Volltext Seite (XML)
Rechtsanwalt Ernst Sommer. Kommenden Donnerstag, den 2V. April, Nachmittags 6 Uhr, öffentliche Stadtqemcinderathssitzuna. Wilsdruff, am 17. April 1882. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. zu leisten. Wilsdruff, am 15. April 1882. Nachdem ich, der unterzeichnete Rechtsanwalt, in dem Creditwesen des flüchtigen Gerbers Robert Hüttig hicrselbst als Concnrs- verwalter bestellt worden bin, fordere ich alle Diejenigen, welche noch Hüttig'n schulden, hiermit auf, diese Zahlungen nnr an mich und zwar bei Vermeidung der Klagerhebung bis spätestens den 26. dieses Monats Die Eile des Kanzlers. Unter vorstehender Ueberschrift veröffentlicht die „Prov.-Corre- spondenz" an der Spitze ihrer dieswöchentlichen Nummer folgenden Artikel: „Man macht dem Reichskanzler oft einen Vorwurf daraus, daß er seine Lieblingspläne, wie das Tabaksmonopol, die Unfallversicherung und die Alterverforgung der Arbeiter rc., mit so ruhelosem Eifer ver folge und dadurch die parlamentarischen Berathungen über Gebühr häufe. Dieser große vermeintlich übertriebene Eifer entspringt jedoch einzig und allein dem Wunsche des Kanzlers, die Zeit, die ihm noch gegeben sein mag, zur inneren Befestigung des Reiches auszunutzen, dessen Gründung besonders sein Werk war. Es ist ihm gelungen, dasselbe in allen äußeren Beziehungen auf fo festen Grundlagen zu errichten, wie es in den kühnsten Träumen kaum möglich schien: der Norden und der Süden Deutschlands und alle Stämme des Volkes, die sich kurz zuvor so spröde gegenüberstanden, sind in eine volle Einheit des gemeinsam nationalen Strebens verschmolzen, und das deutsche Reich, früher mißachtet und verspottet unter den Völkern, ist jetzt machtvoll und einflußreich, vielfach als Schiedsrichter zwischen den Staaten, selbst über Europas Grenzen hinaus. Wohl hat die Bravour unserer Heere, die Hingebung des ganzen Volkes, wohl hat die geistige Arbeit von Jahrhunderten ihren Antheil an diesem endlichen Ergebniß, aber ohne die geniale Staatskunst, ohne das unablässige, unermüdli' e Mühe» des Kanzlers wäre die Einheit, zumal in solcher Vollendung nicht erstanden. Nichts ist, wie gesagt, natürlicher, als daß der Staatsmann, der in dem jungen Reich ,vor Allem eine Frucht seines politischen Wirkens sehen darf, seine letzten Jahre noch dazu benutzen will, die neue Schöpfung anch innerlich zu kräftigen und sicher zu stellen. Zu diesem Ende hält nun der Fürst vorzüglich die sichere und möglichst reiche Ausstattung des Reiches einerseits und die Sorge für die är meren Schichten des Volkes andererseits für dringend erforderlich. Die finanzielle Selbstständigkeit des Reiches war die erste Auf gabe, welche er ins Auge faßte, und welche er theilweise erfüllt hat: das Reich braucht nicht mehr „vor den Thüren der Einzelstaateu betteln zu gehen", fondern es hat feine eigenen Einnahmen, — aber dasselbe ist noch nicht „der reichliche Versorger" der einzelnen Bundesstaaten, der Kommunen und Korperationen. Den ersten Zweck zu erreichen, hat der Kanzler volle fünf Jahre gebraucht, und er hat dabei Schmähungen und Verläumdungen in reichem Maße über sich ergeben lassen müssen, bis immer weitere Kreise der Nation die Wohltyaten der neuen Ordnung der Dinge schätzen lernten. Wenn nun zur Erfüllung der weiteren finanziellen Zwecke für das Reich dem Fürsten als bestes, einfachstes Mittel eine bestimmte Art der Besteuerung des Tabaks erscheint, wenn er ferner den Friede» im Reiche zu fördern meiiit, indem er die Fürforge für die hilfsbe dürftigen Klaffen der Bevölkerung zur Sache des Reiches macht, — wer wolle es ihn: verdenke», wenn er mit diesen Pläne», die er ja nur im Interesse des deutschen Volkes verfolgt, eine gewisse Eile hat! Er weiß eben, daß ein Jahr Aufschub eine lange, vielleicht entschei dende Verzögerung für jene Pläne wäre, n»d doch möchte er das Reich, an dessen Wiege er stand, nach seiner tiefsten Ueberzeugung auch noch jener Wohlthaten theilhaftig machen." Tagesgeschichtc. Berlin, 15. April. Der „Reichs-Anzeiger" schreibt: Eine kai serliche Verordnung beruft den Reichstag auf den 27. April ein. Die „Fränk. Tagespost" theilt mit, daß der Sozialistenführer Bebel feit einiger Zeit mit Familie in Nürnberg sich befindet, um im Gewerbemuseum die Erzeugnisse seiner Fabrik anszustellen. Der Aufenthalt Bebels soll auf 8—14 Tage berechnet sein. Wie die „Frk. Tagespost" ferner mittheilt, wird Bebel von der Polizei scharf beobachtet; fo sei in der Gießereistraße 3 eine Art Polizeistation in der Wohnung eines Fabrikarbeiters etablirt, um die Hausthüre Gießerei straße 5, wo Bebel wohnt, beobachten zu können. Aus Thüringen, 12. April. Der böse Nachtfrost hat schon seit dem ersten Ostertag sich recht mißliebig de» Blüthe» und jungen Schößlingen gezeigt, in verwichener Nacht hat er aber arge Verwü stungen angerichtet. Die Temperatur war bis unter —5" R. gesunken und zollstark zeigte sich heute früh das Eis auf fließenden Gewässern. DieBaumblüthe, soweit sie entfaltet gewesen, ist vernichtet, wen» nicht geschützte Lage zilstatten kam; im Freien stehende Oleander- und Fei genbäume sind erfroren. Anch in den Gärten wird Vieles durch den Frost gelitten haben; hat doch sogar im Forste eine junge Ahornsaat erheblichen Schaden genommen. Paris, 6. April. Großes Erstaunen erregte hier der unerwar tete Widerstand in England gegen den Kanaltnnmlplan. Die in- und außerhalb des Parlaments aufgeworfenen Einwendungen gegen die Vollendung des Tunnels werden hier der ernsten Ueberlegung für unwürdig und als Ausdruck einer vorübergehenden nervöfen Ver stimmung angesehen. Die „Temps" argnmcntirt in einem Artikel fo: Wenn eine der beiden Nationen Ursache hat, die Existenz eines unter seeischen Schienenwegs, welcher beide Lände verbünde, zu fürchten, so ist cs Frankreich viel mehr als England. Im Fall eines unglücklichen Krieges müßte den französischen Truppen der Eingang des Tunnels abgeschnitteu sein, oder eine angreifende Großmacht möchte es für nütz lich erachten, das französische Ende des Tunnels unter englischen Schutz zu stellen. Fürst Bismarck würde dies 1871 mit Vergnügen gethan haben, wenn damals der Tunnel schon existirt hätte. Frankreich ist bereit, auf welche Art es auch fei, das Risiko des Unternehmens zu wagen und die „Temps" drückt im Folgenden ihre Hoffnung dahin aus, daß die öffentliche Meinung in England zu ähnlichen Betrach tungen kommen möge. „Die Agitation wird noch eine Zeit dauern, den» gut Ding will Weile haben, aber über kurz oder lang, wenn Frankreich gegen den Tunn-lban opponiren würde, so würde England sicher die Vorhand haben wollen. Heutzutage kann gedankenloser und übertriebener Patriotismus die Fortschritte der Civilisation und die wahren Interesse» der Nationen nicht mehr aufhalten." Das neuere Unterrich tsgefetz in Frankreich führt den Schul zwang ein und schließt den Religionsunterricht ans. Wer seinen Kindern letzteren will ertheilen lassen, muß es auf eigene Kosten thun. Ueber diese aus dem Volkswillen hervorgegaugenen Maßregel sind natürlich die Klerikalen äußerst erbittert, so daß cs scheint, als ob der Cultur- kampf, der bei uns seinen: Ende ziigeht, drüben bei den Franzosen entbrennen wolle. Andererseits läßt sich auch wieder große Zurück haltung verspüren, da ei» Theil der klerikalen Presse „Abwarten" kvmmandirt. Das französische Kabinct nimmt eine sehr entschlossene Haltung an und hat schon das Wort Budgetmaßregcln fallen lassen, was sich im Deutschen etwa anhört wie Gehältersperre. Und das Geld regiert auch in Frankreich die Welt. Es ist der Regierung zu Ohren gekommen, daß der Erzbischof von Tours von der Kanzel herab gegen das neue Schulgesetz, welches, wie er sagte, den christ lichen Unterricht in den Schulen unterdrücke, protestirt und eine Samm- liing zur Gründung vom Staate uiiabbängiger katholischer Volksschulen eröffnet hat. Der „Patrie" zufolge hat der Erzbischof von Paris heute ei» Rundschreiben an die katholischen Schullehrer seiner Diözese erlasse», j» welchem er sic auffordert, allen Verbote» »»d Strafantrag der Behörden zum Trotz den ihnen anvertrautcu Kindern auch ferner Religionsunterricht zu ertheilen. „Es ist mehr als wahrscheinlich", fügte die „Patrie" hinzu, „daß die meisten französischen Bischöfe diesem ebenso kühnen als geschickten Beispiel des Kardinals von Paris folgen werden." — Nach der „Korr. Havas" hat die Regierung alle Maß regeln getroffen, um sicher und rasch über alle Versuche des Wider standes oder der Aufreizung gegen das Schulgesetz benachrichtigt zu werden. Der allgemeine Römische Arbeiterverband zu gegenseitiger Unter stützung, dessen Ehrenpräsident König Humbert von Italien ist, hat in seiner Generalversammluiig den Volksmann Schulze-Delitzsch zum Ehrenmitgliede ernannt. Das vom 2. März datirte Diplom lautet: „Hermann Schulze-Delitzsch, der siegreiche Vorkämpfer i» Deutsch land für den genossenschaftlichen Credit, welcher die Interessen der Arbeiter vom Wucher befreite vermittelst weiser Sparsamkeit, ist durch die Generalversammlung vom 22. Nngnst 1881 ernannt worden zum Ehremnitgliede." Schulze-Delitzsch erfreut sich immer mehr des Ruhmes, eine neue Form für den Credit statt der Aktiengesellschaften erdacht und glänzend durchgeführt zu haben. Der Panslavismus in Rußland setzt zuächst die Schneider in Nahrung. Der Kaiser in Gatschina hat sämmtlichen Herren und Damen am Hofe befohlen, ihre deutschen und französischen Kleider abzulegen und natiomfl-russifche Gewänder zu tragen. Auch die Diener und Beamten hängen Frack und Gehrock in den Schrank und tragen den Kaftan. Die ächt russischen Standes- und Amts-Titel folgen nach. Was aber schwerlich abgeschafft werden kann — hat's doch nicht einmal der eiserne Zar Nikolaus dahin gebracht — ist der Diebstahl und die Bestechlichkeit der Beamten und Militärs zu Wasser und Land. So eben wieder werden ans dem russische» Geheim-Archiv der letzten Jahre und Jahrzehnte Beispiele von Unterschlagungen im größte» Stil veröffentlicht, die alles Maß übersteigen. Namentlich bei den Liefer ungen aller Art im Krieg gings schrecklich zn. Die Fabrikanten, Liefe ranten, Intendanten und Behörden theilten sich brüderlich in die er gaunerten Millionen — und die Soldaten darbten oder kriegten ver faultes Zeug. Die krassen Beispiele werden auch von den offiz. Ber liner Zeitungen mitgetheilt, die heute noch nicht gern den Russen etwas am Zeuge flicken. Im südlichen Rußland sind abermals Judenverfolgungen im großen Maßstab ausgebrochen. Die Zahl der in letzter Zeit aus Moskau verwiesenen Juden übersteigt fünf Tausend. Vaterländisches. — Die Truppenparade aus Anlaß des Geburtstags Sr. Maje stät des Königs findet am 23. d. M. voraussichtlich in der Mittags stunde ans dem Alannplatze statt. Se. Majestät der König Albert besichtigen die Truppen der Residenz und die Großenhainer Husaren, die Freiberger und Meißner Jäger, sowie die Artillerie aus Pirna. Es werden zwei Treffen formirt. Die ganze Parade kvmmandirt Se. Exzellenz Generallieutenant von Hausen, das 1. Treffen Generalmajor von der Decken, das 2. Treffen Generalmajor von Schönberg. — Ein füchsifches Turnfest soll in diesem Jahre abgehalten werden. Chemnitz will dasselbe für den Sedantag übernehmen und hat demgemäß auch schon die nöthigen Feldgrundstücke zu einem Festplatze in Pacht genommen. Einige größere sächsische Turnvereine, wie die zu Leipzig, Zwickau rc. wünschen aber, daß das Fest wohl in Chemnitz, jedoch an einem früheren Tage abgehalten werde. Der Turntag hat über die Zeit des Festes entgiltig zu entscheiden. Die sächsischen Turu- vereinsmitglieder, 36 636 an der Zahl, wurden auf dem Zwickauer Turntage durch 66 Abgeordnete vertreten. Au der Spitze derselben steht als Krcisvertreter der Direktor der k. Turnlehrerbildungsanstalt zn Dresden, Bier, unter dessen Leitung das sächsische Turnvereinswesen einen sehr erfreulichen Aufschwung genommen hat. Sachsen enthält fast den fünften Theil aller deutschen Turner, deren Zahl 186 514 beträgt. — Die Kirche zu Schönau bei Leipzig ist behördlich geschlossen und die Abhaltung des Gottesdienstes in derselben bis auf weiteres untersagt worden. Der Schwamm ist im Holze des Thurmes, welcher vor noch nicht fünf Jahren ncugebaut worden ist. Es ist dies, schreibt das „L.-Pl. Wchbl.", ein schwerer Schlag für die arme Gemeinde; bekanntlich erhielt dieselbe seinerzeit 30 000 Mark von der Ritterguts - Herrschaft zum Bau geschenkt, wovon 18 OM für denselben verbraucht wurden, und es ist sehr fraglich, ob diesmal die Sache sich wieder auf so bequeme Weife erledigen wird.