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— Auf der Eisenbahnstrecke zwischen Pirna und Königstein wurde am Mittwoch Abend ein Bahnwärter durch einen Kourirzug überfahren und sofort getödtet. Die Leiche des Verunglückten war so entstellt, daß man Mühe hatte, die Persönlichkeit festzustellen. — Als man sich vor wenigen Tagen in Strahwalde anschickte, di« noch stehenden Thumreste abzutragen, stürzten dieselben Plötzlich zusammen und zwar in der Richtung auf die Kirche, wodurch das Kirchengebäude und die innere Einrichtung, namentlich die Orgel, so wie der Kronleuchter bedeutende Beschädigungen erlitten haben. Men schen sind aber zum Glück auch bei diesem Nachsturze nicht verletzt worden. — Pulsnitz. Die hiesige Stadt durchläuft ein eigenthümliches schauriges Gerücht. Vor mehreren Jahren verschwand der etwas leichtsinnige Sohn eines hiesigen Einwohners. Niemand erfuhr, wohin er sei. Jetzt tritt die Behauptung auf, der Sohn wäre von seinem Vater umgebracht und an einem bezeichneten Orte seines auf hiesiger Schießgasse gelegenen Grundstückes verscharrt worden. Die Untersu chung ist eingeleitet. Wenn Jemand auf fremden Grund und Boden baut und es wird von dem Eigenthümer des Grundstücks nicht sofort nach der Kenntnitz der Fortsetzung des Baues widersprochen, so muß der Eigen thümer sich nach Allgem. Land-Recht mit der bloßen Entschädigung für den Grund und Boden genügen. Er muß in diesem Falle dem Bauenden aber nicht nur den Baugrund überlassen, sondern auch solche Grundflächen, welche mit den Gebäuden zwar nicht äußerlich Zusammen hängen, aber für den Gebrauch derselben unentbehrlich sind. Entschei dung des Reichsgericht vom I. April d. I. Verschlungene Jahnen. Zeitroman von Ferd. Kießling. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Dreizehntes Kapitel. In der Residenz war Jahrmarkt. Schaaren von Landleuten strömten von allen Seiten in die Stadt und drängte sich durch die Budenreihen. Hier stand ein Trupp herumziehender Musikanten, lustige Weisen aufspielend, überall herrschte ein ungemein buntes Treiben. Vor einer Kleiderbude standen zwei Männer und prüften die zur Schau gestellten Anzüge. Es waren zwei Gäste aus dem lustigen Zecher, der Pastorfriedel und Matthes. „Sieh," sprach der Erstere, „da will ich doch gleick einen Kauf machen, denn Teufel, ein neuer Ueberzug kann meinem Korpus nichts schaden." „Recht so, Friedel," entgegnete der Andere. „Was kostet der Rock?" fragte Friedel den Verkäufer. "O'». u Ihnen billig — es ist ein feiner Stoff und treffliche Arbeit, ganz modern —" „Nun, was kostet er?" „Na, Sie sollen ihn für den Selbstkostenpreis haben, geben Sie zehn Thaler." Friedel feilschte nicht lange. Er besah sich den Rock noch einmal, probirte ihn dort gleich an und sprach: „Nun, Matthes, paßt er?" „Donnerwetter, man glaubt, er sei Dir angemessen." Auch der Verkäufer erging sich in langen Worten über das treff liche Passen, und Friedel langte in die Tasche und warf gleichzeitig den geforderten Preis auf den Verkaufsstand. „Werde ihn gleich auf dem Leibe behalten," sprach er, „was meinst Du, Matthes?" „Ganz gut! — Doch komm, mir ist die Kehle verdammt trocken geworden, laß uns Eins trinken." „Soll ich ihnen den alten Rock einschlagen?" fragte der Verkäufer. „Wäre schade ums Papier," lachte abgehend Friedel, werft ihn m die Lumpen." Ein lustiges Lied sumniend, schritten Beide durch die Budenreihen einer nahen Restauration zu. Sie hatten nicht bemerkt, daß zwei Männer sie scharf beobachten und ihnen scheinbar ganz zufAIig folgten. Während der eine dieser Männer den beiden Kumpanen nachging, trat der Andere zu dem Verkäufer. „Mein Herr," sprach er, ein Zeichen aus der Tasche ziehend, ich bin Polizeibeamter, wollen Sie mir den Rock zeigen, den der Käufer hier zurückgelassen hat?" „Gewiß," sagte erschrocken der Händler, „hier ist er." Der Beamte sah sich den Rock an. „Er ist nichts werth," sprach der Verkäufer. „Für mich doch!" entgegnete mit siegesgewissem Lächeln der Be amte. „Ich werde den Rock mitnehmen und bitte Sie, sich behufs etwaiger Ansprüche morgen im Polizeiamte beim Herrn Kommissar zu melden." Rasch eilte er mit dem sorgfältig eiugepackteu Rocke seinem Begleiter nach, und bald sah er diesen an der Thür des Hauses, in welches die beiden Verfolgten eingekehrt waren. „Kollege," flüsterte er diesem zu, „Wills Gott, so sind wir den Schurken auf der Spur und der Preis ist unser!" „Wie," rief der Andere, „märs möglich?" „Ich hoffe es! Laß sie nicht aus den Augen, ich hole eine Patrouille und bin bald wieder hier." Rasch war er mit seinem Packet in der Menge verschwunden. Noch war keine Viertelstunde verstrichen, so gewahrte der Wachende den Polizei-Trausportwagen und vier Gensdarmen, wenige Augen blicke darauf hielt der Wagen vor der Thür des Hauses. „Sind Sie noch hier?" fragte der Erstere. „Gewiß!" „Nun denn, Achtung meine Herren! Sie wissen, es sind gefährliche Burschen." Friedel und Matthes saßen noch lustig und guter Dinge beim vollen Glase, als ein Geheimpolizist und ein Gensdarm auf sie zu schritten. „Meine Herrn, Sie sind beide Arrestanten!" sprach ruhig der Geheimpolizist, indem er die Hand auf die Schulter Friedels legte, während der Gensdarm dasselbe mit Matthes that. „Oho!" riefen Beide fast zugleich, „darf man denn wissen weshalb?" „Wir haben nur den Auftrag, Sie an Polizeistelle zu sistiren, das Uebrige geht uns nichts an. — Bitte, vermeiden Sie alles unnöthige Aufsehen und folgen Sie uns." „Dem Geheimpolizisten entging es nicht, wie Friedel seinem Ge fährten einen vielsagenden Blick zuwarf, er gab deshalb seinem an der Thür stehenden Kollegen einen Wink und bald darauf erschiene" noch zwei Gensdarmen, welche die Arrestanten an den Armen erfaßten und aus dem Zimmer nach dem hier harrenden Transportwagen führten. Beide wurden in dem aus drei Abtheilungen bestehenden Wagen getrennt, so, daß Friedel in dem vorderen, Matthes dagegen in dem Hinteren platzirt wurden, während der Geheimpolizist, etwaige Ver ständigungsversuche zu vermeiden, in der mittleren Abtheilung selbst Platz nahm. Bald darauf rollte der Wagen, von der gaffenden Menge ange staunt, dem Polizeiamte zu. Eine Stunde darauf saßen Beide mit Handschellen versehen und von einander getrennt in dem Gefängnisse. Die Arretur war ohne sonderliches Aufsehen von Statten gegangen, und da in dem bewegten Lokal meist Jahrmarktsbesucher verkehrten und auch der Wirth die beiden Verhafteten nicht kannte, so glaubte man, daß diese ein paar Markt- oder Taschendiebe seien. Auch im „lustigen Zecher" hatte man nichts erfahren, und als am Abend Friedel und Matthes ausblieben, nahm man dort an, daß sie sich auf dem Markte einen Rausch angetrunken, oder in andere lustige Gesellschaft gerathen seien. Schon am nächsten Morgen wurden die Angeklagten einzeln vor geführt, und der Polizei-Präsident wohnte dem ersten Verhöre selbst bei. Zuerst kam Friedel an die Reihe. Nachdem die Generalfragen nach Namen, Stand, Alter re. vor gelegt und beantwortet worden waren, begann der Präsident: „Sie sind verdächtig, an den Raubanfällen und Einbruchsdieb stählen, die in der letzten Zeit die Residenz beunruhigt, Theil genom men zu haben." „Ich kann's leider nicht ändern, wenn Sie mich für diesen Ver brecher verdächtig, einsperren lassen; indessen ich weiß von begangenen Verbrechen gar nichts." „Sie haben gestern auf dem Markte einen neuen Rock gekauft, wie find Sie in den Besitz des Geldes gelangt?" „Hab' mir's erspart!" antwortete er frech. „Sie hatten aber seit langer Zeit keine Arbeit, wie konnten Sie sich da soviel Geld sparen, denn bei Ihrer Verhaftung fanden sich weitere sechszehn Thaler bei Ihnen vor." „Das Geld habe ich seit langer Zeit schon gehabt; die Summe war erst größer, und ich habe nach und nach davon zugesetzt." „Sie haben bei dem Kaufe des neuen Rockes Ihren alten dort gelassen, warum?" „Weil ich ihn nicht mehr brauche." „An Ihrem Rocke fehlt ein Knopf," fuhr der Präsident, ihn scharf fixirend, fort, und auch ein Stück des Stoffes ist an dieser Seite herausgerissen." „Das kann sein." „Bei der Lokal-Besichtigung in dem Hause des beraubten Aron wurde nun merkwürdiger Weise ein Knopf mit einem Stück Zeug gefunden, der genau an jene Stelle Ihres Rockes Paßt." Friedel stutzte einen Augenblick. „Dem Präsidenten entging es nicht, daß die Farbe seines Gesichts plötzlich wechselte, und auch seine Stimme war merklich unsicher, als er entgegnete: „Das wird wohl ein Jrrthnm sein." „Das aufzuklären, ist Sache des Gerichts, dem Sie morgen über geben werden. Ich bemerke nur, daß das Leugnen Ihnen wenig helfen wird, und daß Sie dadurch Ihre Strafe nur erhöhen werden." Friedel jedoch blieb beim Leugnen. Der Präsident legte ihm vergebens noch einige Fragen vor, und da alle Versuche, ihn zum Geständniß zu bringen, umsonst waren, wurde er in sein Gefängniß zurückgeführt. (Fortf. folgt.) Vermischtes. * Die Frauen der Parsen (Feueranbeter). Die weibliche Gestalt in Indien erhält ungefähr in dem Alter von 14 Jahren die Vollen dung der schönsten Reise; gewöhnlich verheirathet man sich noch früher. Die Frauen der Parsen sind meist wunderbar schön, die vornehmeren mit einer Menge von Juwelen und Gold bedeckt. Sie werden mit großer Achtung behandelt, spielen in den öffentlichen und Privatver- hältnisseu ihrer Ehemänner eine wichtige Rolle, gehen unverschleiert und sind in ihrer Persönlichen Freiheit durch nichts beschränkt, als was ihnen Zartgefühl und die Sitte ihrer Mütter gebietet. In Beziehung auf die Ehe sind die parsischen Gewohnheiten auf ein glückliches Familien leben berechnet, und sie sorgen für die Bewahrung der Keuschheit so entschieden, daß der Ruhm dieser Kaste darin besteht, keine treulose Frau zu haben und jede Zügellosigkeit unter ihren Töchtern zu ver meiden. Jede Abirrung von der Tugend bestrafen sie mit dem Tode, indem sie der Schuldigen einen Dolch und einen Giftbecher darreichen worunter sie wählen muß. Sie kommt nicht an den gewöhnlichen Begräbnißplatz und ist, wie ihre ganze Familie, gebrandmarkt. — Der Feueranbeter kann nur eine Frau haben. Stirbt sie, so ist ihre Familie verpflichtet eine Wittwe als Ersatz auszufinden; ein junges Mädchen, wie bei uns, darf der Wittwer nicht mehr heirathen. Will er indeß seiner verlornen Frau die Treue bewahren, so zwingt ihn niemand, wieder zu heiratheu. Eben so ist es, wenn der Mann stirbt. Seine Familie muß dann einen Wittwer suchen, wenn sie darnach verlangt. Die parsischen Frauen erhalten alle Vorzüge der Erziehung. Manche unter ihnen lesen, schreiben, spielen auf der indischen Zither und rechnen. Alle öffentlichen Geschäfte werden von den Männern betrieben. Die Frauen erscheinen nicht in gemischter Gesellschaft, sind aber bei wich tigen Vorfällen und in Privat-Verhandlungen mächtige Werkzeuge. Folgender Vorfall diene als Bestätigung der oft angewandten Strenge. Aamma, eine schöne Parsin, liebte einen englischen Obrist, der sie entführen nnd heirathen wollte. Man holt sie ein, und führt die reizende Namma, festlich geschmückt, in eine Versammlung des Stammes. Während sie einer schönen Statue gleich dasaß, näherten sich ihr Mut ter und Großmutter, und sagten, indem sie ihr einen Giftbecher und einen Dolch darreichten: „Wähle von beiden!" — „Lebet wohl, Mutter, Vater! lebe wohl, WeltIflebeHalle wohl!" rief die heldenmüthige Parsentochter, indem sie den Todesbecher ergriff, und leerte ihn bis auf den Grund. Sie bewahrte einen gefaßten, ruhigen Blick, bis ihre schweren Augenlider im Tode sanken. Dann wurde sie entkleidet, in das Todtengewand gehüllt und zur Begräbnißstätte geführt, hier aber nicht beerdigt, sondern von der steilsten Seite des Berges hinab gekollert. * Ein junger Wiener Stutzer rühmte sich in einer Gesellschaft, daß er gar nicht übel singe. „Habens recht", erwiederte ein anderer, „schauns: Sie singen halt nit übel, abers wird einem dabei übel." * Schnee im Juli. Der englische Dampfer „Florence" wurde auf der Fahrt von Hamburg nach Havre am Montag den 24. Juli Morgens 10 Uhr 20 Meilen südwestlich von Dungeneß von einem Schneesturm heingesucht, der zehn Minuten anhielt.