezeit. Nach den alten „Wetterbüchern" ist ein Frühjahr mit kühlen Nächten und vorherrschend nördlichen Winden zu erwarte». — Auerbach. Am 11. April sind in Rothenkirchen die Gebäude des Gemeindevorstandes Pelz ein Raub der Flammen geworden. Lei der sind dabei 2 Menschen mit umgekommen. Es ist dies die ca. 39 Jahre alte Schwester Pelz' und deren 13 Jahre alte Tochter. Mittheilililgcil über Obst- und Gartenbau. Ein weiteres Kapitel über Obstbaumschädlinge. Bevor wir zur Besprechung eines anderen Schädlings unserer Obstbäume übergehe», möchte noch eines weiteren und wie uns von einem bewährten Obstzüchter versichert wird unfehlbaren Mittels gegen die früher schon von uns besprochene Blutlaus gedacht werden. Man verschafft sich aus einer Gasanstalt Ammoniakwasser, wie solches bei der Bereitung des Gases gewonnen wird, verdünnt dasselbe mit min destens 20 Theilen Wasser und bespritzt oder wäscht damit die mit der Blutlaus behafteten Bäume. Dieselben sollen, wie unser Gewährs mann versichert, ev. nach mehrmaliger Behandlung mit dieser Masse sicher, ohne irgend welchen Schaden zu leiden, von diesem Ungeziefer befreit werden. Selbst die auf den Wurzeln lebenden alten Thiere gehen zu Grunde, wenn im Frühjahr ein Guß derselben mit verdünn tem Ammoniakwasser vorgenommen wird. 2. Der Apfelblüthenstecher, auch Brenner genannt. Dieser dem Rüsselkäfergeschlecht angehörige, 2 inin lange Schädling ist hell braun, hat ein weißes Rückenschildchen und auf den Oberflügeln eine verwischte graue Schrägbinde. Der Käfer lebt von Juni bis April des nächsten Jahres. Der Käfer verläßt sein Winterlager, welches er hinter Rindenschuppen der Obstbäume, in Bohrlöcher derselbe», hinter Flechten oder in der Erde ausgeschlagen hatte, möglichst früh im Jahre. Wenn sonst die Witterung günstig, kann man ihn schon in den ersten Apriltagen bei Sonnenschein munter umherkriegen oder fliegen sehen, um die sich eben entwickelnden Knospen der Aepfel- oder Birnbäume aufzusuchen. Erstere wählt er lieber als letztere, weil sie sich später und langsamer entwickeln. Die befruchteten Weibchen belege» dann die Knospe» mit je einem Ei, indem sie ein Loch mittelst des Rüssels in dieselben bohren nnd dasselbe bis auf den Grund der Knospen schieben. Haben wir nun von der Zeit an, wo die Käfer zum Vor schein kamen, 8—14 Tage lang warmes Wetter, so daß die Weibchen ohne Unterbrechung ihr Brutgeschäft fortsetzeu können, nachher aber zwei, drei Wochen rauhe, unfreundliche Tage, welche das Wachsthum der Knospen zurückhalten, so ist dies für die Entwicklung und Ver mehrung der Käfer sehr günstig, die Larve, welche kaum 8 Tage im Ei schlummert, wird dann Herr über die Blüthenknospe, indem sie die Befruchtungstheile auffrißt. Die Blüthenhülle wird dann brau», sieht wie verbrannt aus, daher der Name „Brenner". Geht die Ent wickelung der Blüthe in Folge warmer Witterung schnell vorüber, so ist die Gefahr vor diesen: Schädling nicht so groß, denn dann öffnen sich die Blumenblätter vor der Entwickelung der Larve und letztere geht zu Grunde. Bei normaler Entwickelung bedarf die Larve etwa 14 Tage bis zu ihrer vollen Ausbildung, denn schon von Mitte Mai an findet sich in den braunen Blüthenknospen die Puppe, aus welcher nach weiteren 8 Tagen der Käfer erscheint, der somit durchschnittlich nur fünf Wochen zu seiner Ausbildung vom Ei an bedarf. Er treibt sich nun, ohne weiteren Schaden zu thun, den ganzen Sommer auf den Bäumen umher, indem er nur weniges Blattgrün zu seiner Er nährung bedarf. -Unsere natürlichen Bundesgenossen im Kampfe gegen diesen Schädling sind die insektenfressenden Vögel, welche mit Vorliebe deren Larven und Puppen aufsuchen und verzehren; diese sind deshalb durch Anlegung von Brutkästen möglichst zu hegen. Das wirksamste Gegenmittel wird eine gute Rinden- oder Baumpflege überhaupt sein, das Abscharren der abgestorbenen Rinde bez. Rindenanstrich mit Kalk re., um dem Käfer keinen Unterschlupf zu bieteu. Nach Herrn Nörd- linger werden die spät und rasch treibenden Arten mit gut geschlossenen Knospen weniger vom Käfer heimgesucht als die anderen. Ferner wird das Abklopfen der Käfer in untergebreitete Plauen empfohlen. Dasselbe kann allerdings nur bei schwächeren Hochstämmen oder Zwergstämmen vorgenommcn werden und hat in: Frühjahr nnd früh am Morgen zu geschehen und muß dies öfters wiederholt werden. Da der Käfer häufig seinen Weg am Stamme entlang auf den Baum nimmt, so wird man auch eine größere Anzahl fangen können, wenn man bei geeigneter Witterung die im Herbst gegen den Fvrstspanner in Anwendung gebrachten Klebgürtel in den Monaten November bis Januar wieder erneuert. Die Mittheilungeii über Landwirthschaft, Gartenbau rc. des „Berliner Tageblattes" geben noch folgendes Mittel gegen diesen Schädling an: 3 Liter Petroleum verdünne man mit 5 Liter Wasser und setze V« Kilo Terpentinöl hinzu, rühre tüchtig um und lasse es einige Stunde» stehen. Die auf der Oberfläche befind lichen fettigen Substanzen haben der ganzen Flüssigkeit einen genügend penetranten Geruch und Geschmack verliehen. Eine gewöhnliche Garten spritze fülle man mit dieser Mischling und bespritze die äußersten Aeste der Obstbäume gegen Ende Februar, oder auch schon früher bei mil derem Wetter. Der penetrante, wochenlang andauernde Geruch des Petroleums soll die Käfer nach den Erfahrungen des Referenten mit Erfolg abhalten, jedenfalls ist dies leicht ausführbare Mittel des Ver suches werth. Friedrich der Große nnd die Berliner Taboksorbeiter. Der große König war bekanntlich sehr sparsam und sah ans den Silbergroschen, in der richtigen Erkenntnis;, daß aus den Groschen die Thaler und aus diesen schließ lich die Millionen zusammenkommen, deren er nach so dielen geldfressenden Kriegen nahezu 70 gesammelt hatte, die wohlverwahrt in seinem Schatze lagen. Seine Rathe fügten sich den Eigenheiten des Monarchen und suchten in den öffentlichen Ange legenheiten ebenfalls im Sparen des Silbergroschens das Möglichste zu leisten, we niger um der allgemeinen Staatswohlfahrt willen, als um sich bei Friedrich beliebt zu machen. Bisweilen nahmen jedoch solche Versuche ein schlechtes Ende, wie die folgende Geschichte beweist. Die königliche Tabaksfabrik hatte im Jahre 1786 nicht Arbeit genug für die darin beschäftigten Personen und die Arbeitszeit wurde daher auf drei Viertheile der früheren herabgesetzt. Ein hochgestellter Nath des Landes ökonomiekollegiums benutzte diese Gelegenheit, um dem Könige vorzuschlagen, der verkürzten Arbeitszeit entsprechend den Tagelohn der Arbeiter, der aus acht Groschen bestand, auf sechs Groschen herabzusetzen — ein barbarischer Vorschlag, da die Gering fügigkeit des Lohnes ohnehin nicht der harten und ungesunden Arbeit entsprach. Friedrich ließ sich über die Sache Bericht erstatten und erfuhr, daß die Arbeiter seiner Fabrik größtentheils Invaliden wären, die sich sämmtlich in höchst elenden Umständen befänden und eher Zulage als Verminderung ihres Lohnes verdienten. Da gerieth er in Erbitterung und schickte dem unberufenen Rathgeber das folgende Handschreiben: „Ich danke dem Herrn Rath für Seine gute Gesinnung und Seinen ökonomischen Rath, finde aber denselben um so weniger acceptable, da die armen Fabrikarbeiter ohnehin so kümmerlich leben müssen und ihre Kräfte bei den theuren Lebensmitteln vollends zusetzen. Indessen will ich doch Seinen Plan und die darin bemerkte gute Gesinnung annehmen und Seinen Vorschlag an Ihm selbst in Ausführung bringen. Demzufolge werden Ihm von nun an jährlich tausend Reichsthaler am Traktament abgezogen, mit dem Vorbehalt, daß Er sich übers Jahr wieder melden und mir be richten kann, ob dieser Etat und Abzug Seiner eigenen häuslichen Einrichtung Vor theilhaft oder schädlich sei. Im ersten Falle will ich Sein ohnehin so großes und unverdientes Traktament von 4000 Reichsthaler aus die Hälfte heruntersetzen und dabei zu Seiner Beruhigung Seine patriotische und ökonomische Gesinnung loben, auch bei Andern, die sich dieserhalb melden werden, diese Verfügung in Applikation bringen. Potsdam, den »9. Junius 1786. Friedrich." Der betreffende hohe Beamte mag wohl ein ziemlich langes Gesicht gemacht und nach seiner Nase gegriffen haben, als er dieses Kabinetsschreiben las. Friedrich ver besserte die Löhne seiner Arbeiter in der königlichen Tabakssabrik, die dafür ihren Wohlthäter noch segneten, als er acht Wochen später in die Gruft gesenkt wurde. Gewonnen und verspielt. Erzählung von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Anfangs hatte Tannberg sich noch verpflichtet gehalten, sein län geres Ausbleiben durch überhäufte Arbeit zu entschuldigen, doch bald hielt er auch dies nicht mehr für nöthig und zum Entsetzen verjüngen Frau gewahrte sie, daß er seinen Schwur nicht gehalten hatte und nur zu oft berauscht nach Hause kam. Wohl stellte sich Ottilie schlafend, wenn sie hörte, daß er leise di Thür zu öffnen suchte; aber sein Gang, sein ganzes Auftreten war das eines Betrunkenen. Trotzdem mochte sie es anfangs nicht glauben; es war ja nicht möglich, daß er plötzlich wieder sich so tief verirren konnte. Sie mußte Gewißheit darüber haben und eines Morgens, als er auch wieder sehr spät nach Hanse gekommen war, stand sie leise auf, beugte sich über ihn hinweg und der widerliche Weindunst, den er ausathmete, bewies ihr, daß sie um eine bittere Täuschung reicher sei. Nun kannte die unglückliche Frau ihr Schicksal; ... sie wußte, daß ihr Mann de» Abgrund vollends Hinunterrollen würde und sie nicht dir Kraft hatte, ihn zurückzuhalten. Ach, damals war sie so stolz und glücklich in dem Gedanken gewesen, daß ihre Liebe allein ihn vom sicheren Verderben zurückreißen könne. Er hatte ihr den feierlichste» Eid geleistet, auf seine Leidenschaften zu verzichten und dem Trunk zu entsage». Jetzt, wo er seine» Schwur einmal gebrochen, gab es für ihn kein Zurück. So hatte Hartung mit seiner Warnung doch Recht gehabt! Tannberg bemerkte wohl zuweilen die verweinten Augen seiner Frau, den tiefen verschwiegenen Gram in ihrem blassen Antlitz; aber er suchte dann so rasch wie möglich am Morgen fortzukommen und beim Mittagessen klagte er über Kopfschmerz oder über Verdrießlich keiten im Geschäft. — Wenn sich Ottilie dann doch bemühte, ihn durch ein zärtliches Entgegenkommen wieder ans Haus zu fesseln, sagte er stets auswei chend: „Ich habe den Kopf so voll, liebes Kind, und muß mich ein bischen zerstreuen; — aber das wird alles bald ganz anders werden. Du sollst Augen machen! Du wirst am längsten die Frau eines lumpigen Kassirers gewesen sein, weiter sag ich nichts —" und mit diesen geheimnißvollen Andeutungen eilte er rasch hinweg. Max kam beständig auf diese Reden zurück, ohne sich näher da rüber auszusprechen. Bald zeigt er sich dabei übermüthig, sich wie ein Emporkömmling blähend, bald unruhig und zerstreut. Ottilie wußte nicht, was sie von all dem denken sollte. Wenn er, wie im Fieber, von dem glänzenden Leben sprach, daß sie noch einmal führe» würden, dann erfüllte eine unerklärliche Unruhe ihre Brust, als stünde ihr noch etwas Schreckliches bevor. Ach, sie hatte keine Sehnsucht nach einem noch prächtigeren Dasein, sondern nach der stillen, bescheidenen Vergangenheit, wo sie mit wenigem so glücklich ge wesen waren! Mit welchen Plänen trug sich ihr Mann herum? — Suchte er jetzt auch, wie so Viele, an der Börse ein Verwöben zn erjagen? — Wie eingezogen auch die junge Frau lebte, d:e wilde Jagd nach dem Glück, die sich plötzlich der Welt bemächtigt hatte, war ihr doch nicht völlig entgangen. Dafür sorgt schon der Aufenthalt in einer großen Stadt, daß uns, selbst bei der größten Abgeschlossenheit, die Zeitströmungen nicht gänzlich verborgen bleiben. Aber Max konnte ja unmöglich sich ebenfalls an die Börse wagen, er hatte ja kein Ver mögen, und seitdem er soviel außer dem Hause lebte, sah sich die junge Frau trotz seines weit höheren Gehaltes sehr oft in ihren Ausgaben beschränkt und Max vermochte kaum für das Nothwenvigste das er forderliche Geld herzugeben. I» letzter Zeit schwand bei ihrem Gatten immer mehr die kecke, fröhliche Zuversicht, mit der er von einer glänzenden Zukunft gespro chen hatte; er zeigte sich zerstreuter und unruhiger denn je, aber er wich ihren zärtlichen, besorgten Fragen stets mit den Worten aus: „Ich werde schon heraufkommen, laß das nur meine Sorge sein." — Sie mochte dann immer entgegnen, daß sie ja niemals glücklicher ge wesen seien als damals, wo sie mit dem dürftigsten Gehalt auskommen gemußt; er hatte dafür kein Verständniß und entwickelte dann mit um so größerem Eifer seine Hoffnungen auf eine glänzende Zukunft. Ach, und er gewahrte nicht das trübe, schmerzliche Lächeln seiner armen Frau, die nur unter dem Druck der düsteren Gegenwart seufzte, und