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obgleich die letzte konzentrische Aktion der Oeslerreicher nur theilweise erfolgreich, erscheint der Aufstand doch am Anfänge des Endes zu stehen. Gegenwärtig findet zwischen den Kabinetten ein lebhafter Verkehr wegen Egypten statt. Der französische Botschafter Duchatel hatte in den letzten Tagen wiederholt Besprechungen mit Graf Kalnvky. Der Berliner Arbeiterverein richtet cm den Fürsten Bis marck eine Adresse folgenden Inhals: „Angesichts des allgemeinen wirthschaftlichen und sozialen Nothstandes in allen Ländern, die unter dem Drucke der Militärlast seufzen, und überzeugt, daß nur die über mäßig großen stehenden Heere diesen Nothstand verschulden, richtet der „Berliner Arbeiterverein" an Ew. Durchlaucht die Bitte, Ihren Einfluß im europäischen Konzert nach der Richtung geltend zu machen, daß eine Verminderung derLasten des bewaffneten Friedens erzielt werde, bevor die Staaten darüber zu Grunde gegangen sind. Die Wehrhaftigkeit und Kriegsbereitschaft soll nicht verringert werden. So lange im Verhältniß der Staaten zu einander das Faustrecht herrscht, ist das nicht möglich. Aber wird die Kriegstüchtigkeit nicht durch Aufbrauchung der zum Kriegsühren nöthigen Mittet während des Friedens in Frage gestellt? Würde nicht durch eine militärische Erziehung der Jugend, wie sie in der Schweiz schon eingesührt ist, eine Herabsetzung der Dienstzeit und eine Verminderung des stehenden Heeres, ohne daß dadurch der Kriegstüchtigkeit Abbruch geschähe, er zielt werden können? Wir bitten Ew. Durchlaucht, diese Fragen er wägen, und ihren mächtigen Einfluß in der diplomatischen Welt auch zur Herbeiführung einer allgemeinen Abrüstung geltend machen zu wollen. Hamburg, 22. Februar. Was der hiesigen Fortschrittspartei die letzten Reichstagswahlen gekostet haben, geht aus der Ab rechnung für 1881 hervor; darnach wurden vereinnahmt 43,OM M., die bis auf 1000 M. zu den fünf Wahlgängen verwendet worden sind. Daß man im heutigen Rußland dem Zar gegenüber unverschämt sein kann, das beweist unter Anderm ein Brief des Metropoliten von Moskau, in welchem er den Kaiser Alexander III. beschwört, Gatschina zu verlassen und sich dem Volke zu zeigen. „Die Fei^eit", schreibt der bissige Metropolit, „ist den nationalen UeberlieferMrgen zuwider, welche die russischen Souveräne stets beobachtet haben. Ein russischer Kaiser muß sich mit fähigen Ministern umgeben und stark genug sein, um regieren zu können, ohne sich vor seinem Volke zu verstecke,:." Es heißt, der Zar habe, nachdem er diesen groben Brief gelesen, den Generalprokurator Pobedonoszeff rufen lassen und ihn gefragt, ob man den Metropoliten nicht adsetzen könne. „Ja wohl, soll der fromme Generalprokurator der heiligen Synode erwidert haben, „aber nur mit Zustimmung der Generalversammlung aller Erzbischöfe, die in der heiligen Synode fitzen." vaterländisches. Wilsdruff. Gesangsfreunden wird nach einer Anzeige in heu tiger Nummer unseres Blattes nächsten Sonntag wieder einmal Ge legenheit geboten, hervorragende Kräfte aus der Residenz zu hören. Nach uns vorliegenden Dresdner Blättern haben die im betreffenden Inserat Genannten in den letztverfloffeneu Wochen bei stattgefundenen Opernabcnden im König!. Konservatorium mit Erfolg gesungen, sowie solche auch in den ersten Gesellschaften der Residenz durch ihren Gesang sich Anerkennung errungen haben, was sicherlich bei ihrem hie sigen Auftreten auch der Fall sein wird. — Heute Dienstag findet die Eröffnung der Dampfschifffahrten zwischen Dresden, Meißen, Riesa und Strehla statt. — Dresden. In der Nacht zum 24. d. M. starb hier im 91. Lebensjahre Se. Exz. der General der Infanterie a. D. Graf Albrecht von Holtzendorff. Derselbe war seit dem 10. Nov. 1853 verab schiedet und lebte seitdem in Dresden. — Wie ein öffentlicher Beamter durch Eifer in seinem Berufe, strenger Pflichterfüllung, Gerechtigkeit und Fürsorge für seine Unter gebenen die Liebe und Hochachtung in wenig Jahren erlangen kann, zeigte sich in herrlicher Weise am 22. d. M., an welchem Tage der Bezirksschulinspektor des Bezirks Dresden-Land, Herr Schulrat!) Dr. Hahn in Dresden, sein silbernes Ehejubiläum feierte. Gemeinden, die meisten Schulvorstände des Bezirkes, eine großes Anzahl der Herren Geistlichen und die Lehrer des Schulbezirks, ja, selbst die Stadt Burg städt und Umgegend, in welcher der Jubilar lange Jahre als Direk tor einer Privatschulanstalt thätig war, suchten ihm diesen Tag zu einem rechten Freudentage zu machen. Daß dabei die Werthschätzung auch in Geschenken sich kundgab, ist leicht zu errathen. Blumentische, Blumenkörbchcn, silberne und porzellanene Gegenstände, Bilder, Votiv tafeln, Uhren, Teppiche u. a. m. hatte man dem Jubelpaare verehrt. Am Nachmittage brachten circa 250—300 Lehrer des Bezirks eine Ovation, woran sich ein kurzes Beisammensein im Restaurant Renner im Vereine mit dem Herrn Jubilar anschloß, bei dem sich recht deut lich zeigte, daß ein herrliches Band der Liebe, des Vertrauens und der Hochachtung diese mit ihrem Vorgesetzten umschlingt, waS der Schule, der Jugend und den Gemeinden zum Segen gereichen muß. (Sächs. Dorfz.) — Tharandt. Die Studirenden der Forstakademie brachten am 22. Februar dem Professor Weißwange, der in nächster Zeit Tharandt verlassen wird, um eine Stelle als Oberforstmeister des Marienberger Reviers anzutreten, einen Fackelzug. Seit 1874 hat Professor Weißwange nicht allein als Lehrer sich allseitige Hochach tung erworben, sondern auch in seiner Stellung als k. Revicrverwatter sich durch seinen liebenswürdigen Charakter eine freundliche Erinner ung für Tharandt gesichert. — Leipzig. Im alten Schützenhause werden jetzt durch den neuen Besitzer, Kaufmann Berthold, Umgestaltungen und neue Anlagen vorgcnommen, deren Großartigkeit und Pracht den höchsten Erwar- tuugen entsprechen und die muthmaßlich schon zur bevorstehenden Messe dem Publikum zngängig sein werden. Den bisherigen weitbekannten Namen des Schützenhauses, welchen es seit fünfzig Jahren führt, wird dasselbe verlieren. Mit Hinsicht auf die neuen Bauanlagen im alten Schützenhause erhält dasselbe, mit Eintritt der Benutzung in allen seinen Theilen, wahrscheinlich schon zur bevorstehenden Messe, den Namen Kry st allpal ast. — Aus Frauenstein schreibt das „CH. Tgbl.": Am vorigen Sonntag hatte der gewaltige Schneesturm solche Schneemassen auf der Klingenberger Straße bei der sogenannten „Brotkappel der Schneeaus- werfer" angehäuft, daß die abends 11 Ubr von Klingenberg hier ein treffende Post nicht vermochte durchzukommen. Es mußte deshalb das ankomMnde Postgut in jener obengenannteirStraßenbiegung abgeladen und mittelst Handschlittens nach hiergebracht werden. Der Wagen kam erst am andern Morgen an, nachdem der Schnee ausgeworfen war. Am nächsten Tage war der Schnee schon wieder weggethaut und die eintägige Schlittenfahrt vorüber, Unter Stürmen. Novelle von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Zwei Höfe", „Schein und Sein" re. (Fortsetzung.) Als Ottomar seine Besinnung zurückerhalten, hatte er sogleich nach seinem Vater gefragt und sich gewundert, warum derselbe noch nicht hier erschienen sei und ihn abgeholt habe. — „Weil ich es nicht will", war daun die trotzige, finstere Antwort des Wildschützen ge wesen. Ottomar verlegte sich später auf Bitten und Versprechungen und mit ebenso weuig Erfolg. Er mochte dem Alten immer aus malen, daß ihn der Graf glänzend belohnen werde, wenn er ihm den Sohn zurückbringe. Franz lachte dazu nur wild und höhnisch und je mehr ihn der junge Herr bestürmte, je trotziger wurde der Alte. „Sei still!" herrschte er ihm dann gewöhnlich zu . . . „Wenn ich einmal meine schlimme Stunde bekomme, dann bist Du geliefert. Dein Vater hat mich verfolgen und Hetzen lassen wie ein wildes Thier und nicht eher Ruhe gehabt, als dis er mich auf ein ganzes Jahr zum Sitzen gebracht. Er soll auch ein ganzes Jahr lang auf seinen Sohn warten. So lange bleibst Du in meinen Händen, nicht eine Stunde eher kommst Du frei!" und Kohlert stieß ein so hölinisches Lachen aus, daß es kaum zweifelhaft ließ, er werde, wenn es irgend in seiner Macht stehe, diese Drohung wahr machen. Und wie wußte er den jungen Mann zu quälen, je mehr sein Zustand sich kräftigte und er solche Gemüthsaufrcgungen zu ertragen im Stande war! — Nun malte ihm der Alte mit wahrhaft ausge suchter Bosheit die Angst und Sorge des Vaters aus, der über das Schicksal seines Sohnes noch immer nicht die mindeste Nachricht habe. „Sichst Du, der wird bezahlt für seine Niederträchtigkeit. Dem wird es sein Lebtag nicht mehr einfallen, dem Kohlert das Handwerk zu legen. Der soll an den nichtswürdigen Wilddieb denken, so lange er ein Ange im Kopfe hat." — Vergeblich legte sich Ottomar auf's Bitten. Er beschwor Franz himmelhoch, nur eine einzige Zeile von seiner eigenen Hand auf irgend einem Wege dem Grafe heimlich zustellen zu lassen, damit der Aermste wenigstens erfahre, daß sein Sohn noch lebe. Der Alte blieb uner bittlich. „Nein", war seine entschiedene Erklärung, „er mag immer seinen Sohn als todt beweinen, diese Strafe muß er bekommen; wenigstens sieht der große stolze Herr einmal, daß er nicht allein auf der Welt ist und auf unseren Köpfen herumtanzen kann." Wohl hatte Kohlert mit unermüdlicher Sorgfalt die Wunde des jungen Grafen zu heilen gesucht; aber er schien eine wahrhaft diabo lische Freude darin zu finden, jetzt Ottomar seelische Wunden zu schlagen, in denen er schonungslos herumwühlte. Wie gern erzählte er ihm von der grenzenlosen Verzweiflung seines Vaters und der Großmutter, wie der Graf auf die Entdeckung seines Sohnes einen hohen Preis gesetzt habe und der Wilddieb stieß dann wieder sein höhnisches Gelächter aus, das dem jungen Manne durch das Herz schnitt, wenn er triumphirend hinzusetzte: „Und Niemand hat eine Ahnung davon, daß das hochgeborene junge Grüslein jetzt in meiner elenden Hütte liegt und von meiner Barmherzigkeit abhängt." Erst vorgestern war Franz in sreudigster Aufregung nach Hause gekommen und hatte Ottomar mit wilder Schadenfreude berichtet: „Heut' habe ich Deinen Vater gesehen. Ich hätte ihn kaum wiedcr- erkannt, so tief trägt er den Kopf zur Erde, den er früher nicht hoch genug tragen konnte." „Mein armer Vater!" jammerte Ottomar und er hatte Mühe, die Thränen zu verbergen, die ihm unaufhaltsam in's Auge trete» wollten. „Er sah ganz jammervoll aus", fuhr der Alte mit unerbittlicher Grausamkeit fort, „man merkt's ihm doch an, daß ihn die Geschichte an der Seele packt." Der junge Graf vermochte diese Tortur nicht länger auszuhalten. Er richtete sich mit einer gewaltsamen Bewegung im Bette auf und rief händeringend: „Barmherzigkeit! Tödtcn Sie mich auf der Stelle, aber enden Sie diese namenlose Qual!" „Warum sollte ich das?" lachte der Riese. „Hat mir ja Mühe genug gekostet, Dich so weit wieder zusammenzuflicken und wenn Du Dich ruhiger verhieltest, wärst Du schon ganz geheilt." „Mann, hast Du denn gar kein Herz in der Brust?" fragte Ottomar verzweifelt. „Ahnst Du denn nicht, daß Du mir jeden Tag den schärfsten Dolch in die Brust stößest und immer von Neuem in meinen Wunden herumwühlst. O, übe endlich Barmherzigkeit! So Schlimmes ist Dir ja nicht von meinem Vater widerfahren, daß Du Dich so furchtbar von ihm bezahlt machst!" „Nichts Schlimmes?!" höhnte Kohlert. „Nein, nein, Du hast ganz Recht. Was ist es denn schlimm, wenn so ein armer Kerl wie ich einmal ein Jahr lang sitzen muß, das Lumpenpack ist ja an Alles gewöhnt, aber wenn ein hochgeborner reicher Graf einmal ein Bischen gezwiebelt wird, dann ist cs furchtbar und gar nicht zum Aushalten. Denn für Euch nur sind alle Leckerbissen da, alle Herrlichkeiten der Welt; Ihr habt das Vorrecht, Euer ganzes Leben lang glücklich zu sein; wir Andern können hungern und darben, vom Schicksal unser Lebtag verfolgt werden, da ist es nichts. Wir haben ja ein dickes Fell!" Ottomar war bereits, seitdem er sich in den Händen dieses rohen, wüsten Menschen befand, an solche Reden gewöhnt, die immer wieder kamen und die am besten bewiesen, wie tief der Klasfenhaß dieses Maunes gegen die bevorzugte Minderheit ging. Wäre die geistige Spannkraft des jungen Grafen durch seine schwere Krankheit nicht gelähmt gewesen, dann hätte er trotz alledem zu solchen Redensarten heimlich gelächelt und gedacht, daß Franz Kohlert jeden Augenblick als sozialistischer Apostel in die Welt treten könne; so aber machten diese immer wiederkehrenden Gedanken aus ihn einen fast unheimlichen Eindruck und wie er sich dagegen auch innerlich zur Wehre setzte, oft mußte er sich gestehen, daß darin doch irgend eine Wahrheit liege, wenn auch von wilder Leidenschaft verzerrt. „Mein Vater Hal nichts gethau, daß sie ein Recht hätten, ihn so zu Haffen, er hat nur sein Eigenthum geschützt und Sie würden an seiner Stelle ebenso gehandelt haben", hatte Ottomar auf den heftigen Ausbruch Kohlerts zu entgegnen gesucht. „Ah, damit kommen Sie mir auch, junger Freund! Das ist nicht hübsch von Ihnen!" höhnte Franz. „Wenn ich Jemandem ein Pferd oder eine Kuh aus dem Stalle führe, da bin ich ein nichtswürdiger Spitzbube, denn der Mann hat sein Vieh mit schwerem Gelde bezahlt und gefüttert. Aber das Wild gehört Niemandem, das habt Ihr nicht zu füttern und wem es gerade in den Weg läuft, der kann es weg schießen." Der junge Graf hielt eS nicht der Mühe Werth, mit dem Alten über diese gangbaren Wilddiebsansichten zu streiten; er wußte doch,