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Konstantinopel, 29. Juli. Die Pforte erließ am 26. Juli folgendes Rundschreiben an ihre Vertreter: „In Verfolg der Mit- theilung vom 24. d. M. beeile ich mich, Sie zu verständigen, daß die Pforte entschlossen ist, von ihren unanfechtbaren Souveränetätsrechten in Egypten wirksamen Gebrauch zu machen und dadurch verzuglos die Wiederkehr der Ruhe daselbst zu sichern, daß siefernerbeschlossen hat, sofort eine genügende Anzahl von Truppen an Ort und Stelle zu senden. Die nöthigen Maßregeln hierzu sind bereits getroffen und diese militärische Aktion ist im Begriffe, ins Werk gesetzt zu werden. Hiervon ist der Minister des Aeußern sofort zu verständigen. Einem Telegramme aus Konstantinopel zufolge wird in fünf spä- ' testens acht Tagen die erste türkische Truppensendung, bestehend aus 10 OM Mann, darunter auch Garden, aus Konstantinopel auf 35 tür kischen Schiffen (darunter Panzerschiffe) direkt nach Alexandrien abge hen. Den Oberbefehl über die türkische Armee in Egypten wird, wie bis jetzt bestimmt ist, dem Feldmarschall Mukthar Pascha, der ja noch aus den siegreichen Schlachten, die er in Asien gegen die Russen ge führt hat, in militärischen Kreisen bekannt ist, übertragen werden. Achmed Mukthar Pascha ergriff Disposition zur Entsendung eines Expeditionskorps von 20 000 Mann nach Egypten in nacheinander folgenden Abtheilungen. Paris, 29. Juli. Die Deputirienkammer hat die Kreditforde rung für die Expedition nach Egypten mit 450 gegen 75 Stimmen abgelehnt. Infolge dieses Beschlusses der Kammer begaben sich die Minister ins Elysee, um ihre Entlassung einzureichen. Der Präsident Grevy bat dieselben, die Geschäfte bis zur Bildung eines neuen Ka- binets fortzuführen. Petersburg, 29. Juli. Die Stadt Solzi im Pleskau'schen Gouvernement, bekannt durch ihren großen Flachshandel, ist durch eine Feuersbrunst zerstört worden. Vaterländisches. — Dresden. Seitdem 7.Juni d. I. wird der hiesige Casernen- inspector Uhlemann vermißt. Allem Anscheine nach ist derselbe irgend wo erkrankt oder verunglückt. Herr Uhlemann, der sich in guten Ver hältnissen befindet, wollte mit dem vergangenen 1. Juli in Ruhestand treten. — Pötsch appel, den 28. Juli. Gestern Vormittag starb die Frau eines hiesigen Obsthändlers, welche, wie dies ungeachtet der viel fachen Warnungen leider noch so oft geschieht, Kirschkerne mit ver schluckt hatte und trotz ärztlicher Hilfe einen schmerzlichen Tod sterben mußte. Ebenso ist uns der Fall bekannt, daß ein Mann in Zaukeroda schon seit längerer Zeit infolge des Verschluckens von Kirschkernen darniederliegt und entsetzliche Qualen ausstehen muß. — Oberblasewitz. Vorgestern war hier großes Morden unter den Bienen. Die Arbeitsbienen, immer je 2—3, schleppten die Drohnen aus den Bienenstöcken, verwundeten sie und warfen sie hinab. Ich zählte gegen IM Leichen an einem Stock. Bienenkundige prophezeien deshalb einen zeitigen Winter, was man jedoch wohl nicht so ernst nehmen darf. Es ist dies Jahr Alles zeitig verblüht und es fehlt den Bienen die reichliche Nahrung, sie schaffen sich deshalb die unnützen Esser vom Halse. — In Eisenberg wird künftigen Donnerstag den 3. August der mit starkbesuchtem Roß- und Viehmarkt verbundene Sommermarkt in gewohnter Weise abgehalten. Bei dieser Gelegenheit sollen im benach barten Moritzburg im Königl. Landstallamte 6 abzuschaffende Beschäler nebst ausrangirten Jnventarienstücken meistbietend öffentlich versteigert werden. — Als am Donnerstag Abend der seit etwa zwei Jahren ver- heirathete Schlossergeselle Dathe von seiner Arbeit in seine in Conne witz bei Leipzig gelegene Wohnung zurückkehrte, fand er seine beiden 2Vr und Vi Jahre alten Kinder im Bette erwürgt vor. Die Ehefrau Dathes, 23 Jahre alt, hatte nachmittags ^6 die Wohnung verlassen und ihren Mitbewohnern gegenüber geäußert, sie gehe nach Berlin zu ihrem Vater, wohin auch ihre Kinder am Morgen bereits gebracht worden seien. Das Auftreten der Dathe bei dieser Gelegenheit soll den Verdacht, daß sie ein Verbrechen begangen habe, lebhaft bestärkt haben, und man theilte dies ihrem Ehemanne mit, bevor er seine Wohnung betrat. Einer aufgefundenen Notiz zufolge ist es unzweifel haft, daß die Mutter ihre beiden Kinder ermordet hat, und es bleibt nicht ausgeschlossen, daß sich die Mörderin ebenfalls das Leben ge nommen haben dürfte. — Zwickau, 26. Juli. Am gestrigen Mittag wurde durch Blitzschlag der Dachstuhl des Wohngebäudes des Gutsbesitzers Johann Ferdinand Ehrig rn Hartmannsdorf bei Werdau in Brand gesetzt. Der Brand wurde alsbald wieder gelöscht, es sind aber durch diesen Blitzschlag von den im Stalle befindlichen Kühen drei Stück getödtet worden. — Schneeberg, 26. Juli. Von einem schweren Schicksalsschlage ist am gestrigen Abend die Familie des Schuhmachergesellen Albert hierselbst betroffen worden. Das 4 Jahre alte Töchterchen Alberts, ein hübsches munteres Kind, wollte mit einem Becher aus einem fast vollständig verdeckten Wasserbottich Wasser schöpfen, da es aber zu klein war, kletterte es am Bottich empor, verlor das Gleichgewicht und stürzte kopsüber in das Wasser. Das Kind war sofort todt; alle unmittelbar darauf angestellten Wiederbelebungsversuche erwiesen sich leider als vergeblich. — Strahwalde bei Herrnhut. Der Thurm der hiesigen Kirche, der schon längere Zeit baufällig war und nächstens abgetragen werden sollte, ist am Dienstag Abend 6 Uhr eingestürzt, glücklicherweise ohne die Kirche zu beschädigen oder sonst jemanden zu verletzen. Nur ein Theil des Thurmgemäners blieb stehen. Die Glocken liegen im Schutt vergraben, der Thurmknopf ist zersprungen. Der ältere untere Theil des Thurmes bestand aus Lehmmauern, der neuere untere Theil aus Kalkmauern. — In Wolkenburg bei Penig steckte am Montag ein im 5. Jahre stehender Knabe, während er mit der im gleichen Alter stehen den Tochter des Gastwirths R. spielte, die Kleidung des Mädchens mittelst eines Streichholzes in Brand. Alsbald stand das Kind in Flammen und erlitt so schwere Verletzungen, daß es Tags darauf verstarb. — Landskron, 23. Juli. Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich vorgestern im Steinbruche bei Dittersbach. Abends zog ein schweres Gewitter heran, vor welchem von den im Steinbruche beschäf tigten Steinmetzergehilfen sechs unter einen Felsen sich flüchteten. Plötz lich ertönte ein Donnerschlag, ein Theil des Felsens löste sich ab, stürzte herab und verschüttete dieselben. Einer der Arbeiter wurde noch an demselben Abend zwar lebend, jedoch lebensgefährlich verletzt, hervorgezogen. Die übrigen fünf wurden erst gestern als zerquetschte Leichen ansgegraben. Drei Arbeiter, welche nicht unter den Felsen flüchteten, kämmen mit dem Schrecken davon. Verschlungene Mahnen. Zeitroman von Ferd. Kießling. (Nachdruck verboten) (Fortsetzung.) „Zu Ihrer Beruhigung kann ich hinzufügen," fuhr der Minister fort, daß das Justizministerium auf Anordnung des Fürsten Einsicht von den Voruntersuchungsacten genommen, und nicht nur diese Angabe grundlos gefunden, sondern auch wichtige Entlastungsmomente Ihres Sohnes erlangt hat, die bisher übersehen worden sind. — So ist unter anderen die Zeit, in welcher die Leiche des Amtsdieners aufge funden worden ist, genau festgestellt; es ist genauen Erörterungen zu folge Nachmittag ein halb drei Uhr gewesen; dagegen behauptet die Wirthin des Gasthoseszu Rothenberg, daß Ihr Sohn bis nach drei viertel auf drei in ihrem Hause gesessen habe." „O, mein Gott! wie danke ich Ew. Exzellenz für diese Nachricht!" rief bewegt der Oberförster. „So wäre unsere Conferenz beendet, Herr Obtlförster, ich freue mich, daß meine Erwartungen nicht getäuscht worden sind. — Auch der Fürst hat mich beauftragt, Ihnen infolge des Unglücks, welches Ihre Familie betroffen, sein inniges Beileid auszudrücken und Sie seines steten Wohlwollens zu versichern. Hoffentlich wird Ihnen Ihr Sohn bald zurückaegeben." „Das gebe Gott!" sprach bewegt der Oberförster. Er war bereits in Begriff, sich zu verabschieden, da kehrte er wieder um. „Exzellenz, ich habe noch eine Bitte!" „Was ists?" „Der Justizrath verweigert mir, meinen unglücklichen Sohn zu besuchen; — könnte ich nicht durch Ihre gütige Vermittelung vielleicht Erlaubniß dazu erhalten?" „Es ist dies eigentlich Sache des Justizdepartements, indessen ich will gern ein Wort für Sie einlegen. Er schrieb einige Zeilen auf ein Blatt Papier, dann zog er die Klingelschnur, und dem eintetenden Diener das Blatt übereichend, sprach er: „In das Justizministerium!" „Behalten Sie inzwischen Platz, Herr Oberförster, die Antwort wird hoffentlich bald eintreffen." Er unterhielt sich hierauf auf das Ungezwungenste mit dem Ober- förster, und kaum mochte ein Viertelstündchen verflossen sein, so kehrte der Diener zurück und überreichte dem Minister etn Schriftstück worauf er sich wieder entfernte. Der Minister las es durch und nachdem er damit fertig, sprach er: „Hier nehmen Sie, möge es nur kurze Zeit dazu dienen, mit Ihrem Sohn zu verkehren." Tiefbewegt nahm der Oberförster das Schriftstück in Empfang, und verließ nach herzlichen Dankesworten das Zimmer. Er hatte noch zwei Stunden Zeit bis zur Abfahrt des ihn zurück zuführenden Zuges übrig, und so beschloß er, dem Juden Aron einen Besuch abzustatten. Bald war er vor dem niedrigen, unscheinbaren Häuschen ange langt. Zu seinem nicht geringen Erstaunen fand er die Hausthür geöffnet und hörte schon in der Hausflur ein leises Wimmern. Rasch trat er ein, und hier bot sich ihm ein erschreckender Anblick dar. Aron lag gebunden mit einem Knebel im Munde auf dem Fuß boden, Kisten und Schränke waren erbrochen und der Inhalt bunt durcheinander geworfen, und das ganze Zimmer bot einen trostlosen Anblick dar. „Heiliger Gott!" rief der Oberförster. „Aron, was ist geschehen?" Rasch hatte er den Knebel beseitigt und hob den erschöpften Greis auf das Sopha. „Habt Ihr etwas Wein, Aron?" Der Jude nickte mit dem Kopfe, deutete auf einen ebenfalls er- brochenen Schrank, in welchem sich mehrere Flaschen befanden. Der Oberföster prüfte deren Inhalt und endlich hatte er das Gewünschte gefunden. Er schenkte ein Glas voll, und flößte es dem Juden ein, aber es dauerte lange, bis er endlich den Hergang erzählen konnte. Endlich begann er: „Er mochte gegen drei Uhr des Nacht sein, als ich durch ein Geräusch an der Hinterthür des Hauses aus dem Schlafe erwachte — vorsichtig erhob ich mich, aber kaum hatte ich den Flur betreten so stürzten zwei maskirte Männer auf mich — und ehe ich noch recht zur Besinnung kam — war ich gebunden — während ein in meinen Mund gepreßter Knebel mir das Hilferufen unmöglich machte. Ich sah vier Männer in meiner Stube, von denen drei Alles durchsuchten, während der vierte bei mir Wache hielt und drohte, mich niederznstoßen, wenn ich einen Laut von mir gebe. — Nachdem das Zimmer durch sucht war, trat ein anderer an den mich Bewachenden heran. „Das Kästchen ist nicht hier!" „Tod und Teufel!" brummte dieser. „Darauf nahm er mir den Knebel aus dem Munde und mir ein langes Wesser auf die Brust haltend, fragte er: „Gesteh, Jude, wo ist das Kästchen mit den Juwelen, auf das du einem reichen Herrn Geld geliehen." „Der Herr hatS zurück geholt!" stammelte ich. „Wo ist dann das Geld?" „Ich antwortete: „ich habe das Geschäft nur für den reichen Salomon vermittelt — dieser hat das ganze Geld." „So sehr sie mich mißhandelten, ich habe nichts gestanden, und so haben Sie — dem Gott meiner Väter sei es gedankt, ohne große Beute abziehen müssen." „Das Kästchen ist also noch in Eurem Besitz?" „Ja." „Und es ist Euch nichts gestohlen worden?" „Meine Tageskasse und einige Silbersachen im Werthe von etwa 250 Thalern sah ich die Schurken einpacken; sonst nichts." „Und habt Ihr keinen der Männer erkannt?" „Nein, sie hatten Masken über den Gesichtern und auch die Stim men waren mir fremd." „Sonderbar!" entgegnete der Oberförster, „wie konnten die Schur ken wissen, daß das Kästchen des Justizraths bei Euch war?"